Isabel Allende
Die chilenische Schriftstellerin Isabel Allende wurde am 2. August 1942 als erstes Kind von Tomás Allende und Francisca Llona in der peruanischen Hauptstadt Lima geboren, wuchs jedoch nach der drei Jahre später erfolgten Trennung ihrer Eltern mit ihren Geschwistern Pancho und Juan bei ihrer Mutter in Santiago de Chile auf. Als Isabel Allende elf Jahre alt war, zog ihre Mutter mit ihrem neuen Lebensgefährten und den Kindern nach La Paz. Von 1956 bis 1958 lebte die Familie in Beirut. Von ihrem achtzehnten Lebensjahr an arbeitete Isabel Allende als Journalistin und moderierte eine chilenische Fernsehsendung. 1962 vermählte sie sich mit dem Bauingenieur Michael Frías, und im Jahr darauf wurde sie von ihrer Tochter Paula entbunden. Ihr Sohn Nicolás folgte 1966. Nach dem blutigen Militärputsch von General Augusto Pinochet (*1915) gegen die Regierung ihres Onkels Salvador Allende (1908 - 1973) am 11. September 1973 ging sie ins Exil (Caracas, 1975). Nach der Scheidung von Michael Frías heiratete sie 1987 den Anwalt William Gordon und zog zu ihm nach San Francisco. Ihre Tochter Paula erkrankte 1991 an Porphyrie und starb im Jahr darauf.
In den Siebzigerjahren wurden bereits Theaterstücke von Isabel Allende aufgeführt. Mit ihrem Debütroman – "Das Geisterhaus" ("La casa de los espíritus") – gelang ihr 1982 ein internationaler Welterfolg als Schriftstellerin. Es folgten: "Von Liebe und Schatten" (1984) und "Eva Luna" (1987).
Aus: Das Siegel der Tage (Übersetzt von Svenja Becker)
“ Meinem Leben fehlt es nicht an Dramatik, zirkusreifes Material, über das ich schreiben könnte, findet sich mehr als genug, und doch weiß ich am 7. Januar nicht, wohin mit mir. Letzte Nacht habe ich kein Auge zugetan, draußen tobte das Unwetter, der Wind brüllte in den Eichen und rüttelte an den Fenstern, die Sintflut der letzten Wochen hatte ihren Höhepunkt erreicht. Einige Wohngebiete im County standen bereits unter Wasser, die Feuerwehr hatte alle Hände voll zu tun, des gigantischen Desasters Herr zu werden, und die Leute verließen ihre Häuser und wateten bis zur Hüfte durch die Fluten, um zu retten, was zu retten war. Möbel trieben durch die Hauptstraßen, und auf den Verdecks versunkener Autos hockte manches verstörte Haustier und hoffte auf das rettende Herrchen, während die Presse aus dem Hubschrauber die Bilder von einem kalifornischen Winter einfing, der eher an einen Hurrikan in Louisiana erinnerte. Manche Viertel waren für zwei Tage ganz von der Außenwelt abgeschnitten, und als man endlich wieder hinkam und das Ausmaß der Schäden zutage trat, karrte man Trupps lateinamerikanischer Einwanderer herbei, die sich daranmachten, das Wasser mit Pumpen und die Trümmer von Hand wegzuschaffen. Unser Haus, hoch oben auf einem Hügel, ist dem peitschenden Wind ausgesetzt, der die Palmen niederdrückt und Bäume, die zu stolz sind, ihr Haupt zu beugen, zuweilen mitsamt der Wurzel ausreißt, aber von Überschwemmungen bleibt es verschont. Hin und wieder bauen sich während der heftigsten Sturmtage launische Brecher auf, die den einzigen Weg zu uns herauf unpassierbar machen; dann schauen wir, gefangen, von oben hinab auf das ungewohnte Schauspiel der wutschäumenden Bucht.
Ich mag den erzwungenen Rückzug im Winter. Ich lebe im Marin County, nördlich von San Francisco, zwanzig Minuten von der Golden Gate Bridge entfernt, zwischen Hügeln, die sich im Sommer golden und im Winter smaragdfarben kleiden, am Westufer der weiten Bucht. An klaren Tagen können wir in der Ferne noch zwei andere Brücken sehen, außerdem die verschwommene Silhouette der Häfen von Oakland und San Francisco, die schweren Containerschiffe, viele hundert Segelboote und darüber die Möwen wie weiße Papiertaschentücher.“

Isabel Allende (Lima, 2. August 1942)
In den Siebzigerjahren wurden bereits Theaterstücke von Isabel Allende aufgeführt. Mit ihrem Debütroman – "Das Geisterhaus" ("La casa de los espíritus") – gelang ihr 1982 ein internationaler Welterfolg als Schriftstellerin. Es folgten: "Von Liebe und Schatten" (1984) und "Eva Luna" (1987).
Aus: Das Siegel der Tage (Übersetzt von Svenja Becker)
“ Meinem Leben fehlt es nicht an Dramatik, zirkusreifes Material, über das ich schreiben könnte, findet sich mehr als genug, und doch weiß ich am 7. Januar nicht, wohin mit mir. Letzte Nacht habe ich kein Auge zugetan, draußen tobte das Unwetter, der Wind brüllte in den Eichen und rüttelte an den Fenstern, die Sintflut der letzten Wochen hatte ihren Höhepunkt erreicht. Einige Wohngebiete im County standen bereits unter Wasser, die Feuerwehr hatte alle Hände voll zu tun, des gigantischen Desasters Herr zu werden, und die Leute verließen ihre Häuser und wateten bis zur Hüfte durch die Fluten, um zu retten, was zu retten war. Möbel trieben durch die Hauptstraßen, und auf den Verdecks versunkener Autos hockte manches verstörte Haustier und hoffte auf das rettende Herrchen, während die Presse aus dem Hubschrauber die Bilder von einem kalifornischen Winter einfing, der eher an einen Hurrikan in Louisiana erinnerte. Manche Viertel waren für zwei Tage ganz von der Außenwelt abgeschnitten, und als man endlich wieder hinkam und das Ausmaß der Schäden zutage trat, karrte man Trupps lateinamerikanischer Einwanderer herbei, die sich daranmachten, das Wasser mit Pumpen und die Trümmer von Hand wegzuschaffen. Unser Haus, hoch oben auf einem Hügel, ist dem peitschenden Wind ausgesetzt, der die Palmen niederdrückt und Bäume, die zu stolz sind, ihr Haupt zu beugen, zuweilen mitsamt der Wurzel ausreißt, aber von Überschwemmungen bleibt es verschont. Hin und wieder bauen sich während der heftigsten Sturmtage launische Brecher auf, die den einzigen Weg zu uns herauf unpassierbar machen; dann schauen wir, gefangen, von oben hinab auf das ungewohnte Schauspiel der wutschäumenden Bucht.
Ich mag den erzwungenen Rückzug im Winter. Ich lebe im Marin County, nördlich von San Francisco, zwanzig Minuten von der Golden Gate Bridge entfernt, zwischen Hügeln, die sich im Sommer golden und im Winter smaragdfarben kleiden, am Westufer der weiten Bucht. An klaren Tagen können wir in der Ferne noch zwei andere Brücken sehen, außerdem die verschwommene Silhouette der Häfen von Oakland und San Francisco, die schweren Containerschiffe, viele hundert Segelboote und darüber die Möwen wie weiße Papiertaschentücher.“

Isabel Allende (Lima, 2. August 1942)
froumen - 2. Aug, 18:35