Frederik van Eeden, Peter Huchel
Der niederländische Schriftsteller, Psychologe und Sozialreformer Frederik Willem van Eeden wurde am 3. April 1860 in Haarlem geboren. Er wuchs in einer Umgebung auf, in der Kunst und Wissenschaft eine wichtige Rolle spielten. 1878 begann er, Medizin in Amsterdam zu studieren. 1886 promovierte Van Eeden und ließ sich in Bussum als Hausarzt nieder. Er spezialisierte sich jedoch schnell auf Psychotherapie. Beginn der 1880er Jahre spielte Van Eeden eine wichtige Rolle im Amsterdamer Studentenleben und veröffentlichte seine ersten Artikel. Er wurde Mitglied der niederländischen Schriftsteller-Vereinigung Flanor. 1885 gründete er mit Frank der Goes, Willem Kloos, Willem Paap und Albert Verwey die Zeitschrift De Nieuwe Gids, die das Sprachrohr der Beweging van Tachtig werden sollte. Die ersten Ausgaben des Nieuwe Gids beinhalteten Teile des von Van Eeden geschriebenen Märchens De Kleine Johannes. Das Märchen wurde 1887 als Buch veröffentlicht. 1894 verließ Van Eeden die Redaktion des Nieuwe Gids.
Am 15. April 1886 heiratete Frederik van Eeden Martha van Vloten. Sie wurden Eltern zweier Söhne. Am 29. Juni 1907 ließen sie sich scheiden. Am 21. August 1907 heiratete Van Eeden seine zweite Ehefrau Geertruida Woutrina Everts, mit der er ebenfalls zwei Söhne hatte.
1900 erschien Van Eedens psychologischer Roman Van de koele meren des doods. Das Werk wurde seitdem mehrmals neu aufgelegt und wird immer noch häufig gelesen. 1982 wurde der Roman von Nouchka van Brakel verfilmt. Die Kolonie Walden in Bussum war ein Versuch, seinen gesellschaftlichen Auffassungen eine konkrete Gestalt zu geben. Das Experiment, das nur wenige Jahre Bestand hatte (1898 bis 1907), war für die Entwicklung des niederländischen Sozialismus von Bedeutung.
Aus: Der kleine Johannes
“Ich will euch etwas von dem kleinen Johannes erzählen. Meine Geschichte erinnert zwar sehr an ein Märchen, aber dennoch ist alles in Wirklichkeit so geschehen. Sobald ihr das nicht mehr glaubt, sollt ihr nicht weiter lesen, denn ich schreibe dann nicht für euch. Auch dürft ihr nie zu dem kleinen Johannes darüber sprechen, wenn ihr ihm jemals begegnen solltet, denn das würde ihm Kummer bereiten und ich würde es bereuen, euch dies alles erzählt zu haben.
Johannes wohnte in einem alten Hause, das von einem großen Garten umgeben war. Es war schwer sich dort zurecht zu finden, denn in dem Hause waren viel dunkle Gänge, Treppen, Stübchen und geräumige Bodenkammern, und im Garten gab es allenthalben Spalierwände und Treibhäuser. Für Johannes bedeutete dieser Garten eine ganze Welt. Er konnte weite Streifzüge darin unternehmen, und allem, was er entdeckte, gab er einen Namen. Für das Haus hatte er lauter Namen aus dem Tierreich gefunden: da war der Raupenspeicher, weil er dort eine Raupenzucht trieb; und das Hühnerstübchen, weil er dort einmal ein Huhn gefunden hatte. Das war zwar nicht von selber dahin gekommen, sondern die Mutter des kleinen Johannes hatte es dort zum Brüten hingesetzt. Für den Garten wählte er lauter Namen aus dem Pflanzenreich, und beachtete dabei vornehmlich die Erzeugnisse, die für ihn von Bedeutung waren. So unterschied er einen Himbeerberg, einen Birnenwald und ein Erdbeertal. Ganz hinten war ein kleines Fleckchen, welches er das Paradies nannte, und dort war es natürlich besonders schön. Da war ein großes Wasser, ein Teich, auf dem weiße Lilien trieben und an dessen Ufern das Schilf flüsternd lange Gespräche mit dem Winde führte. Jenseits lagen die Dünen. Das Paradies selber bestand aus einem kleinen Rasen am diesseitigen Ufer, der von Buschholz umringt war; üppig schoß der Waldkerbel daraus empor. Dort lag Johannes oft im dichten Grase und spähte durch das wogende Schilf nach den Dünenspitzen jenseits des Wassers. An warmen Sommerabenden war er dort immer und konnte stundenlang so daliegen und schauen und schauen, ohne daß ihm jemals die Zeit lang wurde.”
Frederik van Eeden (3. April 1860 – 16. Juni 1932)
Der deutsche Lyriker und Schrifsteller Peter Huchel wurde am 3. April 1903 in Lichterfelde bei Berlin geboren. Aufgewachsen auf dem Bauernhof seines Großvaters im märkischen Alt-Langerwisch, studierte er Literatur und Philosophie in Berlin, Freiburg im Breisgau und Wien. Ab 1925 lebte er als freier Schriftsteller in Berlin. Zwischen 1927 und 1930 reiste er durch Frankreich, den Balkan und die Türkei und war danach Mitarbeiter der Literaturzeitschrift „Die literarische Welt“. In seiner autobiographischen Skizze "Europa neunzehnhunderttraurig" (1931) begründete er sein Einzelgängertum (er war weder Marxist noch bürgerlicher Dichter, sondern er verstand sich als Naturlyriker). 1932 erhielt er von der Dresdner Zeitschrift „Die Kolonne“ seinen ersten Lyrikpreis für die Gedichtsammlung "Der Knabenteich"; die Drucklegung verhinderte er jedoch, weil er befürchtete, die Nationalsozialisten könnten seine Naturlyrik vereinnahmen. In der „inneren Emigration“, zurückgezogen in Michendorf, verfaßte er unpolitische Funkdichtungen, die Hörspiele "Dr. Faustens Teufelspakt und Höllenfahrt" (1933), "Die Magd und das Kind" (1935) sowie "Margarete Minde" (1939), veröffentlichte in dieser Zeit aber kaum Gedichte. 1941 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. 1945 geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft und kam ins Kriegsgefangenenlager Rüdersdorf, östlich von Berlin. Im September 1945 wurde er entlassen. Schon seit Beginn der 50er Jahre wurde Huchel wegen seiner systemübergreifenden künstlerischen Konzeptionen für Sinn und Form angegriffen. Auf Druck von offizieller Seite wurde Huchel 1953 zur Kündigung seines Redaktionspostens genötigt, was nur durch die Intervention Bertolt Brechts verhindert werden konnte. Als sich nach Brechts Tod 1956 die Angriffe auf Huchel wieder verschärften und seine Arbeit bei Sinn und Form in immer größerem Ausmaß behindert wurde, sah er sich 1962 endgültig zum Rücktritt gezwungen. 1963 erhielt er den Theodor-Fontane-Preis. Da er sich weigerte, diesen West-Berliner Preis abzulehnen, durfte er in der Folgezeit in der DDR weder publizieren noch reisen. Peter Huchel gab zwar nur fünf schmale Gedichtbände heraus ("Gedichte" [1948], "Chausseen Chausseen" [1963], "Die Sternenreuse", Gedichte 1925-1947 [1968], "Gezählte Tage" [1972] und "Die neunte Stunde" [1979]), gehört aber dennoch unbestritten zu den bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikern unseres Jahrhunderts.
Abschied
Daß du nun willst gehen,
hast du es bedacht,
als du meine H nde
löstest in der Nacht?
Als wir noch im Schlummer
hielten uns vereint –
meinen Namen hauchend,
hast du mich gemeint?
War der Mond nicht Zeuge,
silbern überm Haus?
Kam nicht Wind vom Meere,
löschte alles aus?
Daß du nun willst gehen,
hast du es bedacht,
als du meine Augen
suchtest in der Nacht?
Frühe
Wenn aus den Eichen
der Tau der Frühe leckt,
knarren die Türen, rädern die Speichen
vom Schrei der Hähne geweckt.
Noch unterm Laken
des Mondes schlafen die Wiesen, kühl und hell.
Die Sumpffeuer blaken,
die Frösche rühren ihr Paukenfell.
Mondhörnig schüttelt
sein Haupt das Rind
und weidet dunkel am Bach.
Der Habicht rüttelt
im stürzenden Wind
die Helle der Lerchen wach.
Peter Huchel (3. April 1903 – 30. April 1981)
Am 15. April 1886 heiratete Frederik van Eeden Martha van Vloten. Sie wurden Eltern zweier Söhne. Am 29. Juni 1907 ließen sie sich scheiden. Am 21. August 1907 heiratete Van Eeden seine zweite Ehefrau Geertruida Woutrina Everts, mit der er ebenfalls zwei Söhne hatte.
1900 erschien Van Eedens psychologischer Roman Van de koele meren des doods. Das Werk wurde seitdem mehrmals neu aufgelegt und wird immer noch häufig gelesen. 1982 wurde der Roman von Nouchka van Brakel verfilmt. Die Kolonie Walden in Bussum war ein Versuch, seinen gesellschaftlichen Auffassungen eine konkrete Gestalt zu geben. Das Experiment, das nur wenige Jahre Bestand hatte (1898 bis 1907), war für die Entwicklung des niederländischen Sozialismus von Bedeutung.
Aus: Der kleine Johannes
“Ich will euch etwas von dem kleinen Johannes erzählen. Meine Geschichte erinnert zwar sehr an ein Märchen, aber dennoch ist alles in Wirklichkeit so geschehen. Sobald ihr das nicht mehr glaubt, sollt ihr nicht weiter lesen, denn ich schreibe dann nicht für euch. Auch dürft ihr nie zu dem kleinen Johannes darüber sprechen, wenn ihr ihm jemals begegnen solltet, denn das würde ihm Kummer bereiten und ich würde es bereuen, euch dies alles erzählt zu haben.
Johannes wohnte in einem alten Hause, das von einem großen Garten umgeben war. Es war schwer sich dort zurecht zu finden, denn in dem Hause waren viel dunkle Gänge, Treppen, Stübchen und geräumige Bodenkammern, und im Garten gab es allenthalben Spalierwände und Treibhäuser. Für Johannes bedeutete dieser Garten eine ganze Welt. Er konnte weite Streifzüge darin unternehmen, und allem, was er entdeckte, gab er einen Namen. Für das Haus hatte er lauter Namen aus dem Tierreich gefunden: da war der Raupenspeicher, weil er dort eine Raupenzucht trieb; und das Hühnerstübchen, weil er dort einmal ein Huhn gefunden hatte. Das war zwar nicht von selber dahin gekommen, sondern die Mutter des kleinen Johannes hatte es dort zum Brüten hingesetzt. Für den Garten wählte er lauter Namen aus dem Pflanzenreich, und beachtete dabei vornehmlich die Erzeugnisse, die für ihn von Bedeutung waren. So unterschied er einen Himbeerberg, einen Birnenwald und ein Erdbeertal. Ganz hinten war ein kleines Fleckchen, welches er das Paradies nannte, und dort war es natürlich besonders schön. Da war ein großes Wasser, ein Teich, auf dem weiße Lilien trieben und an dessen Ufern das Schilf flüsternd lange Gespräche mit dem Winde führte. Jenseits lagen die Dünen. Das Paradies selber bestand aus einem kleinen Rasen am diesseitigen Ufer, der von Buschholz umringt war; üppig schoß der Waldkerbel daraus empor. Dort lag Johannes oft im dichten Grase und spähte durch das wogende Schilf nach den Dünenspitzen jenseits des Wassers. An warmen Sommerabenden war er dort immer und konnte stundenlang so daliegen und schauen und schauen, ohne daß ihm jemals die Zeit lang wurde.”
Frederik van Eeden (3. April 1860 – 16. Juni 1932)
Der deutsche Lyriker und Schrifsteller Peter Huchel wurde am 3. April 1903 in Lichterfelde bei Berlin geboren. Aufgewachsen auf dem Bauernhof seines Großvaters im märkischen Alt-Langerwisch, studierte er Literatur und Philosophie in Berlin, Freiburg im Breisgau und Wien. Ab 1925 lebte er als freier Schriftsteller in Berlin. Zwischen 1927 und 1930 reiste er durch Frankreich, den Balkan und die Türkei und war danach Mitarbeiter der Literaturzeitschrift „Die literarische Welt“. In seiner autobiographischen Skizze "Europa neunzehnhunderttraurig" (1931) begründete er sein Einzelgängertum (er war weder Marxist noch bürgerlicher Dichter, sondern er verstand sich als Naturlyriker). 1932 erhielt er von der Dresdner Zeitschrift „Die Kolonne“ seinen ersten Lyrikpreis für die Gedichtsammlung "Der Knabenteich"; die Drucklegung verhinderte er jedoch, weil er befürchtete, die Nationalsozialisten könnten seine Naturlyrik vereinnahmen. In der „inneren Emigration“, zurückgezogen in Michendorf, verfaßte er unpolitische Funkdichtungen, die Hörspiele "Dr. Faustens Teufelspakt und Höllenfahrt" (1933), "Die Magd und das Kind" (1935) sowie "Margarete Minde" (1939), veröffentlichte in dieser Zeit aber kaum Gedichte. 1941 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. 1945 geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft und kam ins Kriegsgefangenenlager Rüdersdorf, östlich von Berlin. Im September 1945 wurde er entlassen. Schon seit Beginn der 50er Jahre wurde Huchel wegen seiner systemübergreifenden künstlerischen Konzeptionen für Sinn und Form angegriffen. Auf Druck von offizieller Seite wurde Huchel 1953 zur Kündigung seines Redaktionspostens genötigt, was nur durch die Intervention Bertolt Brechts verhindert werden konnte. Als sich nach Brechts Tod 1956 die Angriffe auf Huchel wieder verschärften und seine Arbeit bei Sinn und Form in immer größerem Ausmaß behindert wurde, sah er sich 1962 endgültig zum Rücktritt gezwungen. 1963 erhielt er den Theodor-Fontane-Preis. Da er sich weigerte, diesen West-Berliner Preis abzulehnen, durfte er in der Folgezeit in der DDR weder publizieren noch reisen. Peter Huchel gab zwar nur fünf schmale Gedichtbände heraus ("Gedichte" [1948], "Chausseen Chausseen" [1963], "Die Sternenreuse", Gedichte 1925-1947 [1968], "Gezählte Tage" [1972] und "Die neunte Stunde" [1979]), gehört aber dennoch unbestritten zu den bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikern unseres Jahrhunderts.
Abschied
Daß du nun willst gehen,
hast du es bedacht,
als du meine H nde
löstest in der Nacht?
Als wir noch im Schlummer
hielten uns vereint –
meinen Namen hauchend,
hast du mich gemeint?
War der Mond nicht Zeuge,
silbern überm Haus?
Kam nicht Wind vom Meere,
löschte alles aus?
Daß du nun willst gehen,
hast du es bedacht,
als du meine Augen
suchtest in der Nacht?
Frühe
Wenn aus den Eichen
der Tau der Frühe leckt,
knarren die Türen, rädern die Speichen
vom Schrei der Hähne geweckt.
Noch unterm Laken
des Mondes schlafen die Wiesen, kühl und hell.
Die Sumpffeuer blaken,
die Frösche rühren ihr Paukenfell.
Mondhörnig schüttelt
sein Haupt das Rind
und weidet dunkel am Bach.
Der Habicht rüttelt
im stürzenden Wind
die Helle der Lerchen wach.
Peter Huchel (3. April 1903 – 30. April 1981)
froumen - 3. Apr, 18:39