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Freitag, 12. Juni 2009

Achtzig Jahre Anne Frank, Christoph Meckel

Achtzig Jahre Anne Frank


Die niederländische Schriftstellerin Annelies Marie Frank, meist verkürzt Anne Frank genannt wurde am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main geboren. Anne Frank war ein jüdisches deutsches Mädchen, das während des Zweiten Weltkriegs im niederländischen Exil seine deutsche Staatsangehörigkeit verlor und kurz vor dem Kriegsende dem nationalsozialistischen Völkermord zum Opfer fiel. Zuvor hatte sie sich mit ihrer Familie in einem Hinterhaus in Amsterdam versteckt gehalten, wo sie ihre Erlebnisse und Gedanken in einem Tagebuch niederschrieb.
Das nach dem Krieg von ihrem Vater Otto Frank veröffentlichte Tagebuch der Anne Frank gilt als ein historisches Dokument aus der Zeit des Holocaust und die Autorin als Symbolfigur für alle Opfer der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten. Anne Frank wäre heute achtzig Jahre alt geworden.


Aus: Das Tagebuch der Anne Frank


“Dienstag, 7. März 1944
Liebe Kitty!
Wenn ich so über mein Leben von 1942 nachdenke, kommt es mir so unwirklich vor. Dieses Götterleben erlebte eine ganz andere Anne Frank als die, die hier jetzt vernünftig geworden ist. Ein Götterleben, das war es. An jedem Finger fünf Verehrer, ungefähr zwanzig Freundinnen und Bekannte, der Liebling der meisten Lehrer, verwöhnt von Vater und Mutter, viele Süßigkeiten, genug Geld - was will man mehr?
Du wirst mich natürlich fragen, wie ich denn all die Leute so um den Finger gewickelt habe. Peter sagt "Anziehungskraft", aber das stimmt nicht ganz. Die Lehrer fanden meine schlauen Antworten mein lachendes Gesicht und meinen kritischen Blick nett, amüsant und witzig. Mehr war ich auch nicht, nur kokett und amüsant. Ein paar Vorteile hatte ich, durch die ich ziemlich in der Gunst blieb, nämlich Fleiß, Ehrlichkeit und Großzügigkeit. Nie hätte ich mich geweigert, jemanden, egal wen, abschauen zu lassen, Süßigkeiten verteilte ich mit offenen Händen, und ich war nicht eingebildet.
Ob ich bei all der Bewunderung nicht übermütig geworden wäre? Es ist ein Glück, dass es mittendrin, auf dem Höhepunkt des Festes sozusagen, plötzlich in der Wirklichkeit landete, und es hat gut ein Jahr gedauert, bevor ich mich daran gewöhnt hatte, dass von keiner Seite mehr Bewunderung kam...


Mittwoch, 15. März 1944
Liebe Kitty!
Puh, ein Weilchen von den düsteren Szenen befreit! Heute habe ich nichts anderes gehört als: "Wenn dies oder das passiert, dann bekommen wir Schwierigkeiten, wenn der noch krank wird, stehen wir allein auf der Welt ..., wenn dann...".
Nun ja, den Rest weißt du schon. Ich vermute wenigstens, dass du die Hinterhäusler inzwischen gut genug kennst, um ihre Gespräche zu erraten.
Der Anlass für dieses "wenn, wenn" ist, dass Kugler zu sechs Tagen Arbeitsdienst aufgerufen worden ist, Bep die mehr als nur einen Stockschnupfen hat und wahrscheinlich morgen zu Hause bleiben muss, Miep von ihrer Grippe noch nicht genesen ist und Kleiman eine Magenblutung mit Bewusstlosigkeit gehabt hat. Eine wahre Trauerliste für uns... »







Anne Frank (12. Juni 1929 – März 1945)
Margot, Otto, Anne und Edith Frank in 1941




Der deutsche Schriftsteller und Grafiker Christoph Meckel wurde am 12. Juni 1935 in Berlin geboren. Christoph Meckel, Sohn des Schriftstellers Eberhard Meckel und Enkel des Architekten Max Meckel, verbrachte Kindheit und Jugend in Freiburg im Breisgau, wo er das Gymnasium bis zur Unterprima besuchte. 1954/55 studierte er Grafik an der Kunstakademie in Freiburg im Breisgau, 1956 an der Kunstakademie in München. Seit 1956 arbeitet er als Schriftsteller und Grafiker. Er unternahm ausgedehnte Reisen durch Europa, Afrika und Amerika und lebte in Ötlingen im Markgräflerland, in Berlin, in Südfrankreich und in der Toskana. Seine biografischen Daten sind Teil seines künstlerischen Werks. So behauptete er 1992 im Bericht zur Entstehung einer Weltkomödie, der Schriftsteller Christoph Meckel hätte eine andere Biographie als der Grafiker. Die Auseinandersetzung mit seinem Vater und dessen Generation im Nationalsozialismus und im Krieg prägte Meckel und wird am deutlichsten im Werk Suchbild. Über meinen Vater (1980). Ebenso intensiv setzte er sich 22 Jahre später in Suchbild: meine Mutter (2002) mit seiner Mutter auseinander, von der er sich zeitlebens ungeliebt fühlte. Meckels grafisches Werk rankt sich um die Weltkomödie: In zwölf Zyklen, schon als junger Mann begonnen und bis 1993 fortgesetzt.




Bahnhofstreppe

Wer will immer wieder Sternbilder ordnen
und auseinanderreißen. Ich erwarte
eine Schnauze mit Reißzahn, einen bezahlten Kuß
eine Faust an der Gurgel,
meine Faust an der Gurgel des andern
dreckig von Leben, nicht länger schuldlos
Auge in Auge, er ich oder beide.

Als wir hintereinander zu den Biertischen
runtergingen, in schlechter Beleuchtung -
meine Zigarettenkippe auf den Stufen
er hob sie auf und steckte sie zwischen die Zähne
hohnvoll, lässig, der andere, Dreckstück, Engel
Mörder Mensch, meine furchtbare Chance -

Leben, Leben, auseinandergerissen.







Der Spanische Platz

Der Spanische Platz wurde umbenannt in Naumann-Bezirk.
Was ist falsch an Spanien und wer war Naumann.
Alberto, Theodor, Harry Naumann?
Tycoon einer Handelskette, ein Sponsor, Agent?
Die besonnten Fassaden am Spanischen Platz.
Die geräumten Läden im Naumann-Bezirk.

Wird man wohnen an Promenaden,
Prospekten und Küsten mit hellen Namen.
Passage du petit Cladan. Die Straße der Küsse.
Die Höfe der Spieler. Die Kolibri-Gärten.
Am Sonnenufer. Im Regenbogen. Am Meer.

Am Schnee. Am Süßgras. Am Baum des Propheten.

Am Krematorium. Am Camping. Am Rieselfeld.

An Jubals Weg. Im Raum. An den Sieben Gestirnen.

Im Jammertal. Am Schlachthof. Im Nixon-Distrikt.

An der Straße des Südwinds. Am Blauen Horn.

Wer will die Sonne umbenennen, den Wind
mit den zwölftausend Vogelstärken im frühen Licht!







Christoph Meckel (Berlin, 12 juni 1935)

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Zuletzt aktualisiert: 23. Jan, 19:14

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