Fritz von Unruh, Johann Peter Hebel
Der deutsche Schriftsteller und Lyriker Fritz von Unruh wurde am 10. Mai 1885 in Koblenz geboren und absolvierte eine Militärakademie. Als junger Soldat wandte er sich der Literatur zu. Bereits sein erstes, von lakonischem Duktus getragenes Drama Offiziere (1911) über das langweilige Garnisonsleben und den Konflikt zwischen Pflichterfüllung und Freiheitsdrang erregte den Unmut seiner Vorgesetzten – betonte es doch, dass es Fälle gäbe, „wo es Pflicht eines Offiziers ist, zu handeln auf eigene Verantwortung”. Offiziere war ein großer Publikumserfolg. 1913 erschien Unruhs Theaterstück Louis Ferdinand von Preußen; ein Jahr später erhielt sein Verfasser den Kleist-Preis zugesprochen. Im 1. Weltkrieg diente Unruh als Offizier. Wie seinen Bruder Friedrich Franz von Unruh (1893-1986), der ebenfalls Schriftsteller war, ließ ihn die Erfahrung des Krieges zum radikalen Pazifisten werden. In der Erzählung Opfergang (1916) etwa fanden Unruhs Erlebnisse bei der Schlacht um Verdun ihren Niederschlag. Fortan schrieb er zahlreiche Romane und Dramen in einer am ekstatischen Ideal des Expressionismus orientierten Manier. 1932 ging Unruh über Italien und Frankreich (wo er 1940 inhaftiert wurde) ins amerikanische Exil. Nach dem Krieg kehrte er in die Bundesrepublik zurück.
Aus: Opfergang
“Clemens stand auf, als der Hauptmann in die Revierstube kam und den Kellner – „was machst du für Geschichten?“ – begrüßte. Der Kranke konnte nichts anderes hervorbringen als: „Verdun!“ Werner richtete ihm Stroh unter dem Kopf: „Ja, Verdun!“ und sah Clemens an: „Siebenhunderttausend Köpfe und zweihundertfünfzigtausend Pferde am gleichen Strang: Verdun!“ – Aus des Kellners Tasche ragte ein Zettel, er zog ihn heraus und las: „Einhunderteinundzwanzig Kassenverwaltungen, sechsundvierzig Sanitätsformationen, zweihundertfünfundachtzigtausend Wolldecken, dreizehntausend Tonnen Kohle, dreihundertsechsundzwanzigtausendzweihundertundfünfzig Bettsäcke, dreitausend Werkzeuge, Gießkannen, äxte, Hämmer, Essenträger, Löffel, Schöpfer wöchentlich! – Und täglich.“ über des Kellners Kopf strich er hin: „Täglich sechzig Kilometer Stacheldraht, achttausend Nägel, zwei Waggon Wellblech! Ja! Ja, verschlänge er das allein, der Rachen Verdun! Aber die Menschen.“ – Während er das Papier in den Ofen warf, lachte er bitter: „Das verfluchte Papier!“ Clemens sah Werner mit großen Augen an; „haben Mensch, Tier oder Material überhaupt noch Bedeutung?“ – „Nur im Hinblick auf das Gesamtziel, Clemens. Der einzelne biegt oder bricht, nicht wahr, mein Junge?“ Er klopfte den Kellner und verließ – „ich will mit dem Arzt sprechen“ – das Zimmer. Clemens eilte ihm nach, doch als er die Türklinke schon in der Hand hielt, machte er kehrt. „Besser nicht, besser nicht, – eigene Gefühle abschneiden wie Blätterüberfluß zugunsten der Frucht; welcher Frucht? Rot aus der Zukunft leuchtet sie mir.“ Als der Krankenwärter eintrat, ging er, die Hände auf des Kellners Stirn legend, „auch Du sollst von ihr essen“, hinter dem Hauptmann her zu Tisch.”
Fritz von Unruh (10. Mai 1885 – 29. November 1970)
Der deutsche Dichter Johann Peter Hebel wurde am 10. Mai 1760 in Basel geboren, wo seine Eltern im Sommer in einem Patrizier-Haus arbeiteten. Seine Kindheit verlebte er zur Hälfte in der Stadt, zur anderen Hälfte in Hausen im Wiesental (Kreis Lörrach), dem Heimatdorf seiner Mutter Ursula, in dem sein Vater im Winter als Weber arbeitete.Von Förderern finanziell unterstützt konnte Hebel 1774 ins Karlsruher Gymnasium illustre eintreten, das er 1778 abschloss. Nach einem zweijährigen Theologiestudium (1778–1780) in Erlangen trat er eine Stelle als Hauslehrer und Vikar in Hertingen an und wurde 1783 zum Präzeptoratsvikar (Hilfslehrer) am Pädagogium in Lörrach ernannt. Hebel wurde 1791 als Subdiakon ans Karlsruher Gymnasium berufen, was für ihn den Abschied von Südbaden bedeutete. Neben der Lehrtätigkeit am Gymnasium predigte er in Karlsruhe auch gelegentlich bei Hofe, wobei er sich großer Beliebtheit erfreute.1798 wurde Hebel außerordentlicher Professor und Hofdiakon. Hebels literarisches Schaffen begann, von einigen frühen Versuchen abgesehen, etwa Ende des 18. Jahrhunderts. 1799 besuchte er auf einer Reise seine Wiesentäler Heimat. Nach seiner Rückkehr nach Karlsruhe schrieb er in den folgenden beiden Jahren, inspiriert von der Sehnsucht nach seiner Heimat, die „Alemannischen Gedichte“. Hebels zweites bekanntes Werk sind seine Kalendergeschichten, die er für den Rheinländischen Hausfreund verfasste.
Aus: Kannitverstan
“Der Mensch hat wohl täglich Gelegenheit, in Emmendingen und Gundelfingen so gut als in Amsterdam Betrachtungen über den Umstand aller irdischen Dinge anzustellen, wenn er will, und zufrieden zu werden mit seinem Schicksal, wenn auch nicht viel gebratene Tauben für ihn in der Luft herumfliegen. Aber auf dem seltsamsten Umweg kam ein deutscher Handwerksbursche in Amsterdam durch den Irrtum zur Wahrheit und zu ihrer Erkenntnis. Denn als er in diese große und reiche Handelsstadt voll prächtiger Häuser, wogender Schiffe und geschäftiger Menschen gekommen war, fiel ihm sogleich ein großes und schönes Haus in die Augen, wie er auf seiner ganzen Wanderschaft von Tuttlingen bis Amsterdam noch keines erlebt hatte. Lange betrachtete er mit Verwunderung dieses kostbare Gebäude, die sechs Kamine auf dem Dach, die schönen Gesimse und die hohen Fenster, größer als an des Vaters Haus daheim die Tür. Endlich konnte er sich nicht enthalten, einen Vorübergehenden anzureden. "Guter Freund", redete er ihn an, könnt Ihr mir nicht sagen, wie der Herr heißt, dem dieses wunderschöne Haus gehört mit den Fenstern voll Tulipanen, Sternenblumen und Levkojen?" - Der Mann aber, der verwunderlich etwas Wichtigeres zu tun hatte und zum Unglück gerade soviel von der deutschen Sprache verstand, als der Fragende von der holländischen, nämlich nichts, sagte kurz und schnauzig: "Kannitverstan", und schnurrte vorüber. Dies war ein holländisches Wort, oder drei, wenn man's recht betrachtet, und heißt auf deutsch soviel als: "Ich kann Euch nicht verstehen Aber der gute Fremdling glaubte, es sei der Name des Mannes, nach dem er gefragt hatte. Das muß ein grundreicher Mann sein, der Herr Kannitverstan, dachte er und ging weiter. Gassaus, gassein kam er endlich an den Meerbusen, der da heißt: Het Ey, oder auf deutsch: das Ypsilon. Da stand nun Schiff an Schiff und Mastbaum an Mastbaum, und er wusste anfänglich nicht, wie er es mit seinen zwei einzigen Augen durchfechten werde, alle diese Merkwürdigkeiten genug zu sehen und zu betrachten, bis endlich ein großes Schiff seine Aufmerksamkeit an sich zog, das vor kurzem aus Ostindien angelangt war und jetzt eben ausgeladen wurde.“
Johann Peter Hebel (10 mei 1760 – 22 september 1826)
Monument im Hebelpark in Lörrach
Aus: Opfergang
“Clemens stand auf, als der Hauptmann in die Revierstube kam und den Kellner – „was machst du für Geschichten?“ – begrüßte. Der Kranke konnte nichts anderes hervorbringen als: „Verdun!“ Werner richtete ihm Stroh unter dem Kopf: „Ja, Verdun!“ und sah Clemens an: „Siebenhunderttausend Köpfe und zweihundertfünfzigtausend Pferde am gleichen Strang: Verdun!“ – Aus des Kellners Tasche ragte ein Zettel, er zog ihn heraus und las: „Einhunderteinundzwanzig Kassenverwaltungen, sechsundvierzig Sanitätsformationen, zweihundertfünfundachtzigtausend Wolldecken, dreizehntausend Tonnen Kohle, dreihundertsechsundzwanzigtausendzweihundertundfünfzig Bettsäcke, dreitausend Werkzeuge, Gießkannen, äxte, Hämmer, Essenträger, Löffel, Schöpfer wöchentlich! – Und täglich.“ über des Kellners Kopf strich er hin: „Täglich sechzig Kilometer Stacheldraht, achttausend Nägel, zwei Waggon Wellblech! Ja! Ja, verschlänge er das allein, der Rachen Verdun! Aber die Menschen.“ – Während er das Papier in den Ofen warf, lachte er bitter: „Das verfluchte Papier!“ Clemens sah Werner mit großen Augen an; „haben Mensch, Tier oder Material überhaupt noch Bedeutung?“ – „Nur im Hinblick auf das Gesamtziel, Clemens. Der einzelne biegt oder bricht, nicht wahr, mein Junge?“ Er klopfte den Kellner und verließ – „ich will mit dem Arzt sprechen“ – das Zimmer. Clemens eilte ihm nach, doch als er die Türklinke schon in der Hand hielt, machte er kehrt. „Besser nicht, besser nicht, – eigene Gefühle abschneiden wie Blätterüberfluß zugunsten der Frucht; welcher Frucht? Rot aus der Zukunft leuchtet sie mir.“ Als der Krankenwärter eintrat, ging er, die Hände auf des Kellners Stirn legend, „auch Du sollst von ihr essen“, hinter dem Hauptmann her zu Tisch.”
Fritz von Unruh (10. Mai 1885 – 29. November 1970)
Der deutsche Dichter Johann Peter Hebel wurde am 10. Mai 1760 in Basel geboren, wo seine Eltern im Sommer in einem Patrizier-Haus arbeiteten. Seine Kindheit verlebte er zur Hälfte in der Stadt, zur anderen Hälfte in Hausen im Wiesental (Kreis Lörrach), dem Heimatdorf seiner Mutter Ursula, in dem sein Vater im Winter als Weber arbeitete.Von Förderern finanziell unterstützt konnte Hebel 1774 ins Karlsruher Gymnasium illustre eintreten, das er 1778 abschloss. Nach einem zweijährigen Theologiestudium (1778–1780) in Erlangen trat er eine Stelle als Hauslehrer und Vikar in Hertingen an und wurde 1783 zum Präzeptoratsvikar (Hilfslehrer) am Pädagogium in Lörrach ernannt. Hebel wurde 1791 als Subdiakon ans Karlsruher Gymnasium berufen, was für ihn den Abschied von Südbaden bedeutete. Neben der Lehrtätigkeit am Gymnasium predigte er in Karlsruhe auch gelegentlich bei Hofe, wobei er sich großer Beliebtheit erfreute.1798 wurde Hebel außerordentlicher Professor und Hofdiakon. Hebels literarisches Schaffen begann, von einigen frühen Versuchen abgesehen, etwa Ende des 18. Jahrhunderts. 1799 besuchte er auf einer Reise seine Wiesentäler Heimat. Nach seiner Rückkehr nach Karlsruhe schrieb er in den folgenden beiden Jahren, inspiriert von der Sehnsucht nach seiner Heimat, die „Alemannischen Gedichte“. Hebels zweites bekanntes Werk sind seine Kalendergeschichten, die er für den Rheinländischen Hausfreund verfasste.
Aus: Kannitverstan
“Der Mensch hat wohl täglich Gelegenheit, in Emmendingen und Gundelfingen so gut als in Amsterdam Betrachtungen über den Umstand aller irdischen Dinge anzustellen, wenn er will, und zufrieden zu werden mit seinem Schicksal, wenn auch nicht viel gebratene Tauben für ihn in der Luft herumfliegen. Aber auf dem seltsamsten Umweg kam ein deutscher Handwerksbursche in Amsterdam durch den Irrtum zur Wahrheit und zu ihrer Erkenntnis. Denn als er in diese große und reiche Handelsstadt voll prächtiger Häuser, wogender Schiffe und geschäftiger Menschen gekommen war, fiel ihm sogleich ein großes und schönes Haus in die Augen, wie er auf seiner ganzen Wanderschaft von Tuttlingen bis Amsterdam noch keines erlebt hatte. Lange betrachtete er mit Verwunderung dieses kostbare Gebäude, die sechs Kamine auf dem Dach, die schönen Gesimse und die hohen Fenster, größer als an des Vaters Haus daheim die Tür. Endlich konnte er sich nicht enthalten, einen Vorübergehenden anzureden. "Guter Freund", redete er ihn an, könnt Ihr mir nicht sagen, wie der Herr heißt, dem dieses wunderschöne Haus gehört mit den Fenstern voll Tulipanen, Sternenblumen und Levkojen?" - Der Mann aber, der verwunderlich etwas Wichtigeres zu tun hatte und zum Unglück gerade soviel von der deutschen Sprache verstand, als der Fragende von der holländischen, nämlich nichts, sagte kurz und schnauzig: "Kannitverstan", und schnurrte vorüber. Dies war ein holländisches Wort, oder drei, wenn man's recht betrachtet, und heißt auf deutsch soviel als: "Ich kann Euch nicht verstehen Aber der gute Fremdling glaubte, es sei der Name des Mannes, nach dem er gefragt hatte. Das muß ein grundreicher Mann sein, der Herr Kannitverstan, dachte er und ging weiter. Gassaus, gassein kam er endlich an den Meerbusen, der da heißt: Het Ey, oder auf deutsch: das Ypsilon. Da stand nun Schiff an Schiff und Mastbaum an Mastbaum, und er wusste anfänglich nicht, wie er es mit seinen zwei einzigen Augen durchfechten werde, alle diese Merkwürdigkeiten genug zu sehen und zu betrachten, bis endlich ein großes Schiff seine Aufmerksamkeit an sich zog, das vor kurzem aus Ostindien angelangt war und jetzt eben ausgeladen wurde.“
Johann Peter Hebel (10 mei 1760 – 22 september 1826)
Monument im Hebelpark in Lörrach
froumen - 10. Mai, 21:11