Wolfgang Borchert, Hanna Krall
Der deutsche Schriftsteller Wolfgang Borchert wurde am 20. Mai 1921 in Hamburg geboren. Er wurde Buchhändler, dann Schauspieler in Lüneburg. Briefliche Äußerungen, die angeblich den Staat gefährdeten, brachten ihm - dem schwer an Gelbsucht und Diphtherie Erkrankten - acht Monate Haft in einem Nürnberger Militärgefängnis. Er wurde zu Tode verurteilt, dann aber "zwecks Bewährung" 1941 an die Ostfront geschickt. Als er wegen seiner angegriffenen Gesundheit als untauglich entlassen wurde, trug Borchert in Hamburg Kabaretts Gedichte vor. Da er nicht schweigen konnte, landete er bald wieder im Gefängnis, diesesmal in Berlin-Moabit. 1945 kehrte er in die Trümmer Hamburgs zurück, chronisch fieberhaft, gebrochen. Zwar arbeitete er noch als Regieassistent und Kabarettist, schrieb Erzählungen und Gedichte, aber dann ging es nicht mehr: Freunde verschafften ihm eine Kuraufenthalt in der Schweiz. Es war jedoch schon zu spät, Borchert stirbt am 20. November 1947 in Basel.Großen Erfolg hatte sein Drama "DRAUßEN VOR DER TÜR" (1947), in dem er in erschütternder Weise die psychologischen Probleme der jungen, aus dem Krieg heimkehrenden Soldaten behandelt.
In Hamburg
In Hamburg ist die Nacht
nicht wie in andern Städten
die sanfte blaue Frau,
in Hamburg ist sie grau
und hält bei denen, die nicht beten,
im Re gen Wacht.
In Hamburg wohnt die Nacht
in allen Hafenschänken
und trägt die Röcke leicht,
sie kuppelt, spukt und schleicht,
wenn es auf schmalen Bänken
sich liebt und lacht.
In Hamburg kann die Nacht
nicht süße Melodien summen
mit Nachtigal len tö nen,
sie weiß, daß uns das Lied der Schiffssirenen,
die aus dem Hafen stadtwärtsbrummen,
ge nau so selig macht.
Laternen traum
Wenn ich tot bin,
möchte ich immerhin
so eine Laterne sein,
und die müßte vor deiner Türe sein
und den fahlen
Abend überstrahlen.
Oder am Hafen,
wo die großen Dampfer schlafen
und wo die Mädchen lachen,
würde ich wachen
an einem schmalen schmutzigen Fleet
und dem zublinzeln, der einsam geht.
In einer engen
Gasse möcht ich hängen
als rote Blechlaterne
vor einer Taverne –
und in Gedanken
und im Nachtwind schwan ken
zu ihren Gesängen.
Oder so eine sein, die ein Kind
mit großen Augen ansteckt,
wenn es erschreckt entdeckt,
daß es allein ist und weil der Wind
so johlt an den Fensterluken –
und die Träume draußen spuken.
Ja, ich möchte immerhin,
wenn ich tot bin,
so eine Laterne sein,
die nachts ganz allein,
wenn alles schläft auf der Welt,
sich mit dem Mond unterhält –
na tür lich per Du.
Wolfgang Borchert (20. Mai 1921 - 20. November 1947)
Die polnische Schriftstellerin und Journalistin Hanna Krall wurde am 20. Mai 1937 in Warschau geboren. Ihre journalistische Tätigkeit begann sie 1955 in der Redaktion der Tageszeitung Życie Warszawy in Warschau. 1966 begann sie für das politische Wochenmagazin Polityka zu arbeiten und war von 1966 bis 1969 Auslandskorrespondentin in der Sowjetunion. Neben ihren Reportagen, die auch in Sammelbänden erschienen, veröffentlichte sie zahlreiche Prosarbeiten, die in zahlreiche Sprachen (auch ins Deutsche) übersetzt wurden. 1993 erhielt Hanna Krall den Jeanette Schocken Preis, 1999 den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung (Hauptpreis), 2000 wurde sie mit dem Samuel-Bogumil-Linde-Preis, 2008 mit dem Ricarda-Huch-Preis ausgezeichnet.
Aus: The Woman from Hamburg and Other True Stories (Übersetzt von Madeline Levine)
„One winter evening, in 1943, he brought home a stranger, a woman.
"This woman is a Jew. We have to help her."
His wife asked if anyone had seen themin the stairwell, and quickly made some sandwiches.
The Jewess was petite, with curly black hair, and although her eyes were blue, she looked very Semitic. They put her in a room with a wardrobe. (Wardrobes and Jews -this is, perhaps, one of the most important symbols of our century. To live in a wardrobe-a human being in a wardrobe. In the middle of the twentieth century. In the heart of Europe.)
The Jewess would go into the wardrobe whenever the doorbell rang, and since her hosts continued to be very sociable, she spent long hours inside it. Fortunately, she was a sensible woman. She never coughed; not even the slightest rustling issued from the wardrobe.
The Jewess was never the first to speak, and she responded to questions with the fewest possible words.
"Yes, I did."
"Attorney."
"In Belzec."
"We didn't have time to; we got married right before the war."
"They were taken away. I don't know, in Janowska or else in Belzec."
She did not expect sympathy. On the contrary, she rebuffed it.
"I am alive," she would say. "And I intend to remain alive."
She would watch intently as the wife (whose name was Barbara) ironed or stood beside the stove. Occasionally, she tried to help her, but did so with irritating clumsiness.“
Hanna Krall (Warschau, 20. Mai 1937)
In Hamburg
In Hamburg ist die Nacht
nicht wie in andern Städten
die sanfte blaue Frau,
in Hamburg ist sie grau
und hält bei denen, die nicht beten,
im Re gen Wacht.
In Hamburg wohnt die Nacht
in allen Hafenschänken
und trägt die Röcke leicht,
sie kuppelt, spukt und schleicht,
wenn es auf schmalen Bänken
sich liebt und lacht.
In Hamburg kann die Nacht
nicht süße Melodien summen
mit Nachtigal len tö nen,
sie weiß, daß uns das Lied der Schiffssirenen,
die aus dem Hafen stadtwärtsbrummen,
ge nau so selig macht.
Laternen traum
Wenn ich tot bin,
möchte ich immerhin
so eine Laterne sein,
und die müßte vor deiner Türe sein
und den fahlen
Abend überstrahlen.
Oder am Hafen,
wo die großen Dampfer schlafen
und wo die Mädchen lachen,
würde ich wachen
an einem schmalen schmutzigen Fleet
und dem zublinzeln, der einsam geht.
In einer engen
Gasse möcht ich hängen
als rote Blechlaterne
vor einer Taverne –
und in Gedanken
und im Nachtwind schwan ken
zu ihren Gesängen.
Oder so eine sein, die ein Kind
mit großen Augen ansteckt,
wenn es erschreckt entdeckt,
daß es allein ist und weil der Wind
so johlt an den Fensterluken –
und die Träume draußen spuken.
Ja, ich möchte immerhin,
wenn ich tot bin,
so eine Laterne sein,
die nachts ganz allein,
wenn alles schläft auf der Welt,
sich mit dem Mond unterhält –
na tür lich per Du.
Wolfgang Borchert (20. Mai 1921 - 20. November 1947)
Die polnische Schriftstellerin und Journalistin Hanna Krall wurde am 20. Mai 1937 in Warschau geboren. Ihre journalistische Tätigkeit begann sie 1955 in der Redaktion der Tageszeitung Życie Warszawy in Warschau. 1966 begann sie für das politische Wochenmagazin Polityka zu arbeiten und war von 1966 bis 1969 Auslandskorrespondentin in der Sowjetunion. Neben ihren Reportagen, die auch in Sammelbänden erschienen, veröffentlichte sie zahlreiche Prosarbeiten, die in zahlreiche Sprachen (auch ins Deutsche) übersetzt wurden. 1993 erhielt Hanna Krall den Jeanette Schocken Preis, 1999 den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung (Hauptpreis), 2000 wurde sie mit dem Samuel-Bogumil-Linde-Preis, 2008 mit dem Ricarda-Huch-Preis ausgezeichnet.
Aus: The Woman from Hamburg and Other True Stories (Übersetzt von Madeline Levine)
„One winter evening, in 1943, he brought home a stranger, a woman.
"This woman is a Jew. We have to help her."
His wife asked if anyone had seen themin the stairwell, and quickly made some sandwiches.
The Jewess was petite, with curly black hair, and although her eyes were blue, she looked very Semitic. They put her in a room with a wardrobe. (Wardrobes and Jews -this is, perhaps, one of the most important symbols of our century. To live in a wardrobe-a human being in a wardrobe. In the middle of the twentieth century. In the heart of Europe.)
The Jewess would go into the wardrobe whenever the doorbell rang, and since her hosts continued to be very sociable, she spent long hours inside it. Fortunately, she was a sensible woman. She never coughed; not even the slightest rustling issued from the wardrobe.
The Jewess was never the first to speak, and she responded to questions with the fewest possible words.
"Yes, I did."
"Attorney."
"In Belzec."
"We didn't have time to; we got married right before the war."
"They were taken away. I don't know, in Janowska or else in Belzec."
She did not expect sympathy. On the contrary, she rebuffed it.
"I am alive," she would say. "And I intend to remain alive."
She would watch intently as the wife (whose name was Barbara) ironed or stood beside the stove. Occasionally, she tried to help her, but did so with irritating clumsiness.“
Hanna Krall (Warschau, 20. Mai 1937)
froumen - 20. Mai, 18:46