Franz Werfel, Paweł Huelle
Der deutsche Lyriker und Schriftsteller Franz Werfel wurde am 10. September 1890 als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Kaufmanns- und Fabrikantenfamilie in Prag geboren. Im Jahre 1909 absolvierte Franz Werfel sein Abitur. Es folgte ein Volontariat in einer Speditionsfirma in Hamburg. Von 1911 bis 1912 leistete er seinen Militärdienst ab. 1912 siedelte Werfel nach Leipzig über. Dort arbeitete er als Lektor im Kurt Wolff Verlag, in dem vorwiegend expressionistische Literaten ihre Werke publizierten. Dann nahm er am Ersten Weltkrieg teil und gelangte an die Front in Galizien.
Ab dem Jahr 1917 war er im Wiener Kriegspressequartier beschäftigt. Auch nach dem Krieg blieb Werfel in Österreich. In dieser Zeit machte er einige Reisen und hielt sich für längere Zeit in Italien auf. 1929 heiratete er Alma Mahler. 1938 zog er sich vor den Nationalsozialisten in das französische Sanary-sur-Mer zurück. 1940 emigrierte er nach Spanien und Portugal. Von dort aus siedelte er über in die USA. Bereits mit seiner frühen Lyrik im Stil des Expressionismus hatte Franz Werfel Erfolg. Sie handelte von der Erlösung und Verbrüderung der Menschheit und war in einem leidenschaftlich-hymnischen Ton gehalten. Im gleichen expressiven Kunststil hielt er seine ersten Dramen wie zum Beispiel "Spiegelmensch. Magische Trilogie" (1920), "Bocksgesang" (1921) oder "Schweiger" (1922) und seine erste Erzählung, die Novelle "Nicht der Mörder, der Ermordete ist der Schuldige" (1920). Werfels größter Romanerfolg war der 1941 entstandene Titel "Das Lied der Bernadette". Sein utopischer Roman "Stern der Ungeborenen" ( 1946) ist autobiographisch gefärbt.
Ein Liebeslied
Alles, was von uns kommt, wandelt schon andern Raum.
Tat ich dir Liebe an, liebt ich die Welt darum!
Bist du durch mich erhöht, lächelt und glänzt dein Schritt,
Wenn mich mein Weh verspült... bin ich im höchsten Sinn!
Ach, was man Schicksal nennt, raffe mich wolkenwärts!
Trifft mich am Tor der Pfeil... wenn du nur glücklich bist.
Daß du zur Flöte tönst, roste mein Tag im Nu!
Sieh, wir auf Erden sind Ebenbild Gottes so!
Nacht
O die ihr geht am Abend in euer Zimmer ein,
Mit Atem sanftem bleibend und einem Licht allein!
Weh, euch, ihr traut
Dem Spiegelblick, der höhnisch schaut,
Und bergt euch hinter Wänden,
Als könnten Wände wenden,
Und halten ab das Walten, vor ihnen angestaut.
Die Türen gehn von unsichtbaren Händen,
Und euer Haus ist ein und aus und in die Welt gebaut.
Ihr, die in Mitternächten kehrt spät in eure Betten ein,
O Bett, du letzte Heimat, du tiefes altes Allgemein!
Wenn ihr durchs Grün´ des Schlafes hüpft,
Ihr seid nicht fern, ihr seid verknüpft.
Durch eure Herzen schleiert leis der Wasserfall,
Der Wendekreis, die Venus leicht
Um eure Schläfe schlüpft.
Von Pol und Strahl und Schuld seid ihr dahingerafft,
Der harte Eisenengel geht,
Der mit der Lamp euch übers Auge weht,
Und fordert ewig, fordert Rechenschaft.

Franz Werfel (10. September 1890 – 26. August 1945)
Der polnische Schriftsteller Paweł Huelle wurde am 10. September 1957 in Danzig, Polen, geboren. Nach dem Studium der Literaturwissenschaft an der Universität Danzig arbeitete er zunächst als Journalist. Von 1980 bis zum Verbot der Solidarność 1981 war er in deren Pressestelle tätig. Außerdem war er Lehrer für Literatur, Philosophie und Geschichte. Nach der politischen Wende in Polen war er in den 1990er Jahren kurzzeitig Intendant des Dritten Polnischen Fernsehens in Danzig.
Als Schriftsteller machte er sich mit seinem ersten Roman Weiser Dawidek sofort einen Namen. Das Buch wurde von der polnischen Kritik als Meisterwerk und wichtigstes Werk der 80er Jahre gefeiert. Es ist in viele Sprachen übersetzt und im Jahr 2000 durch Wojciech Marczewski verfilmt worden.
Aus: Erzählungen von einem kalten Meer
„Die Straßenbahnen und Busse verkehrten nicht mehr. Deshalb herrschte im Waggon der S-Bahn ein fürchterliches Gedränge. Es gab keine andere Möglichkeit, ins Zentrum von Danzig zu gelangen, und schließlich wollten alle dorthin, zum Hauptbahnhof, von wo es nur sieben Minuten zu Fuß bis zum Eingang der Werft waren. Und eigentlich sprachen alle, flüsternd oder halblaut, über das gleiche: Im Moment wurde noch nicht geschossen – aber sie würden sicher irgendwann anfangen, ohne Zweifel, die Frage war nur, zu welchem Zeitpunkt! Auch ich erinnerte mich an den Dezember vor genau zehn Jahren: Ich war mit Vater in die Dachkammer gegangen, um durch das offene Fenster den Lärm aus der Innenstadt zu hören. Die frostige Luft trug das Knallen einzelner Schüsse heran, die Sirenen der Krankenwagen, das Dröhnen der Panzer. Über der Stadt hing ein roter Feuerschein. In dem dunklen Raum dahinter erschien immer wieder ein Hubschrauber. Er warf Leuchtraketen ab, und in dem kurzen Moment, wo der Himmel erhellt war, hörten wir deutlich zwei oder drei Salven aus schweren Maschinengewehren. Wenn diese Geräusche verstummten, kam es uns manchmal vor, als hörten wir den wie ein Refrain wiederkehrenden Schrei der Menge.
„Merk dir“, hatte mein Vater gesagt, als wir die zwei Stockwerke zu unserer Wohnung hinuntergingen, „das ist der Anfang vom Ende für sie.“ Mit „sie“ meinte er natürlich nicht die Arbeiter. Das abgebrannte Parteigebäude sah ich ein paar Tage danach, als die Sperrstunde schon aufgehoben war, vom Fenster der Straßenbahn aus. Auf einer Kreuzung der Hucisko-Straße, gleich neben der Haltestelle, fand ich einen Arbeiterhelm, platt wie eine zertretene Streichholzschachtel. In der Luft hing überall Brandgeruch und der Gestank von Tränengas.”

Paweł Huelle (Danzig, 10. September 1957)
Ab dem Jahr 1917 war er im Wiener Kriegspressequartier beschäftigt. Auch nach dem Krieg blieb Werfel in Österreich. In dieser Zeit machte er einige Reisen und hielt sich für längere Zeit in Italien auf. 1929 heiratete er Alma Mahler. 1938 zog er sich vor den Nationalsozialisten in das französische Sanary-sur-Mer zurück. 1940 emigrierte er nach Spanien und Portugal. Von dort aus siedelte er über in die USA. Bereits mit seiner frühen Lyrik im Stil des Expressionismus hatte Franz Werfel Erfolg. Sie handelte von der Erlösung und Verbrüderung der Menschheit und war in einem leidenschaftlich-hymnischen Ton gehalten. Im gleichen expressiven Kunststil hielt er seine ersten Dramen wie zum Beispiel "Spiegelmensch. Magische Trilogie" (1920), "Bocksgesang" (1921) oder "Schweiger" (1922) und seine erste Erzählung, die Novelle "Nicht der Mörder, der Ermordete ist der Schuldige" (1920). Werfels größter Romanerfolg war der 1941 entstandene Titel "Das Lied der Bernadette". Sein utopischer Roman "Stern der Ungeborenen" ( 1946) ist autobiographisch gefärbt.
Ein Liebeslied
Alles, was von uns kommt, wandelt schon andern Raum.
Tat ich dir Liebe an, liebt ich die Welt darum!
Bist du durch mich erhöht, lächelt und glänzt dein Schritt,
Wenn mich mein Weh verspült... bin ich im höchsten Sinn!
Ach, was man Schicksal nennt, raffe mich wolkenwärts!
Trifft mich am Tor der Pfeil... wenn du nur glücklich bist.
Daß du zur Flöte tönst, roste mein Tag im Nu!
Sieh, wir auf Erden sind Ebenbild Gottes so!
Nacht
O die ihr geht am Abend in euer Zimmer ein,
Mit Atem sanftem bleibend und einem Licht allein!
Weh, euch, ihr traut
Dem Spiegelblick, der höhnisch schaut,
Und bergt euch hinter Wänden,
Als könnten Wände wenden,
Und halten ab das Walten, vor ihnen angestaut.
Die Türen gehn von unsichtbaren Händen,
Und euer Haus ist ein und aus und in die Welt gebaut.
Ihr, die in Mitternächten kehrt spät in eure Betten ein,
O Bett, du letzte Heimat, du tiefes altes Allgemein!
Wenn ihr durchs Grün´ des Schlafes hüpft,
Ihr seid nicht fern, ihr seid verknüpft.
Durch eure Herzen schleiert leis der Wasserfall,
Der Wendekreis, die Venus leicht
Um eure Schläfe schlüpft.
Von Pol und Strahl und Schuld seid ihr dahingerafft,
Der harte Eisenengel geht,
Der mit der Lamp euch übers Auge weht,
Und fordert ewig, fordert Rechenschaft.

Franz Werfel (10. September 1890 – 26. August 1945)
Der polnische Schriftsteller Paweł Huelle wurde am 10. September 1957 in Danzig, Polen, geboren. Nach dem Studium der Literaturwissenschaft an der Universität Danzig arbeitete er zunächst als Journalist. Von 1980 bis zum Verbot der Solidarność 1981 war er in deren Pressestelle tätig. Außerdem war er Lehrer für Literatur, Philosophie und Geschichte. Nach der politischen Wende in Polen war er in den 1990er Jahren kurzzeitig Intendant des Dritten Polnischen Fernsehens in Danzig.
Als Schriftsteller machte er sich mit seinem ersten Roman Weiser Dawidek sofort einen Namen. Das Buch wurde von der polnischen Kritik als Meisterwerk und wichtigstes Werk der 80er Jahre gefeiert. Es ist in viele Sprachen übersetzt und im Jahr 2000 durch Wojciech Marczewski verfilmt worden.
Aus: Erzählungen von einem kalten Meer
„Die Straßenbahnen und Busse verkehrten nicht mehr. Deshalb herrschte im Waggon der S-Bahn ein fürchterliches Gedränge. Es gab keine andere Möglichkeit, ins Zentrum von Danzig zu gelangen, und schließlich wollten alle dorthin, zum Hauptbahnhof, von wo es nur sieben Minuten zu Fuß bis zum Eingang der Werft waren. Und eigentlich sprachen alle, flüsternd oder halblaut, über das gleiche: Im Moment wurde noch nicht geschossen – aber sie würden sicher irgendwann anfangen, ohne Zweifel, die Frage war nur, zu welchem Zeitpunkt! Auch ich erinnerte mich an den Dezember vor genau zehn Jahren: Ich war mit Vater in die Dachkammer gegangen, um durch das offene Fenster den Lärm aus der Innenstadt zu hören. Die frostige Luft trug das Knallen einzelner Schüsse heran, die Sirenen der Krankenwagen, das Dröhnen der Panzer. Über der Stadt hing ein roter Feuerschein. In dem dunklen Raum dahinter erschien immer wieder ein Hubschrauber. Er warf Leuchtraketen ab, und in dem kurzen Moment, wo der Himmel erhellt war, hörten wir deutlich zwei oder drei Salven aus schweren Maschinengewehren. Wenn diese Geräusche verstummten, kam es uns manchmal vor, als hörten wir den wie ein Refrain wiederkehrenden Schrei der Menge.
„Merk dir“, hatte mein Vater gesagt, als wir die zwei Stockwerke zu unserer Wohnung hinuntergingen, „das ist der Anfang vom Ende für sie.“ Mit „sie“ meinte er natürlich nicht die Arbeiter. Das abgebrannte Parteigebäude sah ich ein paar Tage danach, als die Sperrstunde schon aufgehoben war, vom Fenster der Straßenbahn aus. Auf einer Kreuzung der Hucisko-Straße, gleich neben der Haltestelle, fand ich einen Arbeiterhelm, platt wie eine zertretene Streichholzschachtel. In der Luft hing überall Brandgeruch und der Gestank von Tränengas.”

Paweł Huelle (Danzig, 10. September 1957)
froumen - 10. Sep, 16:46