Giannis Ritsos, Ignazio Silone
Der griechische Lyriker Giannis Ritsos wurde am 1. Mai 1909 in Monemvasia als jüngster Sohn einer Landbesitzer-Familie auf der griechischen Halbinsel Peloponnes geboren. Ritsos arbeitete in den nächsten Jahren als Sekretär, Kalligraph, Regisseur und Schauspieler in verschiedenen Büros und Theatern. Dann befiel ihn die Tuberkulose, die ihn zwang, bis 1939 insgesamt sieben Jahre in Sanatorien zu verbringen. 1933 trat er der linken Kulturvereinigung „Protopori“ (Avantgardisten) bei. Seine soziale Zugehörigkeit und sein Streben nach Totalität, nach umfassender Weltsicht bekundete er bereits in den gereimten Gedichten der ersten beiden Bände „Traktor“ (1934) und „Pyramiden“ (1935), in den Gedichten „An Marx“ und „An Christus“ ebenso wie in der „Ode an die Freude“ oder in „Deutschland“, ein Gedicht, das bereits 1933 als Reaktion auf die Bücherverbrennung entstand. Das gleiche Schicksal erlitt auch Ritsos’ 3. Buch „Epitafios“ (Epitaph), das der am 4. August 1936 an die Macht gekommene General Metaxas zusammen mit vielen anderen Büchern öffentlich verbrennen ließ. Während der deutschen Okkupation wohnte Ritsos bei Freunden in Athen und wurde zum Chronisten des Widerstandswillens des griechischen Volkes. Diesen, gepaart mit einer substantiellen Verbundenheit zur Heimat, verarbeitete er in „Romiosini“ (Griechentum) und „Herrin der Weingärten“ (beide 1945-1947). Nach seiner Freilassung, die erst 1952 – nach anhaltenden internationalen Protesten, unter anderem von Aragon, Picasso und Neruda – erfolgte, wurde er sofort Mitglied der neu gegründeten linken Einheitsfrontbewegung EDA (für die er bei den Parlamentswahlen 1964 kandidierte). 1956 veröffentlichte er das Monologgedicht „Die Mondscheinsonate“, das ihm die erste öffentliche Anerkennung, den Staatspreis für Lyrik, einbrachte. Die griechische Junta-Zeit (1967-1974) begräbt noch einmal für sieben Jahre den Traum von einem demokratischen Griechenland. Ritsos gehört zu den ersten, die im April 1967 verhaftet werden, wenige Tage vor seinem achtundfünfzigsten Geburtstag. Viele Gedichte aus der Sammlung 'Die Wand im Spiegel' entstehen auf den Verbannungsinseln Gyaros und Leros, der Zyklus 'Pförtnerloge' während seines Hausarrests auf Samos 1970.
MY STAR YOU'VE SET (VASSILEPSES ASTERI MOU)
My star, you've set, fading out in the dark, aIl Creation has set,
and the sun, a black ball of twine, has gathered in its bright light
Crowds keep passing by and jostling me, soldiers trample on me,
but my own gaze never swerves ana my eyes never leave you.
The misty aura of your breath I feel against my cheek;
ah, a buoyant great light's a-float at tlie end of the road.
The palm of a hand bathed in light is wiping the tears from my eyes;
ah my son, the words you spoke rush into my innermost core.
And look now; I've risen again, my limbs can still stand firm;
a blithe light, my brave lad; has lifted me up from the ground.
Now you are shrouded in banners. My child, now go to sleep
I'm on my way to your brothers, beanng your voice with me
MY SWEET LAD YOU HAVE NOT BEEN LOST (GLYKE MOU ESSY DEN CHATHIKES)
My son, what Fate has destined you and what Fate was my doom
to kindle such buming grief, such fire inside my breast?
My sweet lad, you have not been lost, you live inside my veins.
My son, flow deep into all our veins and stay for ever alive.
Übersetzt von Amy Mims
Giannis Ritsos (1. Mai 1909 — 11. November 1990)
Der italienische Schriftsteller Ignazio Silone wurde am 1. Mai 1900 in Pescina dei Marsi / Abruzzen, geboren. Sein Geburtsname war Secondino Tranquilli; während seiner Untergrundaktivitäten gegen den Faschismus ersetzte er diesen jedoch durch das Pseudonym Ignazio Silone. Silones Vater war ein kleiner Grundbesitzer, die Mutter Weberin. Durch ein Erdbeben in der Marsica verlor Silone 1915 seine Mutter und fünf Geschwister; sein Vater scheint schon ein Jahr vorher umgekommen zu sein. Bereits in dieser Zeit begann Silone, sich politisch zu betätigen. Noch als Jugendlicher nahm er an den Kämpfen der Landarbeiter teil, denen gerade in seiner Heimatregion noch Überreste des alten feudalen Großgrundbesitzes gegenüberstanden. Hierbei kam er auch in Kontakt mit sozialistischem Gedankengut, das in seinem weiteren Leben eine wichtige Rolle spielen wird.Etwa 1930 ging Silone ins Schweizer Exil. Sein Bruder Romolo, der einzige aus seiner engeren Familie, der das Erdbeben überlebt hatte, war kurz zuvor aufgrund falscher Anschuldigungen im Zusammenhang mit einem Attentat in Mailand ins Gefängnis gebracht worden, wo ihn die Faschisten später umbrachten. Im Exil wandelte sich Silones politische Haltung. Durch seine Position als Vertreter der italienischen Kommunisten bei der Komintern konnte er den Aufstieg Stalins und die damit verbundene Ausgrenzung innerparteilicher Gegner Stalins aus nächster Nähe miterleben.Erst im Schweizer Exil begann Silones Schaffen als Schriftsteller. Hier schrieb er Fontamara und die Bücher über Pietro Spina: Pane e vino (Brot und Wein) und Il seme sotto la neve (Der Samen unter dem Schnee), in denen er sich unter anderem mit seinem eignen Leben und seiner Sichtweise über den Sozialismus auseinandersetzte.
Aus: Das Geheimnis des Luca (Übersetzt von Fritz Jaffe)
»Da hast du dir aber ein schönes Stück geleistet«, rief Don Serafino mit gespielter Entrüstung. »Darf man fragen, wo du diese Manieren gelernt hast? Bürgermeister, Beisitzer, Pfarrer und Carabinieri haben bis zwei Uhr auf dich gewartet. Was meinst du, wie sich die Ärmsten durch deine Schuld vor der Bevölkerung blamiert haben?«
»Hast du etwa nicht auch auf mich gewartet?« fragte Andrea. »Wäre schade.«
»Selbstverständlich war ich da«, antwortete Don Serafino. »Aber ich war der einzige, der wußte, daß du nicht kommen würdest, der einzige, der die Gründe deiner Abwesenheit kannte, und auch der einzige« jetzt bekannte er sich zum Scherz - »der einzige, der heimlich den Rummel genoß.«
»Du hast doch hoffentlich nicht verraten, wo ich steckte, und mit wem?«
»Nein, ich habe die ganze Litanei hergesagt, ein wahres Vergnügen. Ich habe alle Leute gegen dich aufgehetzt. Wirklich ein Skandal, sagte ich. Kein guter Anfang für das neue Regime. An Stelle des Bürgermeisters würde ich sofort mein Amt niederlegen. Ich muß gestehen, daß Don Franco besonders verbittert war. Er erwartete dich vor dem Durchgang mit ganzen Bündeln von Schriftstücken unter dem Arm. >Die Nachbargemeinden werden vor Neid bersten<<, hatte er gesagt, als er kam Sein religiöses Ideal besteht ja bekanntlich in der Förderung der Bautätigkeit. Du kannst dir also vorstellen, wie sehr du gerade ihn enttäuscht hast. Als der Bürgermeister vom Balkon aus dem Häuflein, das ausgeharrt hatte, verkündete, daß ein kleiner Reiseunfall dein Eintreffen verhindert habe, lachten ihn die Leute einfach aus. Kurz und gut, Andrea, ich muß dir sagen, du gefällst mir, du bist besser, als ich vorausgesehen hatte.«
»Hast du Freude an Skandalen?«
»Manchmal. Wenn sie der bürgerlichen Obrigkeit schaden, weide ich mich geradezu daran. Nun muß ich nur noch herausbekommen, wohin sie gegangen sind, um die Flaschen Wermut und die Torten zu vertilgen, die auf Kosten der Gemeinde für den zu deinen Ehren vorgesehenen Imbiß erstanden worden waren. « Das Stübchen des Priesters mit seiner niedrigen Decke und der dunklen Holztäfelung der Wände empfing aus zwei Fensterluken karges Licht.”
Ignazio Silone (1. Mai 1900 – 22. August 1978)
MY STAR YOU'VE SET (VASSILEPSES ASTERI MOU)
My star, you've set, fading out in the dark, aIl Creation has set,
and the sun, a black ball of twine, has gathered in its bright light
Crowds keep passing by and jostling me, soldiers trample on me,
but my own gaze never swerves ana my eyes never leave you.
The misty aura of your breath I feel against my cheek;
ah, a buoyant great light's a-float at tlie end of the road.
The palm of a hand bathed in light is wiping the tears from my eyes;
ah my son, the words you spoke rush into my innermost core.
And look now; I've risen again, my limbs can still stand firm;
a blithe light, my brave lad; has lifted me up from the ground.
Now you are shrouded in banners. My child, now go to sleep
I'm on my way to your brothers, beanng your voice with me
MY SWEET LAD YOU HAVE NOT BEEN LOST (GLYKE MOU ESSY DEN CHATHIKES)
My son, what Fate has destined you and what Fate was my doom
to kindle such buming grief, such fire inside my breast?
My sweet lad, you have not been lost, you live inside my veins.
My son, flow deep into all our veins and stay for ever alive.
Übersetzt von Amy Mims
Giannis Ritsos (1. Mai 1909 — 11. November 1990)
Der italienische Schriftsteller Ignazio Silone wurde am 1. Mai 1900 in Pescina dei Marsi / Abruzzen, geboren. Sein Geburtsname war Secondino Tranquilli; während seiner Untergrundaktivitäten gegen den Faschismus ersetzte er diesen jedoch durch das Pseudonym Ignazio Silone. Silones Vater war ein kleiner Grundbesitzer, die Mutter Weberin. Durch ein Erdbeben in der Marsica verlor Silone 1915 seine Mutter und fünf Geschwister; sein Vater scheint schon ein Jahr vorher umgekommen zu sein. Bereits in dieser Zeit begann Silone, sich politisch zu betätigen. Noch als Jugendlicher nahm er an den Kämpfen der Landarbeiter teil, denen gerade in seiner Heimatregion noch Überreste des alten feudalen Großgrundbesitzes gegenüberstanden. Hierbei kam er auch in Kontakt mit sozialistischem Gedankengut, das in seinem weiteren Leben eine wichtige Rolle spielen wird.Etwa 1930 ging Silone ins Schweizer Exil. Sein Bruder Romolo, der einzige aus seiner engeren Familie, der das Erdbeben überlebt hatte, war kurz zuvor aufgrund falscher Anschuldigungen im Zusammenhang mit einem Attentat in Mailand ins Gefängnis gebracht worden, wo ihn die Faschisten später umbrachten. Im Exil wandelte sich Silones politische Haltung. Durch seine Position als Vertreter der italienischen Kommunisten bei der Komintern konnte er den Aufstieg Stalins und die damit verbundene Ausgrenzung innerparteilicher Gegner Stalins aus nächster Nähe miterleben.Erst im Schweizer Exil begann Silones Schaffen als Schriftsteller. Hier schrieb er Fontamara und die Bücher über Pietro Spina: Pane e vino (Brot und Wein) und Il seme sotto la neve (Der Samen unter dem Schnee), in denen er sich unter anderem mit seinem eignen Leben und seiner Sichtweise über den Sozialismus auseinandersetzte.
Aus: Das Geheimnis des Luca (Übersetzt von Fritz Jaffe)
»Da hast du dir aber ein schönes Stück geleistet«, rief Don Serafino mit gespielter Entrüstung. »Darf man fragen, wo du diese Manieren gelernt hast? Bürgermeister, Beisitzer, Pfarrer und Carabinieri haben bis zwei Uhr auf dich gewartet. Was meinst du, wie sich die Ärmsten durch deine Schuld vor der Bevölkerung blamiert haben?«
»Hast du etwa nicht auch auf mich gewartet?« fragte Andrea. »Wäre schade.«
»Selbstverständlich war ich da«, antwortete Don Serafino. »Aber ich war der einzige, der wußte, daß du nicht kommen würdest, der einzige, der die Gründe deiner Abwesenheit kannte, und auch der einzige« jetzt bekannte er sich zum Scherz - »der einzige, der heimlich den Rummel genoß.«
»Du hast doch hoffentlich nicht verraten, wo ich steckte, und mit wem?«
»Nein, ich habe die ganze Litanei hergesagt, ein wahres Vergnügen. Ich habe alle Leute gegen dich aufgehetzt. Wirklich ein Skandal, sagte ich. Kein guter Anfang für das neue Regime. An Stelle des Bürgermeisters würde ich sofort mein Amt niederlegen. Ich muß gestehen, daß Don Franco besonders verbittert war. Er erwartete dich vor dem Durchgang mit ganzen Bündeln von Schriftstücken unter dem Arm. >Die Nachbargemeinden werden vor Neid bersten<<, hatte er gesagt, als er kam Sein religiöses Ideal besteht ja bekanntlich in der Förderung der Bautätigkeit. Du kannst dir also vorstellen, wie sehr du gerade ihn enttäuscht hast. Als der Bürgermeister vom Balkon aus dem Häuflein, das ausgeharrt hatte, verkündete, daß ein kleiner Reiseunfall dein Eintreffen verhindert habe, lachten ihn die Leute einfach aus. Kurz und gut, Andrea, ich muß dir sagen, du gefällst mir, du bist besser, als ich vorausgesehen hatte.«
»Hast du Freude an Skandalen?«
»Manchmal. Wenn sie der bürgerlichen Obrigkeit schaden, weide ich mich geradezu daran. Nun muß ich nur noch herausbekommen, wohin sie gegangen sind, um die Flaschen Wermut und die Torten zu vertilgen, die auf Kosten der Gemeinde für den zu deinen Ehren vorgesehenen Imbiß erstanden worden waren. « Das Stübchen des Priesters mit seiner niedrigen Decke und der dunklen Holztäfelung der Wände empfing aus zwei Fensterluken karges Licht.”
Ignazio Silone (1. Mai 1900 – 22. August 1978)
froumen - 1. Mai, 18:34