Luciano de Crescenzo, Ulrich Woelk
Der italienische Schriftsteller Luciano de Crescenzo wurde 1928 in Neapel, im Stadtteil Santa Lucia, geboren. Er studierte Ingenieurwissenschaften an der Universität Neapel und arbeitete dann als leitender Ingenieur beim Computerkonzern IBM, ehe er sich Mitte der 1970er, entgegen den Ratschlägen aller Freunde und Verwandte, ganz dem Schreiben und der Philosophie widmete.
Durch das Interesse des bekannten Quizmasters Maurizio Costanzo, der zum "Pate" seines erstes Buches, "Così parlò Bellavista" (Also sprach Bellavista) wurde, und durch zahlreiche Talkshows und öffentlichen Veranstaltungen unterstützt, wurde dieses erste Werk ein großer Erfolg. Es wurden 600.000 Exemplare des Buches verkauft. Nach dem schriftstellerischen Sensationserfolg dieses Buches schrieb De Crescenzo weitere Bücher über Philosophie und die Antike, in denen er auf humoristische Weise antike Motive aufgriff. Innerhalb weniger Jahre wurde er zum Erfolgsautor.
Aus: Die Zeit und das Glück (Übersetzt von Bruno Genzler)
„Ich lebe in Rom, in der Via dei Fori Imperiali, gerade mal zwanzig Meter vom Nerva-Forum entfernt. Lehne ich mich aus dem Fenster, sehe ich den Minerva-Tempel, ein Stückchen weiter rechts den Tempel des Mars Ultor und rundherum überall Säulen, Kapitelle und Marmor ohne Ende.
Eines Tages überlegte ich mir dann: «Kann das eigentlich sein, dass dort drüben all die archäologischen Schätze liegen und hier, unter meinem Haus, gar nichts?» Ich beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen, kaufte mir eine Schaufel und eine Spitzhacke, und eines schönen Abends
kurz vor Mitternacht begann ich mit den Ausgrabungsarbeiten.
Wo? In meinem Keller natürlich.
Zunächst hob ich eine Grube von einem Meter mal einem Meter aus, in der ich relativ bequem stehen konnte, und arbeitete mich dann Nacht für Nacht immer weiter ins Erdreich vor. Es war mühsam, aber davon merkte ich fast gar nichts. Das Graben auf der Suche nach irgendetwas ist ja eine Art Droge, von der man schon bald nicht mehr loskommt.
Manchmal kehrte ich vollkommen erschöpft in meine Wohnung zurück, schleppte mich ins Schlafzimmer und ließ mich dort aufs Bett fallen. Aber anstatt zu schlafen, grub ich in Gedanken weiter. Im Dunkel meines Schlafzimmers sah ich Marmorstatuen aus dem Fußboden wachsen
und silberne Schatullen, die sich von alleine öffneten und mir ihren kostbaren Inhalt, ein Meer von Goldmünzen, zeigten.“

Luciano de Crescenzo (Neapel, 18. August 1928)
Der deutsche Schriftsteller Ulrich Woelk wurde am 18. August 1960 in Beuel bei Bonn geboren. Woelk wuchs in Köln auf. Nachdem er 1979 sein Abitur abgelegt hatte, begann er an der Eberhard Karls Universität Tübingen ein Studium der Physik, das er 1987 mit einer Diplomarbeit über ein Thema aus dem Gebiet der Chaostheorie abschloss. 1991 promovierte er an der Technischen Universität in Berlin. Bis 1994 war er am Institut für Astronomie und Astrophysik dieser Universität als Astrophysiker mit dem Spezialgebiet Doppelsterne tätig. Seit 1995 lebt Woelk als freier Schriftsteller in Berlin. Er erhielt 1990 den Aspekte-Literaturpreis, 1992 ein Stipendium des Deutschen Literaturfonds und 1999 ein Stipendium der Stiftung Preußische Seehandlung.
Aus: Sternenklar
“Stella lernt in der Schule gerade, was Jahreszeiten sind. „Januar, Februar, März, April – die Jahresuhr steht niemals still“, heißt es in einem kleinen Lied, das sie gelegentlich vor sich hinträllert. In
Wahrheit ist es natürlich die Erde, die niemals still steht, aber ich wollte nicht schon wieder zu ›astronomisch‹ sein.
„Schon vor ganz langer Zeit“, sagte ich vielmehr zu ihr, „vor etwa dreitausend Jahren haben die Menschen festgestellt, dass zwischen zwei Sommern etwa zwölf mal Vollmond ist. Deswegen haben sie das Jahr in zwölf Monate eingeteilt. Aber leider stimmt das System nicht ganz genau. Es gibt nämlich auch Jahre, in denen nicht zwölf, sondern dreizehn mal Vollmond ist, und das ist für viele Kulturen ein Problem. Dann ist es ein bisschen wie bei ›Die Reise nach Jerusalem‹: Es gibt nicht genug Monate für alle Vollmonde.“
„Und warum ist das so?“ wollte sie wissen.
„Nun ja“, sagte ich. „Zwölf Vollmonde dauern etwa 355 Tage, aber das Jahr hat 365 Tage. Wenn man sich nach dem Mond richtet, fehlen einem also immer zehn Tage pro Jahr. Im ersten Jahr ist das vielleicht noch nicht so schlimm, aber schon nach drei Jahren ist das ganze System um dreißig Tage, also etwa um einen Monat aus dem Rhythmus geraten. Der Januar läge dann im Dezember und der Dezember im November und so weiter. Und wenn man noch etwas länger wartet, etwa achtzehn Jahre, dann liegt der Dezember mitten im Hochsommer und der Juli im tiefsten Winter.
Das ist wirklich sehr unpraktisch. Du hättest dann zum Beispiel immer in einer anderen Jahreszeit Geburtstag. Und in manchen Jahren würden wir in den Sommerferien Weihnachten feiern.“
„Das geht doch gar nicht. Da schneit es doch nicht.“
„Na ja, das geht schon“, sagte ich, „zum Beispiel ist es in Australien oder Südafrika so, aber das hat andere Gründe. Jedenfalls werden in manchen Kulturen Mondkalender für religiöse Feste
und Rituale durchaus noch benutzt, zum Beispiel im Islam oder im Judentum. Der islamische Fastenmonat Ramadan zum Beispiel ist so ein Fest.”

Ulrich Woelk (Beuel, 18. August 1960)
Durch das Interesse des bekannten Quizmasters Maurizio Costanzo, der zum "Pate" seines erstes Buches, "Così parlò Bellavista" (Also sprach Bellavista) wurde, und durch zahlreiche Talkshows und öffentlichen Veranstaltungen unterstützt, wurde dieses erste Werk ein großer Erfolg. Es wurden 600.000 Exemplare des Buches verkauft. Nach dem schriftstellerischen Sensationserfolg dieses Buches schrieb De Crescenzo weitere Bücher über Philosophie und die Antike, in denen er auf humoristische Weise antike Motive aufgriff. Innerhalb weniger Jahre wurde er zum Erfolgsautor.
Aus: Die Zeit und das Glück (Übersetzt von Bruno Genzler)
„Ich lebe in Rom, in der Via dei Fori Imperiali, gerade mal zwanzig Meter vom Nerva-Forum entfernt. Lehne ich mich aus dem Fenster, sehe ich den Minerva-Tempel, ein Stückchen weiter rechts den Tempel des Mars Ultor und rundherum überall Säulen, Kapitelle und Marmor ohne Ende.
Eines Tages überlegte ich mir dann: «Kann das eigentlich sein, dass dort drüben all die archäologischen Schätze liegen und hier, unter meinem Haus, gar nichts?» Ich beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen, kaufte mir eine Schaufel und eine Spitzhacke, und eines schönen Abends
kurz vor Mitternacht begann ich mit den Ausgrabungsarbeiten.
Wo? In meinem Keller natürlich.
Zunächst hob ich eine Grube von einem Meter mal einem Meter aus, in der ich relativ bequem stehen konnte, und arbeitete mich dann Nacht für Nacht immer weiter ins Erdreich vor. Es war mühsam, aber davon merkte ich fast gar nichts. Das Graben auf der Suche nach irgendetwas ist ja eine Art Droge, von der man schon bald nicht mehr loskommt.
Manchmal kehrte ich vollkommen erschöpft in meine Wohnung zurück, schleppte mich ins Schlafzimmer und ließ mich dort aufs Bett fallen. Aber anstatt zu schlafen, grub ich in Gedanken weiter. Im Dunkel meines Schlafzimmers sah ich Marmorstatuen aus dem Fußboden wachsen
und silberne Schatullen, die sich von alleine öffneten und mir ihren kostbaren Inhalt, ein Meer von Goldmünzen, zeigten.“

Luciano de Crescenzo (Neapel, 18. August 1928)
Der deutsche Schriftsteller Ulrich Woelk wurde am 18. August 1960 in Beuel bei Bonn geboren. Woelk wuchs in Köln auf. Nachdem er 1979 sein Abitur abgelegt hatte, begann er an der Eberhard Karls Universität Tübingen ein Studium der Physik, das er 1987 mit einer Diplomarbeit über ein Thema aus dem Gebiet der Chaostheorie abschloss. 1991 promovierte er an der Technischen Universität in Berlin. Bis 1994 war er am Institut für Astronomie und Astrophysik dieser Universität als Astrophysiker mit dem Spezialgebiet Doppelsterne tätig. Seit 1995 lebt Woelk als freier Schriftsteller in Berlin. Er erhielt 1990 den Aspekte-Literaturpreis, 1992 ein Stipendium des Deutschen Literaturfonds und 1999 ein Stipendium der Stiftung Preußische Seehandlung.
Aus: Sternenklar
“Stella lernt in der Schule gerade, was Jahreszeiten sind. „Januar, Februar, März, April – die Jahresuhr steht niemals still“, heißt es in einem kleinen Lied, das sie gelegentlich vor sich hinträllert. In
Wahrheit ist es natürlich die Erde, die niemals still steht, aber ich wollte nicht schon wieder zu ›astronomisch‹ sein.
„Schon vor ganz langer Zeit“, sagte ich vielmehr zu ihr, „vor etwa dreitausend Jahren haben die Menschen festgestellt, dass zwischen zwei Sommern etwa zwölf mal Vollmond ist. Deswegen haben sie das Jahr in zwölf Monate eingeteilt. Aber leider stimmt das System nicht ganz genau. Es gibt nämlich auch Jahre, in denen nicht zwölf, sondern dreizehn mal Vollmond ist, und das ist für viele Kulturen ein Problem. Dann ist es ein bisschen wie bei ›Die Reise nach Jerusalem‹: Es gibt nicht genug Monate für alle Vollmonde.“
„Und warum ist das so?“ wollte sie wissen.
„Nun ja“, sagte ich. „Zwölf Vollmonde dauern etwa 355 Tage, aber das Jahr hat 365 Tage. Wenn man sich nach dem Mond richtet, fehlen einem also immer zehn Tage pro Jahr. Im ersten Jahr ist das vielleicht noch nicht so schlimm, aber schon nach drei Jahren ist das ganze System um dreißig Tage, also etwa um einen Monat aus dem Rhythmus geraten. Der Januar läge dann im Dezember und der Dezember im November und so weiter. Und wenn man noch etwas länger wartet, etwa achtzehn Jahre, dann liegt der Dezember mitten im Hochsommer und der Juli im tiefsten Winter.
Das ist wirklich sehr unpraktisch. Du hättest dann zum Beispiel immer in einer anderen Jahreszeit Geburtstag. Und in manchen Jahren würden wir in den Sommerferien Weihnachten feiern.“
„Das geht doch gar nicht. Da schneit es doch nicht.“
„Na ja, das geht schon“, sagte ich, „zum Beispiel ist es in Australien oder Südafrika so, aber das hat andere Gründe. Jedenfalls werden in manchen Kulturen Mondkalender für religiöse Feste
und Rituale durchaus noch benutzt, zum Beispiel im Islam oder im Judentum. Der islamische Fastenmonat Ramadan zum Beispiel ist so ein Fest.”

Ulrich Woelk (Beuel, 18. August 1960)
froumen - 18. Aug, 18:43