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Donnerstag, 13. August 2009

Nikolaus Lenau

Der österreichische Lyriker und Schriftsteller Nikolaus Lenau wurde er am 13. August 1802 in Csatád im Banat, Kaisertum Österreich, heute Lenauheim in Rumänien geboren. Lenau studierte an den Universität Wien und Pressburg Recht und Medizin, konnte sich aber nicht für einen Beruf entscheiden. Verse schrieb er bereits in seiner Jugend und 1827 erschienen seine ersten Gedichte in der Zeitschrift Aurora des jungen Verlegers Johann Gabriel Seidl. Seine kreativste Schaffensphase war allerdings von 1832 bis 1844, in der er ein umfangreiches Werk schuf. Von Stuttgart aus, wo er 1831 hingezogen war, baute er Kontakt zum Seracher Dichterkreis auf, der sich aus Emma Niendorf, Gustav Schwab, Justinus Kerner, Ludwig Uhland und Hermann Kurz zusammensetzte. Eine Reise in die Vereinigten Staaten im Jahre 1832-1833 enttäuschte ihn und er sprach von den USA als „verschweinte Staaten von Amerika“. Ein Schlaganfall 1844 führte zu seinem geistigen Zusammenbruch und zur Einlieferung in eine Nervenheilanstalt. Nach sechs Jahren des Dahinsiechens starb Lenau am 22. August 1850 in die Pflegestätte des Dr. Görgen in Oberdöbling bei Wien



Der Baum der Erinnerung

Ja, du bist es, blütenreicher
Baum, das ist dein süßer Hauch!
Ich auch bins, nur etwas bleicher,
Etwas trauriger wohl auch.
Hinter deinen Blütenzweigen
Tönte Nachtigallenschlag,
Und die Holde war mein eigen,
Die an meinem Herzen lag.

Und wir meinten selig beide,
Und ich meint es bis zur Stund,
Daß so herrlich du vor Freude
Blühtest über unsern Bund.

Treulos hat sie mich verlassen;
Doch du blühst wie dazumal,
Kannst dich freilich nicht befassen
Mit der fremden Liebesqual.

»Allzulieblich scheint die Sonne,
Weht der linde Maienwind,
Und das Blühen und die Wonne
Allzubald vorüber sind!«

Mahnend säuseln mir die Lehre
Deine frohen Blüten zu;
Doch ungläubig fließt die Zähre,
Und mein Herz verlor die Ruh.




Dein Bild

Die Sonne sinkt, die Berge glühn,
Und aus des Abends Rosen
Seh ich so schön dein Bild mir blühn,
So fern dem Hoffnungslosen.
Strahlt Hesperus dann hell und mild
Am blauen Himmelsbogen,
So hat mit ihm dein süßes Bild
Die Sternenflur bezogen.

Im mondbeglänzten Laube spielt
Der Abendwinde Säuseln;
Wie freudig um dein zitternd Bild
Des Baches Wellen kräuseln! –

Es braust der Wald, am Himmel ziehn
Des Sturmes Donnerflüge,
Da mal ich in die Wetter hin,
O Mädchen, deine Züge.

Ich seh die Blitze trunkenhaft
Um deine Züge schwanken,
Wie meiner tiefen Leidenschaft
Aufflammende Gedanken.

Vom Felsen stürzt die Gemse dort,
Enteilet mit den Winden;
So sprang von mir die Freude fort
Und ist nicht mehr zu finden.

Da bin ich, weiß nicht selber wie,
An einen Abgrund kommen,
Der noch das Kind der Sonne nie
In seinen Schoß genommen.

Ich aber seh aus seiner Nacht
Dein Bild so hold mir blinken,
Wie mir dein Antlitz nie gelacht; –
Wills mich hinunterwinken? –







nikolaus_lenau
Nikolaus Lenau (13. August 1802 – 22. August 1850)
Porträt von Johann Umlauf

Mittwoch, 12. August 2009

Jacinto Benavente, Thomas Mann

Der spanische Schriftsteller Jacinto Benavente y Martínez wurde am 12. August 1866 in Madrid als Sohn eines wohlhabenden und angesehenen Kinderarztes geboren. Als er im Alter von 19 Jahren das Vermögen seines Vaters erbte brach er sein Jurastudium, das er auf Drängen des Vaters begonnen hatte, ab und begab sich auf ausgedehnte Reisen durch Frankreich, England und Russland. Auf seinen Reisen war er als Schauspieler und für kurze Zeit als Zirkusdirektor tätig. Nach seiner Rückkehr begann er für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften zu schreiben. Im Jahre 1893 konnte er seinen ersten Gedichtsband veröffentlichen. Erste größere Erfolge hatte er noch im selben Jahr mit dem kritischen Werk Cartas de mujeres. Ab 1899 leitete er die literarische Zeitschrift Vida literaria, später die satirische Madrid Cómico. Im Jahre 1912 wurde er zum Mitglied der Königlich Spanischen Akademie gewählt. 1920 wurde er zum Direktor des Spanischen Nationaltheaters ernannt. Ab 1947 war er Ehrenpräsident des Internationalen Schriftsteller- und Komponistenverbands. Er verfasste rund 170 Theaterstücke.

Aus: No Smoking (No Fumadores, übersetzt von John Garrett Underhill)

„LADY: For goodness' sake, don't stop upon our account! Smoke as much as you want to--it doesn't bother me, or my daughter, either. We are used to it. Her poor father, my first husband--who is now in glory--was never without a cigar in his mouth. As he bit off one, it lit it with the butt of the other. And my second husband--who now rests in peace--they were alike as two buttons; you could scarcely tell the difference. I had a difficulty at one time myself, a suffocating feeling, all stuffed up here--terrible distress--and the doctors were telling me that it was asthma and that it wasn't asthma-- Well, I smoked then myself--aromatic cigarettes--which didn't do me any good, either, by the way, I can say that. So you see as far as we are concerned, you needn't think you are inconveniencing us. You can't annoy us by smoking. Before we changed we were travelling in the ladies' compartment, and we transferred to this one as soon as we could because there were people in it one simply couldn't travel with; they were out of the question. You would think that people who travelled first class would have manners, that they would know something. But not a bit of it! Believe me, if you want to find out what people are like, play cards with them, or watch them eat, or else go travelling. You'll find out soon enough. There was a woman in that compartment--I say she was a woman because I don't know what else to call her--with her companion--she must have been her companion, she was with her anyway--well, I can tell you I was mortified. I was ashamed--such a conversation! Between the two of them! They might as well have been sitting in their own parlors. As far as that goes, you know, speaking for myself, a widow twice, it was nothing to me; but before my daughter.... I had to make her sit with her head out of the window all the way. It was pretty chilly for her. You can see for yourself she has taken cold. And she's got a cinder in her eye, too--worse luck! Her eyes are the best part of her.“






Benavente
Jacinto Benavente (12. August 1866 – 14. Juli 1954)





Am 12. August 1955 starb der deutsche Schriftsteller Thomas Mann.

Aus: Buddenbrooks

„Hiermit begannen schöne Sommerwochen für Tony Buddenbrook, kurzweiligere und angenehmere, als sie jemals in Travemünde erlebt hatte. Sie blühte auf, nichts lastete mehr auf ihr; in ihre Worte und Bewegungen kehrten Keckheit und Sorglosigkeit zurück. Der Konsul betrachtete sie mit Wohlgefallen,
wenn er Sonntags mit Tom und Christian nach Travemünde kam. Dann speiste man an der Table d’hoˆ te, trank bei der Kurmusik den Kaffee unter dem Zeltdach der Konditorei und sah drinnen im Saale der Roulette zu, um die lustige Leute, wie Justus Kröger und Peter Döhlmann, sich drängten: Der Konsul spielte niemals. –
Tony sonnte sich, sie badete, aß Bratwurst mit Pfeffernußsauce und machte weite Spaziergänge mit Morten: den Chausseeweg zum Nachbarort, den Strand entlang zu dem hoch gelegenen »Seetempel«, der eine weite Aussicht über See und Land beherrschte, oder in das Wäldchen hinauf, das hinterm Kurhause lag und auf dessen Höhe die große Table d’hoˆ te-Glocke hing . . . Oder sie ruderten über die Trave zum »Priwal«, wo es Bernstein zu finden gab . . .
Morten war ein unterhaltender Begleiter, wiewohl seine Meinungen ein wenig hitzig und absprechend waren. Er führte über alle Dinge ein strenges und gerechtes Urteil mit sich, das er mit Entschiedenheit hervorbrachte, obgleich er rot dabei wurde. Tony ward betrübt und sie schalt ihn, wenn er mit etwas
ungeschickter aber zorniger Geste alle Adeligen für Idioten und Elende erklärte; aber sie war sehr stolz darauf, daß er ihr gegenüber offen und zutraulich seine Anschauungen aussprach, die er den Eltern verschwieg . . . Einmal sagte er:
»Dies muß ich Ihnen noch erzählen: Auf meiner Bude in Göttingen habe ich ein vollkommenes Gerippe . . . wissen Sie, so ein Knochengerippe, notdürftig mit etwas Draht zusammengehalten.
Na, diesem Gerippe habe ich eine alte Polizistenuniform angezogen . . . ha! Finden Sie das nicht ausgezeichnet?
Aber sagen Sie es um Gottes Willen nicht meinem Vater!« –
Es konnte nicht fehlen, daß Tony oftmals mit ihrer städtischen Bekanntschaft am Strande oder im Kurgarten verkehrte, daß sie zu dieser oder jener Re´union und Segelpartie hinzugezogen wurde. Dann saß Morten »auf den Steinen«. Diese Steine waren seit dem ersten Tage zwischen den beiden zur stehenden Redewendung geworden. »Auf den Steinen sitzen« das bedeutete: »Vereinsamt sein und sich langweilen«. Kam ein Regentag, der die See weit und breit in einen grauen Schleier hüllte, daß sie völlig mit dem tiefen Himmel zusammenfloß der den Strand durchweichte und die Wege überschwemmte, dann sagte Tony:
»Heute müssen wir beide auf den Steinen sitzen . . . das heißt in der Veranda oder im Wohnzimmer. Es bleibt nichts übrig, als daß Sie mir Ihre Studentenlieder vorspielen, Morten, obgleich es mich greulich langweilt.«
»Ja«, sagte Morten, »setzen wir uns . . . Aber, wissen Sie, wenn Sie dabei sind, so sind es keine Steine mehr!«






Mann
Thomas Mann (6. Juni 1875 – 12. August 1955)






Buddenbrookhaus
Katia und Thomas Mann vor dem zerstörten Buddenbrookhaus, 1953

Dienstag, 11. August 2009

Hugh MacDiarmid, Ernst Stadler

Der schottische Lyriker und Schriftsteller Hugh MacDiarmid wurde am 11. August 1892 als Christopher Murray Grieve in Langholm, Dumfriesshire, geboren. Seinen späteren Radikalismus schrieb er einerseits seinem Vater, einem Landpostboten, als Erbe zu, andererseits führte er ihn auf die strikt auf Unabhängigkeit bedachte Tradition der Gemeinde zurück, in der er aufwuchs. Einer seiner Lehrer an der Langholm Academy war Francis George Scott, der später zahlreiche seiner Gedichte und Gesänge vertonen sollte. Zur Dichtung und Schriftstellerei kam er durch George Ogilvie, der als väterlicher Freund seine Studienjahre in Edinburgh begleitete. 1911, nach dem Tod des Vaters widmete sich Grieve dem Journalismus, diente von 1915 bis 1920 als Sanitäter in der Armee, bevor er sich ab 1921 wiederum als Journalist in Montrose niederließ. A Drunk man looks at the thistle, allgemein als sein Hauptwerk gesehen, erschien 1926. Daneben verfasste er zahlreiche Artikel für das Scottish educational journal. Mit diesen vielbeachteten Contemporary Scottish studies gab er der literarischen Szene Schottlands eine neue Perspektive, wobei er alles und jeden aus dem Establischment angriff. Als sie 1926 erstmals im Zusammenhang publiziert wurden, gab es einen ersten "kulturpolitischen Skandal". 1931 folgte ein zweiter mit MacDiarmid's First hymn to Lenin, die das kommunistische Bewusstsein zahlreicher englischer Autoren förderte und prägte: Auden, Spender, und Day Lewis.


Facing The Chair

Here under the rays of the sun
Where everything grows so vividly
In the human mind and in the heart,
Love, life, and all else so beautifully,
I think again of men as innocent as I am
Pent in a cold unjust walk between steel bars,
Their trousers slit for the electrodes
And their hair cut for the cap
Because of the unconcern of men and women,
Respectable and respected and professedly Christian,
Idle-busy among the flowers of their gardens here
Under the gay-tipped rays of the sun.
And I am suddenly completely bereft
Of la grande amitié des choses créés,
The unity of life which can only be forged by love.




Gairmscoile (Fragment)

Aulder than mammoth or than mastodon
Deep i’ the herts o’ a’ men lurk scaut-heid
Skrymmorie monsters few daur look upon.
Brides sometimes catch their wild een, scansin’ reid,
Beekin’ abune the herts they thocht to lo’e
And horror-stricken ken that i’ themselves
A like beast stan’s, and lookin’ love thro’ and thro’
Meets the reid een wi’ een like seevun hells.
... Nearer the twa beasts draw, and, couplin’, brak
The bubbles o’ twa sauls and the haill warld gangs black.

Yet wha has heard the beasts’ wild matin’-call
To ither music syne can gi’e nae ear.
The nameless lo’enotes haud him in a thrall.
Forgot are guid and ill, and joy and fear.
... My bluid sail thraw a dark hood owre my een
And I sail venture deep into the hills
Whaur, scaddows on the skyline, can be seen
—Twinin’ the sun’s brent broo wi’ plaited horns
As gin they crooned it wi’ a croon o’ thorns—
The beasts in wha’s wild cries a’ Scotland’s destiny thrills.

The lo’es o’ single herts are strays; but there
The herds that draw the generations are,
And whasae hears them roarin’, evermair
Is yin wi’ a’ that gangs to mak’ or mar
The spirit o’ the race, and leads it still
Whither it can be led, ’yont a’ desire and will.






MacDiarm
Hugh MacDiarmid (11. August 1892 – 9. September 1978)




Der elsässische Lyriker Ernst Stadler wurde am 11. August 1883 in Colmar geboren. Er besuchte in Straßburg das Gymnasium. Er war mit René Schickele und Otto Flake befreundet und gab mit ihnen 1902 die Zeitschrift Der Stürmer heraus, die 1903 in Der Merker umbenannt wurde. Er studierte in Straßburg und ab 1904 in München Germanistik, Romanistik und vergleichende Sprachwissenschaft und promovierte mit einer Arbeit über den Parzival. 1906–08 war er Dozent in Oxford, daraufhin habilitierte er sich in Straßburg mit einer Arbeit über Wielands Shakespeare-Übersetzungen. Von 1910 bis 1914 lehrte Stadler deutsche Philologie als Professor in Brüssel. Das Angebot, als Gastprofessor nach Toronto zu gehen, musste er ausschlagen, da der Erste Weltkrieg begann und Stadler als Artillerieoffizier eingezogen wurde. Noch im selben Jahr wurde er durch eine Granate getötet.
Mit der Veröffentlichung seiner Gedichtsammlung Der Aufbruch (1914) wurde Stadler zu einer Leitfigur des literarischen Expressionismus.


Mittag

Der Sommermittag lastet auf den weißen
Terrassen und den schlanken Marmortreppen·
die Gitter und die goldnen Kuppeln gleißen·
leis knirscht der Kies. Vom müden Garten schleppen

sich Rosendüfte her· wo längs der Hecken
der schlaffe Wind entschlief in roten Matten·
und geisternd strahlen zwischen Laubverstecken
die Götterbilder über laue Schatten.

Die Efeulauben flimmern. Schwäne wiegen
und spiegeln sich in grundlos grünen Weihern·
und große fremde Sonnenfalter fliegen
traumhaft und schillernd zwischen Düfteschleiern.





Sonnwendabend

Die Sträucher ducken fiebernd sich zusammen
im Rieseln brauner Schleier und im Schwanken
nachtbleicher Falter um erglühte Ranken.
Nun schüren wir das falbe Laub zu Flammen

und feiern wiegend in verlornen Tänzen
und Liedern· die im lauen Duft verfluten·
den flüchtigen Rausch der sommerlichen Gluten·
und Mädchen weich das Haar genetzt mit Kränzen

und strahlend bleich im schwebenden Gefunkel
streun brennend dunklen Mohn und blasse Nelken.
Und bebend fühlen wir den Abend welken.
Und wilder glühn die Feuer in das Dunkel.






stadler
Ernst Stadler (11. August 1883 – 30. Oktober 1914)

Montag, 10. August 2009

Alfred Döblin, Jerzy Pilch

Der deutsche Schriftsteller Alfred Döblin wurde am 10. August 1878 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Stettin geboren. Er studierte Medizin in Berlin und Freiburg im Breisgau, bevor er sich 1912 als Nervenarzt in Berlin niederließ. Parallel hierzu begann er innerhalb der Berliner Moderne mit dem Schreiben. 1910 kam Döblin mit dem Kreis des Berliner Expressionismus um Herwarth Walden in Kontakt und steuerte mit der Erzählsammlung Die Ermordung einer Butterblume (1913) einen gefeierten Beitrag zur Literatur der Bewegung bei. Der internationale Durchbruch allerdings gelang ihm 1929 mit dem Roman Berlin Alexanderplatz, durch dessen Strukur er die Metropole zum Helden der Handlung machte und damit den ersten wirklichen Großstadtroman der deutschen Literatur vorlegte. In Berlin Alexanderplatz blitzt jenes politische Engagement wieder auf, das Döblin zwischen 1919 und 1921 unter dem Pseudonym Linke Poot zahlreiche Essays für die Neue Rundschau schreiben und 1925 die Gruppe 1925 linksorientierter Schriftsteller mitbegründen ließ.
1945 kehrte Döblin als Offizier der französischen Zensurbehörde nach Deutschland zurück. Dort gab er zwischen 1946 und 1951 die Literaturzeitschrift Das goldene Tor heraus. Trotz seiner vielfältigen Tätigkeit als Herausgeber und Autor blieb Döblins Rückkehr vom langsam sich neu formierenden Literaturbetrieb nahezu unbeachtet. Der Einfluss seiner Person und seines Werkes auf die deutsche Nachkriegsliteratur war nur gering. Enttäuscht kehrte Döblin deshalb 1953 nach Paris zurück. (Allein Günter Grass bezeichnete Döblin später als Lehrmeister des eigenen Schreibens. Und tatsächlich ist in der Blechtrommel von 1959 das Sprachverfahren von Berlin Alexanderplatz deutlich spürbar.) 1956 erschien in Ostberlin der Roman Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende, der erst durch Vermittlung von Peter Huchel und Hans Mayer einen Verleger fand. Hamlet war Döblins letzter Roman. Der Schriftsteller starb am 26. Juli 1957 in Emmendingen.

Aus: Berlin Alexanderplatz

„Er schüttelte sich, schluckte. Er trat sich auf den Fuß. Dann nahm er einen Anlauf und saß in der Elektrischen. Mitten unter den Leuten. Los. Das war zuerst, als wenn man beim Zahnarzt sitzt, der eine Wurzel mit der Zange gepackt hat und zieht, der Schmerz wächst, der Kopf will platzen. Er drehte den Kopf zurück nach der roten Mauer, aber die Elektrische sauste mit ihm auf den Schienen weg, dann stand nur noch sein Kopf in der Richtung des Gefängnisses. Der Wagen machte eine Biegung, Bäume, Häuser traten dazwischen. Lebhafte Straßen tauchten auf, die Seestraße, Leute stiegen ein und aus. In ihm schrie es entsetzt: Achtung, Achtung, es geht los. Seine Nasenspitze vereiste, über seine Backe schwirrte es. «Zwölf Uhr Mittagszeitung», «B. Z.», «Die neuste Illustrirte», «Die Funkstunde neu», «Noch jemand zugestiegen?» Die Schupos haben jetzt blaue Uniformen. Er stieg unbeachtet wieder aus dem Wagen, war unter Menschen. Was war denn? Nichts. Haltung, ausgehungertes Schwein, reiß dich zusammen, kriegst meine Faust zu riechen. Gewimmel, welch Gewimmel. Wie sich das bewegte. Mein Brägen hat wohl kein Schmalz mehr, der ist wohl ganz ausgetrocknet. Was war das alles. Schuhgeschäfte, Hutgeschäfte, Glühlampen, Destillen. Die Menschen müssen doch Schuhe haben, wenn sie so viel rumlaufen, wir hatten ja auch eine Schusterei, wollen das mal, festhalten. Hundert blanke Scheiben, laß die doch blitzern, die werden dir doch nicht bange machen, kannst sie ja kaputt schlagen, was ist denn mit die, sind eben blankgeputzt. Man riß das Pflaster am Rosenthaler Platz auf, er ging zwischen den andern auf Holzbohlen. Man mischt sich unter die andern, da vergeht alles, dann merkst du nichts, Kerl. Figuren standen in den Schaufenstern in Anzügen, Mänteln, mit Röcken, mit Strümpfen und Schuhen. Draußen_ bewegte sich alles, aber - dahinter - war nichts! Es - lebte - nicht! Es hatte fröhliche Gesichter, es lachte, wartete auf der Schutzinsel gegenüber Aschinger zu zweit oder zu dritt, rauchte Zigaretten, blätterte in Zeitungen. So stand das da wie die Laternen - und - wurde immer starrer. Sie gehörten zusammen mit den Häusern, alles weiß, alles Holz.
Schreck fuhr in ihn, als er die Rosenthaler Straße herunterging und in einer kleinen Kneipe ein Mann und eine Frau dicht am Fenster saßen: die gossen sich Bier aus Seideln in den Hals, ja was war dabei, sie tranken eben, sie hatten Gabeln und stachen sich damit Fleischstücke in den Mund, dann zogen sie die Gabeln wieder heraus und bluteten nicht. Oh, krampfte sich sein Leib zusammen, ich kriege es nicht weg, wo soll ich hin? Es antwortete: Die Strafe.“





doeblin
Alfred Döblin (10. August 1878 – 26. Juni 1957)




Der polnische Schriftsteller Jerzy Pilch wurde am 10. August 1952 in Wisła geboren. Er studierte Polonistik an der Jagiellonen-Universität in Krakau. Anschließend arbeitete er von 1989 bis 1999 als Redakteur bei der namhaften liberal-katholischen Wochenzeitung Tygodnik Powszechny. Seitdem ist er freier Schriftsteller und war bis 2006 Feuilletonist der Wochenzeitung Polityka. Anschließend wechselte er in derselben Funktion zur Tageszeitung Dziennik (Axel Springer Polska). Bereits 1989 erhielt er den von Exilpolen gestifteten und hauptsächlich an jüngere Autoren verliehenen Kościelski-Preis. 2001 wurde er mit dem namhaftesten polnischen Literaturpreis, der Nike ausgezeichnet.

Aus: Zum starken Engel (Übersetzt von Albrecht Lempp)

„Bevor in meiner Wohnung die Mafiosi in Begleitung der zimtgesichtigen Dichterin Alberta Lulaj auftauchten, bevor sie mich aus trunkenem Schlaf rissen und bevor sie von mir verlangten - anfangs heuchlerisch bittend, dann unerbittlich drohend -, den Druck der Gedichte Alberta Lulajs im Tygodnik Powszechny zu befördern, und bevor es zu den stürmischen Ereignissen kam, von denen ich erzählen will, gab es den Vortag dieser Ereignisse, den Anbeginn und Abend des Tages davor, und vom Anbeginn bis zum Abend des Tages davor trank ich Pfirsichschnaps. Ja, ich trank Pfirsichschnaps und sehnte mich tierisch nach der letzten Liebe vor dem Tod und war dem ausschweifenden Leben hemmungslos verfallen.
Noch am Vormittag tat sich nichts, es herrschte Zurückhaltung, ja, eine mäßige Askese gar. Am Vormittag lag ich faul auf dem Sofa, las Zeitungen und hörte Schallplatten mit Aufnahmen des tschechischen Tenorsaxophonisten Feliks Slovac¡ek. Gegen Mittag aber drang von den verschiedenen Melodien, die Slovac¡ek spielte, allmählich nur noch ein Stück in mein Bewußtsein, eine Komposition von Karel Svoboda mit dem Titel Where've you got your nest, little bird? Ich lauschte und überlegte, wie das wohl im tschechischen Original heißen könnte: Kde je tvoje hnízdo, ptác¡átko?, oder vielleicht Kde je tvoje hnízdo, ptác¡ku? Doch war ich nicht in der Lage zu entscheiden, welche der Verkleinerungsformen, also das schwächere ptácku, oder das stärkere ptác¡átko besser und angemessener klänge, so daß ich auch aus linguistischer Hilflosigkeit (wenngleich unverändert begeistert) wieder und wieder vom Sofa aufstand, zum Plattenspieler ging und in einem fort dieses Stück abspielte, das mich zutiefst bewegte.“






pilch
Jerzy Pilch (Wisla, 10. August 1952)

Sonntag, 9. August 2009

Philip Larkin, Luuk Gruwez

Der englische Dichter, Autor und Jazzkritiker Philip Arthur Larkin wurde am 9. August 1922 in Coventry geboren. Im Elternhaus kam er früh mit zeitgenössischer Dichtung und Literatur in Berührung, insbesondere mit den Werken von Ezra Pound, T. S. Eliot, James Joyce und D. H. Lawrence. [3] Von 1940 bis 1943 studierte er Englisch am St. John’s College in Oxford. Da er wegen seiner Kurzsichtigkeit als kriegsuntauglich eingestuft worden war, konnte er anders als viele seiner Kommilitonen das Studium regelgerecht nach drei Jahren mit Auszeichnung abschließen. Zu seinen Studienkollegen zählte Kingsley Amis, der Larkin seinen Roman "Lucky Jim" widmete.
Im Anschluss an das Studium begann Larkin eine Ausbildung zum Bibliothekar und nach mehreren Stationen an verschiedenen Bibliotheken nahm er 1955 die Stellung als Universitätsbibliothekar an der Universität Hull in Kingston upon Hull an, die er bis zu seinem Tod innehatte [4]. In den ersten Jahren war Larkin intensiv mit dem Aufbau der Universitätsbibliothek beschäftigt.Larkin erhielt zahlreiche Ehrungen für sein Werk.



High Windows

When I see a couple of kids
And guess he's fucking her and she's
Taking pills or wearing a diaphragm,
I know this is paradise.

Everyone old has dreamed of all their lives ?
Bonds and gestures pushed to one side
Like an outdated combine harvester
And everyone young going down the long slide

To happiness, endlessly. I wonder if
Anyone looked at me, forty years back,
And thought, That'll be the life;
No God any more, or sweating in the dark;

About hell and that, or having to hide;
What you think of the priest. He
And his lot will all go down the long slide
Like free bloody birds. And immediately
Rather than words comes the thought of high windows:
The sun-comprehending glass,
And beyond it, the deep blue air, that shows
Nothing, and is nowhere, and is endless.





Next, Please

Always too eager for the future,
Pick up bad habits of expectancy.
Something is always approaching, every day
Till then we say,

Watching from a bluff the tiny, clear,
Sparkling armada of promises draw near.
How slow they are!
And how much time they waste,
Refusing to make haste!

Yet still they leave us holding wretched stalks
Of disappointment, for, though nothing balks
Each big approach, leaning with brasswork prinked,
Each rope distinct,

Flagged, and the figurehead with golden tits
Arching our way, it never anchors; it's
No sooner present than it turns to past.
Right to the last

We think each one will heave to and unload
All good into our lives, all we are owed
For waiting so devoutly and so long.
But we are wrong:

Only one ship is seeking us, a black-
Sailed unfamiliar, towing at her back
A huge and birdless silence. In her wake
No waters breed or break.





Breadfruit

Boys dream of native girls who bring breadfruit,
Whatever they are,
As bribes to teach them how to execute
Sixteen sexual positions on the sand;
This makes them join (the boys) the tennis club,
Jive at the Mecca, use deodorants, and
On Saturdays squire ex-schoolgirls to the pub
By private car.

Such uncorrected visions end in church
Or registrar:
A mortgaged semi- with a silver birch;
Nippers; the widowed mum; having to scheme
With money; illness; age. So absolute
Maturity falls, when old men sit and dream
Of naked native girls who bring breadfruit
Whatever they are.







larkin
Philip Larkin (9. August 1922 – 2. Dezember 1985)




Der flämische Lyriker und Schriftsteller Luuk Gruwez wurde am 9. August 1953 in Kortrijk geboren. Gruwez debütierte 1973 in jungem Alter mit dem Gedichtband "Stofzuigergedichten". Neben u.a. Miriam Van hee gilt er als einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Romantik, einer literarischen Strömung, die Ende der Siebzigerjahre der flämischen Lyrik neue Impulse gab. Im krassen Gegensatz zu der experimentellen Dichtung der vorangegangenen Jahre, begann man nun wieder über Liebe, Tod und menschliche Schwächen zu dichten. Anfang der Neunzigerjahre schrieb Gruwez zunehmend mehr Prosa.



Dicke Leute

Dicke Leute wissen alles von der Liebe,
Bis in die fernsten Winkel ihrer Feistigkeit,
Die Katakomben ihres Fleisches.

Ihr Bauch ist Ausland, dort sind sie zu Hause,
Immerzu träumend von den schlanksten Taillen,
Auf die sie wie nach Kuchen gierig sind.

Kein Mensch, der so aufrichtig Trübsal bläst,
So spaßig traurig in dem ausgedehnten Balg,
Den fernen Zehen und den prallen Pos,

Als wären sie aus lauter Überschuß geformt,
Knappe zwei Zentner ausgefülltes Nichts,
Wer will die bloß?



Übersetzt von Ard Posthuma




Der Schweiger

Sie mieten mich für Feste und für Parties,
mein vielbesprochenes Schweigen zu erleben,
mit dem ich sie erfreuen soll,
als auserlesene Köstlichkeit.

Ich werde fabelhaft bezahlt,
gefeiert, verehrt und hoch geschätzt
für jede Stunde Stille aus meinem Mund.
Und dann, mit kühlem Handschuh aus Glacé,
darf eine der Schönsten mich vielleicht streicheln,
gnadenlos über Kinn und Wange.
Mein Leib bleibt still, ein Leichnam, willenlos.

Ihre Münder stehn offen wie Hosenschlitze.
Ich bin ihr Hühnerbein, Pflaume mit Speck,
Krokettenkloß, die Made im Käse:
die Füllung für eine gelangweilte Seele.
Ich bin ihr allerliebster zahmer Knecht,
begabt mit einem feinen Defekt.

Und wenn es spät wird, muß ich sie verlassen.
Dann bin ich müde von ihrem Gewieher.
Ich nehme ein Bad und spüle sie ab.

Denn ich will mit niemandem ins Bett,
und ich verschweige, daß es mich gibt,
scheue mich sogar, mit mir selbst zu sprechen,
als könnte ich im Schlaf noch aus ihrem Mund stinken.



Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke






gruwez
Luuk Gruwez (Kortrijk, 9. August 1953)

Samstag, 8. August 2009

Sara Teasdale, Jostein Gaarder

Die amerikanische Dichterin Sara Teasdale wurde am 8. August 1884 in St. Louis geboren. Ihre Gedichte, die sich durch Emotionalität und romantische Ader auszeichneten, behandelten Liebe, Natur und Tod. 1918 erhielt sie den Vorläufer des Pulitzer-Preises für Poesie. Zeit Ihres Lebens hatte sie gesundheitliche Probleme. Aufgrund ihrer puritanisch-viktorianischen Erziehung heiratete sie nicht ihre große Liebe, den Dichter Vachel Lindsay, sondern einen Geschäftsmann, mit dem sie nach ihrer Hochzeit im Jahre 1914 nach New York zog. 1929 ließ sie sich scheiden. 1933 beendete sie ihr Leben mittels einer Überdosis Schlaftabletten, 14 Monate nachdem sich Vachel Lindsay das Leben genommen hatte. 1994 wurde sie in den „St. Louis Walk of Fame“ aufgenommen.



A Cry

Oh, there are eyes that he can see,
And hands to make his hands rejoice,
But to my lover I must be
Only a voice.

Oh, there are breasts to bear his head,
And lips whereon his lips can lie,
But I must be till I am dead
Only a cry.




After Love

There is no magic any more,
We meet as other people do,
You work no miracle for me
Nor I for you.

You were the wind and I the sea --
There is no splendor any more,
I have grown listless as the pool
Beside the shore.

But though the pool is safe from storm
And from the tide has found surcease,
It grows more bitter than the sea,
For all its peace.




Buried Love

I shall bury my weary Love
Beneath a tree,
In the forest tall and black
Where none can see.

I shall put no flowers at his head,
Nor stone at his feet,
For the mouth I loved so much
Was bittersweet.

I shall go no more to his grave,
For the woods are cold.
I shall gather as much of joy
As my hands can hold.

I shall stay all day in the sun
Where the wide winds blow,
But oh, I shall weep at night
When none will know.





Sara-Teasdale
Sara Teasdale (8. August 1884 – 29. Januar 1933)





Der norwegische Schriftsteller Jostein Gaarder wurde am 8. August 1952 in Oslo geboren. Er schreibt Romane und Kurzgeschichten mit zumeist philosophischem Hintergrund. Jostein Gaarder studierte Philosophie, evangelisch-lutherische Theologie und norwegische Literaturwissenschaft an der Universität in Oslo. Anschließend unterrichtete er zehn Jahre lang das norwegische Fach Idéhistorie ( idéhistorie ist das geschichtliche Studium des Europäischen Gedankengangs/der europäischen Philosophie), sowohl in der Kinder- als auch der Erwachsenenbildung, bevor er sich als freier Schriftsteller etablierte. Das Buch „Das Kartengeheimnis“ erschien 1990 und wurde ein Jahr später mit dem Preis der norwegischen Literaturkritiker ausgezeichnet. Mit seinem ursprünglich als Kinderbuch gedachten, aber auch von vielen Erwachsenen gelesenen Werk Sofies Welt, das er 1991 schrieb, erlangte er 1993 Weltruhm und den Durchbruch als Schriftsteller. Für dieses Buch erhielt er 1994 den deutschen Jugendliteraturpreis. Es ist inzwischen in über 50 Sprachen übersetzt worden und wurde 1999 verfilmt. Er erhielt 2004 den Willy-Brandt-Preis.

Aus: Das Kartengeheimnis

„Lieber Sohn – ich muß Dich so nennen dürfen. Wenn ich hier sitze und meine Lebensgeschichte niederschreibe, weiß ich, daß Du eines Tages ins Dorf kommen wirst. Vielleicht schlenderst Du an der Bäckerei in der Waldemarstraße vorbei und bleibst vor dem Goldfischglas stehen. Du weißt selber nicht, warum Du gekommen bist, aber ich weiß, daß Du nach Dorf kommst, um die Geschichte der Purpurlimonade und der magischen Insel weiterzuführen.
Ich schreibe im Januar 1946 und bin noch ein junger Mann. Wenn Du mir in dreißig oder vierzig oder mehr Jahren begegnest, werde ich alt und weißhaarig sein. Deshalb schreibe ich Dir auch für die Zeit, die nach mir kommt.
Das Papier, auf dem ich schreibe, ist wie ein Rettungsfloß, unbekannter Sohn. Ein Rettungsfloß kann in Wind und Wetter dahintreiben, ehe es vielleicht auf einen Hafen in der Ferne zusteuert. Aber manche Flöße segeln in eine ganz andere Richtung. Sie segeln aufs Morgenland zu. Und von dort' führt kein Weg zurück.
Woher ich weiß, daß gerade Du die Geschichte weitertragen wirst? Ich werde es sehen, wenn Du auf mich zukommst, mein Sohn. Ich werde sehen, daß Du das Zeichen trägst.
Ich schreibe auf norwegisch, damit Du alles verstehst, und auch, weil die Dörfler die Geschichte der Zwerge nicht lesen sollen. Dann würde das Geheimnis der magischen Insel zur Sensation, aber eine Sensation ist immer dasselbe wie eine Neuigkeit, und eine Neuigkeit hat nie ein langes Leben. Sie erregt Aufmerksamkeit, dann wird sie vergessen. Aber die Geschichte der Zwerge darf nie im Geflimmer der Neuigkeiten untergehen. Es ist besser, daß nur ein Mensch das Geheimnis der Zwerge kennt, als daß alle Menschen es vergessen.”






gaarder_jostein
Jostein Gaarder (Oslo, 8. August 1952)

Freitag, 7. August 2009

Joachim Ringelnatz, Michael Roes

Der deutsche Schriftsteller, Kabarettist und Maler Joachim Ringelnatz wurde am 7. August 1883 in Wurzen geboren. Mit 25 Jahren erhielt er Gelegenheit, in dem Künstlerlokal »Simplicissimus« in München-Schwabing eigene Verse vorzutragen; er wurde zum »Hausdichter« und kaufte sich in der Nachbarschaft einen Tabakladen - den er nach neun Monaten wieder schloß. Die Schwabinger Prominenz, die er hier kennenlernte (unter ihnen Frank Wedekind), ermunterte ihn zu eigenen Veröffentlichungen, die aber alle nur kleine Auflagen erreichten. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich als Bibliothekar bei der gräflichen Familie Yorck von Wartenburg in Schlesien und im Elternhaus des Balladendichters Börries von Münchhausen in Hannover sowie als Fremdenführer auf einer Burg. Am 1.8.1914 schrieb er schwungvoll in sein Tagebuch »Ich ziehe in den Krieg!«
Nach dem Kriege versuchte er sich in unterschiedlichen Branchen, u.a. in einer Gartenbauschule und als Archivar in einem Berliner Verlag. 1920 erhielt er ein Engagement an der Berliner Kleinkunstbühne »Schall und Rauch«. Dort und auf Tourneen durch die Kabaretts im ganzen deutschsprachigen Raum trug er (der sich seit 1919 nach dem seemännischen Namen für das glückbringende Seepferdchen Ringelnatz nannte) eigene Dichtung vor. 1933 erhielt er Auftrittsverbot in Deutschland; er starb verarmt im folgenden Jahr.



Ein Taschenkrebs und ein Känguruh

Ein Taschenkrebs und ein Känguruh,
Die wollten sich ehelichen.
Das Standesamt gab es nicht zu,
Weil beide einander nicht glichen.

Da riefen sie zornig: "Verflucht und verdammt
Sei dieser Bürokratismus!"
Und hingen sich auf vor dem Standesamt
An einem Türmechanismus




Heimatlose

Ich bin fast
Gestorben vor Schreck:
In dem Haus, wo ich zu Gast
War, im Versteck,
Bewegte sich,
Regte sich
Plötzlich hinter einem Brett
In einem Kasten neben dem Klosett,
Ohne Beinchen,
Stumm, fremd und nett
Ein Meerschweinchen.
Sah mich bange an,
Sah mich lange an,
Sann wohl hin und sann her,
Wagte sich
Dann heran
Und fragte mich:
"Wo ist das Meer?"





Wie mag er aussehen?

Wer hat zum Steuerbogenformular
den Text erfunden?
Ob der in jenen Stunden,
da er dies Wunderwirr gebar,
wohl ganz --- oder total --- war?

Du liest den Text. Du sinnst. Du spinnst.
Du grinst - "Welch Rinds" - Und du beginnst
wieder und wieder. Eisigkalt
kommt die Vision dir "Heilanstalt".

Für ihn? Für dich? - Dein Witz erblaßt.
Der Mann, der jenen Text verfaßt,
was mag er dünkeln oder wähnen?
Ahnt er denn nichts von Zeitverlust und Tränen?

Wir kommen nicht auf seine Spur.
Und er muß wohl so sein und bleiben.
Auf seinen Grabstein sollte man nur
den Text vom Steuerbogen schreiben.







ringelnatz
Joachim Ringelnatz (7. august 1883 – 17. November 1934)





Der deutsche Lyriker und Schriftsteller Michael Roes wurde am 7. August 1960 in Rhede / Westfalen geboren. Er wuchs in Bocholt auf. Nach dem Abitur studierte er Psychologie, Philosophie und Germanistik an der Freien Universität Berlin, wo er 1985 sein Diplom in Psychologie machte. Von 1985 bis 1989 war er Regie- und Dramaturgieassistent an der Berliner Schaubühne und an den Münchner Kammerspielen. Es folgte ein Studienaufenthalt in der Wüste Negev. 1991 promovierte Roes mit einer Arbeit über Isaak und das Sohnesopfer zum Doktor der Philosophie. 1993 bis 1994 hielt er sich studienhalber in der jemenitischen Wüste auf; seine dortigen ethnologischen Studien verarbeitete er in dem Roman "Rub' al-Khali", mit dem er sich im Fachbereich Ethnologie der FU Berlin habilitierte. Er unternahm weitere Forschungsreisen in die Vereinigten Staaten und nach Afrika, die ihn jeweils zu neuen Werken anregten. 2001 entstand unter seiner Regie im Jemen eine filmische Neubearbeitung von Shakespeares "Macbeth", 2003 der Dokumentarfilm "Stadt des Glücks" über die zeitgenössische algerische Jugend und 2004 der Spielfilm "Timimoun", eine moderne algerische Orestie. Michael Roes' Werk umfasst Romane, Gedichte und Theaterstücke.



AL-KUDS

Die Wunde, die nicht blutet, tötet
und das Wort, das nicht fällt, erstickt

Der Gestellte verweigert die Ausweisung
die geschulterte Last Herkunft und Ziel

Gäbe der Pflichtbewußte mit Gott sich zufrieden
doch verehrt die Ikone mit Stiefeln

Saurer Wein hätte gewarnt, die grundlosen
Freudentriller, die brennenden Reifen

In der Ferne der heilige Berg, rauchend
Halde aus Seife und Fischmehl




TEIRESIAS

Frauen sind keine blutenden Vögel
und schlüge eine von ihnen
uns eine Wunde, es träte
nur Wasser heraus

Nie haben sie mir Treue geschworen
noch tat ich ihnen diesen Schwur
Wir haben einander nichts vorzuwerfen

Wäre ich Frau, wäre ich
Nymphe. Auch die Gewalt liebte ich
die schweigsame, wegwerfende Geste des
Mannes, den gewaltsam geöffneten Mund

Doch einmal werden wir Männer
Frau sein, bluten vor Scham, vor
Schande, jemandes Schatten






roes
Michael Roes (Rhede, 7. August 1960)

Donnerstag, 6. August 2009

Kjell Westö, Diane DiPrima

Der finnische Schriftsteller Kjell Westö wurde am 6. August 1961 in Helsinki geboren. Westö ist Finnlandschwede und verfasste bereits zahlreiche Romane und Erzählungen. Das ambivalente Verhältnis zwischen der schwedischsprachigen Minderheit in Finnland auf der einen Seite und der finnischsprachigen Mehrheit auf der anderen prägt sein Werk. 2006 erhielt er für seinen Roman Där vi en gång gått den renommierten Finlandia-Preis. Die finnische Theaterversion dieses Romans "Missä me kuljimme kerran" (etwa: "Wo wir einst gingen") wurde am 3. April 2008 im Stadttheater Helsinki uraufgeführt.

Aus: Wo wir einst gingen (Übersetzt von Paul Berf)

„Der Zufall wollte es, dass der erste Tag von Vivan Fallenius als Hausmädchen bei den Herrschaften Gylfe in der Achtzimmerwohnung an der Boulevardsgatan auf den ersten Jahrestag der Ermordung des russischen Generalgouverneurs Bobrikoff durch den einsamen und halbtauben Beamten Eugen Schauman fiel. Der stellvertretende Amtsrichter und seine Frau, die Schauman flüchtig gekannt hatten, feierten dies mit einem stummen Champagnertoast zur Consommé. Vivan stand an der Tür zum Flur, mit Rüschen in den Haaren, sie trug einen schwarzen Rock und eine schwarze Bluse mit weißem Spitzenkragen und hatte sich darüber hinaus eine weiße Schürze umgebunden, sie wartete auf die nächste Anweisung und versuchte sich möglichst unsichtbar zu machen.
Das mit Schauman und Bobrikoff interessierte sie nicht weiter, stattdessen dachte sie an den Familienbaum daheim in Degerby, an ihre Hofbirke, die während eines überraschenden Maisturms vor gut einem Monat in der Mitte umgeknickt war, und daran, wie seltsam es doch war, dass sie bereits im Januar geträumt hatte, der Baum werde sterben. Träume dieser Art hatte sie in regelmäßigen Abständen, und sie machten ihr Angst, aber inzwischen war schon zartgrün gefärbter Sommer, und sie fragte sich, warum Frau Beata Gylfe nicht die schweren Samtvorhänge aufziehen ließ. Vivan hatte es am Vormittag eigenmächtig getan; wenn die Vorhänge fort waren, sah man, wie schön das Licht auf die Boulevardsgatan fiel, und man konnte sich hinauslehnen und die jungen Linden anschauen und dem Klackern von Pferdehufen und Klappern von Wagen und Karren auf dem Kopfsteinpflaster lauschen. Vivan fand, dass die Gylfeschen Paradezimmer düster und brütend wurden, sobald die Vorhänge zugezogen waren. Sie wusste nicht, dass es dem Wunsch der reichen Stadtbewohner entsprach, wenn ihre Wohnungen so aussahen – dunkel getäfelte Möbel, Ebenholz und Mahagoni, schwarze, dekorativ bemalte Urnen und gipsweiße, auf kleinen Ziertischen ausgestellte Statuetten,
üppige Topfpalmen in den Ecken, Seegemälde und glupschäugige Verwandte an den Wänden und dann die Stühle, diese quälende Vielzahl von Zierstühlen und Sesseln, die allerorten herumstanden und zur Folge hatten, dass man sich die Beine blau und wund schlug, wenn man zwischen den Möbelstücken kreuzte, um zu servieren oder abzudecken oder eine soeben abgegebene Visitenkarte zu überreichen oder was einem sonst gerade aufgetragen worden war.“






westo
Kjell Westö (Helsinki, 6. August 1961)





Die amerikanische Schriftstellerin Diane DiPrima wurde am 6. August 1934 in Brooklyn, New York, geboren. 1957 lernte sie Allen Ginsberg, Jack Kerouac und andere Beat Generation-Mitglieder kennen. 1958 erschien ihr erster Lyrikband This Kind of Bird Flies Backward. Sie arbeitete mit Hettie Jones und LeRoi Jones zusammen und half bei der Herausgabe der Zeitschrift Yugen. Sie wurde LeRois Geliebte und bekam eine Tochter von ihm. 1961 brachte sie ihr erstes Prosa-Buch mit dem Titel Dinners and Nightmares heraus. Ende der sechziger Jahre forderte Maurice Girodias von der Olympia Press DiPrima auf, ihre Lebensgeschichte als erotische Memoiren zu schreiben. Sie brauchte Geld und schrieb rasch und genug für einen Vorschuss. Girodias schickte ihr die Kapitel jedes Mal mit demselben Vermerk zurück: „MEHR SEX.“ Obwohl nur des Geldes wegen geschrieben, wurden DiPrimas Memoirs of a Beatnik ihr meistgelesenes Werk.



Rant, From A Cool Place

"I see no end of it, but the turning
upside down of the entire world"
Erasmus

We are in the middle of a bloody, heartrending revolution
Called America, called the Protestant reformation, called Western man,
Called individual consciousness, meaning I need a refrigerator and a car
And milk and meat for the kids so, I can discover that I don't need a car
Or a refrigerator, or meat, or even milk, just rice and a place with
no wind to sleep next to someone
Two someones keeping warm in the winter learning to weave
To pot and to putter, learning to steal honey from bees,
wearing the bedclothes by day, sleeping under
(or in) them at night; hording bits of glass, colored stones, and
stringing beads
How long before we come to that blessed definable state
Known as buddhahood, primitive man, people in a landscape
together like trees, the second childhood of man

I don't know if I will make it somehow nearer by saying all this
out loud, for christs sake, that Stevenson was killed, that Shastri
was killed
both having dined with Marietta Tree
the wife of a higher-up in the CIA
both out of their own countries mysteriously dead, as how many others
as Marilyn Monroe, wept over in so many tabloids
done in for sleeping with Jack Kennedy - this isn't a poem - full of
cold prosaic fact
thirteen done in the Oswald plot: Jack Ruby's cancer that disappeared
in autopsy
the last of a long line - and they're waiting to get Tim Leary
Bob Dylan
Allen Ginsberg
LeRoi Jones - as, who killed Malcolm X? They give themselves away
with TV programs on the Third Reich, and I wonder if I'll live to sit in
Peking or Hanoi
see TV programs on LBJ's Reich: our great SS analysed, our money exposed,
the plot to keep Africa
genocide in Southeast Asia now in progress Laos Vietnam Thailand Cambodia
O soft-spoken Sukamo
O great stone Buddhas with sad negroid lips torn down by us by the red
guard all one force
one leveling mad mechanism, grinding it down to earth and swamp to sea
to powder

till Mozart is something a few men can whistle
or play on a homemade flute and we bow to each other
telling old tales half remembered gathering shells
learning again "all beings are from the very beginning Buddhas"
or glowing and dying radiation and plague we come to that final great
love illumination
"FROM THE VERY FIRST NOTHING IS."





DiPrima
Diane DiPrima (New York, 6. August 1934)

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Zuletzt aktualisiert: 23. Jan, 19:14

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