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Weltliteratur

Montag, 13. April 2009

Ferdinand von Saar, Seamus Heaney

Frohe Ostern!





Die Auferstehung Jesu, Rembrandt (detail)
1635/39, Alte Pinakothek, München





Fröhliche Ostern

Ja, der Winter ging zur Neige,
holder Frühling kommt herbei,
Lieblich schwanken Birkenzweige,
und es glänzt das rote Ei.
Schimmernd wehn die Kirchenfahnen
bei der Glocken Feierklang,
und auf oft betretnen Bahnen
nimmt der Umzug seinen Gang.

Nach dem dumpfen Grabchorale
tönt das Auferstehungslied,
und empor im Himmelsstrahle schwebt er,
der am Kreuz verschied.

So zum schönsten der Symbole
wird das frohe Osterfest,
daß der Mensch sich Glauben hole,
wenn ihn Mut und Kraft verläßt.

Jedes Herz, das Leid getroffen,
fühlt von Anfang sich durchweht,
daß sein Sehnen und sein Hoffen
immer wieder aufersteht.








Ferdinand von Saar (30. September 1833 – 24. Juli 1906)





Der irische Lyriker und Schriftsteller Seamus Justin Heaney wurde am 13. April 1939 nahe Castledawson, Derry, Nordirland, geboren. 1995 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. In seinen Werken befasst er sich oft mit seinem Heimatland, mit der Geschichte Irlands, zum Teil auch mit alten irischen Sagen. Heaney wuchs als ältestes von neun Kindern eines katholischen Bauern auf und erhielt Stipendien für das St. Columb's College in Londonderry und die Queen's University in Belfast. Seit 1966 arbeitete Heaney zunächst als Dozent an der Queen’s University, ab 1975 in Dublin. In seinem 1975 erschienenen Gedichtband North beschäftigt er sich mit dem Nordirlandkonflikt. Seine ersten Gedichte erschienen in Londoner und Belfaster Zeitschriften, während Heaney zeitweilig als Englischlehrer an der St. Thomas Secondary School in Belfast und am St. Joseph College arbeitete. Seine frühen Bände, Death of a Naturalist (London 1966) und Door into the Dark (London 1969) begründeten seinen Ruf als bedeutenden zeitgenössischen Dichter. Nach einer Gastdozentur an der University of California in Berkeley siedelte er in die Republik Irland über und hatte dort neben der freiberuflichen Tätigkeit einen Lehrauftrag am College.


From The Frontier Of Writing

The tightness and the nilness round that space
when the car stops in the road, the troops inspect
its make and number and, as one bends his face

towards your window, you catch sight of more
on a hill beyond, eyeing with intent
down cradled guns that hold you under cover

and everything is pure interrogation
until a rifle motions and you move
with guarded unconcerned acceleration—

a little emptier, a little spent
as always by that quiver in the self,
subjugated, yes, and obedient.

So you drive on to the frontier of writing
where it happens again. The guns on tripods;
the sergeant with his on-off mike repeating

data about you, waiting for the squawk
of clearance; the marksman training down
out of the sun upon you like a hawk.

And suddenly you're through, arraigned yet freed,
as if you'd passed from behind a waterfall
on the black current of a tarmac road

past armor-plated vehicles, out between
the posted soldiers flowing and receding
like tree shadows into the polished windscreen.




Song

A rowan like a lipsticked girl.
Between the by-road and the main road
Alder trees at a wet and dripping distance
Stand off among the rushes.

There are the mud-flowers of dialect
And the immortelles of perfect pitch
And that moment when the bird sings very close
To the music of what happens.







Seamus Heaney (County Derry, 13. April 1939)

Samstag, 11. April 2009

Barbara Köhler, Hartmut Barth-Engelbart

Die deutsche Lyrikerin Barbara Köhler wurde am 11. April 1959 in Burgstädt geboren. Barbara Köhler wuchs im sächsischen Penig auf und besuchte in Plauen die Oberschule, an der sie auch ihr Abitur ablegte. Danach ließ sie sich zur Facharbeiterin für textile Flächenherstellung ausbilden, arbeitete dann aber in Karl-Marx-Stadt als Altenpflegerin und als Beleuchterin am städtischen Theater.
Zwischen 1985 und 1988 absolvierte sie ein Literaturstudium am Literaturinstitut Johannes R. Becher. Zu dieser Zeit lebte sie auf dem Kaßberg. Erste Werke Köhlers erschienen in Zeitschriften, zwei Jahre war sie anschließend am Bezirksliteraturzentrum Karl-Marx-Stadt wissenschaftlich aktiv. Nach der Wiedervereinigung wurde Köhler arbeitslos und versuchte sich deshalb als freie Autorin. Sie veröffentlichte 1991 ihren ersten Gedichtband Deutsches Roulette, schrieb für diverse Zeitungen und verfasste Essays sowie Katalogbeiträge zur bildenden Kunst. Seit 1994 lebt Barbara Köhler in Duisburg.



Ingeborg Bachmann stirbt in Rom

Ein Tod kommt
vor dem andern.
Aten und Rauch.
Und Rauch der Atem löscht.
Und Schweigen.

Manchmal ist aber eine Zigarette
der letzte Halt. Und hält
was sie verspricht auch schneller.
Zwischen vergilbten Fingern
brennts wie Liebe wird Asche
wie Verrat. Atem und Rauch.

Die Schurfinger gekrümmt
um die Zigarette: um
nicht abzuschwören.
Giordano brennt auf dem Campo di Fiori.
Die Glocken von Santa Maria Maggiore
gellen noch immer zum Autodafé.

Atem und Rauch.
Und Rauch der Atem löscht.
Und mit verbrannter Hand
über das Feuer schreiben.
Und die Grenzen der deutschen Sprache
sind mit mörderischen Zufällen vermint.
Ein Tod kommt dem andern zuvor.








Barbara Köhler (Burgstädt, 11. April 1959)




Der deutsche Schriftsteller, Lyriker, Musiker, Liedermacher, Sänger und Grafiker Hartmut Barth-Engelbart wurde am 11. April 1947 in Michelstadt geboren. Nach beendeter Schullaufbahn folgten die Tätigkeiten Reserveoffiziersanwärter, Ausbilder und Kriegsdienstverweigerer bei der Bundeswehr, Zivildienst, Schriftsetzerlehre, Studium der Psychologie, Pädagogik, Soziologie, Germanistik, Geschichte und eine Ausbildung zum Grundschullehrer. Zwischen 1967 bis 1991 arbeitete Barth-Engelbart in 36 verschiedenen Berufen vom Bauarbeiter bis zum Werbegrafiker und -texter.
1968 nach Beginn einer Schriftsetzerlehre bei der Frankfurter Rundschau wurde Barth-Engelbart bei einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg von einem Polizisten vom Dach des US-Handelszentrums in Frankfurt gestoßen und ist seitdem schwer behindert. 1979 trat er aus dem Kommunistischen Bund Westdeutschland aus, dessen Mitglied er seit 1974 war. Zusammen mit dem Komponisten und Saxophonisten des ensemble modern, Wolfgang Stryi, veranstaltet Barth-Engelbart von 1990 bis zum Tod Stryis im Februar 2005 über 150 politische, sogenannte „Interventions-Konzert-Lesungen“.

Aus: Lakonisches Lächeln

„Mitzou hatte fest versprochen, mir die Stelle zu zeigen, wo ich die rote Lehmerde finden kann. Das war vorgestern, nachmittags zwischen den giftsüßen Geleehappen aus Oma Marias fliegengittergeschütztem Vorratsschrank und zwei fingerhutgroßen Tässchen Kaffee ‘helenico’. Während mir Maria das obligatorische Glas mit Wasser aus der oberen Dorfquelle hinstellte, fragte ich noch einmal nach. „Wann wollen wir gehen?“
Nur er kannte den Platz in dem langgezogenen, schroffen Tal, das sich über fünf Kilometer von den kahlgefressenen, ausgewaschenen und abgebrannten steilen Hängen des Kourkoula am Oberdorf vorbei bis in die Ebene ins Unterdorf schlängelte. Schlängeln war schon richtig, es schlängelte im Tal. Rudolph hätte mich jetzt wieder schulmeisternd korrigiert: natürlich war das kein Tal, sondern geologisch präzise ausgedrückt eine Runze, relativ frisch ausgewaschen mit scharfen Kanten und bröseligen Überhängen, unter denen Ziegen und Schafe im Sommer letzte Schatten und letztes Grün suchten. Ich wollte mich dort nicht alleine auf die Suche machen, obwohl ich es eigentlich eilig hatte. Zumindest die Südhänge wimmelten von Sandvipern, wenn die Steine mit 80 Grad fast glühten. Und um den Lehm zu finden, musste man oft zentnerschwere Steine wuchten mitten im sommerdürren Gestrüpp. Rund um die Steine hielten die kleinen, von Ziegen und Schafen verschmähten Dornensträucher sich noch etwas Erde fest. Erde war es nur im weitesten Sinne, eher Gesteinsmehl. Ich musste in mich hinein lachen. Hier schützten die Sandvipern das bisschen übriggebliebene Erde. Ich wollte nur drei Eimer voll und kam mir trotzdem vor wie ein Dieb."







Hartmut Barth-Engelbart (Michelstadt, 11. April 1947)

Freitag, 10. April 2009

Claudio Magris, Stefan Heym

Der italienische Schriftsteller und Übersetzer Claudio Magris wurde am 10. April 1939 in Triest geboren. Er hat in Turin Germanistik studiert und abgeschlossen. Seit 1978 ist er Professor für Moderne deutschsprachige Literatur an der Universität Triest. Magris ist Essayist und Kolumnist für die italienische Tageszeitung Corriere della Sera und andere europäische Zeitungen. Durch seine unzähligen Studien zur mitteleuropäischen Kultur gilt er als deren größter Förderer in Italien.
Magris' erstes Buch handelt vom habsburgischen Mythos in der modernen österreichischen Literatur. Er hat Essays über Hoffmann, Roth, Ibsen, Svevo, Musil, Hesse und Borges geschrieben. Der literarische Durchbruch gelang Magris 1986 mit seinem bekanntesten Werk, Danubio (Donau), einer literarischen Reise entlang der Donau von der Quelle bis zur Mündung, in deren Vordergrund die multikulturelle Vergangenheit des Donauraumes steht.

Aus: Blindlings (Übersetzt von Ragni Maria Gschwend)

„Mein lieber Cogoi, ehrlich gesagt, ich bin mir nicht sicher, obwohl ich es selber geschrieben habe, daß niemand das Leben eines Menschen besser erzählen könne als er selbst. Natürlich hat dieser Satz ein Fragezeichen; ja, wenn ich mich recht erinnere – inzwischen sind so viele Jahre vergangen, ein Jahrhundert, die Welt hier herum war jung, ein taufrischer grüner Morgen, aber sie war schon ein Gefängnis –, habe ich als erstes genau dieses Fragezeichen gesetzt, das alles hinter sich herzieht. Als mich Doktor Ross aufforderte, jene Seiten für das Jahrbuch zu schreiben, hätte ich große Lust gehabt –
und das wäre ehrlich gewesen –, ihm einen Stapel Blätter mit nichts als einem Fragezeichen drauf zu schicken, aber ich wollte nicht unhöflich sein, ausgerechnet ihm gegenüber, der im Unterschied zu den anderen so freundlich und wohlwollend ist; außerdem wäre es nicht angebracht gewesen, jemanden zu verärgern, der dich aus einem geschützten Winkel, wie die Redaktion des Almanachs der Strafkolonie, herausholen und in die Hölle von Port Arthur expedieren kann, wo du es mit der neunschwänzigen Katze auf den Buckel kriegst, sobald du dich, erschöpft von den Steinblöcken und dem eiskalten Wasser, auch nur für einen Augenblick auf den Boden setzt.
Also habe ich vor dieses Fragezeichen lediglich den ersten Satz geschrieben und nicht mein ganzes Leben, meines, seines oder wessen auch immer. Das Leben – pflegte unser Grammatiklehrer Pistorius zu sagen, wobei er die lateinischen Ausdrücke mit runden, gemessenen Gesten begleitete, in jenem Raum mit der roten Tapete, die sich am Abend verdüsterte und erlosch: Glut der Kindheit, die im Dunklen verglomm –, das Leben ist keine Proposition oder Assertion, sondern eine Interjektion, eine Interpunktion, eine Konjunktion, im Höchstfall ein Adverb.“







Claudio Magris (Triëst, 10. April 1939)





Der deutsche Schrifsteller Stefan Heym wurde am 10. April 1913 in Chemnitz geboren. Er emigrierte, als Hitler an die Macht kam. In New York schrieb er seine ersten Romane. Nach dem Krieg kehrte er nach Europa zurück und fand Zuflucht, aber auch neue Schwierigkeiten in der DDR. Als Romancier und streitbarer Publizist wurde er international bekannt und zählt zu den erfolgreichsten Autoren der deutschen Gegenwartsliteratur.

Aus: Die Architekten

“Bald würden sie in Brest eintreffen, hörte er einen der Wachposten sagen. Die Posten spielten Domino; sie hieben ihre kleinen schwarzen Steine krachend auf ein Brett, das sie sich quer über die Knie gelegt hatten, und rauchten Machorka. Der Waggon, für Güter und Pferde gedacht, nicht für Menschen, ratterte über die ausgefahrenen Gleise, und der Geruch nach Schweiß und Angst wollte sich nicht verziehen, obwohl die Belüftungsklappen unter dem Dach so weit es ging offenstanden und sogar die Ladetür in der Seitenwand um einen Spaltbreit beiseite geschoben worden war.
Brest, dachte er. Seit vergangenem Jahr – soviel war durch Gefängnismauern und über die sibirische Taiga gedrungen – waren Stadt und Festung Brest wieder sowjetisch. Jenseits von Brest lag die neue Grenze, lag das Großdeutschland der Nazis.
Die Unruhe, die ihn zermürbte, seit er erfahren hatte, daß er aus der Sowjetunion abgeschoben werden sollte, schien sich auf einen einzigen Brennpunkt in seinem Innern zu konzentrieren; und es kostete ihn viel Nervenkraft, um wenigstens ein Minimum an Gleichgewicht in seinem Herzen zu wahren: Was, im Grunde, würde dem Genossen Julian Goltz denn Schlimmeres widerfahren als eine Art von Strafversetzung aus der Bratpfanne ins Feuer. Mit seinem Leben hatte er sowieso abgeschlossen.
Der Tod von Babette, so grausam der Gedanke ihm auch erschien, hatte zugleich auch das Ende der Sorgen um seine Frau bedeutet; nur die Angst um Julia war geblieben, doch war sogar auch diese Angst nun leichter zu ertragen, da er hoffen durfte, daß Sundstrom, mit seinem Talent und seinen Beziehungen, einer Verhaftung entgangen war und so sich des Kindes annehmen konnte.”








Stefan Heym (10. April 1913 – 16. Dezember 2001)

Donnerstag, 9. April 2009

Charles Baudelaire

Der französische Lyriker und Schriftsteller Charles Baudelaire wurde am 9. April 1821 in Paris geboren. Nach unglücklicher Kindheit und Jugend (er litt sehr unter seinem strengen Stiefvater) begab er sich in die Pariser Bohéme. 1842 erhielt er das beträchtliche väterliche Erbe ausgezahlt und führte fortan das exzentrische Leben eines Dandy. Innerhalb weniger Jahre war das Vermögen durch seine ausschweifende Lebensweise mit Alkohol, Drogen und Frauen, aber auch durch den Ankauf vieler Bilder verbraucht und er mußte seinen Lebensunterhalt mit journalistischen Arbeiten verdienen. 1845 bzw. 1846 erschienen die kunsttheoretisch bedeutenden Abhandlungen Les Salons, mit denen der Autor zeitgenössische Künstler wie Honoré Daumier, Édouard Manet und vor allem Eugène Delacroix bekannt machte. Edgar Alle Poe, dessen Werk er viele Anregungen verdankte, übersetze er als erster ins Französische. 1857 erschien Baudelaires Hauptwerk, der Gedichtzyklus 'Les Fleurs du Mal' (Die Blumen des Bösen). Wegen sechs angeblich obszöner und gotteslästerlicher Gedichte in dieser Sammlung wurden Autor, Verleger und Drucker angeklagt und der 'Beleidigung der öffentlichen Moral und der guten Sitten' für schuldig befunden, erst nach dem 2. Weltkrieg wurde dieses Urteil aufgehoben. In der Prosaerzählung 'Die Fanfarlo' schildert er stark autobiographisch seine 20 Jahre dauernde Liebesbeziehung zu der dunkelhäutigen Jeanne Duval. Zwischen 1864 und 1866 lebte Baudelaire in Belgien. Entmündigt und verarmt starb er am 31. August 1867 in einer Anstalt in Paris an den Spätfolgen der Syphilis.



L'homme et la mer

Homme libre, toujours tu chériras la mer!
La mer est ton miroir, tu contemples ton âme
Dans le déroulement infini de sa lame
Et ton esprit n'est pas un gouffre moins amer.

Tu te plais a plonger au sein de ton image;
Tu l'embrasses des yeux et des bras, et ton coeur
Se distrait quelquefois de sa propre rumeur
Au bruit de cette plainte indomptable et sauvage.

Vous êtes tous les deux ténébreux et discrets;
Homme, nul n'a sondé le fond de tes abîmes;
O mer, nul ne connaît tes richesses intimes,
Tant vous êtes jaloux de garder vos secrets!

Et cependant voilà des siècles innombrables
Que vous vous combattez sans pitié ni remords,
Tellement vous aimez le carnage et la mort,
O lutteurs éternels, O frères implacables!





Der Mensch und das Meer

Du freier Mensch, du liebst das Meer voll Kraft,
Dein Spiegel ist's. In seiner Wellen Mauer,
Die hoch sich türmt, wogt deiner Seele Schauer,
In dir und ihm der gleiche Abgrund klafft.

Du liebst es, zu versinken in dein Bild,
Mit Aug' und Armen willst du es umfassen,
Der eignen Seele Sturm verrinnen lassen
In seinem Klageschrei, unzähmbar wild.

Ihr beide seid von heimlich finstrer Art.
Wer taucht, o Mensch, in deine letzten Tiefen,
Wer kennt die Perlen, die verborgen schliefen,
Die Schätze, die das neidische Meer bewahrt?

Und doch bekämpft ihr euch ohn' Unterlass
Jahrtausende in mitleidlosem Streiten,
Denn ihr liebt Blut und Tod und Grausamkeiten,
O wilde Ringer, ewiger Bruderhass!





Harmonie du soir

Voici venir les temps ou vibrant sur sa tige
Chaque fleur s'évapore ainsi qu'un encensoir
Les sons et les parfums tournent dans l'air du soir
Valse mélancolique et langoureux vertige

Chaque fleur s'évapore ainsi qu'un encensoir
Le violon frémit comme un coeur qu'on afflige
Valse mélancolique et langoureux vertige
Le ciel est triste et beau comme un grand reposoir

Le violon frémit comme un coeur qu'on afflige
Un coeur tendre qui hait le néant vaste et noir
Le ciel est triste et beau comme un grand reposoir
Le soleil s'est noyé dans son sang qui se fige

Un coeur tendre qui hait le néant vaste et noir
Du passé lumineux recueille tout vestige
Le soleil s'est noyé dans son sang qui se fige
Ton souvenir en moi luit comme un ostensoir




Abendklänge

Die Stunde ist's, da ihre Kelche breiten
Die Blumen und wie Weihrauchschalen stehn,
Klänge und Düfte sich im Winde drehn,
Schwermütiger Walzer, zärtlich sanftes Gleiten.

Die Blumen still wie Weihrauchschalen stehn,
Die Geige bebt, ein Herz klagt aus den Saiten,
Schwermütiger Walzer, zärtlich sanftes Gleiten,
Ein grosses Grab der Himmel, ernst und schön.

Die Geige bebt, ein Herz klagt aus den Saiten,
Ein Herz das flieht vor Nacht und Untergehn.
Ein grosses Grab der Himmel, ernst und schön
Und blutigrot der Sonne still Entgleiten.

Ein Herz das flieht vor Nacht und Untergehn
Zum letzten Strahl erloschner Herrlichkeiten,
Und blutigrot der Sonne still Entgleiten,
In heiligem Glanz seh' ich dein Bild erstehn.




Spleen

Je suis comme le roi d'un pays pluvieux,
Riche, mais impuissant, jeune et pourtant très-vieux,
Qui, de ses précepteurs méprisant les courbettes,
S'ennuie avec ses chiens comme avec d'autres bêtes.
Rien ne peut l'égayer, ni gibier, ni faucon,
Ni son peuple mourant en face du balcon.
Du bouffon favori la grotesque ballade
Ne distrait plus le front de ce cruel malade ;
Son lit fleurdelisé se transforme en tombeau,
Et les dames d'atour, pour qui tout prince est beau,
Ne savent plus trouver d'impudique toilette
Pour tirer un souris de ce jeune squelette.
Le savant qui lui fait de l'or n'a jamais pu
De son être extirper l'élément corrompu,
Et dans ces bains de sang qui des Romains nous viennent,
Et dont sur leurs vieux jours les puissants se souviennent,
Il n'a su réchauffer ce cadavre hébété
Où coule au lieu de sang l'eau verte du Léthé.



Schwermut

Ich bin ein Fürst in Landen dumpf und kalt,
Bin reich und machtlos, jung und dennoch alt.
Ein Fürst, der seine Höflingsschar verachtet,
Die Tiere selbst voll Überdruss betrachtet,
Der taub für jeder Freude Lockruf scheint,
Taub für sein Volk, das vor dem Schlosse weint.
Des Narren Lied voll toller Spukgedanken
Erheitert nicht den grausam kalten Kranken,
Zum Sarg wird ihm sein goldnes Ruhebett.
Die Damenschar umschmeichelt das Skelett,
Weil es ein Fürst, mit schamloser Gebärde,
Und jede hofft, dass ihr ein Lächeln werde.
Der Weise selbst, der Gold im Blei erkannt,
Hat die verderbten Säfte nicht gebannt.
Kein Bad in Blut, wie es die Römer boten
Den altersschwachen, zitternden Despoten,
Erneute Kraft in diesen Leichnam giesst,
Drin statt des Blutes grüne Lethe fliesst.








Charles Baudelaire (9. April 1821 – 31. August 1867)
Gemälde von Gustave Courbet, 1847

Mittwoch, 8. April 2009

Christoph Hein, Martin Grzimek

Der deutsche Schrifsteller Christoph Hein wurde am 8. April 1944 als Sohn einer Pfarrerfamilie in Heinzendorf / Schlesien geboren. Nach Kriegsende zog die Familie nach Bad Düben bei Leipzig, wo Hein aufwuchs. Da ihm als Kind eines Pfarrhaushalts der Zugang zu einem Gymnasium in der DDR verwehrt war, zog er im Jahre 1958 nach Westberlin und besuchte als Internatsschüler ein humanistisches Gymnasium. Der Mauerbau verschlug ihn wieder in die DDR. Von 1961 bis 1967 hatte er Jobs in den unterschiedlichsten Berufen: er arbeitete als Montagearbeiter, Buchhändler, Kellner, Journalist, Schauspieler kleinerer Rollen und Regieassistent. 1964 holte er sein Abitur an einer Abendschule nach, und 1967 schrieb er sich an der Universität Leipzig für das Studium der Philosophie und der Logik ein, das er 1971 an der Humboldt Universität Berlin abschloss.
Danach wurde Christoph Hein zunächst Dramaturg an der Volksbühne Berlin unter der Leitung von Benno Besson.

Aus: Landnahme

“Sie lief hinaus und knallte die Tür zu. Sie war wütend auf mich, was mir Leid tat, aber ich war wirklich sprachlos. Es mag ja sein, dass ich etwas zu früh damit begonnen habe und dass mir die Kerle halt besonders gut gefallen, vielleicht hatte Mutter Recht und ich war mannstoll, na, und wenn schon, jahrelang mit einem festen Freund gehen und sogar die Nächte mit ihm verbringen und dabei das Jungfernhäutchen zu behüten, das erscheint mir noch heute abwegig. Ich kannte Rieke und wusste, dass sie eine ulkige Nudel war, nur wieso Bernhard das mitmachte, war mir unbegreiflich. Er war ein gut aussehender Kerl, nicht sehr groß, aber stämmig gewachsen. Und er hatte irgendetwas an sich, das mir gefiel und sicher nicht nur mir. Er redete nicht viel, insofern hätte er gut zu mir gepasst, denn ich redete immer gern, und Bernhard brachte es fertig, eine Stunde mit uns im Zimmer zu sitzen und nichts zu sagen. Er lächelte und schwieg, und wenn er einen ansah, da strahlte etwas von ihm aus. Er strahlte einen ganz bestimmten Geruch aus, würde ich sagen, wenn das nicht unsinnig wäre, weil ein Geruch nicht strahlen kann. Er konnte schweigen, und man hatte nicht das Gefühl, dass er einem nichts zu sagen hat. Man spürte bei ihm, dass er ganz genau wusste, was er will, und dass er alles durchsetzen würde, was er sich vornahm. Wenn er mich minutenlang ansah und dann meine Hand anfasste, bekam ich sofort ein Fell, denn alle Härchen auf meinem Arm standen augenblicklich aufrecht. Er konnte einen aber auch angucken! Er starrte nicht, er blickte einem unverwandt und freundlich in die Augen, und auf der Stelle roch ich diesen Geruch, er verströmte einen Duft von Kraft und Entschlossenheit. So muss ein Vulkan riechen, bevor er ausbricht. Er war ein richtiger Mann, und darum konnte ich überhaupt nicht verstehen, dass er sich auf die dummen Spielchen von meiner Schwester einlässt. Ich hatte gedacht, er hätte sie gleich genommen, gleich bei ihrer allerersten Verabredung, denn genau danach roch er.”







Christoph Hein (Heinzendorf, 8. April 1944)




Der deutsche Schriftsteller Martin Grzimek wurde am 8. April 1950 in Trutzhain, Hessen, geboren. Grzimek entstammt einer alten schlesischen Familie und ist der jüngste Sohn des Gutsverwalters in Brauchitschdorf (Schlesien) und später ehrenamtlichen Bürgermeisters Hellmut Grzimek und der Klara Pokscherwinski. Nach dem Abitur studierte er ab 1968 Theaterwissenschaft in Berlin und ab 1972 Philosophie und Germanistik an der Universität Heidelberg. Ab 1977 arbeitete er als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache. Von 1984 bis 1986 war der Dozent für deutsche Literatur an der privaten Schiller International University in Heidelberg. Von 1986 bis 1992 lebte er als freier Schriftsteller in der venezolanischen Hauptstadt Caracas, wo er daneben dem Direktorium des dortigen Goethe-Instituts angehörte. Die Jahre von 1997 bis 2000 verbrachte Grzimek in Santiago de Chile. Martin Grzimek ist Mitglied des PEN-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland und der Akademie der Freien Künste in Mannheim. Er erhielt u. a. 1980 den Hermann-Hesse-Preis, 1981 den Rauriser Literaturpreis.

Aus: Das Austernfest

»Ich bin verliebt in eine Frau und kann nicht von ihr lassen. Schon seit Jahrzehnten geht das so, es scheint mir, solange ich denken kann, doch was ich auch versuche, sie will nichts von mir wissen. Das wird sich jetzt ändern. Sie braucht mich, ich habe es ihr bewiesen. Sie schaut mich schon anders an, sieht nicht mehr nur den guten alten Freund in mir, den sie so lange kennt. Ich habe etwas getan für sie, was sie mir nie vergessen können wird: ich gebe ihr die Freiheit wieder. Dann werden wir zusammensein. Ich spüre es. Es dauert nur noch ein paar Tage, hat mir der Staatsanwalt verraten, und ich kann sie abholen aus der Untersuchungshaft. Sie wird mir in die Arme fallen, ich drücke sie an mich, spüre ihr Gesicht an meiner Wange, ihre Haare auf meinen trockenen Lippen, höre sie in mein Ohr flüstern. Sie wird mich lieben, lieben müssen.«







Martin Grzimek (Trutzhain, 8. April 1950)

Dienstag, 7. April 2009

William Wordsworth, Jens Peter Jacobsen

Der britische Dichter William Wordsworth wurde am 7. April 1770 in Cockermouth geboren. Er besuchte die Hawkshead Grammar School und studierte anschließend von 1787 bis 1791 an der Universität Cambridge. In seiner Studentenzeit begeisterte Wordsworth sich für die Französische Revolution und bereiste aus diesem Grund 1790 das revolutionäre Frankreich. Um seine Eindrücke zu vertiefen, unternahm er im folgenden Jahr eine weitere Reise durch Frankreich, die Alpen und Italien. Mit der Errichtung der Terrorherrschaft in Frankreich wuchs jedoch Wordsworths Enttäuschung, und er distanzierte sich zunehmend von den Zielen der Revolution. Seine Abkehr schlug 1798 in Gegnerschaft um, als französische Truppen die von Wordsworth geschätzte Schweiz eroberten – fortan bekannte Wordsworth sich zum Konservatismus. 1793 veröffentlichte Wordsworth mit den Sammlungen An Evening Walk und Descriptive Sketches seine ersten Gedichte. 1795 schloss er enge Freundschaft mit Samuel Taylor Coleridge; zwei Jahre später siedelte er sich in dessen Nachbarschaft an. Zusammen veröffentlichten sie 1798 die für die englische Romantik bedeutsamen Lyrical Ballads; sie enthielten einige der bekanntesten Werke der beiden Dichter, z.B. Wordsworths Tintern Abbey und Coleridges Ancient Mariner. Noch im selben Jahr unternahmen sie zusammen mit Wordsworths Schwester Dorothy eine Reise nach Deutschland. In Goslar begann Wordsworth die Arbeit an seinem autobiografischen Gedicht, das später unter dem Titel The Prelude bekannt wurde. 1813 zog Wordsworth nach Rydal Mount, Ambleside, wo er den Rest seines Lebens verbrachte.



LINES WRITTEN IN EARLY SPRING

I HEARD a thousand blended notes,
While in a grove I sate reclined,
In that sweet mood when pleasant thoughts
Bring sad thoughts to the mind.

To her fair works did Nature link
The human soul that through me ran;
And much it grieved my heart to think
What man has made of man.

Through primrose tufts, in that green bower,
The periwinkle trailed its wreaths;
And 'tis my faith that every flower
Enjoys the air it breathes.

The birds around me hopped and played,
Their thoughts I cannot measure:--
But the least motion which they made
It seemed a thrill of pleasure.

The budding twigs spread out their fan
To catch the breezy air;
And I must think, do all I can,
That there was pleasure there.

If this belief from heaven be sent,
If such be Nature's holy plan,
Have I not reason to lament
What man has made of man?





Composed upon Westminster Bridge

Earth has nothing to show more fair:
Dull would he be of soul who could pass by
A sight so touching in its majesty:
This City now doth, like a garment, wear
The beauty of the morning; silent, bare
Ships, towers, domes, theatres, and temples lie
open unto the fields, and to the sky;
All bright and glittering in the smokeless air.
Never did the sun more beautifully steep
In his first splendour, valley, rock, or hill;
Ne’er saw I, never felt, a calm so deep!
The river glideth at his own sweet will:
Dear God! the very houses seem asleep;
And all that mighty heart is lying still!





Verfaßt auf der Westminster-Brücke

Die Erde hat nicht Schöneres zu zeigen:
Stumpf wär’ ein Mensch, der hier vorübergeht
und nicht erlebt des Anblicks Majestät:
Die große Stadt hat heute sich gekleidet
in des Morgens Schönheit! Still da liegen
Dom, Theater, Türme, Schiffe, Kran,
frei gehn die Blicke zu der Wolken Bahn.
Niemals sah ich, fühlt’ ich solchen Frieden,
und niemals hat der frühen Sonne Scheinen
vergoldet reicher Hügel, Fels und Tal.
Der Fluß, wie sanft er will, dahin kann gleiten:
Mein Gott! die Häuser liegen all’ im Schlaf,
die Stadt hält an, so möcht’ man meinen,
des großen, mächt’gen Herzens Schlag!



Übersetzt von Dietrich H. Fischer







William Wordsworth (7. April 1770 – 23. April 1850)




Der dänische Schriftsteller Jens Peter Jacobsen wurde am 7. April 1847 in Thisted geboren. Jacobsen absolvierte nach dem Abitur ein Studium der Botanik, das er mit einer prämierten Dissertation über Algen abschloss. Er war ein begeisterter Anhänger von Charles Darwin, dessen Entstehung der Arten er ins Dänische übersetzte und so die Etablierung der darwinschen Ideen in seinem Heimatland vorantrieb. Auf der Grundlage des darwinschen Evolutionsgedankens entwickelte sich Jacobsen nach schweren religiösen Zweifeln und einer unglücklichen Liebe zu einem entschiedenen Atheisten.
1873 führte ihn eine Reise nach Italien, in deren Verlauf er in Florenz schwer erkrankte. Er kehrte nach Dänemark zurück, wo er nach langem Leiden im Jahre 1885 an Tuberkulose starb. Die meisten Werke Jacobsens tragen autobiografische Züge. Sie stellen die Situation des modernen Menschen dar, der sich in einer Welt ohne Gott zurechtfinden muss. Jacobsen war mit Edvard Brandes und Georg Brandes befreundet, die ihm in ihrer Gesinnung verwandt waren. Der Wiener Komponist Arnold Schönberg vertonte Jacobsens Gurre-Lieder.

Aus: Ein Schuß in den Nebel (Übersetzt von Mathilde Mann)

„Das kleine grüne Zimmer auf Stavnede war offenbar im Grunde dazu eingerichtet, als Durchgang zu der übrigen Zimmerflucht zu dienen. Auf alle Fälle luden die Stühle mit den niedrigen Lehnen, die längs der perlgrauen Täfelung aufgestellt waren, nicht zu längerem Verweilen ein. In der Mitte der Wand saß ein Hirschgeweih, es krönte eine helle Stelle, deren Form deutlich verriet, daß ein ovaler Spiegel hier einmal seinen Platz gehabt hatte. Die eine von den Zacken trug einen breitrandigen Damenstrohhut mit langen celadongrünen Bändern. In der Ecke rechts standen eine Vogelflinte und eine dürftige Kalla, in der andern ein Bündel Angelruten, und in eine von den Schnüren war ein paar Handschuhe eingeknüpft. Mitten im Zimmer stand ein kleiner runder Tisch mit vergoldetem Fuß; ein großer Strauß Farnkräuter lag auf der schwarzen Marmorplatte.
Es war spät am Vormittage. In einem großen und goldenen Schwaden strich das Sonnenlicht durch eine der obersten Fensterscheiben und fiel mitten zwischen die Farnkräuter hinab; einige davon waren üppig grün, die meisten waren welk, nicht trocken und zusammengeschrumpft, sie hatten ganz ihre Form, aber die grüne Farbe war einer Unendlichkeit von gelben und braunen Schattierungen gewichen, von dem zartesten Weißgelb bis zu dem kräftigsten Rotbraun.“







Jens Peter Jacobsen (7. April 1847 – 30. April 1885)

Montag, 6. April 2009

Günter Herburger, Erich Mühsam

Der deutsche Lyriuker und Schriftsteller Günter Herburger wurde am 6. April 1932 in Isny im Allgäu geboren. Er studierte Theaterwissenschaften, Literatur, Philosophie und Sanskrit in München und Paris. Herburger lebte und arbeitete in verschiedenen Berufen in Frankreich, Spanien, Nordafrika und Italien. Er publizierte Romane, Erzählungen, Gedichte, Hörspiele, Fernsehdrehbücher sowie literatur- und gesellschaftskritische Beiträge. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Peter-Huchel-Preis und den Münchner Literaturpreis.

Aus: Schlaf und Strecke

„Schon im Zug nach Zürich begann Verklärung. Draußen regnete es, in den Abteilen hatte sich junges Volk breit gemacht, das Rucksäcke, Wimpel, Tennisschläger und, für welche Zwecke auch immer, kurzstielige Schaufeln bei sich hatte. Die Gesellschaft war zu Hütten und Landschulheimen über das verlängerte Wochenende unterwegs.Sofort verliebte ich mich in ein protestantisch blondes Mädchen, dann in seine Nachbarin. Beide waren sehr groß, die Lippen dunkelrot geschminkt, die vielen Haare kunstvoll in Unordnung gebracht.
In Luzern, wo alle ausstiegen und wir vom Rapido zu einer Bummellinie wechselten, war selbst noch die Bahnhofshalle sexualisiert.
Helio Bechterew sagte, seit Stunden müsse er an Hepatitis-B denken, das Virus.
Warum?
Wegen der großartigen Frisuren.
Verstünde ich nicht.
Er sei an der Elfenbeinküste gewesen, behauptete er, die ebenfalls voller Haare sei. Er habe Gelbsucht bekommen, eine langweilige, monatelange Krankheit, gegen die nichts helfe. Schließlich habe ihm eine schwäbische Tante geraten, Schafsläuse zu essen. Und tatsächlich, es habe geholfen, täglich zwanzig, dreißig Stück in Quark oder Haferbrei. Der Tante sei es auch gelungen, Schafszüchter für die Läuse aufzutreiben, die sich Gabe und Transport allerdings teuer hätten bezahlen lassen. Die Breitband-Medizin wisse immer noch nicht, weshalb das alte Bauernmittel wirke.“








Günter Herburger (Isny im Allgäu, 6. April 1932)





Der deutsche Lyriker, Schriftsteller, Aktivist, Anarchist, und Publizist Erich Kurt Mühsam wurde am 6. April 1878 in Berlin geboren und wuchs in Lübeck auf. 1902 wurde er Redakteur bei der anarchistischen Zeitschrift Der arme Teufel, 1905 beim Weckruf; in diese Zeit hatte er Kontakt zum Friedrichshagener Dichterkreis. 1904 bis 1908 folgten „Wanderjahre“ mit Aufenthalten in Zürich, Ascona (Monte Verità), Norditalien, München, Wien, Paris zusammen mit seinem homosexuellen Freund Johannes Nohl. Auf dem Monte Verità befreundete er sich mit dem Siedler Karl Gräser. Seit 1909 lebte er in München-Schwabing. Hier gründete er die dem Sozialistischen Bund angehörenden Gruppe Tat und Gruppe Anarchist zwecks Agitation des Subproletariats für den Anarchismus. 1910 wurde Mühsam verhaftet, wegen Geheimbündelei angeklagt und schließlich freigesprochen. Als Zentralfigur der Schwabinger Bohème war er befreundet mit Heinrich Mann, Frank Wedekind, Lion Feuchtwanger, Fanny zu Reventlow und vielen anderen. Seiner Gruppe „Tat“ schlossen sich auch der Schriftsteller Oskar Maria Graf und der Maler Georg Schrimpf an, die ihm nach Ascona zum Monte Verità folgten. Mühsam war Mitarbeiter des Münchner Kabaretts und verschiedener satirischer Zeitschriften wie des Simplicissimus und der Jugend. Von 1911 bis 1919 gab Erich Mühsam in München die Zeitschrift Kain – Zeitschrift für Menschlichkeit heraus, allerdings nicht während des Ersten Weltkrieges.


Ich bin ein Pilger ...

Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt;
der Feuer sieht und weiß nicht, wo es brennt;
vor dem die Welt in fremde Sonnen rennt.

Ich bin ein Träumer, den ein Lichtschein narrt;
der in dem Sonnenstrahl nach Golde scharrt;
der das Erwachen flieht, auf das er harrt.

Ich bin ein Stern, der seinen Gott erhellt;
der seinen Glanz in dunkle Seelen stellt;
der einst in fahle Ewigkeiten fällt.

Ich bin ein Wasser, das nie mündend fließt;
das tauentströmt in Wolken sich ergießt;
das küßt und fortschwemmt weint und froh genießt.

Wo ist, der meines Wesens Namen nennt?
Der meine Welt von meiner Sehnsucht trennt?
Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt.





Was ist der Mensch?

Was ist der Mensch? Ein Magen, zwei Arme,
ein kleines Hirn und ein großer Mund,
und eine Seele - daß Gott erbarme! -

Was muß der Mensch? Muß schlafen und denken,
muß essen und feilschen und Karren lenken,
muß wuchern mit seinem halben Pfund.
Muß beten und lieben und fluchen und hassen,
muß hoffen und muß sein Glück verpassen -
und leiden wie ein geschundner Hund.








Erich Mühsam (6 april 1878 – 10 juli 1934)

Sonntag, 5. April 2009

Hugo Claus, Algernon Swinburne

Der flämische Schriftsteller Hugo Claus wurde 5. April 1929 in Brügge geboren. Er trat auch als Maler, Dramatiker, Journalist, Lyriker, Librettist, Drehbuchautor, Übersetzer sowie als Film- und Fernsehregisseur hervor und galt als der bedeutendste belgische Nachkriegsschriftsteller. Sein bekanntestes Buch war „Het verdriet van België“ („Der Kummer von Flandern“). Claus war der älteste Sohn einer flämischen Druckerfamilie. Von 1933 bis 1939 lebte er in einem katholischen Internat in Aalbeke, anschließend besuchte er die weiterführende Schule, erst in Kortrijk, dann in Deinze. Nach dem Abschluss begann er an der Kunstakademie und der Schauspielschule in Gent ein Studium. Danach folgte der Wehrdienst, nach dessen Beendigung Claus Anfang der fünfziger Jahre seine schriftstellerische Karriere begann. Seinen ersten Erfolg konnte er 1950 mit dem Buch „Die Metsiers“ feiern, welches in Deutschland 1951 veröffentlicht wurde. Zu der Zeit ging er nach Paris, um sich als Maler zu versuchen. Sein bekanntestes Werk, „Het verdriet van België“, 1986 ins Deutsche als „Der Kummer von Flandern“ erschienen, das sich mit der Zeit des zweiten Weltkriegs in Flandern und Belgien auseinandersetzt und in das er seine eigene Lebensgeschichte mit einfließen ließ, erschien 1983. 2008 erschien in Deutschland eine Neuübersetzung von Waltraud Hüsmert unter dem Titel "Der Kummer von Belgien". Claus litt an der Alzheimer-Krankheit. Im März 2008 machte er von der in Belgien legalisierten Sterbehilfe Gebrauch. Claus verfasste über hundert literarische Werke, für die er mehr als vierzig Preise erhielt. Darunter finden sich Gedichte, Erzählungen, Romane, Stücke, Libretti und Drehbücher.

Aus: Der Kummer von Belgien

„Die vier Apostel besaßen zusammen sieben Verbotene Bücher. Vlieghe gehörten drei davon, Liebe im Nebel , ein Programm der Operette Rose Marie und, das riskanteste, eine Biographie des Ketzers und Freimaurers G. B. Shaw . Byttebier besaß Erzählungen aus der Südsee und ein Foto von Deanna Durbin im Unterrock, unan ständig genug, um als Buch durchzugehen. Louis hätte mit seinem Buch wahrscheinlich keinen Ärger bekommen, wenn die Nonnen es gefunden hätten, er hätte es auch offen zwischen die abgegriffenen, angenehm duftenden Davidsfonds -Bücher stellen können, die er sich nach den Osterferien mitgebracht hatte, aber reichte es nicht schon aus, ein Buch heimlich, ins Nachthemd gewickelt, hinter die hohen Mauern der Klosterschule zu schmuggeln ? Der Titel lautete: Die Flämische Flagge. Papa hatte es selbst in den rotbraunen Pappumschlag eingebunden, das war sofort zu erkennen, denn wenn er Bücher band, hackte er die Ränder unter der Schneidemaschine wie unter einer Guillotine schonungslos dicht beim Text ab. In Die Flämische Flagge ging es um rebellische Seminaristen gegen Ende des letzten Jahrhunderts, die, aufgestachelt von langhaarigen Priestern mit Pincenez, einen Geheimbund namens Der stille Schwur gegründet und bei Nacht und Nebel ein Komplott gegen die belgischen, also antifl ämischen Minister und Bischöfe geschmiedet hatten. Louis hatte das Werk zu Hause aus dem Bücherschrank gestohlen, weil Papa einmal behauptet hatte, Pfarrer, die solche Bücher bei ihren Gemeindemitgliedern fänden, würden sogleich mit Exkommunikation drohen. Der Anblick des schäbigen Buchs mit den dünnen, grau gedruckten Buchstaben, das keine einzige Illustration enthielt, hatte die anderen drei Apostel nicht gerade beeindruckt. Nur weil Louis mit übertriebenem Eifer Ursprung und Inhalt geschildert und die Gefahr ausgemalt hatte, hatten sie das mißgestaltete Ding an jenem Abend als Verbotenes Buch akzeptiert und es auf Byttebiers Kopfkissen zu den anderen gelegt, sich dreimal bekreuzigt und gefl üstert : »Im schwarzen Buche – gehn wir auf die Suche – geheim und im stillen – Maria zu Willen.« Keiner von ihnen durfte die Verbotenen Bücher lesen, wenn nicht mindestens einer der anderen Apostel mitlas.“







Hugo Claus (5. April 1929 – 19. März 2008)





Der englische Dichter Algernon Charles Swinburne wurde am 5. April 1837 in London geboren. Swinburne stammte aus reichem Hause und studierte von 1856 bis 1860 am Balliol College an der Universität Oxford, wo er mit der präraffaelitischen Bewegung in Kontakt kam. 1865 zog er mit dem Versdrama Atalanta in Calydon und dem darin gezeigten Talent im Umgang mit Wörtern, Reim und Rhythmus Aufmerksamkeit auf sich. Der erste Band der Poems and Ballads löste 1866 besonders wegen der Darstellung sadomasochistischer Erotik einen literarischen Skandal aus. Die 1871 veröffentlichten Songs before Sunrise sind von Swinburnes Bewunderung für den Demokraten und Freiheitskämpfer Giuseppe Mazzini inspiriert. In der Elegie Ave Atque Vale aus dem zweiten Band der Poems and Ballads (1878) äußert sich Swinburnes Vorliebe für Charles Baudelaire. Nach einem (unter anderem dauerhaftem Alkoholmissbrauch zugeschriebenen) gesundheitlichen Zusammenbruch 1879 wurde Swinburne von seinem Freund, dem Dichter und Kritiker Theodore Watts-Dunton aufgenommen und lebte bis zu seinem Tod mit in dessen Haus in Putney, London.


Hermaphroditus

I.
LIFT up thy lips, turn round, look back for love,
Blind love that comes by night and casts out rest;
Of all things tired thy lips look weariest,
Save the long smile that they are wearied of.
Ah sweet, albeit no love be sweet enough,
Choose of two loves and cleave unto the best;
Two loves at either blossom of thy breast
Strive until one be under and one above.
Their breath is fire upon the amorous air,
Fire in thine eyes and where thy lips suspire:
And whosoever hath seen thee, being so fair,
Two things turn all his life and blood to fire;
A strong desire begot on great despair,
A great despair cast out by strong desire.



II.
Where between sleep and life some brief space is,
With love like gold bound round about the head,
Sex to sweet sex with lips and limbs is wed,
Turning the fruitful feud of hers and his
To the waste wedlock of a sterile kiss;
Yet from them something like as fire is shed
That shall not be assuaged till death be dead,
Though neither life nor sleep can find out this.
Love made himself of flesh that perisheth
A pleasure-house for all the loves his kin;
But on the one side sat a man like death,
And on the other a woman sat like sin.
So with veiled eyes and sobs between his breath
Love turned himself and would not enter in.








Algernon Swinburne (5 april 1837 – 10 april 1909)
Portät von William Bell Scott

Samstag, 4. April 2009

Maya Angelou, Edith Södergran

Die amerikanische Lyrikerin, Schriftstellerin und Menschenrechtlerin Maya Angelou wurde am 4. April 1928 in St. Louis, Missouri, geboren. Im Jahre 1931, als sie drei war, ließen sich ihre Eltern scheiden und schickten sie zusammen mit ihrem vierjährigen Bruder alleine zur in Stamps, Arkansas, lebenden Großmutter. Nach vierjähriger Trennung von ihrer Mutter kehrten die beiden Geschwister zu ihr zurück. Jedoch wurde Maya im Alter von 8 Jahren vom Freund der Mutter missbraucht. Nachdem sie über die Vergewaltigung gesprochen hatte, prügelten Verwandte von Maya den Freund der Mutter zu Tode. Maya wurde, nachdem sie erfahren hatte, dass der Mann ihretwegen umgebracht worden war, stumm. Durch eine gute Freundin, Mrs. Flowers, fand sie ihre Stimme wieder. Zu dieser Zeit war sie schon eine eifrige Leserin von Gedichten und Büchern. Nach sechs Jahren Schweigen, im Alter von 13 Jahren, begann sie dann wieder zu sprechen. Sie wurde die erste afroamerikanische Straßenbahnschaffnerin San Franciscos, kellnerte in Nachtclubs, arbeitete als Köchin und kurz auch als Prostituierte. Die Ehe mit einem euroamerikanischen Seemann namens Angelou hielt sie nicht lange aus. Anschließend war sie als Sängerin und Tänzerin zunehmend erfolgreich und tourte 1954-55 mit Porgy and Bess durch Europa. 1961 geht sie mit einem südafrikanischen Freiheitskämpfer nach Afrika, um in Ghana als Lektorin, freie Schriftstellerin und Lehrerin zu arbeiten. Nach ihrer Rückkehr ist sie für Malcolm X tätig. Daneben schrieb sie: Angelou erzählte in den sechs Bänden ihrer Autobiographie fesselnd von ihrer Odyssee des Überlebens und der Suche nach Selbstbestimmung als afroamerikanische Frau in einer rassistischen Gesellschaft. Später spielte sie in der Fernsehserie Roots. Seit 1981 wirkt sie hauptberuflich als Hochschullehrerin für American Studies an der Wake Forest University in Winston-Salem.



I Know Why the Caged Bird Sings

The free bird leaps
on the back of the win
and floats downstream
till the current ends
and dips his wings
in the orange sun rays
and dares to claim the sky.

But a bird that stalks
down his narrow cage
can seldom see through
his bars of rage
his wings are clipped and
his feet are tied
so he opens his throat to sing.

The caged bird sings
with fearful trill
of the things unknown
but longed for still
and is tune is heard
on the distant hillfor the caged bird
sings of freedom

The free bird thinks of another breeze
an the trade winds soft through the sighing trees
and the fat worms waiting on a dawn-bright lawn
and he names the sky his own.

But a caged bird stands on the grave of dreams
his shadow shouts on a nightmare scream
his wings are clipped and his feet are tied
so he opens his throat to sing

The caged bird sings
with a fearful trill
of things unknown
but longed for still
and his tune is heard
on the distant hill
for the caged bird
sings of freedom.









Maya Angelou (Saint Louis, 4. April 1928)




Die finnlandschwedische Dichterin und Schriftstellerin Edith Irene Södergran wurde am 4. April 1892 in Sankt Petersburg geboren. Ihre Muttersprache war schwedisch, die Umgangssprache deutsch. Nach der Revolution völlig verarmt, verbrachte sie die letzten Lebensjahre im finnisch-russischen Grenzort Raivola. Hier enstand ein schmales lyrisches Werk, allgemein als Beginn der Moderne im Norden betrachtet. Södergran starb 1923 in der Johannisnacht an Lungentuberkulose.


Die Sehnsucht der Farben

Um meiner eigenen Blässe Willen liebe ich rot, blau und gelb,
das große Weiß ist wehmütig wie die Schneedämmerung
als Schneewittchens Mutter am Fenster saß und sich Schwarz und Rot dazuwünschte.
Die Sehnsucht der Farben ist die des Blutes. Wenn du nach Schönheit dürstest
sollst du die Augen schließen und in dein eigenes Herz blicken.
Doch fürchtet die Schönheit den Tag und allzuviele Blicke,
doch duldet die Schönheit nicht Lärm und allzuviele Bewegungen –
du sollst nicht dein Herz zu deinen Lippen führen,
wir sollen nicht stören des Schweigens und der Einsamkeit vornehme Kreise, -
Wem ist es größer zu begegnen als einem ungelösten Rätsel mit seltsamen Zügen?
Eine Schweigende werde ich sein in meinem ganzen Leben,
eine Redende ist wie der plappernde Bach, der sich selbst verrät;
ein einsamer Baum werde ich sein in der Ebene,
die Bäume im Wald vergehen vor Sehnsucht nach Sturm,
ich werde gesund sein von Kopf bis Fuß mit goldenen Streifen im Blut,
ich werde rein und unschuldig sein wie eine Flamme mit züngelnden Lippen.



Übersetzt von Barbara Schubert



Der Mond

Wie wundersam ist alles Tote
wie unaussprechlich:
ein totes Blatt, ein toter Mensch
des Mondes Scheibe.
Und alle Blumen kennen ein Geheimnis
welches der Wald bewahrt:
des Mondes Kreisumlauf um unsre Erde
ist des Todes Bahn.
Und der Mond spinnt sein Gewebe wundersam
welches die Blumen lieben,
und der Mond spinnt sein Märchennetz
um alles Lebende.
Und des Mondes Sichel mäht Blumen ab
in Spätherbstnächten,
und alle Blumen warten auf des Mondes Kuß
in endlosem Verlangen.








Edith Södergran (4. April 1892 – 24. Juni 1923)

Freitag, 3. April 2009

Frederik van Eeden, Peter Huchel

Der niederländische Schriftsteller, Psychologe und Sozialreformer Frederik Willem van Eeden wurde am 3. April 1860 in Haarlem geboren. Er wuchs in einer Umgebung auf, in der Kunst und Wissenschaft eine wichtige Rolle spielten. 1878 begann er, Medizin in Amsterdam zu studieren. 1886 promovierte Van Eeden und ließ sich in Bussum als Hausarzt nieder. Er spezialisierte sich jedoch schnell auf Psychotherapie. Beginn der 1880er Jahre spielte Van Eeden eine wichtige Rolle im Amsterdamer Studentenleben und veröffentlichte seine ersten Artikel. Er wurde Mitglied der niederländischen Schriftsteller-Vereinigung Flanor. 1885 gründete er mit Frank der Goes, Willem Kloos, Willem Paap und Albert Verwey die Zeitschrift De Nieuwe Gids, die das Sprachrohr der Beweging van Tachtig werden sollte. Die ersten Ausgaben des Nieuwe Gids beinhalteten Teile des von Van Eeden geschriebenen Märchens De Kleine Johannes. Das Märchen wurde 1887 als Buch veröffentlicht. 1894 verließ Van Eeden die Redaktion des Nieuwe Gids.
Am 15. April 1886 heiratete Frederik van Eeden Martha van Vloten. Sie wurden Eltern zweier Söhne. Am 29. Juni 1907 ließen sie sich scheiden. Am 21. August 1907 heiratete Van Eeden seine zweite Ehefrau Geertruida Woutrina Everts, mit der er ebenfalls zwei Söhne hatte.
1900 erschien Van Eedens psychologischer Roman Van de koele meren des doods. Das Werk wurde seitdem mehrmals neu aufgelegt und wird immer noch häufig gelesen. 1982 wurde der Roman von Nouchka van Brakel verfilmt. Die Kolonie Walden in Bussum war ein Versuch, seinen gesellschaftlichen Auffassungen eine konkrete Gestalt zu geben. Das Experiment, das nur wenige Jahre Bestand hatte (1898 bis 1907), war für die Entwicklung des niederländischen Sozialismus von Bedeutung.

Aus: Der kleine Johannes

“Ich will euch etwas von dem kleinen Johannes erzählen. Meine Geschichte erinnert zwar sehr an ein Märchen, aber dennoch ist alles in Wirklichkeit so geschehen. Sobald ihr das nicht mehr glaubt, sollt ihr nicht weiter lesen, denn ich schreibe dann nicht für euch. Auch dürft ihr nie zu dem kleinen Johannes darüber sprechen, wenn ihr ihm jemals begegnen solltet, denn das würde ihm Kummer bereiten und ich würde es bereuen, euch dies alles erzählt zu haben.
Johannes wohnte in einem alten Hause, das von einem großen Garten umgeben war. Es war schwer sich dort zurecht zu finden, denn in dem Hause waren viel dunkle Gänge, Treppen, Stübchen und geräumige Bodenkammern, und im Garten gab es allenthalben Spalierwände und Treibhäuser. Für Johannes bedeutete dieser Garten eine ganze Welt. Er konnte weite Streifzüge darin unternehmen, und allem, was er entdeckte, gab er einen Namen. Für das Haus hatte er lauter Namen aus dem Tierreich gefunden: da war der Raupenspeicher, weil er dort eine Raupenzucht trieb; und das Hühnerstübchen, weil er dort einmal ein Huhn gefunden hatte. Das war zwar nicht von selber dahin gekommen, sondern die Mutter des kleinen Johannes hatte es dort zum Brüten hingesetzt. Für den Garten wählte er lauter Namen aus dem Pflanzenreich, und beachtete dabei vornehmlich die Erzeugnisse, die für ihn von Bedeutung waren. So unterschied er einen Himbeerberg, einen Birnenwald und ein Erdbeertal. Ganz hinten war ein kleines Fleckchen, welches er das Paradies nannte, und dort war es natürlich besonders schön. Da war ein großes Wasser, ein Teich, auf dem weiße Lilien trieben und an dessen Ufern das Schilf flüsternd lange Gespräche mit dem Winde führte. Jenseits lagen die Dünen. Das Paradies selber bestand aus einem kleinen Rasen am diesseitigen Ufer, der von Buschholz umringt war; üppig schoß der Waldkerbel daraus empor. Dort lag Johannes oft im dichten Grase und spähte durch das wogende Schilf nach den Dünenspitzen jenseits des Wassers. An warmen Sommerabenden war er dort immer und konnte stundenlang so daliegen und schauen und schauen, ohne daß ihm jemals die Zeit lang wurde.”








Frederik van Eeden (3. April 1860 – 16. Juni 1932)




Der deutsche Lyriker und Schrifsteller Peter Huchel wurde am 3. April 1903 in Lichterfelde bei Berlin geboren. Aufgewachsen auf dem Bauernhof seines Großvaters im märkischen Alt-Langerwisch, studierte er Literatur und Philosophie in Berlin, Freiburg im Breisgau und Wien. Ab 1925 lebte er als freier Schriftsteller in Berlin. Zwischen 1927 und 1930 reiste er durch Frankreich, den Balkan und die Türkei und war danach Mitarbeiter der Literaturzeitschrift „Die literarische Welt“. In seiner autobiographischen Skizze "Europa neunzehnhunderttraurig" (1931) begründete er sein Einzelgängertum (er war weder Marxist noch bürgerlicher Dichter, sondern er verstand sich als Naturlyriker). 1932 erhielt er von der Dresdner Zeitschrift „Die Kolonne“ seinen ersten Lyrikpreis für die Gedichtsammlung "Der Knabenteich"; die Drucklegung verhinderte er jedoch, weil er befürchtete, die Nationalsozialisten könnten seine Naturlyrik vereinnahmen. In der „inneren Emigration“, zurückgezogen in Michendorf, verfaßte er unpolitische Funkdichtungen, die Hörspiele "Dr. Faustens Teufelspakt und Höllenfahrt" (1933), "Die Magd und das Kind" (1935) sowie "Margarete Minde" (1939), veröffentlichte in dieser Zeit aber kaum Gedichte. 1941 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. 1945 geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft und kam ins Kriegsgefangenenlager Rüdersdorf, östlich von Berlin. Im September 1945 wurde er entlassen. Schon seit Beginn der 50er Jahre wurde Huchel wegen seiner systemübergreifenden künstlerischen Konzeptionen für Sinn und Form angegriffen. Auf Druck von offizieller Seite wurde Huchel 1953 zur Kündigung seines Redaktionspostens genötigt, was nur durch die Intervention Bertolt Brechts verhindert werden konnte. Als sich nach Brechts Tod 1956 die Angriffe auf Huchel wieder verschärften und seine Arbeit bei Sinn und Form in immer größerem Ausmaß behindert wurde, sah er sich 1962 endgültig zum Rücktritt gezwungen. 1963 erhielt er den Theodor-Fontane-Preis. Da er sich weigerte, diesen West-Berliner Preis abzulehnen, durfte er in der Folgezeit in der DDR weder publizieren noch reisen. Peter Huchel gab zwar nur fünf schmale Gedichtbände heraus ("Gedichte" [1948], "Chausseen Chausseen" [1963], "Die Sternenreuse", Gedichte 1925-1947 [1968], "Gezählte Tage" [1972] und "Die neunte Stunde" [1979]), gehört aber dennoch unbestritten zu den bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikern unseres Jahrhunderts.


Abschied

Daß du nun willst gehen,
hast du es bedacht,
als du meine H nde
löstest in der Nacht?

Als wir noch im Schlummer
hielten uns vereint –
meinen Namen hauchend,
hast du mich gemeint?

War der Mond nicht Zeuge,
silbern überm Haus?
Kam nicht Wind vom Meere,
löschte alles aus?

Daß du nun willst gehen,
hast du es bedacht,
als du meine Augen
suchtest in der Nacht?




Frühe

Wenn aus den Eichen
der Tau der Frühe leckt,
knarren die Türen, rädern die Speichen
vom Schrei der Hähne geweckt.

Noch unterm Laken
des Mondes schlafen die Wiesen, kühl und hell.
Die Sumpffeuer blaken,
die Frösche rühren ihr Paukenfell.

Mondhörnig schüttelt
sein Haupt das Rind
und weidet dunkel am Bach.

Der Habicht rüttelt
im stürzenden Wind
die Helle der Lerchen wach.









Peter Huchel (3. April 1903 – 30. April 1981)

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Zuletzt aktualisiert: 23. Jan, 19:14

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