Aktuelle Beiträge

Christina Viragh, Derek...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 23. Jan, 19:14
Felicitas Hoppe, Margit...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 23. Dez, 07:50
Rebecca West, Heinrich...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 23. Dez, 07:49
Rafał Wojaczek, Peter...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 6. Dez, 20:44
Joseph Conrad, France...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 3. Dez, 22:09
Daniel Pennac, Mihály...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 1. Dez, 19:24
Carlo Levi, Jean-Philippe...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 29. Nov, 16:30
Eugène Ionesco, William...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 26. Nov, 22:17
Nadine Gordimer, Thomas...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 20. Nov, 22:11
José Saramago, Hugo Dittberner
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 16. Nov, 19:17
Jurga Ivanauskaitė, Taha...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 14. Nov, 19:28
C.K.Williams, Klabund
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 4. Nov, 19:16
Bilal Xhaferri, Leo Perutz
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 2. Nov, 19:07
Dylan Thomas, Sylvia...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 27. Okt, 19:56
Stephen L. Carter, Karin...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 26. Okt, 19:51

Mein Lesestoff


Thomas Mann
6. Juni - 12. August 1955


Rainer Maria Rilke
4. Dezember 1875 - 29. Dezember 1926


Georg Trakl
3. Februar 1887 - 4. November 1914

Archiv

Juli 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 
 
 

Weltliteratur

Freitag, 26. Juni 2009

Bankim Chandra Chattopadhyay, Sunthon Phu

Der bengalische Sschriftsteller Bankim Chandra Chattopadhyay (anglisierend auch Chatterjee) wurde am 26. Juni 1838 in Kanthalpara geboren. Bankim hat im Lauf seines Lebens - anders als seine Zeitgenossen Dwarkanath Tagore, Rammohan Roy oder Michael Madhusudan Dutt - Bengalen niemals verlassen; seine reichhaltigen Kenntnisse des alltäglichen Lebens auf dem Lande, wo er als Steuereinnehmer mit der Bevölkerung in engem Kontakt stand, seine Kenntnis der unzugänglichen Sümpfe der Sundarbans mit ihren Schmuggler- und Räuberbanden und des städtischen Lebens von Kolkata ermöglichten ihm aber, die sozialen Grenzen, die ihm gesetzt waren, zu überschreiten und ein lebensvolles Bild des bengalischen Alltags in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. zu zeichnen. Sein sprachliches und inhaltliches Eingehen auf die Gegenwart bedeutete den Bruch mit den bisher üblichen märchenhaften Erzählungen, die dazu noch in schwer verständlicher poetischer und Sanskritform verfasst waren.

Aus: The Poison Tree (Übersetzt von Miriam S. Knight)

„Magendra Natha Datta is about to travel by boat. It is the month Joisto (May—June), the time of storms. His wife, Surja Mukhi, had adjured him, saying, "Be careful; if a storm arises be sure you fasten the boat to the shore. Do not remain in the boat." Nagendra had consented to this, otherwise Surja Mukhi would not have permitted him to leave home; and unless he went to Calcutta his suits in the Courts would not prosper.
Nagendra Natha was a young man, about thirty years of age, a wealthy zemindar (landholder) in Zillah Govindpur. He dwelt in a small village which we shall call Haripur. He was travelling in his own boat. The first day or two passed without obstacle. The river flowed smoothly on—leaped, danced, cried out, restless, unending, playful. On shore, herdsmen were grazing their oxen—one sitting under a tree singing, another smoking, some fighting, others eating. Inland, husbandmen were driving the plough, beating the oxen, lavishing abuse upon them, in which the owner shared. The wives of the husbandmen, bearing vessels of water, some carrying a torn quilt, or a dirty mat, wearing a silver amulet round the neck, a ring in the nose, bracelets of brass on the arm, with unwashed garments, their skins blacker than ink, their hair unkempt, formed a chattering crowd. Among them one beauty was rubbing her head with mud, another beating a child, a third speaking with a neighbour in abuse of some nameless person, a fourth beating clothes on a plank. Further on, ladies from respectable[3] villages adorned the gháts (landing-steps) with their appearance—the elders conversing, the middle-aged worshipping Siva, the younger covering their faces and plunging into the water; the boys and girls screaming, playing with mud, stealing the flowers offered in worship, swimming, throwing water over every one, sometimes stepping up to a lady, snatching away the image of Siva from her, and running off with it.“






bankim-chandra-chatterjee
Bankim Chandra Chatterjee (26. Juni 1838 – 8. April 1894)





Der thailändische Dichter Sunthon Phu wurde am 26. Juni 1786 in Bangkok geboren. Nach dem Abschluss der Schule begann er eine Anstellung als Sekretär bei Hofe. Schon bald erkannte man jedoch seine wahre Begabung: die Dichtkunst. In einer romantischen Anwandlung verliebte er sich unsterblich in die schöne Hofdame Chan, ein Verstoß gegen die guten Sitten bei Hofe. Beide wurden in den Kerker geworfen, nach kurzer Zeit jedoch wieder entlassen. 1807 schrieb er das Gedicht Nirat Phra Bat, in dem er seine Reise mit einem Prinzen verewigte und - seine Probleme mit der geliebten Frau. 1809 wurde Phra Phutthaloetla (Rama II.) neuer König, ein Mann von außergewöhnlichem poetischen Talent. Er übersetzte das indische Ramayana in das thailändische Ramakian, und er nutzte dabei die Auffassungsgabe und Kritikfähigkeit von Sunthon Phu. Schließlich wurde dem jungen Dichter seine Trunksucht zum Verhängnis: er verletzte während eines Streits seinen Onkel derart schwer, dass der König ihn ins Gefängnis werfen ließ. Auch Chan wandte sich von ihm ab. Sunthon Phu wurde kurze Zeit später wieder entlassen und als Hofdichter eingesetzt. Er verfasste hier das einzigartige Werk Die Legende von Khun Chang und Khun Phaen.


Aus: The births of Khun Chang and Khun Phaen
(Übersetzt von Chris Baker und Pasuk Phongpaichit)

Now we have honored teachers, let’s get on with the story. There
are tales from the past, when His Majesty King Phanwasa2 ruled the
city of Ayutthaya,
a time of happiness and joy like a heavenly city. He was the pinnacle3
of the world. His power extended in all directions. He governed the
ordinary people.
Tributary cities, large and small, within his sway, quailed before his
might. Every country surrounding the capital submitted and paid
homage.
The king observed the Ten Royal Virtues, spreading perfect bliss and
contentment throughout the kingdom, for which the people were duly
thankful.
This is the story of Khun Phaen, Khun Chang, and the fair Nang
Wanthong. In the year 147 the parents of these three, people of that era,
were loyal subjects of the realm of His Majesty King Phanwasa. The
tale will be told according to the legend, so that you listeners may
understand.
Khun Krai Pholphai was a man of property and wealth from Ban
Phlap. Nang Thong Prasi lived at Wat Takrai. These two had
become a couple.
A diligent man, his home was in the city of Suphan.
He was a rich man with masses of wealth and many men. Together
with his wife, Nang Thepthong, he lived at Ten Cowries Landing8 in
Suphan.






SunthornPhu
Sunthorn Phu (26. Juni 1786 - ? 1855)

Donnerstag, 25. Juni 2009

Ingeborg Bachmann, Heinrich Seidel

Die österreichische Lyrikerin und Schriftstellerin Ingeborg Bachmann wurde am 25. Juni 1926 in Klagenfurt geboren. Als Tochter eines Lehrers und einer Mutter, die nicht hatte studieren dürfen, bekam Bachmann die Unterstützung und Ermunterung beider Eltern und studierte nach dem Krieg in Innsbruck, Graz und Wien Philosophie, Germanistik und Psychologie. Sie schrieb ihre Dissertation (1950) über die kritische Rezeption Heideggers, dessen Ideen sie als “eine Verführung ... zum deutschen Irrationaldenken” kritisierte. Während der Beziehung zu dem Schweizer Schriftsteller Max Frisch, lebte Bachmann abwechselnd in Zürich und Rom. Die Ehe lehnte sie ab als “eine unmögliche Institution.”Seit Ende 1965 lebte sie wieder in Rom. Trotz ihres prekären Gesundheitszustandes (sie war infolge einer medizinischen Fehlbehandlung jahrelang tablettensüchtig) reiste sie 1973 nach Polen. Sie plante gerade einen Umzug nach Wien, als sie an den Folgen eines Brandunfalls starb. Obwohl Bachmanns früher spektakulärer Ruhm auf der Lyrik gründete (Preis der Gruppe 47, 1954), wandte sie sich im Laufe der 50er Jahre immer mehr der Prosa zu, nachdem sie schwere Zweifel an der lyrischen Sprache erlebte.



Die große Fracht

Die große Fracht des Sommers ist verladen,
das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit,
wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit.
Die große Fracht des Sommers ist verladen.

Das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit,
und auf die Lippen der Galionsfiguren
tritt unverhüllt das Lächeln der Lemuren.
Das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit.

Wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit,
kommt aus dem Westen der Befehl zu sinken;
doch offnen Augs wirst du im Licht ertrinken,
wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit.





Abschied von England

Ich habe deinen Boden kaum betreten,
schweigsames Land, kaum einen Stein berührt,
ich war von deinem Himmel so hoch gehoben,
so in Wolken, Dunst und in noch Ferneres gestellt,
daß ich dich schon verließ,
als ich vor Anker ging.

Du hast meine Augen geschlossen
mit Meerhauch und Eichenblatt,
von meinen Tränen begossen,
hieltst du die Gräser satt;
aus meinen Träumen gelöst,
wagten sich Sonnen heran,
doch alles war wieder fort,
wenn dein Tag begann.
Alles blieb ungesagt.

Durch die Straßen flatterten die großen grauen Vögel
und wiesen mich aus.
War ich je hier?

Ich wollte nicht gesehen werden.

Meine Augen sind offen.
Meerhauch und Eichenblatt?
Unter den Schlangen des Meers
seh ich, an deiner Statt,
das Land meiner Seele erliegen.

Ich habe seinen Boden nie betreten.



Psalm

1

Schweigt mit mir, wie alle Glocken schweigen!

In der Nachgeburt der Schrecken
sucht das Geschmeiß nach neuer Nahrung.
Zur Ansicht hängt karfreitags eine Hand
am Firmament, zwei Finger fehlen ihr,
sie kann nicht schwören, daß alles,
alles nicht gewesen sei und nichts
sein wird. Sie taucht ins Wolkenrot,
entrückt die neuen Mörder
und geht frei.

Nachts auf dieser Erde
in Fenster greifen, die Linnen zurückschlagen,
daß der Kranken Heimlichkeit bloßliegt,
ein Geschwür voll Nahrung, unendliche Schmerzen
für jeden Geschmack.

Die Metzger halten, behandschuht,
den Atem der Entblößten an,
der Mond in der Tür fällt zu Boden,
laß die Scherben liegen, den Henkel ...

Alles war gerichtet für die letzte Ölung.
(Das Sakrament kann nicht vollzogen werden.)







bachmann
Ingeborg Bachmann (25. Juni 1926 – 17. Oktober 1973)





Der deutsche Schriftsteller und Ingenieur Heinrich Seidel wurde geboren am 25. Juni 1842 in Perlin (Mecklenburg). Seidel war der Sohn eines Pfarrers. Er studierte von 1860-1862 am Polytechnikum in Hannover, ab 1866 an der Gewerbeakademie in Berlin. Ab 1868 war er Ingenieur in einer Maschinenfabrik in Berlin. Seidel konstruierte als Ingenieur die Bedachung des Anhalter Bahnhofs. Seit 1880 lebte er als freier Schriftsteller und schilderte in Erzählungen die idyllischen Seiten des bürgerlichen Lebens.


Das Sonett

So recht geeignet ist für spitz verzwickte
Verschnörkelte Ideen die verzwackte
Sonettenform, und für modern befrackte
Gedanken eine wunderbar geschickte

Und wer von Weisheit nur ein Körnlein pickte
Und von Ideen nur ein Ideelein packte,
Der zwängt es gerne in die höchst vertrackte
Sonettenhaut, die viel und oft geflickte.

Die Freude dann, wenn das Glück ihm glückte
Und schwitzend er sein Nichts zusammen stückte,
Darob er manche Stunde mühsam hockte!

Doch hilft's ihm nimmer, dass er drückt' und druckte,
Weil gähnend ob dem künstlichen Produkte
Die Menschheit ruhig einschläft, die verstockte!







seidelh1
Heinrich Seidel (25. Juni 1842 – 7. November 1906)

Mittwoch, 24. Juni 2009

Ernesto Sábato, Ambrose Bierce

Der argentinische Schriftsteller, Wissenschaftler und Maler Ernesto Sábato wurde am 24. Juni 1911 in Rojas geboren. In La Plata besuchte er Schule und Universität (Universidad Nacional de La Plata); seine Studien aus Physik und Mathematik schloss er 1938 mit dem Doktortitel ab. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebte er längere Zeit in Paris, wo er eine existentielle Krise durchmachte; erst 1935 kehrte er nach Argentinien zurück. Mit 28 Jahren war er bereits Universitätsprofessor für Theoretische Physik am Instituto de Física der Universidad de la Plata und arbeitete am Laboratoire Curie in Paris sowie am Massachusetts Institute of Technology über Atomphysik, bis er diese Facette seines Wirkens 1945 endgültig aufgab. Sábato arbeitete fortan als Übersetzer und war kurze Zeit bei der UNESCO tätig. Er war auch Leiter der Kommission zur Aufdeckung der Verbrechen der Militärdiktatur CONADEP in Argentinien und mit der Herausgabe des Bandes Nunca más befasst, der die Verbrechen der argentinischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 dokumentierte. 1984 erhielt er den Cervantespreis. In späteren Jahren betätigte er sich hauptsächlich als Maler. Im Alter erblindete Sábato fast vollständig.
Sein Roman Sobre Héroes y Tumbas (Über Helden und Gräber) gilt als einer der bedeutendsten Romane der argentinischen Literatur des 20. Jahrhunderts.

Aus: Before the End (Übersetzt von Marina Harss)

“I walk along the Avenida Costanera Sur,1 contemplating the portentous river, traversed just over a century ago by thousands of Spaniards, Italians, Jews, Poles, Albanians, Russians, and Germans, driven from their own countries by hunger and poverty. The great visionaries who governed the country at the time offered the Pampas, this metaphor of nothingness, to "all those men who are willing and able," all those who needed a home, a ground in which to lay their roots. After all, it is not possible to live without a fatherland, or "matria,"2 as Miguel de Unamuno preferred to call it, given that mothers are the real basis of our existence. But most of those men found a different kind of poverty here, brought on by solitude and nostalgia; as the boat that carried them here steamed out of the harbor, they saw, their faces streaked with tears, their mothers, children, brothers, and sisters retreat toward death, knowing they would never see them again.
Out of that incurable sorrow was born the strange melody called the tango. The virtuoso Enrique Santos Discépolo, the greatest composer of tangos, once defined the tango as a melancholy thought that is danced. Without realizing it, these unpretentious musicians, using whatever instruments they had around-a violin here, a flute there, a guitar-wrote a crucial part of our history. What sailor, from what German port-town, brought over the instrument that would mark this music most deeply and dramatically-the bandoneón? That humble instrument, which was created in order to serve God in the streets intoning Lutheran melodies, found its destiny thousands of leagues away. With the bandoneón, somber and sacred, man was able to express his deepest emotions.“







ErnestoSabato
Ernesto Sabato (Rojas, 24. Juni 1911)





Der amerikanische Schriftsteller und Journalist Ambrose Gwinnett Bierce wurde am 24. Juni 1842 im ländlichen Ohio geboren.Als Siebzigjähriger unternahm Bierce eine Reise nach Mexiko, mitten in die Mexikanische Revolution, wo sich seine Spur im Gefolge des Revolutionärs Pancho Villa um die Jahreswende 1913/14 verlor. Sein letzter erhaltener Brief lässt vermuten, dass er eine standrechtliche Erschießung für wahrscheinlich hielt. Als exzellenter Kenner der politischen Usancen hatte er eine denkbar schlechte Meinung von seinem Berufsstand und wurde zu einem pointiert geistreichen Zyniker und Beobachter. Zu Lebzeiten blieb er als bedeutender nationaler Schriftsteller weitgehend unbeachtet. Das änderte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute sind vor allem seine mustergültigen Kurzgeschichten gängige Schulbuchlektüre. Bei nicht historisch interessierten Lesern ist er berühmt für seine zynisch-witzigen Definitionen aus „The Devil's Dictionary“, die zwischen 1881 und 1906 entstanden. Diese sind am ehesten vergleichbar mit Lichtenbergs berühmten Sudelbüchern oder mit Oscar Wilde. Sein Stil wurde sehr vom Bürgerkrieg beeinflusst.


Aus: THE DEVIL'S DICTIONARY

ABSENT, adj.
Peculiarly exposed to the tooth of detraction; vilifed; hopelessly in the wrong; superseded in the consideration and affection of another.
To men a man is but a mind. Who cares
What face he carries or what form he wears?
But woman's body is the woman. O,
Stay thou, my sweetheart, and do never go,
But heed the warning words the sage hath said:
A woman absent is a woman dead.
Jogo Tyree

ABSENTEE, n.
A person with an income who has had the forethought to remove himself from the sphere of exaction.
ABSOLUTE, adj.
Independent, irresponsible. An absolute monarchy is one in which the sovereign does as he pleases so long as he pleases the assassins. Not many absolute monarchies are left, most of them having been replaced by limited monarchies, where the sovereign's power for evil (and for good) is greatly curtailed, and by republics, which are governed by chance.
ABSTAINER, n.
A weak person who yields to the temptation of denying himself a pleasure. A total abstainer is one who abstains from everything but abstention, and especially from inactivity in the affairs of others.
Said a man to a crapulent youth: "I thought
You a total abstainer, my son."
"So I am, so I am," said the scrapgrace caught --
"But not, sir, a bigoted one."
G.J.““








bierce
Ambrose Bierce (24 juni 1842 - ? 1913/1914)
Porträt von Tom Redman

Dienstag, 23. Juni 2009

David Leavitt, Pascal Mercier

Der amerikanische Schriftsteller David Leavitt wurde am 23. Juni 1961 in Pittsburgh, Pennsylvania, geboren. Mit dem Kurzgeschichtenband Familientanz wurde Leavitt 1984 international bekannt. Sein erster Roman Die verlorene Sprache der Kräne (1986) wurde für das US-amerikanische Fernsehen verfilmt. In deutscher Übersetzung erschienen auch: Alles was uns fehlt (Roman), Alt genug, um fremd zu gehen (Kurzgeschichten), Nachtmusik mit einem Fremden (Roman) (wurde unter dem Titel The Page Turner verfilmt) und Gebrauchsanweisung für Florenz (literarischer Stadtführer). David Leavitt gilt als einer der wichtigsten offen schwulen Autoren in der Gegenwartsliteratur. Er lebt in den USA und in Italien.

Aus: The Marble Quilt

“'Crossing St. Gotthard
It was the tunnel--its imminence--that all of them were contemplating that afternoon on the train, each in a different way; the tunnel, at nine miles the longest in the world, slicing under the gelid landscape of the St. Gotthard Pass. To Irene it was an object of dread. She feared enclosure in small spaces, had heard from Maisie Withers that during the crossing the carriage heated up to a boiling pitch. "I was as black as a nigger from the soot," Maisie Withers said. "People have died." "Never again," Maisie Withers concluded, pouring lemonade in her sitting room in Hartford, and meaning never again the tunnel but also (Irene knew) never again Italy, never again Europe; for Maisie was a gullible woman, and during her tour had had her pocketbook stolen.
And it was not only Maisie Withers, Irene reflected now (watching, across the way, her son Grady, his nose flat against the glass), but also her own ancient terror of windowless rooms, of corners, that since their docking in Liverpool had brought the prospect of the tunnel looming before her, black as death itself (a being which, as she approached fifty, she was trying to muster the courage to meet eye to eye), until she found herself counting first the weeks, then the days, then the hours leading up to the inevitable reckoning: the train slipping into the dark, into the mountain. (It was half a mile deep, Grady kept reminding her, half a mile of solid rock separating earth from sky.) Irene remembered a ghost story she'd read as a girl--a man believed to be dead wakes in his coffin. Was it too late to hire a carriage, then, to go over the pass, as Toby had?
But no. Winter had already started up there. Oh, if she'd had her way, they'd have taken a different route; only Grady would have been disappointed, and since his brother's death she dared not disappoint Grady. He longed for the tunnel as ardently as his mother dreaded it.
"Mama, is it coming soon?"
"Yes, dear."
"But you said half an hour."
"Hush, Grady! I'm not a clock."






leavitt
David Leavitt (Pittsburgh, 23. Juni 1961)





Der Schweizer Schriftsteller und Philosoph Pascal Mercier (eig. Peter Bieri) wurde am 23. Juni 1944 in Bern geboren. Mercier studierte Philosophie, Anglistik und Indologie in London und Heidelberg. Dort promovierte er 1971 bei Dieter Henrich und Ernst Tugendhat mit einer Arbeit zur Zeit, in er sich umfassend mit der Zeiterfahrung des englischen Philosophen John McTaggart Ellis McTaggart beschäftigte. Danach arbeitete Mercier als wissenschaftlicher Assistent am Philosophischen Seminar der Universität Heidelberg. Von 1990 bis 1993 war er Professor für Geschichte der Philosophie an der Universität Marburg; ab 1993 lehrte Mercier Philosophie an der Freien Universität Berlin am Lehrstuhl für Sprachphilosophie als Nachfolger von Ernst Tugendhat. Im Jahr 2007 zog sich er vorzeitig in den akademischen Ruhestand zurück, verärgert über den Universitätsbetrieb. Unter dem Pseudonym Pascal Mercier hat er bisher vier Romane veröffentlicht: Perlmanns Schweigen (1995), Der Klavierstimmer (1998), Nachtzug nach Lissabon (2004) und Lea (2007). Im Jahr 2006 erhielt er für sein literarisches Werk den Marie-Luise-Kaschnitz-Preis.

Aus: Der Klavierstimmer

“Jetzt, da alles vorbei ist, wollen wir aufschreiben, wie wir es erlebt haben. Wir werden den Erinnerungen allein gegenübertreten, ohne Verführung durch die Gegenwart des anderen. Die Berichte sollen wahrhaftig sein, ganz gleich, wie groß der Schmerz sein mag beim Lesen. Das haben
wir uns versprochen. Nur so, hast du gesagt, vermöchten wir den Kerker unserer Liebe zu zerschlagen, die mit der gemeinsamen Geburt begann und bis zum heutigen Tage gedauert hat.
Nur so könnten wir frei werden voneinander.
Du hast es gesagt, als wir in der Küche standen und die letzten Schlucke Kaffee aus den Zwillingsbechern tranken, die Maman am Abend meiner Ankunft aus dem hintersten Winkel des Buffets hervorgekramt hatte. Ihre Hände zitterten, und es wäre unmöglich gewesen, sie in ihrem verlorenen Lächeln, hinter dem sie einen Sprung in die unversehrte Vergangenheit versuchte, zu enttäuschen. So haben wir einen unsicheren Blick getauscht und die beiden blaßgelben Becher in die Hand genommen, du den heilen, ich denjenigen mit dem Sprung; wie früher.
Wenn wir uns, weil wir keinen Schlaf fanden, nachts in der Küche trafen, hielten wir die Becher wie damals, und es schien mir, als würden sich unsere Bewegungen mit jedem Mal wieder ähnlicher. Nur angestoßen haben wir mit unserem Kaffee nicht wie früher, obwohl wir beide vom anderen wußten, daß er daran dachte. (In diesen Tagen waren wir füreinander wie aus Glas: hart und zerbrechlich zugleich, und in den Gedanken vollkommen durchsichtig.)”






mercier
Pascal Mercier (Bern, 23. Juni 1944)

Montag, 22. Juni 2009

Erich Maria Remarque, Tadeusz Konwicki

Der deutsche Schriftsteller Erich Maria Remarque wurde am 22. Juni 1898 in Osnabrück als Sohn des katholischen Buchdruckers Peter Remark geboren. Remarque, mit eigentlichem Namen Erich Paul Remark, besuchte nach der Schule das katholische Lehrerseminar in Osnabrück. 1916 wurde er als Freiwilliger zu den Kämpfen an der Westfront eingezogen. Er wurde verwundet und kam bis zum Kriegsende in ein Lazarett in seiner Heimat. Nach dem Krieg nahm er verschiedene Arbeiten an so zum Beispiel als Händler, Organist, Lehrer oder Theater- und Konzertkritiker bei der "Osnabrücker Tageszeitung". Darüber hinaus erschienen vom ihm Gedichte und Prosatexte. 1920 wurde sein impressionistischer Künstlerroman "Die Traumbude" veröffentlicht. Im Auftrag einer Werkzeitung reiste Remarque in die Schweiz, nach Jugoslawien, in die Türkei, nach Italien, England und Belgien. Ab 1925 war er als Redakteur für die Berliner Zeitung "Sport im Bild" tätig. 1929 erschien sein Roman "Im Westen nichts Neues". Er wurde ein Welterfolg. Der Schriftsteller stellt dort seine eigenen Kriegserfahrungen dar anhand der Figur des 19-jährigen Soldaten Paul Bäumer, anhand seiner Leiden und seines Todes.

Aus: Der schwarze Obelisk

„Die Sonne scheint in das Büro der Grabdenkmalsfirma Heinrich Kroll & Söhne. Es ist April 1923, und das Geschäft geht gut. Das Frühjahr hat uns nicht im Stich gelassen, wir verkaufen glänzend und werden arm dadurch, aber was können wir machen - der Tod ist unerbittlich und nicht abzuweisen, und menschliche Trauer verlangt nun einmal nach Monumenten in Sandstein, Marmor und, wenn das Schuldgefühl oder die Erbschaft beträchtlich sind, sogar nach dem kostbaren schwarzen schwedischen Granit, allseitig poliert. Herbst und Frühjahr sind die besten Jahreszeiten für die Händler mit den Utensilien der Trauer - dann sterben mehr Menschen als im Sommer und im Winter -; im Herbst, weil die Säfte schwinden, und im Frühjahr, weil sie erwachen und den geschwächten Körper verzehren wie ein zu dicker Docht eine zu dünne Kerze. Das wenigstens behauptet unser rührigster Agent, der Totengräber Liebermann vom Stadtfriedhof, und der muß es wissen; er ist achtzig Jahre alt, hat über zehntausend Leichen eingegraben, sich von seiner Provision an Grabdenkmälern ein Haus am Fluß mit einem Garten und einer Forellenzucht gekauft und ist durch seinen Beruf ein abgeklärter Schnapstrinker geworden. Das einzige, was er haßt, ist das Krematorium der Stadt. Es ist unlautere Konkurrenz. Wir mögen es auch nicht. An Urnen ist nichts zu verdienen.“








remarque_e
Erich Maria Remarque (22. Juni 1898 – 25. September 1970)





Der polnische Schriftsteller und Filmregisseur Tadeusz Konwicki wurde am 22. Juni 1926 in Nowa Wilejka, heute Litauen, geboren. Er ging in Wilno zur Schule und kämpfte in den Jahren 1944/1945 als Partisan in der polnischen Heimatarmee. In der Zeit nach 1945 verfasste er zunächst einige Romane im Geiste des Sozialistischen Realismus, während er später in metaphorisch-grotesker Weise vor allem die Erfahrungen von Krieg und Besatzung verarbeitete. Hinzu kamen Werke, in denen er ein lyrisches und mythologisiertes Bild der Heimat seiner Kindheit zeichnete, etwa in dem Roman Chronik einiger Liebesunfälle (Kronika wypadków miłosnych) von 1974, den Andrzej Wajda 1986 verfilmte. Ein weiterer Schwerpunkt seines Schaffens ist die Darstellung des Verfalls moralischer Werte und sozialer Bindungen im totalitären Staat, etwa in dem zunächst im Untergrund verlegten Roman Eine kleine Apokalypse (Mała Apokalipsa) aus dem Jahre 1979 (verfilmt von Constantin Costa-Gavras 1992). Konwicki gilt zudem als einer der Mitbegründer des polnischen Autorenfilms. Auf der Grundlage eigener Drehbücher entstand zwischen 1957 und 1989 eine Reihe von Arbeiten. Von 1956 bis 1968 war er Chefdramaturg des Filmstudios Kadr, das von Regisseur Jerzy Kawalerowicz gegründet wurde. 1966 erhielt er den Staatspreis Erster Klasse, 2002 den Preis des polnischen PEN-Club.

Aus: The Polish Complex (Übersetzt von Richard Lourie)

„I was standing in line in front of a state-owned jewelry store. I was twenty-third in line. In a short while the chimes of Warsaw would announce that it was eleven o’clock in the morning. Then the locks on the great glass and metal doors would rattle open and we, the sneezing and sniffling customers, would invade the store’s elegant interior — though, of course, ours would be a well-disciplined invasion, each person keeping the place staked out during the long wait in line.
It was the day before Christmas, fairly cold, something between a late autumn day and one late in winter. There was a belated feeling about the day itself as well. Not fully illuminated, misty, sluggish. Stray snowflakes sailed through the icy air like poplar seeds. The tram cars huddled in herds on the broad trunk line, their bells clanging plaintively. A beggar familiar to all Warsaw sat himself down on the sidewalk near the jewelry store. He spread out his legs in the light, shifting snow to intimidate fainthearted passerby. But I knew that his prostheses, made of plastic and nickel, were hollow, and though they might freeze to the sidewalk, our beggar would feel no cold. Endless crowds of pedestrians rushed by along the walls. Occasionally one, lost in thought, would collide with another, yet would keep on walking without apology. Or one would jostle another with a Christmas tree, then curse him out. Some stumbled and fell but rose quickly, feeling no pain, and went on their way. Your usual day before Christmas.
This day was creeping across a little planet in a small solar system. The planet, called Earth, is a rocky oval filled with liquid lava; its surface is covered by thin layers of water, as well as by air, a volatile mixture of oxygen, hydrogen, nitrogen, and several other elements, each of which would pose a threat to its existence. Due to a confluence of favorable circumstances, life arose on this planet.“






TadeuszKonwicki
Tadeusz Konwicki (Nowa Wilejka, 22. Juni 1926)

Samstag, 20. Juni 2009

Vikram Seth, Kurt Schwitters

Der indische Schriftsteller Vikram Seth wurde am 20. Juni 1952 in Kolkata geboren. Dort besuchte er die englischsprachige Schulen. Später ging er auf ein College in Oxford und beschäftigte sich dort mit Philosophie, Politik und Wirtschaft. Auf der kalifornischen Stanford-Universität erhielt er einen Master-Abschluss in Wirtschaftswissenschaft. Danach ging er nach Nanjing (China) und studierte chinesische Literatur. Eigene literarische Inspiration sammelte er in seiner Heimat, indem er durch den indischen Subkontinent reiste und die Lebensweise seiner Landsleute, vornehmlich der niederen Schichten der Bevölkerung, studierte. Hieraus entstand sein 1993 erschienener, monumentaler Roman A suitable boy (dt. Eine gute Partie, 1995). Das fast 2000-seitige Epos ist eine im postkolonialen Indien angesiedelte Liebesgeschichte zwischen Leidenschaft und Tradition. Seth entwarf seinen Roman im üppigen Stil der russischen Schriftsteller des 19. Jahrhundert und konnte deshalb innergesellschaftliche Konflikte Indiens breit und plastisch darstellen. 2007 wurde er mit dem Padma Shri geehrt. Im September 2006 startet Vikram Seth in Indien eine Initiative führender indischer Schriftsteller, Künstler, Akademiker und Rechtsanwälte für die Abschaffung des indischen Strafrechtsparagrafen 377, der homosexuelle Handlungen mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft.

Aus: Eine gute Partie (Übersetzt von Anette Grube)

»Auch du wirst einen Mann heiraten, den ich aussuche«, sagte Mrs. Rupa Mehra in bestimmtem Ton zu ihrer jüngeren Tochter.
Lata wich dem gebieterischen Blick ihrer Mutter aus und sah sich in dem großen, von Lampen erhellten Garten von Prem Nivas um. Die Hochzeitsgäste hatten sich auf dem Rasen versammelt. »Hm«, sagte sie. Das ärgerte ihre Mutter noch mehr.
»Ich weiß, was deine ›Hms‹ bedeuten, junges Fräulein, und ich muß dir sagen, daß ich in dieser Angelegenheit keine Hms‹ dulden werde. Ich weiß, was am besten ist. Und alles, was ich tue, tue ich nur für euch. Glaubst du etwa, daß es einfach ist, diese Dinge gleich für vier Kinder zu arrangieren,
ohne seine Hilfe?« Ihre Nase lief rot an, als sie an ihren Mann dachte, der den heutigen Freudentag, dessen war sie sicher, von irgendwo hoch oben wohlwollend miterlebte.
Selbstverständlich glaubte Mrs. Rupa Mehra an Reinkarnation, aber in Augenblicken außerordentlicher Gefühlstiefe stellte sie sich vor, daß der verstorbene Raghubir Mehra noch den Körper bewohne, in dem sie ihn zu Lebzeiten gekannt hatte: den kräftigen, schwungvollen
Körper eines Mannes in seinen frühen Vierzigern, bevor er in den Wirren des Zweiten Weltkriegs aufgrund von Überarbeitung einem Herzanfall erlag. Vor acht Jahren, vor acht Jahren, dachte Mrs. Rupa Mehra zutiefst bekümmert.
»Aber, Ma, du kannst doch an Savitas Hochzeitstag nicht weinen«, sagte Lata und legte zärtlich, wenn auch nicht übermäßig besorgt, einen Arm um die Schultern ihrer Mutter.
»Wenn er noch hier wäre, hätte ich den Sari aus Patola- Flor anziehen können, den ich zu meiner eigenen Hochzeit getragen habe«, sagte Mrs. Rupa Mehra und seufzte. »Aber für eine Witwe ist er zu prunkvoll.«
»Ma!« Lata war etwas verärgert über den Gefühlsaufwand, den ihre Mutter bei jeder nur möglichen Gelegenheit trieb. »Die Leute beobachten dich. Sie wollen dir Glück wünschen und werden sich wundern, wenn sie dich weinen sehen.«
Und tatsächlich verneigten sich lächelnd ein paar Gäste mit vor der Brust gefalteten Händen vor Mrs. Rupa Mehra; die Creme der Gesellschaft von Brahmpur, wie sie erfreut feststellte.“







vikram_seth
Vikram Seth (Kolkata, 20. Juni 1952)




Der deutsche Maler, Bildhauer, Designer und Schriftsteller Kurt Schwitters wurde am 20. Juni 1887 in Hannover geboren. Er studierte von 1909 bis 1914 an der Dresdner Akademie und kehrte 1915 nach Hannover zurück, wo er bis zu seiner Emigration 1937 tätig blieb. Er begann als Expressionist und stellte 1918 mehrmals im Sturm aus. 1918 malte er seine ersten abstrakten Gemälde. Im Winter 1918/19 entstanden seine ersten Collagen, 1919 die ersten Assemblagen aus Altmaterial aller Art.
Auf einer dieser Arbeiten war das Wort MERZ als zufälliges Fragment der Zeile Commerz-und Privatbank zu lesen. So erfand er für seine Assemblagen die Gattungsbezeichnung Merzbilder. Er stand in Kontakt mit Dada in Berlin und Zürich, lernte Hans Arp und Raul Hausmann kennen und gründete in Hannover eine eigene Einrichtung, die er Merz nannte. Darüber hinaus stand er in Verbindung mit der holländischen und russischen Avantgarde. Er beteiligte sich an Dada-Veranstaltungen in Europa und verfasste Gedichte (An Anna Blume) und entwickelte seine phonetische Dichtung. Ab 1922 begann seine Hinwendung zum Konstruktivismus. Um 1923 begann er in seinem Haus in Hannover den Merzbau, einem labyrinthischen Höhlenbau, einer dadaistisch-konstruktivistischen Raumplastik, die 1943 durch Bomben zerstört wurde.



Die zute Tute

En as hja in de poede seach,
Dan wieren d'r reade kjessen yn.
Und als sie in die Tüte sah,
Da waren rote Kirschen drin.
Dann make hja de poede ticht,
Dan wier de poede ticht.
Da war die TUTE zu.




Das Urgebet der Scholle

Schale
Schiller
Schale
Schule Schule Schule uhle
Scholle Scholle Scholle rolle
Schale Schale Schale scheele
mahle mahle mahle Mehl
male male male Malerei
alle alle alle allerlei








Kurt Schwitters (20. Juni 1887 – 8. Januar 1948)
Collage

Donnerstag, 18. Juni 2009

Richard Powers, Raymond Radiguet

Der amerikanische Schriftsteller Richard Powers wurde am 18. Juni 1957 in Evanston, Illinois, geboren. Powers wuchs in einem Vorort von Chicago auf. Im Alter von knapp elf Jahren ging er mit seiner Familie nach Bangkok, wo sein Vater eine Stelle als Lehrer an der internationalen Schule angenommen hatte. Nach fünf Jahren kehrte er zurück in die USA und studierte zunächst an der University of Illinois Physik. Powers wechselte das Fach und studierte Literaturwissenschaften, die ihn allerdings auch frustrierten. Er nahm zunächst eine Stelle als Programmierer an. Eine Fotografie von August Sander im Kunstmuseum von Boston, die drei Bauern aus dem Westerwald 1914 auf dem Weg zu einem Fest zeigt, faszinierte ihn so, dass er seine Arbeit kündigte und seinen ersten Roman „Three Farmers on Their Way to a Dance“ verfasste. Das Buch wurde ein überraschender Erfolg.
1985 zog er in die Niederlande, wo er seinen zweiten Roman Prisoner's Dilemma zu Ende schrieb und einen weiteren, The Gold Bug Variations, verfasste. Nach einem einjährigen Aufenthalt in Cambridge kehrte er 1993 in die Vereinigten Staaten zurück und nahm eine Lehrtätigkeit an der University of Illinois at Urbana-Champaign an und veröffentlichte fünf weitere Romane. Zur Zeit wohnt er in Urbana, Illinois.

Aus: Prisoner's Dilemma

“The first indication that Pop had been seeing something more than heebie-jeebies for all those years came a few weeks before the end, when the old guy leaned over to Artie on the front porch of an autumn evening and said, distinctly, "Calamine." Father and son had come out after dinner to sit together on this side of the screens and see November along. They enjoyed, in silence, one of those nights that hung in the high fifties but could easily go ten degrees either way within the hour. Artie staked out the rocker while his father, as usual, exercised eminent domain over the kapok bed long ago banished to the porch because chez Hobson-a twenty-year repository of everything the family had ever owned?could not take one more cubic foot of crap without spewing it all through every doorway and window.
Silence had gotten them this far, and there seemed to Artie no reason to improve on it. He tried to chalk up his father's mumbled word to an involuntary spasm in the man's cerebral cortex, a first burst of verb salad accompanying the return of autumn. He hoped, for a moment, to hide from it, let the word fall to the ground and add to the November earthworm-stink and autumn. But Artie had no place to hide from Pop that the old man himself hadn't shown him. So he put his knuckles to the bridge of his nose, braced his face for what was coming, and asked, "Say what, Dad?"
"You heard me. Calamine. I say what I mean and I mean what I say. I plan my work and work my plan. When the tough get going, the . . ."
"Got you, Pop." Artie preempted quickly, for once Edward Hobson, Sr., was let out of the verbal paddock, he could go all night without denting his capacityfor free association. After a quarter century, Artie knew the symptoms. In the man's present condition, it was pointless to ask him straight out just what he meant by the Word. Artie tried reconstructing: Calamine, zinc oxide, iodine-nothing in that direction. Dad's invocation was certainly not a medical request. Dad abhorred all medications. His sickness was nothing so trivial or topical as dermatitis, except that in crowds, for the express purpose of publicly shaming any other Hobson with him, he had been known to sing, "It's no sin to shake off your skin and go dancing in your bones."








Richard Powers (Evanston, 18. Juni 1957)





Der französische Schriftsteller, Dichter und Journalist Raymond Radiguet wurde am 18. Juni 1903 in Saint-Maur-des-Fossés geboren. Nach dem Besuch der Grundschule besuchte er das renommierte Pariser Lycée Charlemagne. Er war ein mittelmäßiger Schüler, las aber mit Begeisterung die französischen Werke des 17. und 18. Jahrhunderts, später Stendhal, Proust und die Gedichte von Verlaine, Mallarmé, Rimbaud und Lautréamont. Als Fünfzehnjähriger brach er den Schulbesuch ab, um sich dem Journalismus zu widmen. Er schloss Freundschaft mit den Schriftstellern und Dichtern André Salmon, Max Jacob, Pierre Reverdy und seinem späteren Verleger François Bernouard, machte die Bekanntschaft der Maler Juan Gris, Picasso und Modigliani und verkehrte mit jungen Komponisten wie Milhaud, Georges Auric, Francis Poulenc und Arthur Honegger.. 1918 lernte er Jean Cocteau kennen, der sein Talent erkannte, ihn ermutigte und förderte, und ihm half, seine Gedichte in Avantgarde-Revuen wie Sic und Littérature herauszugeben. Im September 1921 vollendete Raymond Radiguet den Roman Der Teufel im Leib (Le Diable au corps). Nachdem der Roman erschienen war, konnte der junge Schriftsteller die Beglückwünschungen anerkannter Literaten wie Paul Valéry, René Benjamin (Prix Goncourt 1919), Henri Massis (Redakteur der Revue Universelle) und Max Jacob entgegennehmen. Raymond Radiguet starb kurze Zeit später am 12. Dezember 1923 im Alter von 20 Jahren an Typhus.

Aus: Le diable au corps

„Des élèves comme nous servaient d'appeaux pour en attirer d'autres.
Ma mère me jugeait trop jeune pour aller à Henri-IV. Dans son esprit, cela voulait dire : pour prendre le train. Je restai deux ans à la maison et travaillai seul.
Je me promettais des joies sans bornes, car, réussissant à faire en quatre heures le travail que ne fournissaient pas en deux jours mes anciens condisciples, j'étais libre plus de la moitié du jour. Je me promenais seul au bord de la Marne qui était tellement notre rivière que mes soeurs disaient, en parlant de la Seine, « une Marne ». J'allais même dans le bateau de mon père, malgré sa défense ; mais je ne ramais pas, et sans m'avouer que ma peur n'était pas celle de lui désobéir, mais la peur tout court. Je lisais, couché dans ce bateau. En 1913 et 1914, deux cents livres y passent. Point ce que l'on nomme de mauvais livres, mais plutôt les meilleurs, sinon pour l'esprit, du moins pour le mérite. Aussi, bien plus tard, à l'âge où l'adolescent méprise les livres de la Bibliothèque rose, je pris goût à leur charme enfantin, alors qu'à cette époque je ne les aurais voulu lire pour rien au monde.
Le désavantage de ces récréations alternant avec le travail était de transformer pour moi toute l'année en fausses vacances. Ainsi, mon travail de chaque jour était-il peu de chose, mais, comme, travaillant moins de temps que les autres, je travaillais en plus pendant leurs vacances, ce peu de chose était le bouchon de liège qu'un chat garde toute sa vie au bout de la queue, alors qu'il préférerait sans doute un mois de casserole.
Les vraies vacances approchaient, et je m'en occupais fort peu puisque c'était pour moi le même régime. Le chat regardait toujours le fromage sous la cloche. Mais vint la guerre. Elle brisa la cloche. Les maîtres eurent d'autres chats à fouetter et le chat se réjouit.
A vrai dire, chacun se réjouissait en France. Les enfants, leurs livres de prix sous le bras, se pressaient devant les affiches. Les mauvais élèves profitaient du désarroi des familles.
Nous allions chaque jour, après dîner, à la gare de J..., à deux kilomètres de chez nous, voir passer les trains militaires. Nous emportions des campanules et nous les lancions aux soldats. Des dames en blouse versaient du vin rouge dans les bidons et en répandaient des litres sur le quai jonché de fleurs. Tout cet ensemble me laisse un souvenir de feu d'artifice. Et jamais autant de vin gaspillé, de fleurs mortes. Il fallut pavoiser les fenêtres de notre maison. »







Raymond Radiguet (18. Juni 1903 – 12. Dezember 1923)

Mittwoch, 17. Juni 2009

Peter Rosei, Ferdinand Freiligrath

Der österreichische Schriftsteller Peter Rosei wurde am 17. Juni 1946 in Wien geboren. Peter Rosei ist der Sohn eines Eisenbahnbeamten und einer Ladenbesitzerin. Er wuchs in Wien auf, wo er das Gymnasium besuchte und seine Reifeprüfung mit Auszeichnung bestand. Anschließend studierte er an der Universität Wien Jura. 1968 promovierte er dort zum Doktor der Rechte. Von 1969 bis 1971 war er Sekretär und Manager des Wiener Malers Ernst Fuchs. Danach leitete er für kurze Zeit einen Schulbuchverlag. Seit 1972 lebt er als freier Schriftsteller in Wien; in den Jahren von 1975 bis 1981 hatte er seinen Wohnsitz in Bergheim bei Salzburg. Peter Rosei, der bis zu seinem Austritt von 1973 bis 1978 der Grazer Autorenversammlung angehörte, erhielt u. a. 1987 den Literaturpreis der Salzburger Wirtschaft, 1991 den Österreichischen Würdigungspreis für Literatur, 1993 den Franz-Kafka-Preis, 1997 den Literaturpreis der Stadt Wien, 1999 den Anton-Wildgans-Preis und 2007 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst.

Aus: Verzauberung

“Zu zweit ist es natürlich ein bißchen eng hier.
Ich schaue zu meiner Freundin hinüber: Sie sitzt lässig vor dem Tisch und schenkt sich gerade ein Bier ein. Ich gehe zum Schrank hinüber und öffne die beiden Flügel der Schranktür.
Der Vorleger mit seiner schiefen Ecke.
Die Freundin beugt sich vor, sitzt jetzt, die Beine überschlagen, auf unserem Sessel, sie bückt sich zu ihren Zehen hinunter und begutachtet sie. Die Zehen sind rot lackiert.
Auf dem Tisch stehen in einer Vase Blumen.
Ich stehe, an die Wand gelehnt, entspannt und großmächtig da.
Vom Schrank her rinnt ein rotes Farbrinnsal gegen die Mitte des Zimmers. Dort muß der Boden ein bißchen tiefer sein als an den Rändern.
Aus dem Kasten dringt schrecklicher Gestank.
Ich kann's gleich zugeben: Wir haben die Leiche des Königs in den Kasten gestopft, und das tote Königsfleisch stinkt jetzt ganz jämmerlich. Es verstinkt uns die ganze Bude.
Meine Freundin tut Milchflaschen ins Netz, sie will einkaufen gehen. Aber ich kann sie nur warnen: Ich deute aus dem Fenster. Draußen -
»Das ist ja lebensgefährlich«, sage ich.
»Da hast du recht«, sagt die Feundin.
Ich versuche, die schwankende Bühnendekoration zu stützen. Mit den Händen. Die Freundin hat die Milchflaschen wieder neben den Ausguß gestellt.
Ich hole meine Schuhe unter dem Bett hervor und versuche, sie zu putzen. Ich spucke auf die Kappen, um sie blank zu kriegen. Ein kleines Tier, ein kleines, kluges Tier, steht, zwischen meiner Freundin und mir, auf den Hinterläufen aufgerichtet auf dem Tisch. Wir sind in irgendeiner Wirtschaft.
Aber da liege ich schon auf dem Fußboden und starre zur Lampe hinauf. Meine Freundin rührt in einer runden Schüssel den Gips an.
Das kleine Tier, Wiesel oder Ratte, steht auf dem Tisch, ich kann es aus den Augenwinkeln gerade noch ausnehmen.
Die Freundin kommt auf allen Vieren auf mich gekrochen, sie schiebt die Schüssel mit dem Gips vor sich her.
Auf der Straße draußen entfernt sich mein Bekannter.”







Peter Rosei (Wien, 17. Juni 1946)





Der deutsche Lyriker und Dichter Ferdinand Freiligrath wurde am 17. Juni 1810 in Detmold geboren. Der Sohn eines Lehrers besuchte in Detmold bis zu seinem 16. Lebensjahr das Gymnasium. Da sein Vater nicht die Mittel für ein Studium besaß und ein Onkel in Edinburgh ihn zu adoptieren versprach, wenn er Kaufmann werde, trat Freiligrath bei einem anderen Onkel in Soest eine Lehre an. Dort konnte er sich die neueren Sprachen aneignen und sich durch ausgedehnte Lektüre selbst weiterbilden; in dieser Zeit entstanden die ersten Gedichte. Nach dem Tod des Vaters (1829) und dem Bankrott des Edinburgher Onkels nahm Freiligrath 1832 eine Kontoristenstelle in Amsterdam an; 1837 wurde er Buchhalter in Barmen. Er verkehrte mit zahlreichen rheinischen Schriftstellern (u.a. Karl Immermann, Gottfried Kinkel, Simrock, Matzerath, Wolfgang Müller). Einer Aufforderung Cottas folgend veröffentlichte er 1838 eine erste Sammlung seiner Gedichte; der außergewöhnliche Erfolg veranlaßte ihn, 1839 seine Barmer Stelle zu kündigen und als freier Schriftsteller zu leben.



Ruhe in der Geliebten

So laß mich sitzen ohne Ende,
So laß mich sitzen für und für!
Leg deine beiden frommen Hände
Auf die erhitzte Stirne mir!
Auf meinen Knien, zu deinen Füßen,
Da laß mich ruhn in trunkner Lust;
Laß mich das Auge selig schließen
In deinem Arm, an deiner Brust!

Laß es mich öffnen nur dem Schimmer,
Der deines wunderbar erhellt;
In dem ich raste nun für immer,
O du mein Leben, meine Welt!
Laß es mich öffnen nur der Träne,
Die brennend heiß sich ihm entringt;
Die hell und lustig, eh' ich's wähne,
Durch die geschloßne Wimper springt!

So bin ich fromm, so bin ich stille,
So bin ich sanft, so bin ich gut!
Ich habe dich - das ist die Fülle!
Ich habe dich - mein Wünschen ruht!
Dein Arm ist meiner Unrast Wiege,
Vom Mohn der Liebe süß umglüht;
Und jeder deiner Atemzüge
Haucht mir ins Herz ein Schlummerlied!

Und jeder ist für mich ein Leben! -
Ha, so zu rasten Tag für Tag!
Zu lauschen so mit sel'gem Beben
Auf unsrer Herzen Wechselschlag!
In unsrer Liebe Nacht versunken,
Sind wir entflohn aus Welt und Zeit:
Wir ruhn und träumen, wir sind trunken
In seliger Verschollenheit!








Ferdinand Freiligrath (17. Juni 1810 – 18. März 1876)
Porträt von Johann Peter Hasenclever, 1851

Dienstag, 16. Juni 2009

Joyce Carol Oates, Elfriede Gerstl

Die amerikanische Lyrikerin und Schriftstellerin Joyce Carol Oates wurde am 16. Juni 1938 in Lockport im US-Bundesstaat New York geboren. Oates stammt aus einfachen Verhältnissen der weißen unteren Mittelschicht. Ihr Vater war Werkzeugmacher und Farmer. Ihre Schwester Lynn musste wegen Autismus in ein Heim. 1956 erhielt Oates ein Stipendium und studierte in Syracuse und an der University of Wisconsin Englisch und Philosophie. Sie erwarb 1960 den B.A. und 1961 den M.A. Von 1961 bis 1967 war sie Anglistik-Dozentin an der University of Detroit, 1967-78 wirkte sie an der Universität im kanadischen Windsor. Nachdem sie von 1978 bis 1981 als Writer in Residence an der Princeton University (New Jersey) gearbeitet hatte, wurde sie dort 1987 Professorin für Kreatives Schreiben. Seit 1961 ist Joyce Carol Oates mit Raymond J. Smith verheiratet, der als Professor für Literaturgeschichte in Princeton lehrt. Das Paar hat keine Kinder. Gemeinsam geben sie die „Ontario Review of Books“ heraus.



how gentle

how gentle are we rising
easy as eyes in sockets turning

intimate the hardness: jaw
upon jaw, forehead warm

upon forehead
kisses quick as breaths, without volition

Love: I am luminous
careless as love's breathing

fluorescent glowing the fine
warm veins and bones

your weight,
the sky lowered suddenly

I am loved: a message
clanging of a bell in silence

you are quickened with surprise
our horizons surrender to walls

Are we wearing out
our skins' defenses? --

turning to silk, texture of flashy
airy surfaces scant as breaths?

I am loved: the noon slides gently
suddenly upon us
to wake us






Waiting On Elvis, 1956

This place up in Charlotte called Chuck’s where I
used to waitress and who came in one night
but Elvis and some of his friends before his concert
at the Arena, I was twenty-six married but still
waiting tables and we got to joking around like you
do, and he was fingering the lace edge of my slip
where it showed below my hemline and I hadn’t even
seen it and I slapped at him a little saying, You
sure are the one aren’t you feeling my face burn but
he was the kind of boy even meanness turned sweet in
his mouth.

Smiled at me and said, Yeah honey I guess I sure am.







Joyce Carol Oates (Lockport, 16. Juni 1939)






Die österreichische Lyrikerin und Schriftstellerin Elfriede Gerstl wurde16. Juni 1932 in Wien geboren. Elfriede Gerstl überlebte als jüdisches Kind die Zeit des Nationalsozialismus in Wien in diversen Verstecken. Ab 1945 besuchte Gerstl eine Maturaschule, die sie 1951 mit der Matura abschloss. Anschließend (bis 1960) studierte sie an der Universität Wien Medizin und Psychologie. 1955 begann sie, in Literaturzeitschriften zu veröffentlichen. Sie schrieb Gedichte, Essays und kurze Prosastücke und war im Rahmen der Wiener Gruppe aktiv. Besonders dem Thema der Geschlechterrollen hatte sich die engagierte Feministin verschrieben. 1963 nahm sie am Literarischen Colloquium Berlin (LCB) teil. Von 1963 bis 1971 hielt sie sich wiederholt längere Zeit in Berlin auf. Ab 1972 lebte sie ausschließlich in Wien und gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Grazer Autorenversammlung (GAV), aus der sie allerdings 1992 wieder austrat. Sie organisierte zahlreiche Literaturveranstaltungen, beispielsweise in der Alten Schmiede, und übte eine rege journalistische Tätigkeit aus.



der papierene garten

keine wespen & bienen
kein gekäfer
überhaupt kein getier
kriecht mich hier an
fliegt mir in hautnähe

in meinem papierenen garten
der in meiner wohnung wächst
pflücke ich nach laune
sätze von wittgenstein
oder geniesse gedichtzeilen von artmann

oft sind halt kräuter & rüben benachbart
wie ordne ich sie und wozu
ich freu mich ja heimlich
über meinen verwilderten garten





bei kleinen krisen leise zu sprechen

1
ich bin konstant
mit mir verwandt
zugleich ein fliessen dem ich folge
ich seh mit freude und entsetzen
wie sätze mich vernetzen und ersetzen

2
bin ich der sätze komisches konstrukt
und war auch dieses nicht schon wo gedruckt
die sätze kommen
die sätze gehen
muss ich das wirklich alles verstehen

3
bin ich aus sprache oder nicht
auf füssen gehendes gedicht
ich weiss nicht wer da spricht







Elfriede Gerstl (16. Juni 1932 – 9. April 2009)

Montag, 15. Juni 2009

Silke Scheuermann, Roland Dorgelès

Die deutsche Lyrikerin und Schriftstellerin Silke Scheuermann wurde am 15. Juni 1973 in Karlsruhe geboren. Nach dem Abitur studierte sie Theater- und Literaturwissenschaften in Frankfurt am Main, Leipzig und Paris. Sie verfasst Lyrik und Prosa, die sie in zahlreichen Anthologien (u.a. Der Große Conrady) und Literaturzeitschriften veröffentlichte. Silke Scheuermann debütierte 2001 mit dem Lyrikband Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen. 2007 erschien der Roman Die Stunde zwischen Hund und Wolf, für den die Autorin mit dem Förderpreis zum Grimmelshausen-Preis ausgezeichnet wurde. 2007 wurde sie zum Klagenfurter Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis eingeladen. Silke Scheuermann lebte bis 2008 in Frankfurt und ist dann in die Nachbarstadt Offenbach gezogen.


Die Art wie Gedichte arbeiten

Die Art wie Gedichte arbeiten
indem sie glitzern
in allergrößter Beiläufigkeit
oder sich öffnen und
hypnotisch leuchten
oder wirklichkeitsfremd
sind die Welt schwierig finden
verfliegen
Die Art wie Gedichte arbeiten
gewöhnlich und fähig
sich selbst zu illustrieren
sich der Ferne zu nähern
so dass sie fern bleiben darf
Die Art wie Gedichte arbeiten
mit Aufenthaltserlaubnis
und Flugschein
ist dem Winter durch Leugnen
immer näher zu kommen
Letztlich ein vollkommener
Kreis um die Kälte
und dabei immer
ein wenig über ihr
wie eine Boeing
die noch nicht landen darf
aber dadurch für alle unten
sichtbarer wird
Die Art wie Gedichte arbeiten
um aufzufangen und die
dreißig Seiten die nie irgendwer
geschrieben hat
in sich aufnehmen
als Fracht die du in
den Händen hältst
in der du den Himmel erkennst
den Atemzug abpasst
der dich glücklich macht
Die Art wie Gedichte arbeiten
ist zufällig
mutwillig
und von gleißend heller
Selbstverständlichkeit








Silke Scheuermann (Karlsruhe, 15. Juni 1973)





Der französische Schriftsteller, Journalist und Abenteurer Roland Dorgelès wurde am 15. Juni 1885 in Amiens geboren. Sein eigentlicher Name war Roland Lécavelé, Dorgelès lediglich sein Pseudonym. Nach einer Kindheit in der Banlieue von Paris besuchte Dorgelès die Ecole des Arts Décoratifs in Paris und verkehrte in den Literatenkreisen im Montmartre und machte sich bald schon einen Namen. Nach dem Erlebnis des Ersten Weltkriegs schrieb der Jüngling 1919 den Roman Les Croix de bois, mit dem er berühmt wurde. Bis 1920 veröffentlichte er Artikel in der Zeitung Le Canard enchaîné und wurde später für Auslandsreportagen berühmt. Außerdem war er Mitarbeiter bei den Zeitschriften Sourire, Fantasio und Paris-Journal. Sur la route mandarine (1925) entstand nach einer Reise durch Indochina. Partir hingegen schrieb er nach einer Reise nach Dschibuti. 1929 wurde er zum Präsidenten der Académie Goncourt gewählt und hielt diesen Posten bis zu seinem Tode 1973 inne. In Erinnerung wird Dorgelès vor allem durch seine Bücher über die Montmarte-Bohème bleiben.

Aus: Quand j'étais montmartrois

"Ceux d'entre nous qui peignaient ne trouvaient, pour acheter leurs toiles, que des amateurs lésineurs ou bien des marchands en plein vent, qui leur offraient dix francs d'un paysage qu'on revendrait un jour vingt mille. Les écrivains devaient intriguer, jouer des coudes, pour parvenir à glisser un sonnet dans des revues insoupçonnées qu'eux seuls savaient découvrir chez quelque imprimeur famélique, et si, ayant besoin de manger, ils se risquaient dans la grande presse, on leur offrait deux sous la ligne pour rédiger des faits divers, ou bien on leur payait vingt francs un conte de deux colonnes, que le rédacteur en chef avait l'air de prendre avec des pincettes.
C'est un aveu qui me coûte, mais nos physionomies ne plaisaient guère aux gens en place. Ils nous trouvaient encombrants, insolents, arrivistes, ignorants, mal élevés, bref tout ce que les personnes d'un certain âge ont coutume de reprocher à leurs cadets. Pas un de nous, pas un seul, ne fut aidé par un aîné illustre -écrivain ou peintre arrivé- qui aurait pris le débutant par la main pour lui faciliter les premiers pas. Ce parrainage, sans doute, était passé de mode. Les hommes célèbres nous ignoraient résolument, et je crois que cela devait les distraire de nous voir nous débattre, rageurs et honteux, avec les marchands, les éditeurs, les directeurs, qui ne se lassaient pas de nous répondre "non" et multipliaient les embûches devant nous, comme si nous avions joué au jeu de l'oie."






Roland Dorgelès (15. Juni 1885 – 18. März 1973)

Suche

 

Status

Online seit 6069 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 23. Jan, 19:14

Credits

Zufallsbild

ginsburg

Counter


Weltliteratur
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren