Erich Maria Remarque, Tadeusz Konwicki
Der deutsche Schriftsteller Erich Maria Remarque wurde am 22. Juni 1898 in Osnabrück als Sohn des katholischen Buchdruckers Peter Remark geboren. Remarque, mit eigentlichem Namen Erich Paul Remark, besuchte nach der Schule das katholische Lehrerseminar in Osnabrück. 1916 wurde er als Freiwilliger zu den Kämpfen an der Westfront eingezogen. Er wurde verwundet und kam bis zum Kriegsende in ein Lazarett in seiner Heimat. Nach dem Krieg nahm er verschiedene Arbeiten an so zum Beispiel als Händler, Organist, Lehrer oder Theater- und Konzertkritiker bei der "Osnabrücker Tageszeitung". Darüber hinaus erschienen vom ihm Gedichte und Prosatexte. 1920 wurde sein impressionistischer Künstlerroman "Die Traumbude" veröffentlicht. Im Auftrag einer Werkzeitung reiste Remarque in die Schweiz, nach Jugoslawien, in die Türkei, nach Italien, England und Belgien. Ab 1925 war er als Redakteur für die Berliner Zeitung "Sport im Bild" tätig. 1929 erschien sein Roman "Im Westen nichts Neues". Er wurde ein Welterfolg. Der Schriftsteller stellt dort seine eigenen Kriegserfahrungen dar anhand der Figur des 19-jährigen Soldaten Paul Bäumer, anhand seiner Leiden und seines Todes.
Aus: Der schwarze Obelisk
„Die Sonne scheint in das Büro der Grabdenkmalsfirma Heinrich Kroll & Söhne. Es ist April 1923, und das Geschäft geht gut. Das Frühjahr hat uns nicht im Stich gelassen, wir verkaufen glänzend und werden arm dadurch, aber was können wir machen - der Tod ist unerbittlich und nicht abzuweisen, und menschliche Trauer verlangt nun einmal nach Monumenten in Sandstein, Marmor und, wenn das Schuldgefühl oder die Erbschaft beträchtlich sind, sogar nach dem kostbaren schwarzen schwedischen Granit, allseitig poliert. Herbst und Frühjahr sind die besten Jahreszeiten für die Händler mit den Utensilien der Trauer - dann sterben mehr Menschen als im Sommer und im Winter -; im Herbst, weil die Säfte schwinden, und im Frühjahr, weil sie erwachen und den geschwächten Körper verzehren wie ein zu dicker Docht eine zu dünne Kerze. Das wenigstens behauptet unser rührigster Agent, der Totengräber Liebermann vom Stadtfriedhof, und der muß es wissen; er ist achtzig Jahre alt, hat über zehntausend Leichen eingegraben, sich von seiner Provision an Grabdenkmälern ein Haus am Fluß mit einem Garten und einer Forellenzucht gekauft und ist durch seinen Beruf ein abgeklärter Schnapstrinker geworden. Das einzige, was er haßt, ist das Krematorium der Stadt. Es ist unlautere Konkurrenz. Wir mögen es auch nicht. An Urnen ist nichts zu verdienen.“

Erich Maria Remarque (22. Juni 1898 – 25. September 1970)
Der polnische Schriftsteller und Filmregisseur Tadeusz Konwicki wurde am 22. Juni 1926 in Nowa Wilejka, heute Litauen, geboren. Er ging in Wilno zur Schule und kämpfte in den Jahren 1944/1945 als Partisan in der polnischen Heimatarmee. In der Zeit nach 1945 verfasste er zunächst einige Romane im Geiste des Sozialistischen Realismus, während er später in metaphorisch-grotesker Weise vor allem die Erfahrungen von Krieg und Besatzung verarbeitete. Hinzu kamen Werke, in denen er ein lyrisches und mythologisiertes Bild der Heimat seiner Kindheit zeichnete, etwa in dem Roman Chronik einiger Liebesunfälle (Kronika wypadków miłosnych) von 1974, den Andrzej Wajda 1986 verfilmte. Ein weiterer Schwerpunkt seines Schaffens ist die Darstellung des Verfalls moralischer Werte und sozialer Bindungen im totalitären Staat, etwa in dem zunächst im Untergrund verlegten Roman Eine kleine Apokalypse (Mała Apokalipsa) aus dem Jahre 1979 (verfilmt von Constantin Costa-Gavras 1992). Konwicki gilt zudem als einer der Mitbegründer des polnischen Autorenfilms. Auf der Grundlage eigener Drehbücher entstand zwischen 1957 und 1989 eine Reihe von Arbeiten. Von 1956 bis 1968 war er Chefdramaturg des Filmstudios Kadr, das von Regisseur Jerzy Kawalerowicz gegründet wurde. 1966 erhielt er den Staatspreis Erster Klasse, 2002 den Preis des polnischen PEN-Club.
Aus: The Polish Complex (Übersetzt von Richard Lourie)
„I was standing in line in front of a state-owned jewelry store. I was twenty-third in line. In a short while the chimes of Warsaw would announce that it was eleven o’clock in the morning. Then the locks on the great glass and metal doors would rattle open and we, the sneezing and sniffling customers, would invade the store’s elegant interior — though, of course, ours would be a well-disciplined invasion, each person keeping the place staked out during the long wait in line.
It was the day before Christmas, fairly cold, something between a late autumn day and one late in winter. There was a belated feeling about the day itself as well. Not fully illuminated, misty, sluggish. Stray snowflakes sailed through the icy air like poplar seeds. The tram cars huddled in herds on the broad trunk line, their bells clanging plaintively. A beggar familiar to all Warsaw sat himself down on the sidewalk near the jewelry store. He spread out his legs in the light, shifting snow to intimidate fainthearted passerby. But I knew that his prostheses, made of plastic and nickel, were hollow, and though they might freeze to the sidewalk, our beggar would feel no cold. Endless crowds of pedestrians rushed by along the walls. Occasionally one, lost in thought, would collide with another, yet would keep on walking without apology. Or one would jostle another with a Christmas tree, then curse him out. Some stumbled and fell but rose quickly, feeling no pain, and went on their way. Your usual day before Christmas.
This day was creeping across a little planet in a small solar system. The planet, called Earth, is a rocky oval filled with liquid lava; its surface is covered by thin layers of water, as well as by air, a volatile mixture of oxygen, hydrogen, nitrogen, and several other elements, each of which would pose a threat to its existence. Due to a confluence of favorable circumstances, life arose on this planet.“

Tadeusz Konwicki (Nowa Wilejka, 22. Juni 1926)
Aus: Der schwarze Obelisk
„Die Sonne scheint in das Büro der Grabdenkmalsfirma Heinrich Kroll & Söhne. Es ist April 1923, und das Geschäft geht gut. Das Frühjahr hat uns nicht im Stich gelassen, wir verkaufen glänzend und werden arm dadurch, aber was können wir machen - der Tod ist unerbittlich und nicht abzuweisen, und menschliche Trauer verlangt nun einmal nach Monumenten in Sandstein, Marmor und, wenn das Schuldgefühl oder die Erbschaft beträchtlich sind, sogar nach dem kostbaren schwarzen schwedischen Granit, allseitig poliert. Herbst und Frühjahr sind die besten Jahreszeiten für die Händler mit den Utensilien der Trauer - dann sterben mehr Menschen als im Sommer und im Winter -; im Herbst, weil die Säfte schwinden, und im Frühjahr, weil sie erwachen und den geschwächten Körper verzehren wie ein zu dicker Docht eine zu dünne Kerze. Das wenigstens behauptet unser rührigster Agent, der Totengräber Liebermann vom Stadtfriedhof, und der muß es wissen; er ist achtzig Jahre alt, hat über zehntausend Leichen eingegraben, sich von seiner Provision an Grabdenkmälern ein Haus am Fluß mit einem Garten und einer Forellenzucht gekauft und ist durch seinen Beruf ein abgeklärter Schnapstrinker geworden. Das einzige, was er haßt, ist das Krematorium der Stadt. Es ist unlautere Konkurrenz. Wir mögen es auch nicht. An Urnen ist nichts zu verdienen.“

Erich Maria Remarque (22. Juni 1898 – 25. September 1970)
Der polnische Schriftsteller und Filmregisseur Tadeusz Konwicki wurde am 22. Juni 1926 in Nowa Wilejka, heute Litauen, geboren. Er ging in Wilno zur Schule und kämpfte in den Jahren 1944/1945 als Partisan in der polnischen Heimatarmee. In der Zeit nach 1945 verfasste er zunächst einige Romane im Geiste des Sozialistischen Realismus, während er später in metaphorisch-grotesker Weise vor allem die Erfahrungen von Krieg und Besatzung verarbeitete. Hinzu kamen Werke, in denen er ein lyrisches und mythologisiertes Bild der Heimat seiner Kindheit zeichnete, etwa in dem Roman Chronik einiger Liebesunfälle (Kronika wypadków miłosnych) von 1974, den Andrzej Wajda 1986 verfilmte. Ein weiterer Schwerpunkt seines Schaffens ist die Darstellung des Verfalls moralischer Werte und sozialer Bindungen im totalitären Staat, etwa in dem zunächst im Untergrund verlegten Roman Eine kleine Apokalypse (Mała Apokalipsa) aus dem Jahre 1979 (verfilmt von Constantin Costa-Gavras 1992). Konwicki gilt zudem als einer der Mitbegründer des polnischen Autorenfilms. Auf der Grundlage eigener Drehbücher entstand zwischen 1957 und 1989 eine Reihe von Arbeiten. Von 1956 bis 1968 war er Chefdramaturg des Filmstudios Kadr, das von Regisseur Jerzy Kawalerowicz gegründet wurde. 1966 erhielt er den Staatspreis Erster Klasse, 2002 den Preis des polnischen PEN-Club.
Aus: The Polish Complex (Übersetzt von Richard Lourie)
„I was standing in line in front of a state-owned jewelry store. I was twenty-third in line. In a short while the chimes of Warsaw would announce that it was eleven o’clock in the morning. Then the locks on the great glass and metal doors would rattle open and we, the sneezing and sniffling customers, would invade the store’s elegant interior — though, of course, ours would be a well-disciplined invasion, each person keeping the place staked out during the long wait in line.
It was the day before Christmas, fairly cold, something between a late autumn day and one late in winter. There was a belated feeling about the day itself as well. Not fully illuminated, misty, sluggish. Stray snowflakes sailed through the icy air like poplar seeds. The tram cars huddled in herds on the broad trunk line, their bells clanging plaintively. A beggar familiar to all Warsaw sat himself down on the sidewalk near the jewelry store. He spread out his legs in the light, shifting snow to intimidate fainthearted passerby. But I knew that his prostheses, made of plastic and nickel, were hollow, and though they might freeze to the sidewalk, our beggar would feel no cold. Endless crowds of pedestrians rushed by along the walls. Occasionally one, lost in thought, would collide with another, yet would keep on walking without apology. Or one would jostle another with a Christmas tree, then curse him out. Some stumbled and fell but rose quickly, feeling no pain, and went on their way. Your usual day before Christmas.
This day was creeping across a little planet in a small solar system. The planet, called Earth, is a rocky oval filled with liquid lava; its surface is covered by thin layers of water, as well as by air, a volatile mixture of oxygen, hydrogen, nitrogen, and several other elements, each of which would pose a threat to its existence. Due to a confluence of favorable circumstances, life arose on this planet.“

Tadeusz Konwicki (Nowa Wilejka, 22. Juni 1926)
froumen - 22. Jun, 18:34