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Bernhard Schlink, Marius Hulpe

Der deutsche Schriftsteller Bernhard Schlink wurde am 6. Juli 1944 als Sohn eines Theologieprofessors in Großdornberg bei Bielefeld geboren und wuchs in Heidelberg auf. Nach seinem Jurastudium in Heidelberg und Berlin war er zunächst wissenschaftlicher Assistent in Heidelberg, Darmstadt, Bielefeld und Freiburg. Seine erste Professur für Verfassungs- und Verwaltungsrecht führte ihn nach Bonn. Danach war er in Frankfurt tätig. 1988 wurde er Richter des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen. Nach der Wende 1989 zog es ihn nach Berlin.
Zunächst als Fachbuch-Autor tätig, schrieb er 1987 seinen ersten Roman »Selbs Justiz« in Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Walter Popp während eines Freisemester in Aix-en-Provence. 1991 wurde der Roman unter dem Titel »Der Tod kam als Freund« vom ZDF verfilmt. Für seinen zweiten Roman, »Die gordische Schleife«, erhielt er 1989 den Glauser, Autorenpreis für deutschsprachige Kriminalliteratur, für »Selbs Betrug« den Deutschen Krimi-Preis 1992.
Für seinen Roman »Der Vorleser« 1997 erhielt Schlink den Hans-Fallada-Preis der Stadt Münster, den italienischen Literaturpreis Grinzane Cavour, den Prix Laure Bataillon (bestdotierter französischer Preis für übersetzte Literatur), 1999 den erstmals verliehenen Welt-Literaturpreis sowie im Februar 2000 die Ehrengabe der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Gesellschaft.

Uit: Der Vorleser

„Als ich fünfzehn war, hatte ich Gelbsucht. Die Krankheit begann im Herbst und endete im Frühjahr. Je kälter und dunkler das alte Jahr wurde, desto schwächer wurde ich. Erst mit dem neuen Jahr ging es aufwärts. Der Januar war warm, und meine Mutter richtete mir das Bett auf dem Balkon. Ich sah den Himmel, die Sonne, die Wolken und hörte die Kinder im Hof spielen. Eines frühen Abends im Februar hörte ich eine Amsel singen.
Mein erster Weg führte mich von der Blumenstraße, in der wir im zweiten Stock eines um die Jahrhundertwende gebauten, wuchtigen Hauses wohnten, in die Bahnhofstraße. Dort hatte ich mich an einem Montag im Oktober auf dem Weg von der Schule nach. Hause übergeben. Schon seit Tagen war ich schwach gewesen, so schwach wie noch nie in meinem Leben. Jeder Schritt kostete mich Kraft. - Wenn ich zu Hause oder - in der Schule Treppen stieg, trugen mich - meine Beine kaum. Ich mochte auch nicht essen. Selbst wenn ich mich hungrig an den Tisch setzte, stellte sich bald Widerwillen ein. Morgens wachte ich mit trockenem Mund und dem Gefühl auf, meine Organe lägen schwer und falsch in meinem Leib. ... „
(...)

"Ich wartete im Flur. Sie zog sich in der Küche um. Die Tür stand einen Spalt auf. Sie zog die Kittelschürze aus und stand in hellgrünem Unterkleid. Über die Lehne des Stuhls hingen zwei Strümpfe. Sie nahm einen und raffte ihn mit wechselnd greifenden Händen zu einer Rolle. Sie balancierte auf einem Bein, stützte auf dessen Knie die Ferse des andren Beins, beugte sich vor, führte den gerollten Strumpf über die Fußspitze, setzte die Fußspitze auf den Stuhl, streifte den Strumpf über Wade, Knie und Schenkel, neigte sich zur Seite und befestigte den Strumpf an den Strumpfbändern. Sie richtete sich auf, nahm den Fuß vom Stuhl und griff nach dem anderen Strumpf."






Schlink
Bernhard Schlink (Großdornberg, 6. Juli 1944)




Der deutsche Lyriker und Schriftsteller Marius Hulpe wurde am 6. Juli 1982 in Soest, Westfalen, geboren. Hulpe studierte Philosophie, Literatur- und Theater- und Medienwissenschaft in Leipzig, Potsdam und Berlin und seit 2006 Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus im Diplomstudiengang in Hildesheim. Seine Gedichte, Essays und Prosa erschienen in Literaturzeitschriften und Anthologien. Darüber hinaus schreibt er regelmäßige kulturjournalistische Beiträge in Wochenzeitungen und Magazinen. Hulpe war Redakteur des Magazins lit.07 und ist seit 2005 Mitarbeiter der Literaturzeitschrift Am Erker. 2007 war er Mitorganisator der Zweiten Deutschen Lektorenkonferenz in Hildesheim. 2008 erschien sein Lyrikdebüt „wiederbelebung der lämmer“.


milchherz

wo, in dieser fahrigen stunde,
hier, auf mühelos verfaulendem land,
wo die grütze nicht mehr grütze, hier,
im nährboden schimmelnder ämter,
eine sanft sedierende petrischale,
wo, in dieser stunde, die einzige frage:
bin ich gelandet?, hier, wo man luftlöcher schlägt
in jeden heimlichen gedanken &
wo der geballte frust dient, äußerst nützlich,
zur manifesten zerstreuung, zum asbest der herzen,
in traurigen stunden wird darum geschwiegen,
ihr milchigen herzen, ich milchiges herz:
wo sind wir geblieben, wo sind wir gelandet
als sammler von öden sekunden, von haken & haaren
in unseren suppen, dem täglich forcierten geschäft.



sonnenaufgänge an neuköllner schulen

liebliche reihen am zaun, am spitzen
& nicht lebensungefährlichen geländer,
ihr fangt ihn tagtäglich ein, den stummen
hass des asphalts, die wut in der luft,
die schneidende stille im herzen der straße:
ihr fangt das erste wort, den blick, den atem
ein: hier wird nicht mehr viel gehen,
hier wird wahrscheinlich bald gesprengt:
ihr wusstet's. das geländer? wozu. & wer
muss sich schon noch da hinein . . . ja wer
will verpassen, was kommt. wer
hätte nicht lust, zu sehen. welche angst.






hulpe
Marius Hulpe (Soest, 6. Juli 1982)

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Zuletzt aktualisiert: 23. Jan, 19:14

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