Aktuelle Beiträge

Christina Viragh, Derek...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 23. Jan, 19:14
Felicitas Hoppe, Margit...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 23. Dez, 07:50
Rebecca West, Heinrich...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 23. Dez, 07:49
Rafał Wojaczek, Peter...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 6. Dez, 20:44
Joseph Conrad, France...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 3. Dez, 22:09
Daniel Pennac, Mihály...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 1. Dez, 19:24
Carlo Levi, Jean-Philippe...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 29. Nov, 16:30
Eugène Ionesco, William...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 26. Nov, 22:17
Nadine Gordimer, Thomas...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 20. Nov, 22:11
José Saramago, Hugo Dittberner
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 16. Nov, 19:17
Jurga Ivanauskaitė, Taha...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 14. Nov, 19:28
C.K.Williams, Klabund
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 4. Nov, 19:16
Bilal Xhaferri, Leo Perutz
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 2. Nov, 19:07
Dylan Thomas, Sylvia...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 27. Okt, 19:56
Stephen L. Carter, Karin...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 26. Okt, 19:51

Mein Lesestoff


Thomas Mann
6. Juni - 12. August 1955


Rainer Maria Rilke
4. Dezember 1875 - 29. Dezember 1926


Georg Trakl
3. Februar 1887 - 4. November 1914

Archiv

Juli 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 
 
 

Montag, 2. Februar 2009

James Joyce, James Dickey

Der irische Schrifsteller James Joyce wurde am 2. Februar 1882 in Dublin geboren. Ursprünglich sollte er Priester werden, aber er stand dem Glauben skeptisch gegenüber und zog als 22-Jähriger mit seiner Freundin nach Triest, um der Enge seiner Heimat zu entfliehen. Ab 1915 lebte die Familie - zwei Kinder waren geboren - für fünf Jahre in Zürich, dann in Paris, um sich ab 1940 endgültig in Zürich niederzulassen. Schon sein Erstling, die Geschichtensammlung "Dubliners" (1914), setzte sich kritisch mit der katholisch geprägten irischen Heimat auseinander, ebenso wie das autobiografisch gefärbte "Porträt des Künstlers als junger Mann" (1916). Sein Hauptwerk "Ulysses" wurde nach einem Vorabdruck in der amerikanischen Zeitschrift "Little Review" 1922 in Paris in zensierter Form veröffentlicht (dt. 1927). Der Roman schildert einen Tag im Leben des modernen "Odysseus" und Annoncenmaklers Leopold Bloom. (Der 16. Juni wird als "Bloomsday" alljährlich von einer internationalen Fangemeinde gefeiert.) Bahnbrechend für die westliche Literatur dabei das neue Stilmittel des "streams of consciousness" (Bewusstseinsstrom), d.h. die unmittelbar-ungefilterte Wiedergabe der Gedanken und Gefühle der Personen (z.B. der berühmte lange Schlussmonolog der Molly Bloom!). Der Roman gilt in seinem Themen- und Stoffreichtum als Prototyp des modernen experimentellen Romans. Als schwierig zu rezipieren gilt sein Alterswerk "Finnegans Wake" (1939) über eine schlafende Familie, in dem indische und ägyptische Traditionen und Religionen anklingen.

Aus: Ulysses (Deutsche Übersetzung von Hans Wollschläger)

“Stattlich und feist erschien Buck Mulligan am Treppenaustritt, ein Seifenbecken in Händen, auf dem gekreuzt ein Spiegel und ein Rasiermesser lagen. Ein gelber Schlafrock mit offenem Gürtel bauschte sich leicht hinter ihm in der milden Morgenluft. Er hielt das Becken in die Höhe und intonierte: - Introibo ad altare Dei.

Innehaltend spähte er die dunkle Wendeltreppe hinunter und kommandierte grob:

- Komm rauf, Kinch! Komm rauf, du feiger Jesuit!

Feierlich schritt er weiter und erstieg das runde Geschützlager. Dort machte er kehrt und segnete würdevoll dreimal den Turm, das umliegende Land und die erwachenden Berge. Dann gewahrte
er Stephen Dedalus, verneigte sich vor ihm und schlug rasche Kreuze in die Luft, kehlig glucksend dabei und den Kopf schüttelnd. Stephen Dedalus, mißlaunig und schläfrig, lehnte die Arme auf den Rand der Treppenmündung und betrachtete kalt das sich schüttelnde, glucksende, in seiner Länge pferdehafte Gesicht, das ihn segnete, und das helle untonsurierte Haar, das fleckig getönt war wie matte Eiche.

Buck Mulligan lugte kurz unter den Spiegel und deckte dann mit pfiffiger Miene das Becken zu. - Huschhusch ins Körbchen, sagte er streng. Und im Ton eines Predigers fügte er hinzu:

- Denn dies, o geliebte Gemeinde, ist der wahre eucharistische Jakob: Leib und Seele, potz Blut und Wunden. Getragene Musik, wenn ich bitten darf. Die Augen zu, Herrschaften. Einen Moment. Kleine Panne mit den weißen Korpuskeln. Silentium, alle!

Er spähte schräg in die Höhe und stieß einen langen leisen rufenden Pfiff aus, dann verhielt er eine Weile in gespannter Aufmerksamkeit, und seine ebenmäßigen weißen Zähne glitzerten hier und da golden gepunktet. Chrysostomos. Zwei starke schrille Pfiffe antworteten durch die Stille.







James Joyce (2 februari 1882 – 13 januari 1941)
Statue in Dublin





Der amerikanische Lyriker und Schrifsteller James Lafayette Dickey wurde am 2. Februar 1923 in Atlanta geboren. Dickey wurde in den USA zuerst als Lyriker bekannt. In den folgenden Jahren veröffentlichte er regelmäßig Gedichtbände, verdiente seinen Lebensunterhalt aber mit Nebenjobs, Stipendien und Preisgeldern. Einen großen auch kommerziellen Erfolg hatte er mit seinem Roman Flussfahrt (orig. Deliverance), der bald darauf mit Burt Reynolds unter dem Titel Beim Sterben ist jeder der Erste verfilmt wurde. Er schildert hier die Kanufahrt von vier zivilisationsmüden Amerikanern, die sich zu einem Alptraum aus Bedrohung und Mord entwickelt. Mit keinem seiner folgenden Werke, Lyrik und zwei weiteren Romane, hat er an diesen Erfolg anschließen können.


The Dusk of Horses

Right under their noses, the green
Of the field is paling away
Because of something fallen from the sky.

They see this, and put down
Their long heads deeper in grass
That only just escapes reflecting them

As the dream of a millpond would.
The color green flees over the grass
Like an insect, following the red sun over

The next hill. The grass is white.
There is no cloud so dark and white at once;
There is no pool at dawn that deepens

Their faces and thirsts as this does.
Now they are feeding on solid
Cloud, and, one by one,

With nails as silent as stars among the wood
Hewed down years ago and now rotten,
The stalls are put up around them.

Now if they lean, they come
On wood on any side. Not touching it, they sleep.
No beast ever lived who understood

What happened among the sun's fields,
Or cared why the color of grass
Fled over the hill while he stumbled,

Led by the halter to sleep
On his four taxed, worthy legs.
Each thinks he awakens where

The sun is black on the rooftop,
That the green is dancing in the next pasture,
And that the way to sleep

In a cloud, or in a risen lake,
Is to walk as though he were still
in the drained field standing, head down,

To pretend to sleep when led,
And thus to go under the ancient white
Of the meadow, as green goes

And whiteness comes up through his face
Holding stars and rotten rafters,
Quiet, fragrant, and relieved.







James Dickey (2. Februar 1923 – 19. Januar 1997)

Sonntag, 1. Februar 2009

Hugo von Hofmannsthal, Günter Eich

Der österreichische Schriftsteller, Dramatiker, Lyriker, Librettist Hugo von Hofmannsthal wurde am 1. Februar 1874 als einziges Kind eines Bankdirektors in Wien geboren. Noch als Gymnasiast veröffentlichte er, meist unter dem Pseudonym Loris, seine ersten Gedichte und das Versdrama Gestern, das seinen frühen Ruhm innerhalb des literarischen Wien begründete und ihm Einlaß in die Salons des gebildeten Wiener Großbürgertums verschaffte.
Er wurde in den Kreis der sogenannten Jung Wiener Literaten aufgenommen, die sich in den Wiener Cafés, vor allem im Griensteidl, trafen, unter ihnen Richard Beer-Hofmann, Arthur Schnitzler, Felix Salten, Karl Kraus und Hermann Bahr. Der deutsche Dichter Stefan George umwarb ihn. 1892 erschien Der Tod des Tizian in dessen 'Blättern für die Kunst', auch wurden dort in der Folgezeit Hofmannsthals berühmteste Gedichte wie Vorfrühling, Weltgeheimnis, Ballade des äußeren Lebens u.a. veröffentlicht, obwohl seine Beziehung zu George von Anfang an äußerst spannungsreich war.
An der Wiener Universität studierte Hofmannsthal zunächst Jura, dann romanische Philologie und promovierte 1898 mit einer Arbeit über den Sprachgebrauch bei den Dichtern der Plejade. Von nun an lebte er als freier Schriftsteller, vor allem für das Theater, zunächst in Beziehung zu Otto Brahms Berliner 'Freien Bühne', später in enger Zusammenarbeit mit Max Reinhardt. So entstanden die Kleinen Dramen in den neunziger Jahren des 19. Jhs. und dann, zu Beginn des 20. Jhs. Das gerettete Venedig, Elektra, Ödipus und die Sphinx, nach dem ersten Weltkrieg auch Komödien, Der Schwierige, Der Unbestechliche. Für den Komponisten Richard Strauss schrieb Hofmannsthal die Libretti Elektra, Der Rosenkavalier, Ariadne auf Naxos, Die Frau ohne Schatten und Arabella.
Zusammen mit Max Reinhardt begründete er in den zwanziger Jahren die Salzburger Festspiele und schrieb dafür die Dramen Jedermann und Das Salzburger Große Welttheater. Neben dern Erzählungen Das Märchen der 672. Nacht, Reitergeschichte, Das Erlebnis des Marschalls von Bassompierre, Lucidor und Die Frau ohne Schatten, ist der unvollendete Romanentwurf Andreas zu nennen. Bedeutend sind auch sein essayistisches Werk und die Erfundenen Gespräche und Briefe, vor allem der bekannte Brief des Lord Chandos, mit seiner Sprachkritik.



Dein Antlitz. . .

Dein Antlitz war mit Träumen ganz beladen.
Ich schwieg und sah dich an mit stummem Beben.
Wie stieg das auf! Daß ich mich einmal schon
In frühern Nächten völlig hingegeben

Dem Mond und dem zuviel geliebten Tal,
Wo auf den leeren Hängen auseinander
Die magern Bäume standen und dazwischen
Die niedern kleinen Nebelwolken gingen

Und durch die Stille hin die immer frischen
Und immer fremden silberweißen Wasser
Der Fluß hinrauschen ließ - wie stieg das auf !

Wie stieg das auf! Denn allen diesen Dingen
Und ihrer Schönheit - die unfruchtbar war -
Hingab ich mich in großer Sehnsucht ganz,
Wie jetzt für das Anschaun von deinem Haar
Und zwischen deinen Lidern diesen Glanz!





Der Jüngling in der Landschaft

Die Gärtner legten ihre Beete frei,
Und viele Bettler waren überall
Mit schwarzverbundnen Augen und mit Krücken
Doch auch mit Harfen und den neuen Blumen,
Dem starken Duft der schwachen Frühlingsblumen.

Die nackten Bäume ließen alles frei:
Man sah den Fluß hinab und sah den Markt,
Und viele Kinder spielen längs den Teichen.
Durch diese Landschaft ging er langsam hin
Und fühlte ihre Macht und wußte - daß
Auf ihn die Weltgeschicke sich bezogen.

Auf jene fremden Kinder ging er zu
Und war bereit, an unbekannter Schwelle
Ein neues Leben dienend hinzubringen.
Ihm fiel nicht ein, den Reichtum seiner Seele,
Die frühern Wege und Erinnerung
Verschlungner Finger und getauschter Seelen
Für mehr als nichtigen Besitz zu achten.

Der Duft der Blumen redet ihm nur
Von fremder Schönheit - und die neue Luft
Nahm er stillatmend ein, doch ohne Sehnsucht:
Nur daß er dienen durfte, freute ihn.





Ein Knabe stand ich

Ein Knabe stand ich so im Frühlingsglänzen
und meinte aufzuschweben in das All,
unendlich Sehnen über alle Grenzen
durchwehte mich in ahnungsvollem Schwall !
Und Wanderzeiten kamen, rauschumfangen !
Da leuchtete manchmal die ganze Welt,
und Rosen glühten, und die Glocken klangen
von fremdem Lichte jubelnd und erhellt:
Wie waren da lebendig alle Dinge
dem liebenden Erfassen nah gerückt,
wie fühlt' ich mich beseelt und tief entzückt,
ein lebend Glied im großen Lebensringe !
Da ahnte ich, durch mein Herz auch geleitet,
den Liebesstrom, der alle Herzen nährt,
und ein Genügen hielt mein Ich geweitet,
das heute kaum mir noch den Traum verklärt





Hofmannsthal
Hugo von Hofmannsthal (1. Februar 1874 – 15. Juli 1929)





Der deutsche Lyriker und Schriftsteller Günter Eich wurde am 1. Februar 1907 im märkischen Lebus geboren und studierte zwischen 1925 und 1932 an den Universitäten Berlin, Leipzig und Paris Sinologie, Jura und Volkswirtschaft. Während dieser Zeit publizierte er erste Gedichte in der u. a. von Klaus Mann herausgegebenen Anthologie jüngster Lyrik (1927) sowie die Sammlung Gedichte (1930). 1931 wurde das in Zusammenarbeit mit Martin Raschke 1929 entstandene Hörspiel Das Leben und Sterben des Sängers Caruso ausgestrahlt. 1932 erhielt Eich genügend Rundfunkaufträge, um als freier Schriftsteller existieren zu können: Bis Ende der dreißiger Jahre wurden 25 Hörspiele produziert. Vor allem der Hörfunk bot Eich die Möglichkeit, von der nationalsozialistischen Propaganda relativ unberührt tätig zu sein. 1942 machte eine Feldpostausgabe der 1935 in Das Innere Reich erstpublizierten traurig-schönen Liebesgeschichte Katharina den Dichter auch in Soldatenkreisen bekannt. 1939 musste Eich als Funker am 2. Weltkrieg teilnehmen und geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Dort kam er zur Zeitschrift Der Ruf, die von Alfred Andersch und Hans Werner Richter herausgegeben wurde. Durch den Kontakt zu Andersch und Richter wurde Eich Mitglied der Gruppe 47 und 1950 deren erster Preisträger. Den Einfluss der Naturlyrik Huchels spiegelt u. a. der Gedichtband Untergrundbahn von 1949. Die Auseinandersetzung mit der östlichen Kultur schlug sich u. a. in Anlässe und Steingärten (1966) nieder.



Mein Garten

Schön ist mein Garten mit den goldnen Bäumen,
Den Blättern, die mit Silbersäuseln zittern,
Dem Diamantentau, den Wappengittern,
Dem Klang des Gong, bei dem die Löwen träumen,
Die ehernen, und den Topasmäandern
Und der Volière, wo die Reiher blinken,
Die niemals aus dem Silberbrunnen trinken...
So schön,: ich sehn mich kaum nach jenem andern,
Dem andern Garten, wo ich früher war.
Ich weiß nicht wo... Ich rieche nur den Tau,
Den Tau, der früh an meinen Haaren hing,
Den Duft der Erde weiß und feucht und lau,
Wenn ich die weichen Beeren suchen ging . . .
In jenem Garten, wo ich früher war...




Inventur

Dies ist meine Mütze,
dies ist mein Mantel,
hier mein Rasierzeug
im Beutel aus Leinen.

Konservenbüchse:
Mein Teller, mein Becher,
ich hab in das Weißblech
den Namen geritzt.

Geritzt hier mit diesem
kostbaren Nagel,
den vor begehrlichen
Augen ich berge.

Im Brotbeutel sind
ein Paar wollene Socken
und einiges, was ich
niemand verrate,

so dient er als Kissen
nachts meinem Kopf.
Die Pappe hier liegt
zwischen mir und der Erde.

Die Bleistiftmine
lieb ich am meisten:
Tags schreibt sie mir Verse,
die nachts ich erdacht.

Dies ist mein Notizbuch,
dies ist meine Zeltbahn,
dies ist mein Handtuch,
dies ist mein Zwirn.








Günter Eich (1. Februar 1907 – 20. Dezember 1972)

Samstag, 31. Januar 2009

Stefan Beuse, Norman Mailer

Der deutsche Schriftsteller Stefan Beuse wurde am 31. Januar 1967 in Münster geboren. Beuse arbeitete nach dem Abitur in diversen Werbeagenturen u. a. als Fotograf, Texter und Berater sowie als Journalist u. a. für "Die Zeit" und "Die Welt". Heute schreibt er Erzählungen, Romane, Drehbücher sowie gelegentlich Buch- und Filmkritiken. Er erhielt neben einer Reihe von Stipendien 1998 und 2006 den Literaturförderpreis der Stadt Hamburg, 1999 den Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt und den GWK-Literaturförderpreis. Im Frühjahr 2005 war er Writer in residence an der Cornell University in Ithaca, New York. 2005 wurde unter der Regie von Till Endemann Kometen verfilmt. Beim 12. Internationalen Shanghai Film-Festival 2006 gewannen Stefan Beuse und Till Endemann für das Drehbuch zum Film den Magnolia-Award.

Aus: Meeres Stille

„Zwei Tage vor meinem Geburtstag ist meine Mutter mit dem gelben Sportcoupé meines Vaters in den Himmel geflogen. Es war ein sonniger Tag, und neben ihr lag alles, was ich mir gewünscht hatte: sieben Päckchen und eine Schultasche aus Leder.
In meinen Träumen habe ich oft gesehen, wie der gelbe Wagen über die Kante schießt, in einen ganz und gar wolkenlosen Himmel. Man hört das kurze Durchdrehen der Räder, das Zischen des Fahrtwindes und dann nichts mehr: ein plötzlicher Trichter aus Stille, jedes Geräusch im schwarzen Loch einer unendlich gedehnten Schrecksekunde.
Meine Mutter trägt das Kleid, das sie von meinem Vater zum Hochzeitstag bekommen hat, ein champagnerfarbenes Seidenkleid, das leuchtet, wenn Licht darauf fällt. Ihre Haare wehen hinter der Kopfstütze, Lack blitzt im Sonnenlicht, und als wäre die Schwerkraft plötzlich aufgehoben, lösen sich die Päckchen vom Beifahrersitz.
Der Wagen landet auf einem Felsvorsprung. Meine Mutter streckt die Arme nach den Geschenken aus, die in Zeitlupe vom Himmel fallen, rote, blaue, gelbe, mit Schleifen, ohne Schleifen. Sie weiß nicht, was sie zuerst fangen soll, und schließlich entscheidet sie sich für das schönste Paket: ein rot-gelb gestreiftes mit einer kleinen Windmühle dran. Sie hält es ans Ohr, schüttelt es und hört, wie es klappert. Dann schließt sie die Augen. Sie lächelt, weil sie sich freut, daß sie ein so schönes Geschenk für mich hat.
Ich nehme das Paket und bringe es an einen Ort, den niemand kennt. Jeden Tag hole ich das Geschenk aus seinem Versteck. Ich blase gegen die Windmühle, um zu sehen, wie sie sich dreht. Dann streiche ich über das Papier und schiebe das Paket zurück. Bald werde ich es öffnen."







Stefan Beuse (Münster, 31. Januar 1967)





Der amerikanische Schriftsteller Norman Mailer wurde am 31. Januar 1923 in New Jersey geboren und wuchs in Brooklyn auf. Er studierte bis zur Einberufung zum Militärdienst Bautechnik an der Universität Harvard. Die schrecklichen Kriegserlebnisse als Soldat an der Pazifikfront verarbeitete er zu seinem ersten erfolgreichen Roman: "Die Nackten und die Toten". Der politisch links orientierte Norman Mailer entwickelte sich zu einem scharfen Kritiker des US-Establishments. Für seine Reportage über die amerikanische Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg - "Heere aus der Nacht" - wurde er 1969 mit dem Pulitzerpreis geehrt, ebenso 1980 für den Tatsachenroman "Gnadenlos" (The Executioner’s Song) über einen Mörder und dessen Exekution.
Zuletzt hatte Mailer mit "Das Schloss im Wald" einen Roman über den jungen Adolf Hitler geschrieben. Mailer war insgesamt sechs Mal verheiratet, hatte neun Kinder und lebte zuletzt in Provincetown, Cape Cod.



Aus: The Executioner’s Song

„Gary, I feel bad too. I can’t understand taking a life for the amount of money you got.”
Gary replied, “I don’t know how much I got. What was there?”
Nielsen said, “It was $125, and in Provo, approximately the same amount.” Gary began to cry. He didn’t weep with any noise but there were tears in his eyes. He said, “I hope they execute me for it. I ought to die for what I did.”
“Gary, are you ready to?” Nielsen asked. “It doesn’t scare you?”
“Would you like to die?”
“Criminy,” said Nielsen, “no.”
“Me neither,” said Gilmore, “but I ought to be executed for it.”
“I don’t know,” said Nielsen; “there’s got to be forgiveness somewhere along the line.”
A little later, Gary made a private call to Brenda.
Brenda said, “Gary, you’re going to go down hard this time. You’re going to ride this one clear to the bottom.”
He said, “Man, how do you know I’m not innocent?”
“Gary, what’s the matter with your head?”
“I don’t know,” Gary said, “I must have been insane.”
Brenda asked, “What about your mother? What do you want me to tell her?”
He was quiet for a while. Then he said, “Tell her it’s true.”
Brenda said, “Okay. Anything else?”
“Just tell her I love her.”






Norman Mailer (31. Januar 1923 – 10. November 2007)

Freitag, 30. Januar 2009

Adelbert von Chamisso, Hans Erich Nossack

Der deutsche Dichter und Naturforscher Adelbert von Chamisso wurde am 30. Januar 1781 auf Schloß Boncourt (Champagne),geboren. Chamissos Familie floh während der französischen Revolution nach Deutschland. 1796 wurde er Page der Königin von Preußen, 1798 bis 1807 war er preußischer Offizier. 1815-1818 machte er eine Weltumseglung. Nach der Rückkehr wurde er Adjunkt am Botanischen Garten in Berlin, später Vorsteher des Herbariums. Neben seinen Studien als Naturforscher betätigte er sich als Erzähler und Lyriker. Sein Liederkreis "Frauenliebe und -leben" wurde von Robert Schumann vertont. Obwohl Französisch Chamissos Muttersprache war, gelang es ihm, in der deutschen Fremdsprache unsterbliche Werke zu schaffen. Am bekanntesten sind sicherlich „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ (1814) und das Gedicht „Das Riesenspielzeug“ über die Burg Nideck im Elsass. Dies erklärt, dass der bisher einzige Literaturpreis für deutschsprachige Migrantenliteratur seinen Namen trägt. Mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis werden seit 1985 in Deutschland Autorinnen und Autoren nichtdeutscher Muttersprache ausgezeichnet.



Es ist nur so der Lauf der Welt

Mir ward als Kind im Mutterhaus
Zu aller Zeit, Tag ein, Tag aus,
Die Rute wohl gegeben.
Und als ich an zu wachsen fing,
Und endlich in die Schule ging,
Erging es mir noch schlimmer.

Das Lesen war ein Hauptverdruß,
Ach! wer's nicht kann und dennoch muß,
Der lebt ein hartes Leben.
So ward ich unter Schmerzen groß
Und hoffte nun ein bess'res Los,
Da ging es mir noch schlimmer.

Wie hat die Sorge mich gepackt!
Wie hab' ich mich um Geld geplackt!
Was hat's für Not gegeben!
Und als zu Geld ich kommen war,
Da führt' ein Weib mich zum Altar,
Da ging es mir noch schlimmer.

Ich hab's versucht und hab's verflucht
Pantoffeldienst und Kinderzucht
Und das Gekreisch der Holden.
O meiner Kindheit stilles Glück,
Wie wünsch' ich dich jetzt fromm zurück!
Die Rute war ja golden!







Adelbert von Chamisso (30. Januar 1781 – 21. August 1838)





Der deutsche Schriftsteller Hans Erich Nossack wurde am 30. Januar 1901 in Hamburg geboren. 1919 absolvierte er das Abitur am humanistischen Gymnasium Johanneum in Hamburg. Im Wintersemester 1919/20 immatrikulierte er sich an der jungen, 1919 gegründeten Hamburger Universität für die Fächer Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft. Danach wechselte er 1920 an die Universität Jena, wo er ein Studium der Rechtswissenschaft sowie der Staats- und Volkswirtschaftskunde begann, das er 1922 abbrach. 1923 kehrte er nach Hamburg zurück und heiratete 1925 Gabriele Knierer (geb. 1896), mit der er sein Leben lang trotz großer Schwierigkeiten verheiratet blieb. Er wurde Bankangestellter und absolvierte in den folgenden Jahren eine Ausbildung als Bankkaufmann. Neben dem Brotberuf verfasste er Gedichte und schrieb Dramen. 1933 zog er sich in die väterliche Firma zurück. Es kam zu Haussuchungen durch die SA und die Polizei, aber er wurde nicht verhaftet. Er übernahm bald darauf die Leitung der Importfirma (Kaffee und Rohkakao). 1943 wurden seine Tagebücher und Manuskripte durch den heftigsten Bombenangriff auf Hamburg vernichtet. Abgesehen von einigen publizierten Gedichten in der Neuen Rundschau 1942 und 1944, erschienen seine ersten Veröffentlichungen ab 1947. In seinem Prosatext Der Untergang (1948) thematisierte er als einer der ersten Schriftsteller der deutschen Nachkriegsliteratur die Schrecken des Bombenkriegs anhand der Zerstörung seiner Heimatstadt Hamburg. 1956 löste er mit Hilfe des Schweizer Industriellen Kurt Bösch die väterliche Firma auf und zog nach Aystetten bei Augsburg. Seitdem war er als freier Schriftsteller tätig.


Der Dichter

Im Hafen lichten jubelnd sie die Anker.
Ein Schiff wohin? Von Hoffnung ist es schwer
nach heimatlicher Insel überm Meer.
Abseits am Ufer steh ich wie ein Kranker.

Krank, weil ich warte und mich nicht verschwende;
gefesselt, daß ich mir nicht selbst entflieh
noch mich dem Werk des Wirklichseins entzieh.
Ja, ich war krank, damit ich mich vollende.

Denn immer Einer sei bereit und rage
als rettend Mal im Raum, wenn vor der Frage
die grelle Zeit erblaßt: Was soll ich tun?

Fragt ich es auch? Vielleicht schrie ich im Traum.
Nur Echo wars. Der Wind fuhr durch den Baum.
Du darfst getrost in meinem Schatten ruhn.




Ist das der Mensch?

Ich weiß, daß man mich eines Tages braucht.
Soll ich dann sagen, wenn sie suchend kommen -:
"Was war es noch, was uns die Flut genommen?"
Auch ich bin in Vergessenheit getaucht?

Schlimm ist die Welt versandet und verschlammt.
Seht auf den Straßen die Gesichter doch;
die alten süßen Formen sind es noch,
nur alles ausgelöscht, was sie entflammt.

Man geht umher wie auf dem Meeresgrunde
von Flut betäubt, bleibt stehen um zu lauschen:
Ist das das Leben? Wirklich? Ach, wir Armen!

Und dämmert weiter. Niemand weiß die Kunde.
Was war es noch? Man hört die Not nur rauschen.
Ist das der Mensch? Haben wir doch Erbarmen.







Hans Erich Nossack (30. Januar 1901 – 2. November 1977)

Donnerstag, 29. Januar 2009

Anton Tschechow, Gert Hofmann

Der russische Schriftsteller Anton Tschechow wurde am 29. Januar 1860 in Taganrog (Ukraine) geboren. Bereits während seines Medizinstudiums in Moskau schrieb und veröffentlichte er humorvolle Kurzprosa in verschiedenen Zeitschriften. Die ärztliche Praxis indes übte Tschechow nur kurze Zeit aus und widmete sich bald ganz seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Ein erster Sammelband mit Kurzgeschichten erschien 1886 unter dem Titel Bunte Erzählungen. Tschechows Bühnendebüt Ivanov (Iwanow) kam ein Jahr später in Moskau auf die Bühne. 1888 wurde die längere Erzählung Step’ (Die Steppe. Geschichte einer Reise) publiziert, die im Umfeld der Kurzprosa eher eine Ausnahme darstellt und im Rahmen einer verstärkten Auseinandersetzung mit der Romanform entstand. 1890 reiste Tschechow nach Sachalin und besuchte die dortige Strafkolonie, ein Erlebnis, das ihn stark beeindruckte. Der Aufenthalt fand in dem Reisebericht Ostrov Sachalin (1893; Die Insel Sachalin) seinen Niederschlag. 1898 zwang ihn sein schlechter Gesundheitszustand – er litt an Lungentuberkulose –, Moskau zu verlassen und sich im wärmeren Klima der Halbinsel Krim niederzulassen. Mehrere Kuren führten Tschechow auch nach Westeuropa.

Aus: Weiberwirtschaft (Übersetzt von Reinhold Trautmann)

“Da lag ein dickes Geldpaket. Es kam aus dem Forstrevier, vom Verwalter. Er schrieb, daß er fünfzehnhundert Rubel schicke, die er eingetrieben habe nach einem in zweiter Instanz gewonnenen Prozeß. Anna Akimowna liebte Ausdrücke wie »eintreiben« und »den Prozeß gewinnen« nicht, sondern fürchtete sie. Sie wußte, daß man ohne Gerichtsverfahren nicht auskommt, aber es war ihr jedesmal unheimlich, und sie spürte Gewissensbisse, wenn der Fabrikleiter Nasarytsch oder der Revierverwalter, die häufig prozessierten, einen Rechtsstreit für sie gewannen.
Auch jetzt wurde ihr unheimlich und unbehaglich, und sie hätte diese tausendfünfhundert Rubel am liebsten möglichst weit weggelegt, um sie nicht mehr sehen zu müssen.
Sie dachte verdrießlich darüber nach, daß ihre Altersgenossinnen – sie war sechsundzwanzig Jahre
alt – sich jetzt mit dem Haushalt plagten, bald müde einschlafen und morgen früh in festtäglicher Stimmung erwachen würden; viele von ihnen waren schon verheiratet und hatten Kinder. Sie allein war dazu verurteilt, wie eine alte Frau über diesen Briefen zu sitzen, sie mit Bemerkungen zu versehen, Antworten zu schreiben, dann den ganzen Abend bis Mitternacht nichts weiter zu tun, als darauf zu warten, daß es Zeit wurde, schlafen zu gehen; morgen würde man ihr den ganzen Tag über gratulieren und Bitten vorbringen, und übermorgen gäbe es in der Fabrik bestimmt einen Skandal, man würde jemanden verprügeln, oder einer würde am Wodka sterben, und sie würde sich deswegen Vorwürfe machen; nach den Feiertagen würde Nasarytsch an die zwanzig Mann wegen Wegbleibens von der Arbeit entlassen, und alle zwanzig würden dann mit abgenommenen Mützen an der Treppe warten, und es würde ihr peinlich sein, zu ihnen hinauszugehen, und man würde sie wie Hunde wegjagen.“







Anton Tschechow (29. Januar 1860 – 15. Juli 1904)





Der deutsche Schriftsteller Gert Hofmann wurde am 29. Januar 1931 in Limbach, Sachsen, geboren. Hofmann wuchs in Limbach auf. 1948 zog die Familie nach Leipzig um, wo Hofmann eine Fremdsprachenschule besuchte und das Dolmetscher- und Übersetzerexamen für Englisch und Russisch ablegte. Nachdem er 1950 sein Abitur gemacht hatte, begann er ein Studium der Romanistik, Germanistik, Slawistik und Anglistik an der Universität Leipzig. Im Jahre 1951 verließ Hofmann die DDR und ging nach Freiburg im Breisgau, wo er sein Studium fortsetzte. 1957 promovierte er mit einer Arbeit über Henry James zum Doktor der Philosophie. Nachdem er einige Jahre als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Freiburg im Breisgau gewirkt hatte, nahm Hofmann ab 1961 germanistische Lehraufträge an Universitäten in Toulouse, Paris, Bristol, Edinburgh, New Haven, Berkeley und Austin wahr. Von 1971 bis 1980 lebte er in Klagenfurt und lehrte gleichzeitig an der jugoslawischen Universität Ljubljana. Seit 1980 lebte er mit seiner Familie in Erding bei München. Dort erlag er 1993 einem Hirnschlag. Gert Hofmanns literarisches Werk besteht zum einen aus einer Vielzahl von Hörspielen und einigen Theaterstücken, die seit Beginn der Sechzigerjahre entstanden. Ab 1979 veröffentlichte der Autor dann eine Reihe von Erzählungen und Romanen, die ihn einer breiteren literarischen Öffentlichkeit bekannt machten. Gert Hofmann erhielt u. a. folgende Auszeichnungen: 1979 den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt, 1982 den Alfred-Döblin-Preis, 1983 den Hörspielpreis der Kriegsblinden sowie 1993 den Literaturpreis der Stadt München.


Aus: Zur Phänomenologie des Snobs

„Während meine junge Frau und ich am Mittwochnachmittag unseren guten Kaspar auf dem Friedhof begraben haben, ist in unsere bescheidene, für unsere Verhältnisse aber schon zu teure Altbauwohnung hinter unserem Rücken ein neuer Mieter eingezogen. Noch ist Kaspar nicht von der Erde bedeckt, und schon sitzt ein anderer auf seinem Stuhl, ißt von seinem Teller, schläft in seinem Bett und schaut aus seinem Fenster hinaus. Noch haben wir bei unserer Rückkehr die Treppe nicht erstiegen, und schon fällt unser Blick auf das Kärtchen, das er an unsere Tür gezweckt hat: Popper, Opernsänger. Kennst du ihn, frage ich, indem ich, um den Namen zu lesen, in dem dunklen Treppenhaus ein Streichholz anzünde und mich wie in Verehrung vor seiner Karte neige. Nein, sagt meine Frau. Ich auch nicht, sage ich, hoffentlich ist er verträglich. Und warum sollte er nicht verträglich sein, sagt meine junge Frau, die von dem langen Begräbnis – einer nach dem anderen wollte an Kaspars Grab seine kleine Rede halten – noch ganz erschöpft ist. Weil er uns hätte fragen können, ehe er seine Karte an unsere Türe zweckt, sage ich. Aber es ist ja nun auch seine Tür, sagt sie. Richtig, sage ich. Und sage mir, daß es für Streitereien ja auch keine Gründe gibt. Der Wohnungsbesitzer, dessen Untermieter wir sind, lebt, wie wir wissen, weit von uns entfernt, unsere Wohnung ist geräumig, ihre Mauern sind dick, auf dem Gang ist ein Teppich ausgerollt, und wir haben unsere eigene kleine Toilette und Dusche, so daß wir mit dem Opernsänger, außer der Wohnungstür, nichts werden teilen müssen. Und dann sind wir ja im sicheren Besitz der besten zwei Zimmer in der Vierzimmerwohnung, in den anderen, viel kleineren, hatte Kaspar gewohnt. Seine Zimmer gehen auf die Mülltonnen im Hof und haben weder Licht noch Luft, während unsere Zimmer auf die Straße gehen und den ganzen Tag schön hell sind. Allerdings liegt uns gegenüber das städtische Gefängnis, so daß unsere Zimmer auf die lange und eintönige Gefängnisfassade mit den vergitterten Fenstern gehen, hinter denen schon früh die Lichter ausgelöscht werden. Was in den Zellen geschieht, wissen wir nicht, wir stellen es uns aber manchmal vor. Kurz: Unsere Zimmer sind hoch und hell, wenn auch nicht modern, so daß meine arme Frau jeden Freitag die Dielen scheuern muß. Der Opernsänger ist während unserer Abwesenheit in die anderen, natürlich viel kleineren Zimmer gezogen, doch hat er, wie wir sehen, alle Spuren seines Einzugs beseitigt, alles ist noch schön ordentlich. Er scheint ein stiller Mensch zu sein, wir können ihn nicht hören, auch als wir beim Betreten des Korridors laut: Guten Abend, Herr Popper! sagen. Diese Stille ist wichtig, weil ich in meiner Wohnung viel Ruhe haben muß. Zum Komponieren, meine ich, zum Hineinhorchen in mich selber.“






Gert Hofmann (29. Januar 1931 – 1. Juli 1993)

Mittwoch, 28. Januar 2009

Peter Verhelst, Maik Lippert

Der belgische Lyriker und Schriftsteller Peter Verhelst wurde am 28. Januar 1962 in Brügge, Belgien geboren. Peter Verhelst ist auch Theaterautor, Theatermacher und Performer und gehört damit in Flandern zu den wichtigsten zeitgenössischen Kulturträgern. Er debütierte Ende der achtziger Jahre als Dichter und hat sich seitdem außer in der Lyrik auch in den Genres Roman und Schauspiel einen Namen gemacht. Von seinen sieben oder acht Romanen sind bisher lediglich zwei in deutscher Sprache erschienen, Het “spierenalfabet” aus dem Jahre 1995, das als ‚Das Muskelalphabet’ herausgegeben wurde und das 1996 veröffentlichte Buch “De kleurenvanger”, das in Deutschland unter dem Titel ‚Der Farbenfänger’ in den Verkauf kam. Für seinen Roman Tongkat erhielt er die Literaturpreise ’De gouden uil’, ’De Jonge Gouden Uil’ und den flämischen Literaturpreis.


Alaska - Irgendwann muss uns einer von den Alaskas

ALASKA

If travel is searching
And home what’s been found
I’m not stopping
I’m going hunting
I’m a hunter
I’ll bring back the goods
But I don’t know when

BJÖRK
(Hunter)



Irgendwann muss uns einer von den Alaskas
Entwischt sein,
ein Feuerklumpen, auf seinem Weg,
fiebrig, durch die Savanne, sich von
einer Seite auf die andere werfend,
gleichgültig sandfarben, unter keuchender Sonne,
aufgegangen unter einem Dach aus Blättern, fleckig,
mit nadeldürren Pupillen schaut er uns an,
blitzend, wir beugen uns ein paar Meter tiefer
über dieses Rätsel
der sich in Luft auflösenden Spuren,
bis wir fühlen, wie uns der Blick im Nacken
brennt, wir hören, verzögert, wie sich eine Kugel in den Lauf
schiebt, es knackt, und wir lassen uns in dieser
einen luftleeren Sekunde vor der Zündung auf den
Rücken fallen, wir liegen, schießt es uns durch
Den Kopf, schon blind von einem Schneesturm
Auf der Ebene, als würden Tausende von ihnen
Gleichzeitig auf uns runtergehen, erfroren
In ihrem Sprung, Flusen, nach denen wir tasten,
ohne Chance, weil sie sich wie Schmetterlinge
zwischen unseren Fingern hindurchquetschen, um Jahre
später in uns
einen neuen Alaska aufflammen zu lassen.




Alaska - Du stehst da und

Du stehst da und
Funkelst allein
In einem Pelz aus Schnee
Und Beize umschwärmt
Von Spiegelungen die sich
Mit gespitzten Ohren voneinander
Abstoßen als wären sie ein Opfer
Der Schollenbewegung bis sie
Schließlich hervorgekrochen
Aus Spiegel und Spiegel jenseits
Der Vernunft und jenseits von
Müdigkeit unter einer merkwürdig
Eingefärbten Polarnacht daliegen und
Keuchen einer nach dem anderen
Träge wie eine Eisscholle in die Knie
Geht eine Ruhe in Resten
Aus geronnenem Fett
ein Schrei der sich in Echos
fortschleudert über eine schier endlose
Ebene abdriftet und irgendwann mal wieder fest
in deinem Gesicht landet.




Übersetzt von Thomas Kunst







Peter Verhelst (Brügge, 28. Januar 1962)





Der deutsche Lyriker und Schriftsteller Maik Lippert wurde am 28. Januar 1966 in Erfurt geboren. Von 1986 bis 1991 studierte er Wirtschaft in Moskau. Zwischen 1994 und 2003 lebte er in Frankfurt am Main und war unter anderem bei der Chemag AG kaufmännisch tätig. Heute arbeitet er als Berufsschullehrer in Berlin. Er ist seit 2005 mit der Schriftstellerin Katharina Lippert verheiratet. Er publiziert in Literaturzeitschriften und Anthologien wie dem Jahrbuch der Lyrik 2007 oder Lyrik von Jetzt und ist ein Bewunderer des Werks von T. S. Eliot und Arno Schmidt. Lippert debütierte 1995 mit Suizid wird nicht länger strafrechtlich verfolgt, einer gemeinsamen Publikation mit Ekkehard Schulreich aus Leipzig im Selbstverlag. Weitere Bände sind seitdem erschienen.
Maik Lippert erhielt einen Preis der Zeitschrift Das Magazin (Berlin) zum MDR - Literaturwettbewerb 2000 sowie im Rahmen des Literarischen März 2001 der Stadt Darmstadt den Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis 2001.



engelsposaune

jeden morgen der kelch
das gelb von gummihandschuhen
ein fingerzeig gottes
liegt auf dir
beim vorbeigehen am vorgarten
zur haltestelle
lukas stöbert
in den abfallkörben
den krumen nach
wandert am packpapier
die geäderte stierzunge
wie ein blatt
vom nachtschatten
noch bleich die geliebte
in der hand
das buch mit blauem einband
monologe über engelarten
und du denkst
an zierliche schulterblätter




rippenzählen

ich kam zu dir
rippenzählen
was hatte ich mehr
als deinen rücken
nach der schicht
rauchtest du erstmal
bis dein kopf ganz
porzellan war







Maik Lippert (Erfurt, 28. Januar 1966)

Dienstag, 27. Januar 2009

Lewis Carroll, Benjamin von Stuckrad-Barre

Der Englische Schriftsteller Lewis Carroll wurde am 27. Januar 1832 in Daresbury in England als der Sohn eines Geistlichen geboren und wuchs dort mit zehn weiteren Geschwistern auf. 1846 begann er seine Schulausbildung an der Rugby School und machte 1854 seinen Abschluss am Christ Church College in Oxford, das auch für seinen weiteren Lebensweg bestimmend bleiben sollte. Carroll machte seinen Abschluss am Christ Church College mit besonderem Erfolg im Bereich der Mathematik und des Schreibens. Er blieb als Mathematiklehrer an der Schule. Um 1881 gab Carroll seine Lehrtätigkeit auf und widmete sich ganz dem Schreiben. 1865 wurde sein berühmtes Buch Alice's Adventures in Wonderland (Alice im Wunderland) veröffentlicht, 1872 folgte die Fortsetzung Through the Looking Glass (Alice hinter den Spiegeln). Beide Werke waren von Anfang an ein großer Erfolg und werden heute als Kinderbücher mit satirischem Anklang angesehen, die in einer sehr phantasievollen, bizarren Welt spielen. Dabei haben sie jedoch noch eine weitere Facette, die den Mathematiker Carroll faszinierte: die Geschichten sind voller Denkspiele, Rätsel und Paradoxien und stellen somit auch Lehrbücher der Logik dar.

Aus: Alice im Wunderland (übersetzt von Antonie Zimmermann)

„Alice fing an sich zu langweilen; sie saß schon lange bei ihrer Schwester am Ufer und hatte nichts zu thun. Das Buch, das ihre Schwester las, gefiel ihr nicht; denn es waren weder Bilder noch Gespräche darin. "Und was nützen Bücher," dachte Alice, "ohne Bilder und Gespräche?"
Sie überlegte sich eben, (so gut es ging, denn sie war schläfrig und dumm von der Hitze,) ob es der Mühe werth sei aufzustehen und Gänseblümchen zu pflücken, um eine Kette damit zu machen, als plötzlich ein weißes Kaninchen mit rothen Augen dicht an ihr vorbeirannte.
Dies war grade nicht sehr merkwürdig; Alice fand es auch nicht sehr außerordentlich, daß sie das Kaninchen sagen hörte: "O weh, o weh! Ich werde zu spät kommen!" (Als sie es später wieder überlegte, fiel ihr ein, daß sie sich darüber hätte wundern sollen; doch zur Zeit kam es ihr Alles ganz natürlich vor.) Aber als das Kaninchen seine Uhr aus der Westentasche zog, nach der Zeit sah und eilig fortlief, sprang Alice auf; denn es war ihr doch noch nie vorgekommen, ein Kaninchen mit einer Westentasche und einer Uhr darin zu sehen. Vor Neugierde brennend, rannte sie ihm nach über den Grasplatz, und kam noch zur rechten Zeit, um es in ein großes Loch unter der Hecke schlüpfen zu sehen.
Den nächsten Augenblick war sie im nach in das Loch hineingesprungen, ohne zu bedenken, wie in aller Welt sie wieder herauskommen könnte.
Der Eingang zum Kaninchenbau lief erst geradeaus, wie ein Tunnel, und ging dann plötzlich abwärts; ehe Alice noch den Gedanken fassen konnte sich schnell festzuhalten, fühlte sie schon, daß sie fiel, wie es schien, in einen tiefen, tiefen Brunnen.
Entweder mußte der Brunnen sehr tief sein, oder sie fiel sehr langsam; denn sie hatte Zeit genug, sich beim Fallen umzusehen und sich zu wundern, was nun wohl geschehen würde. Zuerst versuchte sie hinunter zu sehen, um zu wissen wohin sie käme, aber es war zu dunkel etwas zu erkennen. Da besah sie die Wände des Brunnens und bemerkte, daß sie mit Küchenschränken und Bücherbrettern bedeckt waren; hier und da erblickte sie Landkarten und Bilder, an Haken aufgehängt. Sie nahm im Vorbeifallen von einem der Bretter ein Töpfchen mit der Aufschrift: "Eingemachte Apfelsinen", aber zu ihrem großen Verdruß war es leer. Sie wollte es nicht fallen lassen, aus Furcht Jemand unter sich zu tödten; und es gelang ihr, es in einen andern Schrank, an dem sie vorbeikam, zu schieben.“






Lewis Carroll (27. Januar 1832 – 14. Januar 1898)




Der deutsche Schriftsteller und Journalist Benjamin von Stuckrad-Barre wurde am 27. Januar 1975 in Bremen als viertes Kind einer Pastorenfamilie geboren und wuchs in Rotenburg (Wümme) auf. Dort besuchte er von 1987 bis 1990 das Ratsgymnasium. Seit 1993 arbeitet er als Schriftsteller. Nach seinem Abitur 1994 am Max-Planck-Gymnasium in Göttingen zog er nach Hamburg und begann ein Studium der Germanistik, das er jedoch bald darauf abbrach. Nach verschiedenen Praktika, u. a. beim NDR und der taz, folgten Anstellungen als Redakteur bei der Zeitschrift Rolling Stone, als Produktmanager beim Plattenlabel Motor Music und als Autor der Harald Schmidt Show. Nebenbei war er als freier Mitarbeiter diverser Zeitungen und Magazine wie FAZ, Die Woche, Stern und taz tätig. Bekanntheit erreichte er vor allem mit seinem 1998 erschienenen Debütroman Soloalbum, der 2003 auch verfilmt wurde. Durch den Erfolg dieses Romans und seiner folgenden Werke entwickelte sich Stuckrad-Barre zu einem der neuen deutschen Popliteraten der 1990er Jahre.

Aus: Was.Wir.Wissen.

“Alles kann man nicht wissen. Das weiß jeder. Bis immerhin Goethe (†1832) war das Weltwissen noch so überschaubar, dass man es sich komplett aneignen konnte – angeblich. Heute weiß man mehr und keiner mehr alles. Doch was man wenigstens wissen sollte, wird gern und häufig diskutiert und tabellarisch daherbehauptet. Allgemeinbildung!
Sollte man haben. Überhaupt: Das Wissen eines jeden wächst natürlich von Geburt bis Tod. Man lernt dazu – und wozu genau? Zum schon Gewussten, Abgenickten, Bewiesenen. Und wofür, das weiß man ja auch, nämlich nicht für die Schule. Sad vitae, traurige Lebensläufe.
Ein Witz, ein Fehler? Vielleicht auch ein Filmtitel. Mal nachgucken – und schon ist man drin.
Das ideale Medium, Wissen zu archivieren, zu verbreite(r)n, stetig, vertieft zu verknüpfen, ist mit dem Internet gefunden. Finden kann man dort alles, nur verliert man sich (tatsächlich und wortwörtlich alles Mögliche findend) bei der Suche gern einmal. Was es alles gibt, staunt man und ist so ratlos wie fasziniert. Es gibt nichts, was es nicht gibt, heißt es im so genannten Volksmund. Dieser wird gemeinhin als Urheber und Benutzer solcher Weisheiten, Bezeichnungen und Redewendungen identifiziert, deren Gebrauch zum Brauch geworden ist.
In diesen Prozess von Sprach- und Wissensentwicklung ermöglicht das Internet frühzeitig Einblick und Teilnahme. Jeder darf mitdefinieren. Und die relative Gleichförmigkeit von Präsentation, Zugänglichkeit und Ausschilderung von Quellen sehr unterschiedlicher Qualität spiegelt und potenziert die Verwirrung. An Wegweisern, Empfehlungen, Leitplanken und Abholungsangeboten mangelt es so wenig wie an Warnungen, Abschreckungen und Alternativen. Pisa usw.? Eher Babel und so www. Es wird Zeit, diesem Maul mal aufs Volk zu schauen."






Benjamin von Stuckrad-Barre (Bremen, 27. Januar 1975)

Montag, 26. Januar 2009

Achim von Arnim, Alfons Paquet

Der deutsche Schriftsteller Achim von Arnim wurde am 26. Januar 1781 als Spross eines alteingesessenen Adelshauses in Berlin geboren. Sein Vater war preußischer Kammerherr und Diplomat in Kopenhagen und Dresden, zeitweise auch Intendant der Berliner Theaterlandschaft; er selbst verbrachte einen Gutteil seiner Kindheit und Jugend bei seiner Großmutter. Während seines Studiums der Rechts- und der Naturwissenschaften in Halle (1798/99) und Göttingen (1800/01) lernte er Clemens Brentano kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. 1801 begab Arnim sich mit seinem Bruder auf eine dreijährige Bildungsreise durch Europa, vor allem durch Frankreich und England, wobei er in Dresden mit Ludwig Tieck zusammenkam. Gemeinsam mit Joseph von Görres bildeten Arnim und Brentano nach ihrem Umzug nach Heidelberg 1805 das Zentrum der jüngeren Romantik. Arnims gemeinsam mit Brentano herausgegebene dreibändige Sammlung Des Knaben Wunderhorn (1806-1808) mit etwa 600 Bearbeitungen deutscher Volkslieder, deren Idee wohl auf einer gemeinsamen Rheinfahrt 1802 geboren wurde, gehört zu den wichtigsten Zeugnissen einer von der Romantik propagierten „Volksdichtung”. Enthalten sind Liebes-, Kinder-, Kriegs- und Wanderlieder vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert. Arnims Novellensammlung Der Wintergarten (1809) zeigt die Hinwendung zum Übernatürlichen und übte ebenso wie der Eheroman Armut, Reichtum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores (1810) großen Einfluss auf die in der Tradition der Romantik stehenden Dichter aus.

Aus: Die Majoratsherren

“Wir durchblätterten eben einen ältern Kalender, dessen Kupferstiche manche Torheiten seiner Zeit abspiegeln. Liegt sie doch jetzt schon wie eine Fabelwelt hinter uns! Wie reich erfüllt war damals die Welt, ehe die allgemeine Revolution, welche von Frankreich den Namen erhielt, alle Formen zusammenstürzte; wie gleichförmig arm ist sie geworden! Jahrhunderte scheinen seit jener Zeit vergangen, und nur mit Mühe erinnern wir uns, daß unsre früheren Jahre ihr zugehörten. Aus der Tiefe dieser Seltsamkeiten, die uns Chodowieckis Meisterhand bewahrt hat, läßt sich die damalige Höhe geistiger Klarheit erraten; diese ermißt sich sogar am leichtesten an den Schattenbildern derer, die ihr im Wege standen und die sie riesenhaft über die Erde hingezeichnet hat. Welche Gliederung und Abstufung, die sich nicht bloß im Äußern der Gesellschaft zeigte! Jeder einzelne war wieder auch in seinem Ansehn, in seiner Kleidung eine eigene Welt, jeder richtete sich gleichsam für die Ewigkeit auf dieser Erde ein, und wie für alle gesorgt war, so befriedigten auch Geisterbeschwörer und Geisterseher, geheime Gesellschaften und geheimnisvolle Abenteurer, Wundärzte und prophetische Kranke die tiefgeheime Sehnsucht des Herzens, aus der verschlossenen Brusthöhle hinausblicken zu können. Beachten wir den Reichtum dieser Erscheinungen, so drängt sich die Vermutung auf, als ob jenes Menschengeschlecht sich zu voreilig einer höheren Welt genahet habe und, geblendet vom Glanze der halbentschleierten, zur dämmernden Zukunft in frevelnder Selbstvernichtung fortgedrängt, durch die Notdurft an die Gegenwart der Erde gebunden werden mußte, die aller Kraft bedarf und uns in ruhiger Folge jede Anstrengung belohnt.”






Achim von Arnim (26. Januar 1781 - 21. Januar 1831)
Kupferstich von Hans Meyer





Der deutsche Dichter, Journalist und Schriftsteller Alfons Paquet wurde am 26. Januar 1881 in Wiesbaden geboren. 1900 gewann er einen Preis für eine Erzählung und entschloss sich, nach Berlin zu übersiedeln und Journalist zu werden. Schon 1901 veröffentlichte er einen ersten Erzählungsband und im darauffolgenden Jahr ein Buch mit Gedichten und Liedern. Bereits 1903 begann Paquet eine - sein ganzes späteres Leben bestimmende - Reisetätigkeit. Er fuhr mit der neu eröffneten Transsibirischen Eisenbahn durch Sibirien. Schon im nächsten Jahr unternahm er eine Reise in die USA, zur Weltausstellung nach St. Louis. In dieses Jahr fällt auch der Beginn seiner Arbeit für die Frankfurter Zeitung. In den Jahren bis zum Ersten Weltkrieg unternahm Paquet mehrmals Reisen in die Mongolei und nach China, eine Fahrt mit der Bagdadbahn bis nach Syrien und an diverse andere Ziele. Außerdem war er Zeuge der Ferrer-Unruhen in Paris. Diese Unruhen bildeten die Folie für seinen ersten Roman Kamerad Fleming. In den Zwanziger Jahren schrieb Paquet vermehrt für das Theater. Seine Stücke wurden von Erwin Piscator an der Berliner Volksbühne aufgeführt. 1932 wurde Alfons Paquet in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen, in Frankfurt überreichte er als Repräsentant der Stadt den Goethepreis. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten jedoch verlor er beide Privilegien.Während eines Bombenangriffs im Februar 1944 starb Alfons Paquet im Keller seines Wohnhauses an einem Herzinfarkt.

Aus: Im kommunistischen Russland

„Mitten auf den Plätzen stehen Tribünen, verkleidet in Pierrotstoffen, in ekstatischen Blättermustern. [...] Die Balkone des Gouverneurspalastes tragen wehende, rote Fahnen; von allen Fenstersimsen hängt in ewiger Wiederholung das unheraldische Wappen der wildesten Republik: die von der Sichel gefaßte Ähre auf runden, menningroten, karmensinfarbenen und weißen Skythenschildern. Der Bauzaun eines unvollendeten großen Eckgebäudes nicht weit davon bietet eine Bretterfläche, die sich bis in die Nebenstraße fortsetzt; Kandinski mit seinen Schülern hat diese Fläche entdeckt und in Beschlag genommen. Die Maler haben Kübel voll Farbe an ihr leergemacht, sie führten ihre Pinsel und Besen mit orgiastischer Armbewegung, malten Jünglingsgestalten von elegant verschrobener Magerkeit, marschierende Gestalten, wirbelnde Räder, sprühende Kanonenschlünde, prismatisch auseinandergerissene Lichter, und über einem schwarzen Eisenleib mit glühenden Laternenaugen die Inschrift:
Die Revolution ist die Lokomotive der Geschichte.“



Aus: Held Namenlos

Auf ihren Ochsen sind mir die Männer entgegengeritten
In roten Mänteln, mit der kosmischen Gastlichkeit ihrer Welt;
Auf alten Grabhügeln saßen wir inmitten,
Und ihre Weiber entkleideten zum Geschenk sich im Zelt.
Im stürmenden Sande grunzte die Karawane,
Die Tiere fielen vor Hunger, erstickten in des Fußbodens grauem Schleim;
In der Sandwüste ein Schädel, nur gehütet von einer kleinen Fahne,
Modert, und rollt den Abhang hinab, als wollte er dennoch heim.
Nicht eine Erbse von Silber gab ich für die Seide der ellenlangen
Köstlichen Fahnen, mit indischen Göttern und Regenbogen bestickt,
Die auf den Steinhaufen der Hochpässe als Opfer hangen,
Mit Pferdehaaren, mit gebleichten Schafsschulterblättern geschmückt.






Alfons Paquet (26. Januar 1881 – 8. Februar 1944)

Suche

 

Status

Online seit 6077 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 23. Jan, 19:14

Credits

Zufallsbild

Cohen

Counter


Weltliteratur
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren