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Freitag, 28. November 2008

Stefan Zweig, Sherko Fatah

Der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien als Sohn des wohlhabenden jüdischen Textilfabrikanten Moritz Zweig und dessen Frau Ida geboren. Das Gymnasium (1892 - 1900) wurde von Stefan Zweig als Tortur empfunden, weil auf individuelle Interessen überhaupt nicht eingegangen wurde. Statt für den Unterrichtsstoff begeisterte Stefan Zweig sich für Literatur und schwärmte zum Beispiel für Hugo von Hofmannsthal. Obwohl er morgens um 7 Uhr aufstehen musste, las er als Gymnasiast in der Regel bis 1 oder 2 Uhr nachts. Das 1900 in Wien begonnene Germanistik- und Romanistik-Studium schloss er 1904 mit der Promotion in Berlin ab.Stefan Zweig richtete sich 1919 in Salzburg ein und heiratete im Jahr darauf in Wien Friderike Maria von Winternitz (1882 - 1971).Nachdem Stefan Zweigs Bücher am 10. Mai 1933 zusammen mit denen anderer missliebiger Autoren öffentlich in Deutschland verbrannt worden waren, zog der österrreichische Schriftsteller im Februar 1934 mit seiner Frau von Salzburg nach England. Nach dem Verlust seiner österreichischen Staatsangehörigkeit bat er in England um einen Pass für Staatenlose. Als die Deutschen am 1. September 1939 Polen überfielen und die britische Regierung deshalb dem Deutschen Reich den Krieg erklärte, sank Stefan Zweig noch eine weitere Stufe nach unten: vom Staatenlosen zum "enemy alien". 1940 emigrierte Stefan Zweig mit seiner zweiten Frau über New York nach Brasilien. Am 22. Februar 1942 nahmen sie sich in Petrópolis bei Rio de Janeiro mit einer Überdosis Veronal das Leben.

Aus: Verwirrung der Gefühle

„Ich weiß nicht, wie diese Geschichte zu mir kam. Ich bin nur, dessen entsinne ich mich, am frühen Nachmittage hier lang gesessen, habe in einem Buche gelesen und es dann sinken lassen, hindämmernd in Träumerei, vielleicht auch in leisen Schlaf Und plötzlich sah ich Gestalten hier, und sie glitten die Wand entlang, und ich konnte ihre Worte hören und in ihr Leben sehen.
Doch als ich den Entschwindenden nachblicken wollte, war ich schon wieder wach und allein. Zu meinen Füßen gesunken, lag das Buch. Nun ich es aufhob und nach den Gestalten frug, fand ich darin die Geschichte nicht mehr; es war, als sei sie aus den Blättern in meine Hände gefallen, oder sie war nie darin gewesen.
(...)
Wie soll ich beginnen? Ich fühle, ich muss einen Augenblick aus dem Dunkel herausheben, ein Bild und eine Gestalt, denn so beginnen auch in mir diese seltsamen Träume. Nun entsinne ich mich schon. Ich sehe einen schlanken Knaben, der die breitstufige Treppe eines Schlosses niedersteigt. Es ist Nacht und eine Nacht mit nur mattem Mondlicht, aber ich umfasse wie mit einem erhellten Spiegel jede Kontur seines geschmeidigen Körpers, sehe genau in seine Züge. Er ist außerordentlich schön. Kindhaft gekämmt fallen die schwarzen Haare glatt über die fast überhohe Stirne, und die Hände, die er im Dunkel verbreitet, um die Wärme der durchsonnten Luft tastend zu fühlen, sind sehr zart und edel. Sein Schritt zögert. Verträumt steigt er nieder zu dem großen, mit vielen runden Bäumen rauschenden Garten, durch den wie ein weißer Steg eine einzige breite Chaussee strahlt.





Stefan Zweig (28. November 1881 – 22. Februar 1942)





Der Deutsche Schrifsteller Sherko Fatah wurde am 28. November 1964 in Ost-Berlin geboren. Sherko Fatah ist der Sohn eines Kurden aus dem irakischen Kurdistan und einer deutschen Mutter. Er verbrachte die ersten Jahre seiner Kindheit in der DDR, hielt sich allerdings auch damals bereits länger im Heimatland seines Vaters auf. 1975 siedelte die Familie nach Wien und schließlich nach West-Berlin über. Hier studierte Fatah Philosophie und Kunstgeschichte und schloss sein Studium mit einer Arbeit zur philosophischen Hermeneutik ab. Er ist auch während dieser Zeit häufig in den Irak gereist. Für seinen ersten Roman „Im Grenzland“ erhielt er 2001 den Aspekte-Literaturpreis, 2002 wurde Fatah mit dem Ehrenpreis zum Deutschen Kritikerpreis ausgezeichnet.

Uit: Das Dunkle Schiff

Es war ein Sommertag, heiß, aber doch so windig, dass man es nicht wirklich spürte. Wolkenschatten eilten dunkel über die Ebenen und Hänge, als schwebten Luftschiffe durch den tiefblauen Himmel. Vielleicht war es der schönste Tag seines Lebens, nicht des leichten Lichtes und des sanften Windes wegen, nein, an diesem späten, saumselig vergehenden Tag verspürte er ein erstes Mal die tiefe Ruhe, welche die Schönheit gewährt, und erfuhr zugleich ihre Vergeblichkeit.
Um diese Jahreszeit zogen die alten Frauen hinaus, um Heilkräuter zu sammeln. Sie wussten, wann sie für welches Gewächs an einen bestimmten Ort zu gehen hatten. Weit mußten sie nicht hinaufsteigen, nur auf die Hügel. Dort sah er sie, eine kleine Kolonne, die wie so oft schon den nie ganz überwucherten Pfaden folgte. Sie sprachen und lachten laut, hier draußen waren sie endlich ganz unter sich, für ein paar Stunden fern von Räumen und Regeln. Hätten sie umhergeschaut, auch ihnen wäre die Unberührbarkeit der wilden Gräser, der Dolden und der warmen Steine aufgefallen. Doch sie schwenkten ihre Körbe, und ihre farbenfrohen Gewänder wehten im Wind, sie waren zu sehr miteinander beschäftigt. Fast beneidete er sie darum, so selbstvergessen hineingestellt zu sein in den Tag, der wie ein riesiges, geöffnetes Fenster um sie stand. Er lief ihnen nach, als sie hinter den Hügeln verschwanden, nur einfach um sie weiterhin zu sehen, winzig, doch nicht verloren, und blieb auf dem Hügel stehen. Er fühlte nicht mehr die Abgeschiedenheit hier draußen, nicht mehr die rauhe Einöde, er sah die Landschaft wie eine geöffnete Hand. Er atmete schwer. Ich bin noch ein Kind, dachte er kurz, meine Lungen sind nicht weit genug für diesen Tag. Und selbst wenn sie es wären, so ahnte er, dann könnte ich doch niemals weit genug in ihn hineingehen.




Sherko Fatah (Ost-Berlin, 28. November 1964)

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Zuletzt aktualisiert: 23. Jan, 19:14

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