Isaac Bashevis Singer, Wilhelm Waiblinger
Der jüdisch-polnisch-amerikanischee Schriftsteller Isaac Bashevis Singer wurde am 21. November 1902 als Isaac Hersch Zynger in Leoncin, einem kleinen, hauptsächlich von Juden bewohnten Dorf in der Nähe von Warschau geboren, als Sohn des dortigen Rabbiners Pinchos Menachem Zynger. 1907 zog die Familie nach Radzymin, an den Hof eines chassidischen Rabbiners, 1908 an die Krochmalnastraße im jüdischen Armenviertel von Warschau, damals die größte jüdische und jiddischsprachige Ansiedlung der Welt. Die katastrophale Wirtschaftslage während des Weltkriegs zwang die Familie, sich 1917 zu trennen - Isaacs Mutter, Batsheva, zog mit ihm und seinem jüngeren Bruder Mosche in ihre Heimatstadt Biłgoraj bei Lublin
1921 kehrte Singer wieder nach Warschau zurück, um sich am fortschrittlich-orthodoxen Tachkemoni-Seminar zum Rabbiner ausbilden zu lassen. Er brach die Ausbildung nach einem Jahr ab und zog zu seinen Eltern in die Provinz, konnte jedoch aufgrund der Intervention seines älteren Bruders Israel Joshua Singer (1893-1944), der ein bekannter jiddischer Autor werden sollte, 1923 als Korrektor für eine moderne jiddische Zeitschrift nach Warschau zurückkehren, wo er selber zu schreiben begann. Bereits seine zweite Erzählung unterzeichnete er - um sich vom älteren Bruder zu unterscheiden - mit „Bashevis“, Er hatte gerade einen ersten Roman, „Satan in Goraj“, in Fortsetzungen veröffentlicht, als ihm der ältere Bruder, der 1933 in den Redaktionsstab der großen jiddischen Tageszeitung „Forverts“ („Jewish Daily Forward“) nach New York berufen wurde, 1935 die Einreisemöglichkeit nach Amerika verschaffte.
Aus: Old Love
“This summer day began like all the others. Harry prepared his breakfast in the kitchen – Rice Krispies with skimmed milk and Sanka sweetened with saccharin. At about nine-thirty he took the elevator down to get the mail. A day didn’t go by that he didn’t receive a number of checks, but this day brought a bounty. The stocks had fallen, but the companies kept paying the dividends as usual. Harry got money from buildings on which he held mortgages, from rents, bonds, and all kinds of business ventures that he barely remembered. An insurance company paid him an annuity. For years he had been getting a monthly check from Social Security. This morning’s yield came to over eleven thousand dollars. True, he would have to withhold a great part of this for taxes, but it still left him with some five thousand dollars for himself. While he totaled up the figures, he deliberated: Should he go to the office of Merrill Lynch and see what was happening on the Exchange? No, there was no point to it. Even if the stocks rose early in the morning, the day would end in losses. “The market is completely crazy,” he mumbled to himself. He considered it an iron rule that inflation always went along with a bullish market, not with a bearish market. But now both the dollar and the stocks were collapsing. Well, you could never be sure about anything but death.”
Isaac Bashevis Singer (21. November 1904 – 24. Juli 1991)
Der deutsche Dichter und Schriftsteller Wilhelm Friedrich Waiblinger wurde am 21. November 1804 in Heilbronn geboren und kam mit seiner Familie 1806 nach Stuttgart, 1817 nach Reutlingen. Ab 1822 studierte er Theologie am Tübinger Stift, um damit im Nebenfach auch Philologie studieren zu können. Am 3. Juli 1822 traf Waiblinger erstmals den damals bereits seit anderthalb Jahrzehnten als wahnsinnig geltenden Dichter Friedrich Hölderlin im Hölderlinturm zu Tübingen, bei dem er während seiner gesamten Studienzeit häufiger Gast wurde. Diese Begegnungen verarbeitete er zunächst in seinem Roman Phaeton (1823), später porträtierte er Hölderlin in seinem Buch Friedrich Hölderlin’s Leben, Dichtung und Wahnsinn. Während seiner Studienzeit gehörte Waiblinger auch zum Freundeskreis des Dichters Eduard Mörike. Nach einem für damalige Verhältnisse skandalösen Verhältnis mit der fünf Jahre älteren Julie Michaelis, das 1824 öffentlich wurde anlässlich eines Prozesses wegen einer Brandstiftung, verzichtete Waiblinger auf den christlich-moralischen Anschein, den er sich wegen des Theologiestudiums hatte geben müssen und gab sich Ausschweifungen hin, die auch in seinen Werken Niederschlag fanden. In der Folgezeit entstanden seine Lieder der Verirrung und Drei Tage in der Unterwelt. Nach Veröffentlichung dieser Werke wurde er vom Tübinger Stift, das den Hochbegabten nach der skandalösen Beziehung noch zu schützen versuchte, am 25. September 1826 relegiert. Er lebte ab 1827 in wilder Ehe mit Nena Carlenza zusammen und verfasste Werke, die Alltagsszenen aus dem Leben in Italien beschreiben. In Rom vollendete er auch 1827/28 die Hölderlin-Biographie.
Aus: Phaeton
„Dein Bruder ist jetzt abgereist. Mir ward der Abschied schwer von dem Guten, der wie mein Schatten mir durchs sonnige Italien folgte. Ewigunvergeßlich wie meiner Kindheit Tage ist mir der Abend, wo wir zum erstenmal die Alpenfirnen wie Trümmer einer Urwelt glänzen sahn, und gleich gebändigten Titanen die Nebelwolken unten lagen im Tale, und oben die milchweißen Stirnen vom Purpur der Abendsonne glühten wie bescheidene Mädchenwangen, und die Riesenlawinen donnernd von jähen fürchterlichen Höhn herab sich wälzten, wir uns im Arme lagen und bei Tells und Arnolds Vaterland uns ewige Freundschaft schwuren!
Und als wir gingen auf den sieben Hügeln und wandelten zwischen den schaurigen Gestalten der hohen Vorwelt und sahn, wie um die alten düstern Mauern sich der jugendliche Efeu rankte; als wir saßen an den Ufern der blonden Tiber und ihrem Wellenschlage lauschten, und es aus den Wassern erklang zu uns, den Spätgebornen, wie eine ernste mahnende Stimme, als wir wandelten durch die langen Hallen, wo schweigend [14] unsre alten Götter standen, und wir uns anblickten und uns in die Arme sanken, ach, da wo jeder graue moosbewachsne Trümmer, wo jedes Säulenstück, wo jeder Grashalm an den finstern Mauerrissen, wo alles, alles zu uns sprach: da fühlten wir schwellen unsern Busen. Die Ahnung floh, und es ward klar vor uns. Unser Auge schwamm in Licht und Fülle, und wie eine göttliche Erscheinung sahn wir niederquellen den Geist der Schönheit. Wir fühlten unsern Beruf und den Drang in unserem Innern und knieten nieder und riefen: Dir, heilige Kunst, dir weihn wir unser Leben!“
Wilhelm Waiblinger (21. November 1804 – 17. Januar 1830)
1921 kehrte Singer wieder nach Warschau zurück, um sich am fortschrittlich-orthodoxen Tachkemoni-Seminar zum Rabbiner ausbilden zu lassen. Er brach die Ausbildung nach einem Jahr ab und zog zu seinen Eltern in die Provinz, konnte jedoch aufgrund der Intervention seines älteren Bruders Israel Joshua Singer (1893-1944), der ein bekannter jiddischer Autor werden sollte, 1923 als Korrektor für eine moderne jiddische Zeitschrift nach Warschau zurückkehren, wo er selber zu schreiben begann. Bereits seine zweite Erzählung unterzeichnete er - um sich vom älteren Bruder zu unterscheiden - mit „Bashevis“, Er hatte gerade einen ersten Roman, „Satan in Goraj“, in Fortsetzungen veröffentlicht, als ihm der ältere Bruder, der 1933 in den Redaktionsstab der großen jiddischen Tageszeitung „Forverts“ („Jewish Daily Forward“) nach New York berufen wurde, 1935 die Einreisemöglichkeit nach Amerika verschaffte.
Aus: Old Love
“This summer day began like all the others. Harry prepared his breakfast in the kitchen – Rice Krispies with skimmed milk and Sanka sweetened with saccharin. At about nine-thirty he took the elevator down to get the mail. A day didn’t go by that he didn’t receive a number of checks, but this day brought a bounty. The stocks had fallen, but the companies kept paying the dividends as usual. Harry got money from buildings on which he held mortgages, from rents, bonds, and all kinds of business ventures that he barely remembered. An insurance company paid him an annuity. For years he had been getting a monthly check from Social Security. This morning’s yield came to over eleven thousand dollars. True, he would have to withhold a great part of this for taxes, but it still left him with some five thousand dollars for himself. While he totaled up the figures, he deliberated: Should he go to the office of Merrill Lynch and see what was happening on the Exchange? No, there was no point to it. Even if the stocks rose early in the morning, the day would end in losses. “The market is completely crazy,” he mumbled to himself. He considered it an iron rule that inflation always went along with a bullish market, not with a bearish market. But now both the dollar and the stocks were collapsing. Well, you could never be sure about anything but death.”
Isaac Bashevis Singer (21. November 1904 – 24. Juli 1991)
Der deutsche Dichter und Schriftsteller Wilhelm Friedrich Waiblinger wurde am 21. November 1804 in Heilbronn geboren und kam mit seiner Familie 1806 nach Stuttgart, 1817 nach Reutlingen. Ab 1822 studierte er Theologie am Tübinger Stift, um damit im Nebenfach auch Philologie studieren zu können. Am 3. Juli 1822 traf Waiblinger erstmals den damals bereits seit anderthalb Jahrzehnten als wahnsinnig geltenden Dichter Friedrich Hölderlin im Hölderlinturm zu Tübingen, bei dem er während seiner gesamten Studienzeit häufiger Gast wurde. Diese Begegnungen verarbeitete er zunächst in seinem Roman Phaeton (1823), später porträtierte er Hölderlin in seinem Buch Friedrich Hölderlin’s Leben, Dichtung und Wahnsinn. Während seiner Studienzeit gehörte Waiblinger auch zum Freundeskreis des Dichters Eduard Mörike. Nach einem für damalige Verhältnisse skandalösen Verhältnis mit der fünf Jahre älteren Julie Michaelis, das 1824 öffentlich wurde anlässlich eines Prozesses wegen einer Brandstiftung, verzichtete Waiblinger auf den christlich-moralischen Anschein, den er sich wegen des Theologiestudiums hatte geben müssen und gab sich Ausschweifungen hin, die auch in seinen Werken Niederschlag fanden. In der Folgezeit entstanden seine Lieder der Verirrung und Drei Tage in der Unterwelt. Nach Veröffentlichung dieser Werke wurde er vom Tübinger Stift, das den Hochbegabten nach der skandalösen Beziehung noch zu schützen versuchte, am 25. September 1826 relegiert. Er lebte ab 1827 in wilder Ehe mit Nena Carlenza zusammen und verfasste Werke, die Alltagsszenen aus dem Leben in Italien beschreiben. In Rom vollendete er auch 1827/28 die Hölderlin-Biographie.
Aus: Phaeton
„Dein Bruder ist jetzt abgereist. Mir ward der Abschied schwer von dem Guten, der wie mein Schatten mir durchs sonnige Italien folgte. Ewigunvergeßlich wie meiner Kindheit Tage ist mir der Abend, wo wir zum erstenmal die Alpenfirnen wie Trümmer einer Urwelt glänzen sahn, und gleich gebändigten Titanen die Nebelwolken unten lagen im Tale, und oben die milchweißen Stirnen vom Purpur der Abendsonne glühten wie bescheidene Mädchenwangen, und die Riesenlawinen donnernd von jähen fürchterlichen Höhn herab sich wälzten, wir uns im Arme lagen und bei Tells und Arnolds Vaterland uns ewige Freundschaft schwuren!
Und als wir gingen auf den sieben Hügeln und wandelten zwischen den schaurigen Gestalten der hohen Vorwelt und sahn, wie um die alten düstern Mauern sich der jugendliche Efeu rankte; als wir saßen an den Ufern der blonden Tiber und ihrem Wellenschlage lauschten, und es aus den Wassern erklang zu uns, den Spätgebornen, wie eine ernste mahnende Stimme, als wir wandelten durch die langen Hallen, wo schweigend [14] unsre alten Götter standen, und wir uns anblickten und uns in die Arme sanken, ach, da wo jeder graue moosbewachsne Trümmer, wo jedes Säulenstück, wo jeder Grashalm an den finstern Mauerrissen, wo alles, alles zu uns sprach: da fühlten wir schwellen unsern Busen. Die Ahnung floh, und es ward klar vor uns. Unser Auge schwamm in Licht und Fülle, und wie eine göttliche Erscheinung sahn wir niederquellen den Geist der Schönheit. Wir fühlten unsern Beruf und den Drang in unserem Innern und knieten nieder und riefen: Dir, heilige Kunst, dir weihn wir unser Leben!“
Wilhelm Waiblinger (21. November 1804 – 17. Januar 1830)
froumen - 21. Nov, 13:51