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Sonntag, 28. Juni 2009

Juan José Saer, Mark Helprin

Der argentinische Schriftsteller Juan José Saer wurde am 28. Juni 1937 in Serodino, Provinz Santa Fe, geboren. Der Sohn syrischer Einwanderer, studierte Jura und Philosophie, war Professor für Literatur in Argentinien und emigrierte 1968 nach Frankreich. Er erhielt für sein Buch "La Ocasion" 1988 den renommierten spanischen Literaturpreis Premio Nadal sowie in Frankreich den Prix France Culture. Sein bekanntestes Werk ist der 2005 in Deutschland erschienene Kriminalroman Ermittlungen.

Aus: Ermittlungen (Übersetzt von Hanna Grzimek)

„Morvan wußte das. Und er wußte auch, daß es bei Einbruch der Dunkelheit geschah, dann, wenn die uralte, abgenutzte Schlammkugel, die sich eisern immer weiterdrehte, den Punkt verlagerte, auf welchem sie, er und jener Ort genannt Paris, sich bewegten, diesen von der Sonne entfernte und seiner eitlen Helligkeit beraubte, er wußte, daß es gewöhnlich um diese Zeit geschah, daß jener Schatten, den er seit neun Monaten verfolgte und der so nah und unerreichbar war wie sein eigener Schatten, aus seiner staubigen Dachkammer trat, um zuzuschlagen. Und dies hatte er schon - haltet euch fest – siebenundzwanzigmal getan.
Die Leute dort leben länger als an irgendeinem anderen Ort auf diesem Planeten, man lebt, wenn man Franzose oder Deutscher ist, länger als ein Afrikaner, und, wenn man Franzose ist, lebt man scheinbar länger, wenn man Stadtmensch ist, als ein Bauer zum Beispiel, und wenn man aus der Stadt ist - immer statistisch gesehen - lebt man viel länger, wenn man Pariser ist, als wenn man aus irgendeiner anderen Stadt kommt, und wenn man Pariser ist, lebt man viel länger, wenn man eine Frau ist, als wenn man ein Mann ist - und etwas Wahres muß an all dem dran sein, denn in Paris gibt es alte Damen in Fülle, adlige, bürgerliche, kleinbürgerliche oder proletarische, verhärmte alte Jungfern oder ungebundene Frauen, die darüber immer älter wurden, daß sie sich hüteten, ihre stolze Unabhängigkeit zu verlieren, Witwen von Notaren oder Ärzten, Kaufleuten oder Untergrundbahnschaffnern, ehemalige Marktweiber oder Zeichen- und Gesangslehrerinnen, Romanschriftstellerinnen in der Blüte ihres Schaffens, eingewanderte Russinnen oder Kalifornierinnen, alte Jüdinnen, welche die Deportationen überlebt haben, und sogar alte Cocottes, die von einem Zensor, strenger als die guten Sitten, gezwungen wurden, sich zur Ruhe zu setzen: ich meine die Zeit. Jeden Morgen sieht sie das Tageslicht wieder herauskommen, je nach Rang aufgetakelt oder fast in Lumpen, wie sie die bunten Regale der Supermärkte skeptisch in Augenschein nehmen, oder wie sie bei schönem Wetter auf den dunkelgrünen Bänken der Plätze und Alleen sitzen, allein und steif aufgerichtet oder in angeregtem Gespräch mit irgendeinem anderen Exemplar ihrer Spezies, oder wie sie in bereits auf Postkarten verewigter Haltung Brotkrumen an Tauben verfüttern; im Frühling kann man sie des Morgens im Hauskleid ausmachen, wie sie den Oberkörper in die Leere geneigt, mit Hingabe am Fenster eines fünften oder sechsten Stockwerks blühende Geranien gießen.“






Juan_Jose_Saer
Juan José Saer (28. Juni 1937 – 11. Juni 2005)




Der amerikanische Schriftsteller Mark Helprin wurde am 28. Juni 1947 in Manhattans Upper West Side in New York City geboren. Sein Vater war ein Journalist, der später in der Filmindustrie Karriere machte, seine Mutter war als Schauspielerin am Broadway erfolgreich. 1953 zog die Familie nach Ossining, einem Ort am Hudson River nördlich von New York City. Mit der Absicht, in Englischer Literatur zu promovieren, nahm Helprin 1969 zunächst einen Studienplatz an der Stanford University in Kalifornien an, wechselte aber noch im gleichen Jahr zurück an die Harvard University, wo er sich auf Nahost-Studien verlegte und 1972 mit dem Master-Grad (M.A.) abschloß. Bereits während seiner College-Zeit schrieb Helprin zahlreiche Kurzgeschichten und Erzählungen, von denen zwei 1968 schließlich im New Yorker veröffentlicht wurden. Außenpolitisch interessiert, war er darüber hinaus jahrelang als freier Mitarbeiter für das Wall Street Journal tätig. Nach einigen längeren Aufenthalten in Israel, die seinem Studienabschluß folgten, ließ sich H. 1974 im New Yorker Stadtteil Brooklyn nieder.

Aus: Ellis Island: And Other Stories (The Schreuderspitze)

„IN MUNICH are many men who look like weasels. Whether by genetic accident, meticulous crossbreeding, an early and puzzling migration, coincidence, or a reason that we do not know, they exist in great numbers. Remarkably, they accentuate this unfortunate tendency by wearing mustaches, Alpine hats, and tweed. A man who resembles a rodent should never wear tweed.
One of these men, a commercial photographer named Franzen, had cause to be exceedingly happy. "Herr Wallich has disappeared," he said to Huebner, his supplier of paper and chemicals. "You needn't bother to send him bills. Just send them to the police. The police, you realize, were here on two separate occasions!"
"If the two occasions on which the police have been here had not been separate, Herr Franzen, they would have been here only once."
"What do you mean? Don't toy with me. I have no time for semantics. In view of the fact that I knew Wallich at school, and professionally, they sought my opinion on his disappearance. They wrote down everything I said, but I do not think that they will find him. He left his studio on the Neuhausstrasse just as it was when he was working, and the landlord has put a lien on the equipment. Let me tell you that he had some fine equipment-very fine. But he was not such a great photographer. He didn't have that killer's instinct. He was clearly not a hunter. His canine teeth were poorly developed; not like these," said Franzen, baring his canine teeth in a smile which made him look like an idiot with a mouth of miniature castle towers.“






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Mark Helprin (New York, 28. Juni 1947)

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Zuletzt aktualisiert: 23. Jan, 19:14

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