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Montag, 29. Juni 2009

Giacomo Leopardi, Ror Wolf

Der italienische Dichter, Essayist und Philologe Giacomo Graf Leopardi wurde am 29. Juni 1798 in Recanati geboren. Als er zwanzig Jahre alt war, hatte er schon ein durch und durch pessimistisches Weltbild entwickelt, was sein gesamtes literarisches Schaffen prägen sollte. Er begann seine Dichterlaufbahn im Jahre 1820. Die Helden seiner frühen Gedichte waren meistens Patrioten, die gegen Widrigkeiten ankämpften. Zu Lebzeiten gründete sich sein Ruhm jedoch auf seine Prosaarbeiten, darunter Dialoge und Essays, die er Operette Morali (1827) nannte und seine Gedanken und Briefe. Ab 1833 verschlechterte sich sein seit der Jugend prekärer Gesundheitszustand, und er zog mit seinem Gefährten Rainieri ins wärmere Neapel. Dort lebte und arbeitete er bis zu seinem Tode im Jahre 1837.



An Silvia

Silvia, gedenkst du noch
An jene Zeit in deinem Erdenleben,
Als dir von Schönheit glänzte
Dein lachend Augenpaar in muntrer Helle
Und du betratst, froh und gedankenvoll,
Des Jungfraunalters Schwelle?

Von früh bis spät erklangen
Die stillen Zimmer und ringsum die Gassen
Von deinem hellen Singen,
Wenn bei der Arbeit eifrig ohne Säumen
Du saßest und in Träumen
Von schöner Zukunft fröhlich war dein Sinn.
Süß duftete der Mai. So pflegtest du
Die Tage zu verbringen.

Dann meinen theuren Büchern
Abtrünnig und den mühevollen Heften,
An die ich früh gewendet
Den besten Theil von meinen Jugendkräften,
Wie manchmal von des Vaterhauses Söller
Lauscht' ich auf deine Stimme unverwandt
Und spähte nach der Hand,
Die flink das Linnen hin und her durchlief.
Wie still die Luft sich kühlte!
Wie golden Weg' und Gärten,
Und hier das ferne Meer und dort die Berge!
Kein Menschenmund spricht aus,
Was ich im Busen fühlte!

Wie liebliche Gedanken,
O meine Silvia, welch ein hoffend Streben!
Wie schien das Menschenleben
Uns damals wundersam!
Bedenk' ich, wie viel Täuschungen verglommen,
Fühl' ich mein Herz beklommen
Von trostlos bittrem Gram,
Und all mein Elend däucht mir schwerer nur.
Warum, warum, Natur,
Hältst du nicht Wort, erfüllest,
Was du versprachst, und trügst die eignen Kinder,
Die du mit Wahn umhüllest?

Du, eh' im Winter noch die Flur erstarrt,
Von tückisch leisem Siechthum hingerafft
Vergingst, du Zärtliche, und schautest nicht
Die Blüte deiner Jahre
Und durftest nicht erst fühlen,
Wie süß das Lob auf deine schwarzen Locken,
Auf deine feurigscheuen Liebesblicke;
Nicht plauderten mit dir von holdem Glücke
Am Festtag die Gespielen.

Auch mir verging – wie bald! –
Mein liebstes Hoffen, meinen Jahren auch
Versagten die Geschicke
Den Jugendglanz. Wie bist du
Entschwebt, gleich einem Hauch,
Holde Gefährtin meiner Knabenzeit,
Hoffnung, du vielbeweinte!
Das also ist die Welt,
Die Freuden, Thaten, Lieb' und bunten Fährden,
Die Jeder fröhlich zu erleben meinte?
Dies das Geschick der Sterblichen auf Erden?
Beim Nah'n der Wahrheit sankst du
Dahin, du Aermste; und von ferne nur
Wies deine Hand den kalten Tod mir und
Ein Grab auf öder Flur.




Übersetzt von Paul Heyse







giacomo_leopardi_1
Giacomo Leopardi (29. Juni 1798 – 14. Juni 1837)





Der deutsche Schriftsteller Ror Wolf wurde am 29. Juni 1932 in Saalfeld/Saale, Thüringen, geboren. Ror Wolf arbeitete zwei Jahre als Betonbauer in der DDR, bevor er in die Bundesrepublik übersiedelte. Er studierte Literatur, Soziologie und Philosophie in Frankfurt am Main und Hamburg. Seit 1957 veröffentlicht er Collagen, Lyrik, Hörspiele und Prosa. Heute lebt Ror Wolf in Mainz.

Aus: Verschiedene Möglichkeiten, die Ruhe zu verlieren

“Bevor ich geschrieben habe, habe ich gelesen. Bevor ich gelesen habe, habe ich geschrieben. Aber bevor ich geschrieben und gelesen habe, habe ich mir Geschichten erfunden, in die ich nachts wie in den warmen Bauch hineinkriechen konnte.
Es war niemand da, der mir Geschichten erzählt hat. Mein Vater war auf Reisen mit vielen Grüßen. Meine Mutter stand hinter der Ladenkasse und sagte nicht viel. Mein Großvater saß schweigend auf dem Schusterstuhl, unablässig auf Sohlen und Absätze einschlagend, die Zwecken zwischen den Lippen. Meine Großmutter schaute zum Fenster hinaus. Dort sah sie den Spitzberg, den Roten und den Breiten Berg und den Schwarzen Berg und hat mir keine Geschichte erzählt.
Anfang neununddreißig verbrachte ich einige Zeit mit der normalen Schreibschrift nach Ludwig Sütterlin.
Danach folgte die Einübung in die Druckschrift. Mein Vater war mit einer grauen Mütze verschwunden. Meine Mutter stand fremd und fern hinter der Kasse. Mein Großvater war vom Schusterstuhl gefallen und tot. Meine Großmutter schaute zum Fenster hinaus und vertrocknete stumm. Ich las:
der Tisch ist rein. Tasche. Tinte. Tante
die Dose ist rund. Dach. Docht. Daumen
da du dem doch und rund
der Sand die Hand
der Koch das Loch
der Zeiger zeigt die Zeit
Ich las: ich lese ich rechne ich male ich laufe ich lache ich höre ich sehe ich rufe ich freue mich.
Das war also die erste Begegnung mit dem Gedruckten. Ein Abenteuer. Ein Lese-Erlebnis. Ich machte mich auf und davon mit Strohhalm, Kohle und Bohne zum Berg Semsi.”






wolf
Ror Wolf (Saalfeld/Saale, 29. Juni 1932)

Sonntag, 28. Juni 2009

Juan José Saer, Mark Helprin

Der argentinische Schriftsteller Juan José Saer wurde am 28. Juni 1937 in Serodino, Provinz Santa Fe, geboren. Der Sohn syrischer Einwanderer, studierte Jura und Philosophie, war Professor für Literatur in Argentinien und emigrierte 1968 nach Frankreich. Er erhielt für sein Buch "La Ocasion" 1988 den renommierten spanischen Literaturpreis Premio Nadal sowie in Frankreich den Prix France Culture. Sein bekanntestes Werk ist der 2005 in Deutschland erschienene Kriminalroman Ermittlungen.

Aus: Ermittlungen (Übersetzt von Hanna Grzimek)

„Morvan wußte das. Und er wußte auch, daß es bei Einbruch der Dunkelheit geschah, dann, wenn die uralte, abgenutzte Schlammkugel, die sich eisern immer weiterdrehte, den Punkt verlagerte, auf welchem sie, er und jener Ort genannt Paris, sich bewegten, diesen von der Sonne entfernte und seiner eitlen Helligkeit beraubte, er wußte, daß es gewöhnlich um diese Zeit geschah, daß jener Schatten, den er seit neun Monaten verfolgte und der so nah und unerreichbar war wie sein eigener Schatten, aus seiner staubigen Dachkammer trat, um zuzuschlagen. Und dies hatte er schon - haltet euch fest – siebenundzwanzigmal getan.
Die Leute dort leben länger als an irgendeinem anderen Ort auf diesem Planeten, man lebt, wenn man Franzose oder Deutscher ist, länger als ein Afrikaner, und, wenn man Franzose ist, lebt man scheinbar länger, wenn man Stadtmensch ist, als ein Bauer zum Beispiel, und wenn man aus der Stadt ist - immer statistisch gesehen - lebt man viel länger, wenn man Pariser ist, als wenn man aus irgendeiner anderen Stadt kommt, und wenn man Pariser ist, lebt man viel länger, wenn man eine Frau ist, als wenn man ein Mann ist - und etwas Wahres muß an all dem dran sein, denn in Paris gibt es alte Damen in Fülle, adlige, bürgerliche, kleinbürgerliche oder proletarische, verhärmte alte Jungfern oder ungebundene Frauen, die darüber immer älter wurden, daß sie sich hüteten, ihre stolze Unabhängigkeit zu verlieren, Witwen von Notaren oder Ärzten, Kaufleuten oder Untergrundbahnschaffnern, ehemalige Marktweiber oder Zeichen- und Gesangslehrerinnen, Romanschriftstellerinnen in der Blüte ihres Schaffens, eingewanderte Russinnen oder Kalifornierinnen, alte Jüdinnen, welche die Deportationen überlebt haben, und sogar alte Cocottes, die von einem Zensor, strenger als die guten Sitten, gezwungen wurden, sich zur Ruhe zu setzen: ich meine die Zeit. Jeden Morgen sieht sie das Tageslicht wieder herauskommen, je nach Rang aufgetakelt oder fast in Lumpen, wie sie die bunten Regale der Supermärkte skeptisch in Augenschein nehmen, oder wie sie bei schönem Wetter auf den dunkelgrünen Bänken der Plätze und Alleen sitzen, allein und steif aufgerichtet oder in angeregtem Gespräch mit irgendeinem anderen Exemplar ihrer Spezies, oder wie sie in bereits auf Postkarten verewigter Haltung Brotkrumen an Tauben verfüttern; im Frühling kann man sie des Morgens im Hauskleid ausmachen, wie sie den Oberkörper in die Leere geneigt, mit Hingabe am Fenster eines fünften oder sechsten Stockwerks blühende Geranien gießen.“






Juan_Jose_Saer
Juan José Saer (28. Juni 1937 – 11. Juni 2005)




Der amerikanische Schriftsteller Mark Helprin wurde am 28. Juni 1947 in Manhattans Upper West Side in New York City geboren. Sein Vater war ein Journalist, der später in der Filmindustrie Karriere machte, seine Mutter war als Schauspielerin am Broadway erfolgreich. 1953 zog die Familie nach Ossining, einem Ort am Hudson River nördlich von New York City. Mit der Absicht, in Englischer Literatur zu promovieren, nahm Helprin 1969 zunächst einen Studienplatz an der Stanford University in Kalifornien an, wechselte aber noch im gleichen Jahr zurück an die Harvard University, wo er sich auf Nahost-Studien verlegte und 1972 mit dem Master-Grad (M.A.) abschloß. Bereits während seiner College-Zeit schrieb Helprin zahlreiche Kurzgeschichten und Erzählungen, von denen zwei 1968 schließlich im New Yorker veröffentlicht wurden. Außenpolitisch interessiert, war er darüber hinaus jahrelang als freier Mitarbeiter für das Wall Street Journal tätig. Nach einigen längeren Aufenthalten in Israel, die seinem Studienabschluß folgten, ließ sich H. 1974 im New Yorker Stadtteil Brooklyn nieder.

Aus: Ellis Island: And Other Stories (The Schreuderspitze)

„IN MUNICH are many men who look like weasels. Whether by genetic accident, meticulous crossbreeding, an early and puzzling migration, coincidence, or a reason that we do not know, they exist in great numbers. Remarkably, they accentuate this unfortunate tendency by wearing mustaches, Alpine hats, and tweed. A man who resembles a rodent should never wear tweed.
One of these men, a commercial photographer named Franzen, had cause to be exceedingly happy. "Herr Wallich has disappeared," he said to Huebner, his supplier of paper and chemicals. "You needn't bother to send him bills. Just send them to the police. The police, you realize, were here on two separate occasions!"
"If the two occasions on which the police have been here had not been separate, Herr Franzen, they would have been here only once."
"What do you mean? Don't toy with me. I have no time for semantics. In view of the fact that I knew Wallich at school, and professionally, they sought my opinion on his disappearance. They wrote down everything I said, but I do not think that they will find him. He left his studio on the Neuhausstrasse just as it was when he was working, and the landlord has put a lien on the equipment. Let me tell you that he had some fine equipment-very fine. But he was not such a great photographer. He didn't have that killer's instinct. He was clearly not a hunter. His canine teeth were poorly developed; not like these," said Franzen, baring his canine teeth in a smile which made him look like an idiot with a mouth of miniature castle towers.“






helprin
Mark Helprin (New York, 28. Juni 1947)

Samstag, 27. Juni 2009

Rafael Chirbes, Marcus Jensen

Der spanische Schriftsteller Rafael Chirbes wurde am 27. Juni 1949 in Tabernes de Valldigna bei Valencia geboren. In seinen Romanen setzt er sich mit der Franco-Ära auseinander. Er beschreibt eindrucksvoll die Stagnation während der mehr als eine Generation dauernden Diktatur, die kleinbürgerliche, phantasielose Enge. In seinem Roman Der lange Marsch wird - generationenübergreifend - vom Schicksal von sieben Familien in der Zeitspanne von 1940 bis 1970 erzählt. Erfolgreich war auch sein Roman Der Fall von Madrid, der nur an einem Tag spielt, dem 19. November 1975, dem Todestag Francos. Geschildert wird dieser Tag des Umbruchs im Leben mehrerer Personen: einer Unternehmerfamilie, Professoren, Arbeiter, Studenten, Oppositionelle usw. Die Darstellung der Charaktere und ihrer Beweggründe soll dabei nicht nur den Tag des Machtwechsels beschreiben, sie gibt auch einen Einblick in die spanische Gesellschaft der Gegenwart. Auch in seinem Roman Der Schuß des Jägers thematisiert er die Franco-Gesellschaft, indem er den Lebenslauf eines Mitläufers schildert.

Aus: Der lange Marsch (Übersetzt von Antje Kunstmann)

„Es war vier Uhr morgens an einem Tag im Februar. Trotz der geschlossenen Fensterläden war der Wildbach hinter dem Haus zu hören. Mehrere Tage hintereinander hatte es geschneit, dann war die Sonne durchgebrochen, danach hatte es geregnet, und jetzt führte der Bach viel Schmelzwasser und riß unter großem Getöse verdorrte Äste und Steine mit sich. Im Haus war eine besondere Aufregung zu spüren. Die Frauen kamen in die Küche und verließen sie mit dampfenden Töpfen, und im Kamin loderte ein mächtiges Feuer, das die Szene rötlich einfärbte, das Licht der Deckenlampe und auch der Lampe über dem Tisch übertönte, auf den, schweigsam und bewegungslos, ein gut dreißigjähriger
Mann die Ellbogen stützte. Um die Schultern hatte er eine gestreifte Decke gelegt. Er saß auf der langen Holzbank, die zwei der vier Wände des Raumes säumte und einen Winkel bildete, in den sich der Tisch einfügte. Zu seiner Rechten rauchte ein anderer Mann eine Zigarette. Er war doppelt so alt, beider Gesichter aber waren – abgesehen von den Unterschieden, die das Alter mit sich brachte – fast identisch: so nebeneinander gesehen, hätten die beiden als Modell dienen können für einen der im Barock so beliebten moralisierenden Stiche, auf denen mit den Lebensaltern das Vergehen der Zeit am Körper der Menschen symbolisch dargestellt wurde. Wo sich die Züge des Sohnes noch der
Linie des Kiefers und der Backenknochen anschlossen, verbreiterten sich die des Vaters, wurden in ihrer Zeich-nung verschwommen und dadurch eher formlos; auch die Nase des Vaters sah aus, als hätte die des Sohnes gewissermaßen an Halt verloren und wäre zusammensinkend in die Breite gegangen. Die rosig gesunde Farbe der Wangen des Jüngeren war auf dem Gesicht des Alten ins Purpurne übergegangen und wies, vor allem seitlich der stumpfen Nase, Flecken von geplatzten Äderchen auf.“





Chirbes
Rafael Chirbes (Tabernes de Valldigna, 27. Juni 1949)





Der deutsche Schriftsteller Marcus Jensen wurde am 27. Juni 1967 in Hamburg geboren. In den Jahren 1986/87 leistete er Grundwehrdienst in Appen bei Pinneberg. Von 1987 bis 1998 studierte er Germanistik, Philosophie, Pädagogik und Politik an der Universität Hamburg (M.A.). Seit 1994 ist er mit seiner Lebensgefährtin Silke Andrea Schuemmer zusammen. 1999 Umzug nach Aachen, 1999 bis 2000 war er Mitarbeiter der Zentralen Studienberatung der Universität Köln. Seit 2002 lebt er in Berlin. Mitarbeiter der Zeitschrift Am Erker.

Glasstaub

Der Lastwagen nimmt den vollen Glascontainer auf seinen Haken, die oberste Lage Flaschen purzelt in die Schräge, die anderen fallen hinterher, vor Verzweiflung scheppern alle durcheinander, aber eine kurzhalsige Likörflasche ruft aus: "Keine Angst, keine Panik! Wir werden doch wiedergeboren!" Es gibt einen Ruck, der Lastwagen fährt los, dann tritt Stille ein. Die Likörflasche redet weiter: "Das müsst ihr positiv sehen! Ich zum Beispiel: Ganz früher war ich Pfand, ein Sklavendasein, danach wurde ich zu Einweg, Bier und Saft, schon besser, und meine zahllosen Wiedereinschmelzungen haben mich wunderschön gebräunt. Jetzt bin ich zwar eine nullsiebener Likör, aber in mir spüre ich auch noch eine schwarze Blumenvase, drei Glühbirnen und ein Marmeladentöpfchen!" Der Lastwagen legt sich in eine scharfe Kurve. Alle Flaschen applaudieren klirrend und fangen an zu singen: "Likör, Likör, wir glauben dir, gesichert sei nun unser Erbe, ein ganzes Glas in jeder Scherbe, welch Glück, welch Glück erwarten wir!" Der Lastwagen bremst. Ein gesprungener Aschenbecher kichert dazwischen: "Ach Quatsch. Wir werden alle puderfein zermahlen und kommen zur Straßenbaukolonne." Den mögen die anderen nicht."





Jensen
Marcus Jensen (Hamburg, 27 juni 1967)

Freitag, 26. Juni 2009

Bankim Chandra Chattopadhyay, Sunthon Phu

Der bengalische Sschriftsteller Bankim Chandra Chattopadhyay (anglisierend auch Chatterjee) wurde am 26. Juni 1838 in Kanthalpara geboren. Bankim hat im Lauf seines Lebens - anders als seine Zeitgenossen Dwarkanath Tagore, Rammohan Roy oder Michael Madhusudan Dutt - Bengalen niemals verlassen; seine reichhaltigen Kenntnisse des alltäglichen Lebens auf dem Lande, wo er als Steuereinnehmer mit der Bevölkerung in engem Kontakt stand, seine Kenntnis der unzugänglichen Sümpfe der Sundarbans mit ihren Schmuggler- und Räuberbanden und des städtischen Lebens von Kolkata ermöglichten ihm aber, die sozialen Grenzen, die ihm gesetzt waren, zu überschreiten und ein lebensvolles Bild des bengalischen Alltags in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. zu zeichnen. Sein sprachliches und inhaltliches Eingehen auf die Gegenwart bedeutete den Bruch mit den bisher üblichen märchenhaften Erzählungen, die dazu noch in schwer verständlicher poetischer und Sanskritform verfasst waren.

Aus: The Poison Tree (Übersetzt von Miriam S. Knight)

„Magendra Natha Datta is about to travel by boat. It is the month Joisto (May—June), the time of storms. His wife, Surja Mukhi, had adjured him, saying, "Be careful; if a storm arises be sure you fasten the boat to the shore. Do not remain in the boat." Nagendra had consented to this, otherwise Surja Mukhi would not have permitted him to leave home; and unless he went to Calcutta his suits in the Courts would not prosper.
Nagendra Natha was a young man, about thirty years of age, a wealthy zemindar (landholder) in Zillah Govindpur. He dwelt in a small village which we shall call Haripur. He was travelling in his own boat. The first day or two passed without obstacle. The river flowed smoothly on—leaped, danced, cried out, restless, unending, playful. On shore, herdsmen were grazing their oxen—one sitting under a tree singing, another smoking, some fighting, others eating. Inland, husbandmen were driving the plough, beating the oxen, lavishing abuse upon them, in which the owner shared. The wives of the husbandmen, bearing vessels of water, some carrying a torn quilt, or a dirty mat, wearing a silver amulet round the neck, a ring in the nose, bracelets of brass on the arm, with unwashed garments, their skins blacker than ink, their hair unkempt, formed a chattering crowd. Among them one beauty was rubbing her head with mud, another beating a child, a third speaking with a neighbour in abuse of some nameless person, a fourth beating clothes on a plank. Further on, ladies from respectable[3] villages adorned the gháts (landing-steps) with their appearance—the elders conversing, the middle-aged worshipping Siva, the younger covering their faces and plunging into the water; the boys and girls screaming, playing with mud, stealing the flowers offered in worship, swimming, throwing water over every one, sometimes stepping up to a lady, snatching away the image of Siva from her, and running off with it.“






bankim-chandra-chatterjee
Bankim Chandra Chatterjee (26. Juni 1838 – 8. April 1894)





Der thailändische Dichter Sunthon Phu wurde am 26. Juni 1786 in Bangkok geboren. Nach dem Abschluss der Schule begann er eine Anstellung als Sekretär bei Hofe. Schon bald erkannte man jedoch seine wahre Begabung: die Dichtkunst. In einer romantischen Anwandlung verliebte er sich unsterblich in die schöne Hofdame Chan, ein Verstoß gegen die guten Sitten bei Hofe. Beide wurden in den Kerker geworfen, nach kurzer Zeit jedoch wieder entlassen. 1807 schrieb er das Gedicht Nirat Phra Bat, in dem er seine Reise mit einem Prinzen verewigte und - seine Probleme mit der geliebten Frau. 1809 wurde Phra Phutthaloetla (Rama II.) neuer König, ein Mann von außergewöhnlichem poetischen Talent. Er übersetzte das indische Ramayana in das thailändische Ramakian, und er nutzte dabei die Auffassungsgabe und Kritikfähigkeit von Sunthon Phu. Schließlich wurde dem jungen Dichter seine Trunksucht zum Verhängnis: er verletzte während eines Streits seinen Onkel derart schwer, dass der König ihn ins Gefängnis werfen ließ. Auch Chan wandte sich von ihm ab. Sunthon Phu wurde kurze Zeit später wieder entlassen und als Hofdichter eingesetzt. Er verfasste hier das einzigartige Werk Die Legende von Khun Chang und Khun Phaen.


Aus: The births of Khun Chang and Khun Phaen
(Übersetzt von Chris Baker und Pasuk Phongpaichit)

Now we have honored teachers, let’s get on with the story. There
are tales from the past, when His Majesty King Phanwasa2 ruled the
city of Ayutthaya,
a time of happiness and joy like a heavenly city. He was the pinnacle3
of the world. His power extended in all directions. He governed the
ordinary people.
Tributary cities, large and small, within his sway, quailed before his
might. Every country surrounding the capital submitted and paid
homage.
The king observed the Ten Royal Virtues, spreading perfect bliss and
contentment throughout the kingdom, for which the people were duly
thankful.
This is the story of Khun Phaen, Khun Chang, and the fair Nang
Wanthong. In the year 147 the parents of these three, people of that era,
were loyal subjects of the realm of His Majesty King Phanwasa. The
tale will be told according to the legend, so that you listeners may
understand.
Khun Krai Pholphai was a man of property and wealth from Ban
Phlap. Nang Thong Prasi lived at Wat Takrai. These two had
become a couple.
A diligent man, his home was in the city of Suphan.
He was a rich man with masses of wealth and many men. Together
with his wife, Nang Thepthong, he lived at Ten Cowries Landing8 in
Suphan.






SunthornPhu
Sunthorn Phu (26. Juni 1786 - ? 1855)

Donnerstag, 25. Juni 2009

Ingeborg Bachmann, Heinrich Seidel

Die österreichische Lyrikerin und Schriftstellerin Ingeborg Bachmann wurde am 25. Juni 1926 in Klagenfurt geboren. Als Tochter eines Lehrers und einer Mutter, die nicht hatte studieren dürfen, bekam Bachmann die Unterstützung und Ermunterung beider Eltern und studierte nach dem Krieg in Innsbruck, Graz und Wien Philosophie, Germanistik und Psychologie. Sie schrieb ihre Dissertation (1950) über die kritische Rezeption Heideggers, dessen Ideen sie als “eine Verführung ... zum deutschen Irrationaldenken” kritisierte. Während der Beziehung zu dem Schweizer Schriftsteller Max Frisch, lebte Bachmann abwechselnd in Zürich und Rom. Die Ehe lehnte sie ab als “eine unmögliche Institution.”Seit Ende 1965 lebte sie wieder in Rom. Trotz ihres prekären Gesundheitszustandes (sie war infolge einer medizinischen Fehlbehandlung jahrelang tablettensüchtig) reiste sie 1973 nach Polen. Sie plante gerade einen Umzug nach Wien, als sie an den Folgen eines Brandunfalls starb. Obwohl Bachmanns früher spektakulärer Ruhm auf der Lyrik gründete (Preis der Gruppe 47, 1954), wandte sie sich im Laufe der 50er Jahre immer mehr der Prosa zu, nachdem sie schwere Zweifel an der lyrischen Sprache erlebte.



Die große Fracht

Die große Fracht des Sommers ist verladen,
das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit,
wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit.
Die große Fracht des Sommers ist verladen.

Das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit,
und auf die Lippen der Galionsfiguren
tritt unverhüllt das Lächeln der Lemuren.
Das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit.

Wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit,
kommt aus dem Westen der Befehl zu sinken;
doch offnen Augs wirst du im Licht ertrinken,
wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit.





Abschied von England

Ich habe deinen Boden kaum betreten,
schweigsames Land, kaum einen Stein berührt,
ich war von deinem Himmel so hoch gehoben,
so in Wolken, Dunst und in noch Ferneres gestellt,
daß ich dich schon verließ,
als ich vor Anker ging.

Du hast meine Augen geschlossen
mit Meerhauch und Eichenblatt,
von meinen Tränen begossen,
hieltst du die Gräser satt;
aus meinen Träumen gelöst,
wagten sich Sonnen heran,
doch alles war wieder fort,
wenn dein Tag begann.
Alles blieb ungesagt.

Durch die Straßen flatterten die großen grauen Vögel
und wiesen mich aus.
War ich je hier?

Ich wollte nicht gesehen werden.

Meine Augen sind offen.
Meerhauch und Eichenblatt?
Unter den Schlangen des Meers
seh ich, an deiner Statt,
das Land meiner Seele erliegen.

Ich habe seinen Boden nie betreten.



Psalm

1

Schweigt mit mir, wie alle Glocken schweigen!

In der Nachgeburt der Schrecken
sucht das Geschmeiß nach neuer Nahrung.
Zur Ansicht hängt karfreitags eine Hand
am Firmament, zwei Finger fehlen ihr,
sie kann nicht schwören, daß alles,
alles nicht gewesen sei und nichts
sein wird. Sie taucht ins Wolkenrot,
entrückt die neuen Mörder
und geht frei.

Nachts auf dieser Erde
in Fenster greifen, die Linnen zurückschlagen,
daß der Kranken Heimlichkeit bloßliegt,
ein Geschwür voll Nahrung, unendliche Schmerzen
für jeden Geschmack.

Die Metzger halten, behandschuht,
den Atem der Entblößten an,
der Mond in der Tür fällt zu Boden,
laß die Scherben liegen, den Henkel ...

Alles war gerichtet für die letzte Ölung.
(Das Sakrament kann nicht vollzogen werden.)







bachmann
Ingeborg Bachmann (25. Juni 1926 – 17. Oktober 1973)





Der deutsche Schriftsteller und Ingenieur Heinrich Seidel wurde geboren am 25. Juni 1842 in Perlin (Mecklenburg). Seidel war der Sohn eines Pfarrers. Er studierte von 1860-1862 am Polytechnikum in Hannover, ab 1866 an der Gewerbeakademie in Berlin. Ab 1868 war er Ingenieur in einer Maschinenfabrik in Berlin. Seidel konstruierte als Ingenieur die Bedachung des Anhalter Bahnhofs. Seit 1880 lebte er als freier Schriftsteller und schilderte in Erzählungen die idyllischen Seiten des bürgerlichen Lebens.


Das Sonett

So recht geeignet ist für spitz verzwickte
Verschnörkelte Ideen die verzwackte
Sonettenform, und für modern befrackte
Gedanken eine wunderbar geschickte

Und wer von Weisheit nur ein Körnlein pickte
Und von Ideen nur ein Ideelein packte,
Der zwängt es gerne in die höchst vertrackte
Sonettenhaut, die viel und oft geflickte.

Die Freude dann, wenn das Glück ihm glückte
Und schwitzend er sein Nichts zusammen stückte,
Darob er manche Stunde mühsam hockte!

Doch hilft's ihm nimmer, dass er drückt' und druckte,
Weil gähnend ob dem künstlichen Produkte
Die Menschheit ruhig einschläft, die verstockte!







seidelh1
Heinrich Seidel (25. Juni 1842 – 7. November 1906)

Mittwoch, 24. Juni 2009

Ernesto Sábato, Ambrose Bierce

Der argentinische Schriftsteller, Wissenschaftler und Maler Ernesto Sábato wurde am 24. Juni 1911 in Rojas geboren. In La Plata besuchte er Schule und Universität (Universidad Nacional de La Plata); seine Studien aus Physik und Mathematik schloss er 1938 mit dem Doktortitel ab. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebte er längere Zeit in Paris, wo er eine existentielle Krise durchmachte; erst 1935 kehrte er nach Argentinien zurück. Mit 28 Jahren war er bereits Universitätsprofessor für Theoretische Physik am Instituto de Física der Universidad de la Plata und arbeitete am Laboratoire Curie in Paris sowie am Massachusetts Institute of Technology über Atomphysik, bis er diese Facette seines Wirkens 1945 endgültig aufgab. Sábato arbeitete fortan als Übersetzer und war kurze Zeit bei der UNESCO tätig. Er war auch Leiter der Kommission zur Aufdeckung der Verbrechen der Militärdiktatur CONADEP in Argentinien und mit der Herausgabe des Bandes Nunca más befasst, der die Verbrechen der argentinischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 dokumentierte. 1984 erhielt er den Cervantespreis. In späteren Jahren betätigte er sich hauptsächlich als Maler. Im Alter erblindete Sábato fast vollständig.
Sein Roman Sobre Héroes y Tumbas (Über Helden und Gräber) gilt als einer der bedeutendsten Romane der argentinischen Literatur des 20. Jahrhunderts.

Aus: Before the End (Übersetzt von Marina Harss)

“I walk along the Avenida Costanera Sur,1 contemplating the portentous river, traversed just over a century ago by thousands of Spaniards, Italians, Jews, Poles, Albanians, Russians, and Germans, driven from their own countries by hunger and poverty. The great visionaries who governed the country at the time offered the Pampas, this metaphor of nothingness, to "all those men who are willing and able," all those who needed a home, a ground in which to lay their roots. After all, it is not possible to live without a fatherland, or "matria,"2 as Miguel de Unamuno preferred to call it, given that mothers are the real basis of our existence. But most of those men found a different kind of poverty here, brought on by solitude and nostalgia; as the boat that carried them here steamed out of the harbor, they saw, their faces streaked with tears, their mothers, children, brothers, and sisters retreat toward death, knowing they would never see them again.
Out of that incurable sorrow was born the strange melody called the tango. The virtuoso Enrique Santos Discépolo, the greatest composer of tangos, once defined the tango as a melancholy thought that is danced. Without realizing it, these unpretentious musicians, using whatever instruments they had around-a violin here, a flute there, a guitar-wrote a crucial part of our history. What sailor, from what German port-town, brought over the instrument that would mark this music most deeply and dramatically-the bandoneón? That humble instrument, which was created in order to serve God in the streets intoning Lutheran melodies, found its destiny thousands of leagues away. With the bandoneón, somber and sacred, man was able to express his deepest emotions.“







ErnestoSabato
Ernesto Sabato (Rojas, 24. Juni 1911)





Der amerikanische Schriftsteller und Journalist Ambrose Gwinnett Bierce wurde am 24. Juni 1842 im ländlichen Ohio geboren.Als Siebzigjähriger unternahm Bierce eine Reise nach Mexiko, mitten in die Mexikanische Revolution, wo sich seine Spur im Gefolge des Revolutionärs Pancho Villa um die Jahreswende 1913/14 verlor. Sein letzter erhaltener Brief lässt vermuten, dass er eine standrechtliche Erschießung für wahrscheinlich hielt. Als exzellenter Kenner der politischen Usancen hatte er eine denkbar schlechte Meinung von seinem Berufsstand und wurde zu einem pointiert geistreichen Zyniker und Beobachter. Zu Lebzeiten blieb er als bedeutender nationaler Schriftsteller weitgehend unbeachtet. Das änderte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute sind vor allem seine mustergültigen Kurzgeschichten gängige Schulbuchlektüre. Bei nicht historisch interessierten Lesern ist er berühmt für seine zynisch-witzigen Definitionen aus „The Devil's Dictionary“, die zwischen 1881 und 1906 entstanden. Diese sind am ehesten vergleichbar mit Lichtenbergs berühmten Sudelbüchern oder mit Oscar Wilde. Sein Stil wurde sehr vom Bürgerkrieg beeinflusst.


Aus: THE DEVIL'S DICTIONARY

ABSENT, adj.
Peculiarly exposed to the tooth of detraction; vilifed; hopelessly in the wrong; superseded in the consideration and affection of another.
To men a man is but a mind. Who cares
What face he carries or what form he wears?
But woman's body is the woman. O,
Stay thou, my sweetheart, and do never go,
But heed the warning words the sage hath said:
A woman absent is a woman dead.
Jogo Tyree

ABSENTEE, n.
A person with an income who has had the forethought to remove himself from the sphere of exaction.
ABSOLUTE, adj.
Independent, irresponsible. An absolute monarchy is one in which the sovereign does as he pleases so long as he pleases the assassins. Not many absolute monarchies are left, most of them having been replaced by limited monarchies, where the sovereign's power for evil (and for good) is greatly curtailed, and by republics, which are governed by chance.
ABSTAINER, n.
A weak person who yields to the temptation of denying himself a pleasure. A total abstainer is one who abstains from everything but abstention, and especially from inactivity in the affairs of others.
Said a man to a crapulent youth: "I thought
You a total abstainer, my son."
"So I am, so I am," said the scrapgrace caught --
"But not, sir, a bigoted one."
G.J.““








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Ambrose Bierce (24 juni 1842 - ? 1913/1914)
Porträt von Tom Redman

Dienstag, 23. Juni 2009

David Leavitt, Pascal Mercier

Der amerikanische Schriftsteller David Leavitt wurde am 23. Juni 1961 in Pittsburgh, Pennsylvania, geboren. Mit dem Kurzgeschichtenband Familientanz wurde Leavitt 1984 international bekannt. Sein erster Roman Die verlorene Sprache der Kräne (1986) wurde für das US-amerikanische Fernsehen verfilmt. In deutscher Übersetzung erschienen auch: Alles was uns fehlt (Roman), Alt genug, um fremd zu gehen (Kurzgeschichten), Nachtmusik mit einem Fremden (Roman) (wurde unter dem Titel The Page Turner verfilmt) und Gebrauchsanweisung für Florenz (literarischer Stadtführer). David Leavitt gilt als einer der wichtigsten offen schwulen Autoren in der Gegenwartsliteratur. Er lebt in den USA und in Italien.

Aus: The Marble Quilt

“'Crossing St. Gotthard
It was the tunnel--its imminence--that all of them were contemplating that afternoon on the train, each in a different way; the tunnel, at nine miles the longest in the world, slicing under the gelid landscape of the St. Gotthard Pass. To Irene it was an object of dread. She feared enclosure in small spaces, had heard from Maisie Withers that during the crossing the carriage heated up to a boiling pitch. "I was as black as a nigger from the soot," Maisie Withers said. "People have died." "Never again," Maisie Withers concluded, pouring lemonade in her sitting room in Hartford, and meaning never again the tunnel but also (Irene knew) never again Italy, never again Europe; for Maisie was a gullible woman, and during her tour had had her pocketbook stolen.
And it was not only Maisie Withers, Irene reflected now (watching, across the way, her son Grady, his nose flat against the glass), but also her own ancient terror of windowless rooms, of corners, that since their docking in Liverpool had brought the prospect of the tunnel looming before her, black as death itself (a being which, as she approached fifty, she was trying to muster the courage to meet eye to eye), until she found herself counting first the weeks, then the days, then the hours leading up to the inevitable reckoning: the train slipping into the dark, into the mountain. (It was half a mile deep, Grady kept reminding her, half a mile of solid rock separating earth from sky.) Irene remembered a ghost story she'd read as a girl--a man believed to be dead wakes in his coffin. Was it too late to hire a carriage, then, to go over the pass, as Toby had?
But no. Winter had already started up there. Oh, if she'd had her way, they'd have taken a different route; only Grady would have been disappointed, and since his brother's death she dared not disappoint Grady. He longed for the tunnel as ardently as his mother dreaded it.
"Mama, is it coming soon?"
"Yes, dear."
"But you said half an hour."
"Hush, Grady! I'm not a clock."






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David Leavitt (Pittsburgh, 23. Juni 1961)





Der Schweizer Schriftsteller und Philosoph Pascal Mercier (eig. Peter Bieri) wurde am 23. Juni 1944 in Bern geboren. Mercier studierte Philosophie, Anglistik und Indologie in London und Heidelberg. Dort promovierte er 1971 bei Dieter Henrich und Ernst Tugendhat mit einer Arbeit zur Zeit, in er sich umfassend mit der Zeiterfahrung des englischen Philosophen John McTaggart Ellis McTaggart beschäftigte. Danach arbeitete Mercier als wissenschaftlicher Assistent am Philosophischen Seminar der Universität Heidelberg. Von 1990 bis 1993 war er Professor für Geschichte der Philosophie an der Universität Marburg; ab 1993 lehrte Mercier Philosophie an der Freien Universität Berlin am Lehrstuhl für Sprachphilosophie als Nachfolger von Ernst Tugendhat. Im Jahr 2007 zog sich er vorzeitig in den akademischen Ruhestand zurück, verärgert über den Universitätsbetrieb. Unter dem Pseudonym Pascal Mercier hat er bisher vier Romane veröffentlicht: Perlmanns Schweigen (1995), Der Klavierstimmer (1998), Nachtzug nach Lissabon (2004) und Lea (2007). Im Jahr 2006 erhielt er für sein literarisches Werk den Marie-Luise-Kaschnitz-Preis.

Aus: Der Klavierstimmer

“Jetzt, da alles vorbei ist, wollen wir aufschreiben, wie wir es erlebt haben. Wir werden den Erinnerungen allein gegenübertreten, ohne Verführung durch die Gegenwart des anderen. Die Berichte sollen wahrhaftig sein, ganz gleich, wie groß der Schmerz sein mag beim Lesen. Das haben
wir uns versprochen. Nur so, hast du gesagt, vermöchten wir den Kerker unserer Liebe zu zerschlagen, die mit der gemeinsamen Geburt begann und bis zum heutigen Tage gedauert hat.
Nur so könnten wir frei werden voneinander.
Du hast es gesagt, als wir in der Küche standen und die letzten Schlucke Kaffee aus den Zwillingsbechern tranken, die Maman am Abend meiner Ankunft aus dem hintersten Winkel des Buffets hervorgekramt hatte. Ihre Hände zitterten, und es wäre unmöglich gewesen, sie in ihrem verlorenen Lächeln, hinter dem sie einen Sprung in die unversehrte Vergangenheit versuchte, zu enttäuschen. So haben wir einen unsicheren Blick getauscht und die beiden blaßgelben Becher in die Hand genommen, du den heilen, ich denjenigen mit dem Sprung; wie früher.
Wenn wir uns, weil wir keinen Schlaf fanden, nachts in der Küche trafen, hielten wir die Becher wie damals, und es schien mir, als würden sich unsere Bewegungen mit jedem Mal wieder ähnlicher. Nur angestoßen haben wir mit unserem Kaffee nicht wie früher, obwohl wir beide vom anderen wußten, daß er daran dachte. (In diesen Tagen waren wir füreinander wie aus Glas: hart und zerbrechlich zugleich, und in den Gedanken vollkommen durchsichtig.)”






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Pascal Mercier (Bern, 23. Juni 1944)

Montag, 22. Juni 2009

Erich Maria Remarque, Tadeusz Konwicki

Der deutsche Schriftsteller Erich Maria Remarque wurde am 22. Juni 1898 in Osnabrück als Sohn des katholischen Buchdruckers Peter Remark geboren. Remarque, mit eigentlichem Namen Erich Paul Remark, besuchte nach der Schule das katholische Lehrerseminar in Osnabrück. 1916 wurde er als Freiwilliger zu den Kämpfen an der Westfront eingezogen. Er wurde verwundet und kam bis zum Kriegsende in ein Lazarett in seiner Heimat. Nach dem Krieg nahm er verschiedene Arbeiten an so zum Beispiel als Händler, Organist, Lehrer oder Theater- und Konzertkritiker bei der "Osnabrücker Tageszeitung". Darüber hinaus erschienen vom ihm Gedichte und Prosatexte. 1920 wurde sein impressionistischer Künstlerroman "Die Traumbude" veröffentlicht. Im Auftrag einer Werkzeitung reiste Remarque in die Schweiz, nach Jugoslawien, in die Türkei, nach Italien, England und Belgien. Ab 1925 war er als Redakteur für die Berliner Zeitung "Sport im Bild" tätig. 1929 erschien sein Roman "Im Westen nichts Neues". Er wurde ein Welterfolg. Der Schriftsteller stellt dort seine eigenen Kriegserfahrungen dar anhand der Figur des 19-jährigen Soldaten Paul Bäumer, anhand seiner Leiden und seines Todes.

Aus: Der schwarze Obelisk

„Die Sonne scheint in das Büro der Grabdenkmalsfirma Heinrich Kroll & Söhne. Es ist April 1923, und das Geschäft geht gut. Das Frühjahr hat uns nicht im Stich gelassen, wir verkaufen glänzend und werden arm dadurch, aber was können wir machen - der Tod ist unerbittlich und nicht abzuweisen, und menschliche Trauer verlangt nun einmal nach Monumenten in Sandstein, Marmor und, wenn das Schuldgefühl oder die Erbschaft beträchtlich sind, sogar nach dem kostbaren schwarzen schwedischen Granit, allseitig poliert. Herbst und Frühjahr sind die besten Jahreszeiten für die Händler mit den Utensilien der Trauer - dann sterben mehr Menschen als im Sommer und im Winter -; im Herbst, weil die Säfte schwinden, und im Frühjahr, weil sie erwachen und den geschwächten Körper verzehren wie ein zu dicker Docht eine zu dünne Kerze. Das wenigstens behauptet unser rührigster Agent, der Totengräber Liebermann vom Stadtfriedhof, und der muß es wissen; er ist achtzig Jahre alt, hat über zehntausend Leichen eingegraben, sich von seiner Provision an Grabdenkmälern ein Haus am Fluß mit einem Garten und einer Forellenzucht gekauft und ist durch seinen Beruf ein abgeklärter Schnapstrinker geworden. Das einzige, was er haßt, ist das Krematorium der Stadt. Es ist unlautere Konkurrenz. Wir mögen es auch nicht. An Urnen ist nichts zu verdienen.“








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Erich Maria Remarque (22. Juni 1898 – 25. September 1970)





Der polnische Schriftsteller und Filmregisseur Tadeusz Konwicki wurde am 22. Juni 1926 in Nowa Wilejka, heute Litauen, geboren. Er ging in Wilno zur Schule und kämpfte in den Jahren 1944/1945 als Partisan in der polnischen Heimatarmee. In der Zeit nach 1945 verfasste er zunächst einige Romane im Geiste des Sozialistischen Realismus, während er später in metaphorisch-grotesker Weise vor allem die Erfahrungen von Krieg und Besatzung verarbeitete. Hinzu kamen Werke, in denen er ein lyrisches und mythologisiertes Bild der Heimat seiner Kindheit zeichnete, etwa in dem Roman Chronik einiger Liebesunfälle (Kronika wypadków miłosnych) von 1974, den Andrzej Wajda 1986 verfilmte. Ein weiterer Schwerpunkt seines Schaffens ist die Darstellung des Verfalls moralischer Werte und sozialer Bindungen im totalitären Staat, etwa in dem zunächst im Untergrund verlegten Roman Eine kleine Apokalypse (Mała Apokalipsa) aus dem Jahre 1979 (verfilmt von Constantin Costa-Gavras 1992). Konwicki gilt zudem als einer der Mitbegründer des polnischen Autorenfilms. Auf der Grundlage eigener Drehbücher entstand zwischen 1957 und 1989 eine Reihe von Arbeiten. Von 1956 bis 1968 war er Chefdramaturg des Filmstudios Kadr, das von Regisseur Jerzy Kawalerowicz gegründet wurde. 1966 erhielt er den Staatspreis Erster Klasse, 2002 den Preis des polnischen PEN-Club.

Aus: The Polish Complex (Übersetzt von Richard Lourie)

„I was standing in line in front of a state-owned jewelry store. I was twenty-third in line. In a short while the chimes of Warsaw would announce that it was eleven o’clock in the morning. Then the locks on the great glass and metal doors would rattle open and we, the sneezing and sniffling customers, would invade the store’s elegant interior — though, of course, ours would be a well-disciplined invasion, each person keeping the place staked out during the long wait in line.
It was the day before Christmas, fairly cold, something between a late autumn day and one late in winter. There was a belated feeling about the day itself as well. Not fully illuminated, misty, sluggish. Stray snowflakes sailed through the icy air like poplar seeds. The tram cars huddled in herds on the broad trunk line, their bells clanging plaintively. A beggar familiar to all Warsaw sat himself down on the sidewalk near the jewelry store. He spread out his legs in the light, shifting snow to intimidate fainthearted passerby. But I knew that his prostheses, made of plastic and nickel, were hollow, and though they might freeze to the sidewalk, our beggar would feel no cold. Endless crowds of pedestrians rushed by along the walls. Occasionally one, lost in thought, would collide with another, yet would keep on walking without apology. Or one would jostle another with a Christmas tree, then curse him out. Some stumbled and fell but rose quickly, feeling no pain, and went on their way. Your usual day before Christmas.
This day was creeping across a little planet in a small solar system. The planet, called Earth, is a rocky oval filled with liquid lava; its surface is covered by thin layers of water, as well as by air, a volatile mixture of oxygen, hydrogen, nitrogen, and several other elements, each of which would pose a threat to its existence. Due to a confluence of favorable circumstances, life arose on this planet.“






TadeuszKonwicki
Tadeusz Konwicki (Nowa Wilejka, 22. Juni 1926)

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