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Mittwoch, 1. April 2009

Carl Sternheim, Urs Allemann

Der deutsche Schriftsteller Carl Sternheim wurde am 1. April 1878 in Leipzig geboren. Carl Sternheim war der Sohn eines jüdischen Bankiers. Er wuchs in Hannover und Berlin auf. 1897–1902 studierte er Philosophie, Psychologie und Rechtswissenschaften in München, Göttingen und Leipzig ohne Abschluss. Ab 1900 lebte und arbeitete als Freier Schriftsteller zunächst in Weimar, wo er Eugenie Hauth heiratete. In zweiter Ehe war er ab 1907 mit Thea Sternheim geb. Bauer verheiratet, mit der er zwei Kinder hatte. Thea, Tochter eines vermögenden Fabrikanten, ermöglichte ihm den Bau des Schlosses Bellemaison bei München. Sternheim verkehrte hier mit Künstlern wie Mechtilde Lichnowsky, Max Reinhardt und Frank Wedekind und baute eine Kunstsammlung auf. Ab 1908 gab er gemeinsam mit Franz Blei den ersten Jahrgang der Zeitschrift Hyperion heraus. 1912 zog er nach Belgien, 1918 − infolge des Ersten Weltkriegs – nach St. Moritz und Uttwil in der Schweiz. Nach erneuter Scheidung war er von 1930 bis 1934 mit Pamela Wedekind verheiratet und lebte ab 1935 mit Henriette Carbonara im Exil in Belgien. Sternheims Werke waren in der Zeit des Nationalsozialismus verboten. Nach der deutschen Besetzung der Niederlande und Belgiens beging er am 3. November 1942 in Brüssel Suizid.

Aus: Die Hose

“Als ich neunzehnhundertundacht ein bürgerliches Lustspiel veröffentlichte, kannte die deutsche Bühne nach Gerhart Hauptmanns Naturalismus nur die Maskerade vom alten Fabelkönig, der jungen Königin, dem famosen Pagen, die unter mannigfaltigen Verkleidungen neuromantisch auftraten; reich kostümiert von Wirklichkeit fort Glanz sprachen, Erhabenheit handelten. In meinem Stück verlor ein Bürgerweib die Hose, von nichts als der banalen Sache sprach in kahlem Deutsch man auf der Szene.
Ob solcher Einfalt fällte Welt das Urteil: wie war das Dichtung? Eine bürgerliche Hose und fünf Spießer, die von ihr räsonierten? Wo blieb gewohnter Glanz (ersatz) wo (Pseudo) Naturalismus? In einer Sprache redeten dazu von der Albernheit die Leute, die in keinem Buch, keiner Zeitung stand, und die kein besserer Bekannter sprach. Der Autor, offenbarer Absicht, ließ der Komödie eine Anzahl anderer folgen, die der ersten wesentlich Neues nicht hinzufügten. Von durchschnittlichen Dingen sprach man weiter, behandelte Beiläufiges mit Emsigkeit und einem Nachdruck, der vorher nicht an bürgerliche Welt gewandt war. Doch diese Welt, die in der Öffentlichkeit keine Rolle spielen mochte, anderen der Verantwortung Ehre und Bürde überließ, blieb, als sie eines neugierigen Auges Scheinwerfer auf sich gerichtet sah, verwirrt und wie ertappt: schrie aus vollem Hals den Friedensstörer an, und die ergebene Presse des Iuste milieu zog blank.”








Carl Sternheim (1. April 1878 – 3. November 1942)





Der Schweizer Lyriker und Schriftsteller Urs Allemann wurde am 1. April 1948 in Schlieren geboren. Seine Erzählung Babyficker war Mittelpunkt eines Skandals beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. Seitdem ist Allemann mit avantgardistischen Gedichten hervorgetreten. Allemann in Bonn und Berlin auf. Er studierte Germanistik und Anglistik an der Universität Marburg und Soziologie und Sozialpsychologie an der Universität Hannover. Von 1975 bis 1976 war er Redakteur der Zeitschrift Theater heute. Von 1986 bis 2005 leitete er das literarische Feuilleton der Basler Zeitung. Er lebt in Bettingen bei Basel und arbeitet als freier Schriftsteller und Poesie-Performer, Rezitator eigener und fremder Werke (u.a. von Wilhelm Busch, Robert Gernhardt, Erich Kästner, Christian Morgenstern und Robert Walser).Seit 2001 veröffentlichte Allemann Gedichtbände, in denen er tradierte Poesieformen auf eigenwillige Art wiederbelebte.


Sapphisch die siebte

Ob vom eignen Herzschlag erschlagen du zu
singen wes und zuckts übern Boden ob du
hinschlugst es vor Augen herauf noch schwarz und
sie es dir abschlug

von der Zunge als du sie harrten Steine
aber wes Gebrüll noch im Knochen leise
es davontrug und überm Fleisch der Geier
als es zu schneien

noch sich totstellt dass du es zu verschweigen
wär wes Aas vorm Zerrspiegel bräch das Maul wund
Blut zu sagen dass es dich zu zerreissen
rot übers Wort fuhr





Elegisch die dritte

Als den Gebirgssturz passierend er sah wie das Flugzeug aus Fleisch am
Felsen zerplatzte und schrie unter der Blutwolke o
dass Myriaden von Fliegen den Hirnpunkt den Herzspalt und schwärmten
auf ach und brannte so süss dies dass der Rauch Gesang
zwar doch die Zunge zerfiel und floss aus dem Mund an den Knochen
ab in die Schluchten das Wort aber es hielt ihn nicht
Haut sondern spie ihn hinaus und hinauf dass die Arme er wieder
weit und der Schnabel die Brust auf bis im Frein der Motor
stampfte und sah es nicht und lauschte und war der Propeller
der ihn noch einmal emporschraubend sich aufhob und war
nichts als die Glühlaus am schwarzen am Schädel am Himmel und pickte
selber sich weg und verschlang das Helikopter-Ioo
als an der Leber des Adlers der hohle der Zahn des Prometheus
nagte und schenkte ein Licht ihm im Schenkel der Stern
der aus dem Fleisch schon heraus sich zu drehen und nannte es Auge
was als winziger Mond lidlos ihm um den Kopf
schwirrte doch kaum es ihn sah wie die Bombe dem Krater entgegen
flog über Kopf der Vulkan ziellos Raketenmusik








Urs Allemann (Schlieren, 1 april 1948)

Dienstag, 31. März 2009

Enrique Vila-Matas, Nichita Stănescu

Der spanische (katalanische) Schriftsteller Enrique Vila-Matas wurde am 31. März 1948 in Barcelona geboren. Enrique Vila-Matas hat seit 1973 zehn Romane und zahlreiche Erzählungen geschrieben, die in fünfzehn Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet wurden. Vila-Matas lebt und arbeitet heute in Barcelona. In Frankreich wurde er 2007 zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Vila-Matas hat sich früh an der französischen und lateinamerikanischen Literatur orientiert und Romane und Erzählungen geschaffen, die geprägt sind von seinen umfassenden Literaturkenntnissen. Oft knüpft er an das Werk eines namhaften Schriftstellers an. So bezieht er sich in " Paris hat kein Ende " auf das Alterswerk Ernst Hemingways, um seine ersten Schreibversuche in Paris zu schildern und das Untermieter Dasein in der rue St. Benoit, im Haus von Marguerite Duras.

Aus: Paris hat kein Ende (Übersetzt von Petra Strien)

„Ich reiste nach Key West, Florida, und meldete mich bei dem diesjährigen Wettbewerb für Doppelgänger des Schriftstellers Ernest Hemingway an. Die Veranstaltung fand im ›Sloppy Joe’s‹ statt, der Lieblingsbar des Autors in Cayo Hueso im äußersten Süden von Florida. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass die Teilnahme an diesem Wettbewerb – der einen großen Zulauf von kräftigen, graubärtigen Männern verzeichnete, allesamt auf lächerliche Weise detailversessene Hemingwaydoubles – ein einmaliges Erlebnis war.
Seit ich durch zu viel Alkoholgenuss ein wenig beleibter werde, bilde ich mir in den letzten Jahren – trotz der gegenteiligen Ansicht meiner Frau und meiner Freunde – ein, Hemingway, dem Idol meiner Jugend, immer ähnlicher zu werden. Zwar hat mir darin noch nie jemand Recht geben wollen, doch ich bin nun einmal dickköpfig und habe mich daher im letzten Sommer kurz entschlossen bei dieser Veranstaltung beworben, um alle eines Besseren zu belehren.
Vorweg sei gesagt, dass ich mich entsetzlich blamiert habe. Ich bin also tatsächlich nach Key West gereist, habe an dem Wettbewerb teilgenommen und schnitt als Letzter ab; besser gesagt, ich schied vorzeitig aus; na ja, man hat mich disqualifiziert, und was das Schlimmste ist, nicht etwa wegen meines falschen Bartes – davon haben sie gar nichts bemerkt –, sondern weil ich angeblich »jeglicher Ähnlichkeit mit Hemingway entbehrte«.






Enrique Vila-Matas (Barcelona, 31. März 1948)





Der rumänische Dichter Nichita Stãnescu wurde am 31. März 1933 in Ploieşti geboren. 1980 War er in der engeren Wahl für den Nobelpreis. Stãnescu war einer der bedeutendsten rumänischen Dichter der Nachkriegszeit, der einen eigenen Ton in die europäische Lyrik der Gegenwart einbrachte, doch blieb er im Vergleich zu seiner Bedeutung auch für die Weltlyrik als Dichter einer kleinen Sprache fast unbekannt.



Sentimental story

Then we met more often.
I stood at one side of the hour,
you at the other,
like two handles of an amphora.
Only the words flew between us,
back and forth.
You could almost see their swirling,
and suddenly,
I would lower a knee,
and touch my elbow to the ground
to look at the grass, bent
by the falling of some word,
as though by the paw of a lion in flight.
The words spun between us,
back and forth,
and the more I loved you, the more
they continued, this whirl almost seen,
the structure of matter, the beginnings of things.





Unwords

He offered me a leaf like a hand with fingers.
I offered him a hand like a leaf with teeth.
He offered me a branch like an arm.
I offered him my arm like a branch.
He tipped his trunk towards me
like a shoulder.
I tipped my shoulder to him
like a knotted trunk.
I could hear his sap quicken, beating
like blood.
He could hear my blood slacken like rising sap.
I passed through him.
He passed through me.
I remained a solitary tree.
He
a solitary man.




Übersetzt von Thomas Carlson und Vasile Poenaru








Nichita Stănescu (März 1933 – 13. Dezember 1983)

Montag, 30. März 2009

Paul Verlaine, Theo Breuer

Der französische Lyriker Paul Verlaine wurde geboren am 30. März 1844 in Metz. Verlaine war der Sohn eines Offiziers und lebte seine ersten Jahre in Metz, danach in Montpellier. In Paris besuchte er ab 1851 das Lycée Bonaparte. Nach Schulabschluß begann er eine Angestelltenlaufbahn bei der Pariser Stadtverwaltung. Er heiratete 1870 und führte zunächst ein bürgerliches Leben, verfiel dann aber der Trunksucht und verließ Frau und Beruf. 1871 - 1873 hatte er eine leidenschaftliche Freundschaft zu Rimbaud, mit dem er als Vagabund umherzog. Er übernahm Lehrerstellen in Frankreich und England, verfiel aber erneut dem Alkohol. Seine letzten Jahre verlebte er in Kneipen, Bordellen und Spitälern.



Cythère

Un papillon à claires-voies
Abrite doucement nos joies
Qu'éventent des rosiers amis ;

L'odeur des roses, faible, grâce
Au vent léger d'été qui passe,
Se mêle aux parfums qu'elle a mis ;

Comme ses yeux l'avaient promis
Son courage est grand et sa lèvre ;
Communique une exquise fièvre ;

Et, l'Amour comblant tout, hormis
La faim, sorbets et confitures
Nous préservent des courbatures.




Cythere

Ein Gartenhaus in stiller Sonne
Birgt sanft und zärtlich unsre Wonne,
Umweht von lieber Rosen Luft.

Der Rosen Atem süss und linde
Mischt sich im leichten Sommerwinde
Mit ihres Haares holdem Duft.

Ihr Blick war ihrer Kühnheit Pfand,
Es gab mir ihrer Lippen Blüte
Ein Fieber, das betörend glühte.

Da Liebe nicht den Hunger bannt,
So muß Sorbet mit süssen Dingen
Erquickung uns, den Müden, bringen.





Green

Voici des fruits, des fleurs, des feuilles et des branches,
Et puis voici mon coeur, qui ne bat que pour vous.
Ne le déchirez pas avec vos deux mains blanches
Et qu'à vos yeux si beaux l'humble présent soit doux.

J'arrive tout couvert encore de rosée
Que le vent du matin vient glacer à mon front.
Souffrez que ma fatigue, à vos pieds reposée,
Rêve des chers instants qui la délasseront.

Sur votre jeune sein laissez rouler ma tête
Toute sonore encor de vos derniers baisers ;
Laissez-la s'apaiser de la bonne tempête,
Et que je dorme un peu puisque vous reposez.



Green

Hier hast du Zweige, Blätter, Früchte, Blumenspenden
Und hier mein Herz, es schlägt ja einzig dir allein.
Zerreiss' es nicht mit deinen feinen, weissen Händen:
Dir Schönen möge lieb die schlichte Gabe sein.

Noch ganz bedeckt von klarem Tau will ich dich grüssen,
Der meine Stirn erfrischt im kühlen Morgenwind.
Lass den Ermatteten ausruhn zu deinen Füssen,
Dass seine Müdigkeit in sel'gem Traum zerrinnt.

Und lass mein Haupt an deinem jungen Busen liegen,
Mein Haupt, das noch von deinen letzten Küssen bebt;
Mag nach dem freien Sturm mein Herz in Ruh sich wiegen
Und schlummern, da auch dich ein leiser Schlaf umwebt.






Spleen

Les roses étaient toutes rouges,
Et les lierres étaient tout noirs.

Chère, pour peu que tu te bouges,
Renaissent tous mes désespoirs.

Le ciel était trop bleu, trop tendre,
La mer trop verte et l’air trop doux.

Je crains toujours,—ce qu’est d’attendre
Quelque fuite atroce de vous.

Du houx à la feuille vernie
Et du luisant buis je suis las,

Et de la campagne infinie
Et de tout, fors de vous, hélas!




Spleen

Aus dem schwarzen Efeu grüsste
Der Rosen leuchtendes Rot,

Sobald du dich wendest, Süss'ste,
Fasst mein Herz die alte Not.

Mir waren die Lüfte, die zarten,
Zu licht und die See zu grün.

Furcht fasst mich und banges Erwarten,
Du möchtest mich grausam fliehn.

Mich lockt nicht der Blätter Glänzen
Und des Buchsbaums schimmernde Zier,

Nicht das weite Land ohne Grenzen,
Und nichts mehr, nichts, ausser dir!








Paul Verlaine (30. März 1844 – 8. Januar 1896)
Porträt von Frédéric Bazille, 1868




Der deutsche Lyriker, Schriftsteller und Herausgeber Theo Breuer wurde am 30. März 1956 in Bürvenich geboren. Seit 1987 betätigt sich Theo Breuer, der von 1974 bis 1980 Germanistik und Anglistik an der Universität zu Köln studierte, als Essayist, Lyriker, Übersetzer, Herausgeber und Kleinverleger. Gedichte wurden in zahlreichen Anthologien, Literaturzeitschriften und Künstlerbüchern veröffentlicht. Theo Breuer schreibt Buchvorstellungen und Essays über zeitgenössische Lyrik, visuelle Poesie, Mail Art, Prosa und verfasst Autoren- und Verlagsporträts. Breuer ist Herausgeber der lyrischen Künstlerbuchreihe edition bauwagen und der von ihm 1993 gegründeten Edition YE, in der neben einer Lyrikreihe die Lyrikzeitschrift Faltblatt sowie die Schachteledition YE erscheinen.


alle neune

wörterkegel (sacht) gepackt
grobe silben sieben sieben
sechsmal klein & kurz gehackt
fünfmal her & hin getrieben
doppelversig viergeteilt
drei bilder verschoben
mit zwei linsen angepeilt
eins in eins verwoben




land stadt flucht

biberschwanzpfannen
spiegel voll nachmittagsschweiß
aus schwärzlichem rot

bienen im kurpark
flatternd fallende schirme
zahnlose männer

autobahnbrücke
geschwungener landschaftsstrich
letzter finsterblick








Theo Breuer (Zülpich, 30. März 1956)

Sonntag, 29. März 2009

Yvan Goll, Ernst Jünger

Der deutsch-französische Dichter Yvan Goll kam am 29. März 1891 in Sankt Didel zur Welt, einer bis 1871 französischen Stadt in den Vogesen, die damals Teil des Deutschen Reiches war. Er studierte an der Universität Straßburg zunächst Rechtswissenschaften und promovierte 1912 zum Doktor der Philosophie. Als Pazifist vor dem Wehrdienst fliehend, emigrierte er zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 in die Schweiz, wo er in Zürich, Lausanne und Ascona lebte. Nach Kriegsende zog es Goll in die französische Hauptstadt Paris. Hier heiratete er die Journalistin Clara Aischmann, geschied. Studer. Bei Freunden in Berlin lernte Ivan Goll die neun Jahre jüngere Lyrikerin Paula Ludwig kennen, mit der er eine leidenschaftliche Liebes- und Arbeitsbeziehung begann. Mit seiner Frau floh Goll 1939 am Anfang des Zweiten Weltkriegs ins New Yorker Exil und kehrten nach der Niederlage des Nationalsozialismus 1947 nach Frankreich zurück. Als Lyriker ging Yvan Goll vom deutschen Expressionismus aus. Zudem war er aber auch ab 1919 einer der Wortführer des französischen Surrealismus. 1920 erschien in der Anthologie Menschheitsdämmerung die Vers- und die Prosafassung seiner Dichtung Panamakanal. 1924 kam das von ihm 1919 verfasste satirische Drama Methusalem oder Der ewige Bürger in Berlin zur Uraufführung. Darin nahm Goll erhebliche Elemente des absurden Theaters vorweg. Trotz seiner Bedeutung für Expressionismus und Surrealismus und seines dreisprachigen Schreibens in englischer, französischer und deutscher Sprache blieben Golls Werke in Deutschland recht unbekannt.



Der Staubbaum

Ein Staubbaum wächst
Ein Staubwald überall wo wir gegangen
Und diese Staubhand weh! rühr sie nicht an!

Rings um uns steigen Türme des Vergessens
Türme die nach innen fallen
Aber noch bestrahlt von deinem orangenen Licht!
Ein Staubvogel fliegt auf

Die Sage unsrer Liebe laß ich in Quarz verwahren
Das Gold unsrer Träume in einer Wüste vergraben
Der Staubwald wird immer dunkler
Weh! Rühr dieseStaubrose nicht an!




Stunden

Wasserträgerinnen
Hochgeschürzte Töchter
Schreiten schwer herab die Totenstraße
Auf den Köpfen wiegend
Einen Krug voll Zeit
Eine Ernte ungepflückter Tropfen
Die schon reifen auf dem Weg hinab
Wasserfälle Flüsse Tränen Nebel Dampf
Immer geheimere Tropfen immer kargere Zeit
Schattenträgerinnen
Schon vergangen schon verhangen
Ewigkeit









Yvan Goll (29. März 1891 – 27. Februar 1950)
Plakette von Marc Chagall




Der deutsche Schriftsteller Ernst Jünger wurde am 29. März 1895 in Heidelberg. Als Schüler ging er zur Fremdenlegion. Er war Kriegsfreiwilliger im 1. Weltkrieg, ab 1925 freier Schriftsteller.Jüngers frühe Werke wie der Romanerstling „In Stahlgewittern“ (1920) oder der Essay „Der Kampf als inneres Erlebnis“ (1922) spiegeln seine Erfahrungen des 1.Weltkriegs wider; Jünger entwickelt hierin zunächst eine literarästhetische Haltung, die den heldisch kämpfenden Einzelgänger und seine stoische Verfassung im Angesicht von Kampf und Tod rühmen. Aufgrund seiner Ablehnung bürgerlicher Ethik und der modernen Gesellschaft sahen die Nationalsozialisten in Jünger einen literarischen Erzieher des Volkes; dieser schloss sich den NS-Machthabern jedoch wegen ästhetischer Vorbehalte nicht an. Nach dem 2. Weltkrieg verfasste Jünger zunehmend symbolische und utopische Werke sowie Reiseberichte und Tagebücher. Sein Werk, in dem er den Rückzug in einen antibürgerlichen und elitären Ästhetizismus vertritt, ist besonders im deutschsprachigen Raum bis heute umstritten. In Frankreich vielfach ausgezeichnet, erhielt Jünger gegen z. T. heftige Proteste 1982 den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main.

Aus: Der Waldgang

“Man wohnt da einem Wettbewerb von Geistern bei, die darüber streiten, ob es besser sei, zu fliehen, sich zu verbergen oder Selbstmord zu verüben, und die bei voller Freiheit schon darauf sinnen, durch welche Mittel und Listen sie sich die Gunst des Niederen erwerben können, wenn es zur Herrschaft kommt. Und mit Entsetzen ahnt man, daß es keine Gemeinheit gibt, der sie nicht zustimmen werden, wenn es gefordert wird. Darunter sieht man kräftige, gesunde Männer, die wie die Wettkämpfer gewachsen sind. Man fragt sich, wozu sie Sport treiben.

Nun sind aber dieselben Menschen nicht nur ängstlich, sondern fürchterlich zugleich. Die Stimmung wechselt von der Angst zu offenem Hasse, wenn sie jenen schwach werden sehen, den sie eben noch fürchteten. Und nicht nur in Europa trifft man solche Gremien. Die Panik wird sich noch verdichten, wo der Automatismus zunimmt und sich perfekten Formen nähert, wie in Amerika. Dort findet sie ihre beste Nahrung; sie wird durch Netze verbreitet, die mit dem Blitz wetteifern. Schon das Bedürfnis, mehrere Mal am Tage Nachrichten aufzunehmen, ist ein Zeichen der Angst; die Einbildung wächst und lähmt sich in steigenden Umdrehungen. All diese Antennen der Riesenstädte gleichen dem gesträubten Haar. Sie fordern zu dämonischen Berührungen heraus. ......”






Ernst Jünger (29. März 1895 – 17. Februar 1998)
Porträt von A. Paul Weber

Samstag, 28. März 2009

Mario Vargas Llosa, Nelson Algren

Der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa wurde am 28. März 1936 in Arequipa im Süden Perus geboren. Er wuchs an verschiedenen Orten Südamerikas auf und besuchte in Lima die Kadettenanstalt Leoncio Prado. Sein juristisches und geisteswissenschaftliches Studium schloss er 1958 in Madrid mit einer Promotion über Gabriel García Márquez ab. Im Jahr darauf veröffentlichte er unter dem Titel "Los jefes" ("Die Chefs") einen Band mit Erzählungen. Mario Vargas Llosa zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern der nueva novela. In seinen Romanen versucht er, die Vielfältigkeit subjektiver Wahrnehmungen wiederzugeben, und dem wirklichen Leben stellt er immer wieder eine erstrebenswertere Fiktion gegenüber. 1996 erhielt Mario Vargas Llosa den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Bei den peruanischen Präsidentschaftswahlen am 8. April 1990 kandidierte Mario Vargas Llosa für die oppositionelle "Frente Democrático" und erhielt die meisten Stimmen. Da er jedoch die absolute Mehrheit verfehlte, kam es am 10. Juni zu einer Stichwahl, in der Mario Vargas Llosa seinem Konkurrenten Alberto Fujimori unterlag.

Aus: Das Fest des Ziegenbocks (Übersetzt von Elke Wehr)

“Er wachte auf, gelähmt vom Gefühl einer Katastrophe. Reglos blinzelte er in der Dunkelheit, gefangen in einem Spinnennetz, kurz davor, von einem haarigen Tier voller Augen verschlungen zu werden. Endlich konnte er die Hand zum Nachttisch ausstrecken, auf dem er den Revolver und die Maschinenpistole mit dem eingelegten Magazin aufbewahrte. Aber statt nach de Waffe griff er nach dem Wecker: zehn Minuten vor vier. Er atmete auf. Jetzt war er völlig wach. Alpträume, schon wieder?
Er hatte noch ein paar Minuten; als Pünktlichkeitsfanatiker sprang er nicht vor vier aus dem Bett. Keine Minute früher oder später.
›Der Disziplin verdanke ich alles, was ich bin‹, dachte er. Und diese Disziplin, Kompaß seines Lebens, verdankte er den marines. Er schloß die Augen. Die Zulassungsprüfungen in San Pedro de Macor1´s für die Dominikanische Polizei, die die Yankees im dritten Jahr der Besetzung zu schaffen beschlossen hatten, waren extrem hart. Er bestand sie ohne Schwierigkeiten.
Im Zuge der Ausbildung schied die Hälfte der Anwärter aus. Er genoß jede Übung, bei der Beweglichkeit, Entschlossenheit,
Risikobereitschaft oder Widerstandskraft gefragt waren, selbst die brutalen, bei denen es darum ging, Willensstärke und Gehorsam gegenüber dem Vorgesetzten unter Beweis zu stellen: sich mit voller Montur in den Morast werfen oder im Wald überleben, indem man den eigenen Urin trank und sich von Pflanzenstengeln, Gräsern und Heuschrecken ernährte.
Seargent Gittleman hatte ihm die höchste Note gegeben: »Du wirst es weit bringen, Trujillo.« Er hatte es weit gebracht, ja, dank dieser erbarmungslosen, Helden und Mystikern abgeschauten Disziplin, die die marines ihm beigebracht hatten. Er dachte mit Dankbarkeit an den Unteroffizier Simon Gittleman. Ein loyaler, uneigennütziger Gringo in diesem Land von Raffzähnen, Blutsaugern und Idioten. Hatten die Vereinigten Staaten in den letzten einunddreißig Jahren einen aufrichtigeren Freund gehabt als ihn? Welche Regierung hatte sie in der UNO mehr unterstützt? Wer war der erste gewesen, der Deutschland und Japan den Krieg erklärt hatte? Wer schmierte die Repräsentanten, Senatoren, Gouverneure, Bürgermeister, Anwälte und Journalisten der Vereinigten Staaten mit mehr Dollar?”







Mario Vargas Llosa (Arequipa, 28. März 1936)




Der amerikanische Schrifsteller Nelson Algren wurde heute genau vor hundert Jahren, am 28. März 1909, in Detroit geboren. Algren wuchs in Chicago auf. 1933 wurde seine erste Geschichte veröffentlicht. Der Durchbruch gelang ihm mit seinem Roman „Der Mann mit dem goldenen Arm“ („The Man with the Golden Arm“), der ihm 1950 den National Book Award einbrachte.
Am 9. Mai 1981 wollte Nelson Algren seine Aufnahme in die „American Academy of Arts and Letters“ feiern, doch er starb, kurz bevor die ersten Gäste eintrafen. Der Legende nach fand man ihn auf dem Küchenfußboden liegend mit einem Whiskey-Glas in der Hand. Algrenhatte in den vierziger Jahren ein Verhältnis mit der französischen Schriftstellerin Simone de Beauvoir.

Uit: The Man With the Golden Arm

„Louie was the best fixer of them all because he knew what it was to need to get well. Louie had had a big habit--he was one man who could tell you you lied if you said no junkie could kick the habit once he was hooked. For Louie was the one junkie in ten thousand who'd kicked it and kicked it for keeps.
He'd taken the sweat cure in a little Milwaukee Avenue hotel room cutting himself down, as he put it, "from monkey to zero." From three full grains a day to one, then half of that and half of that straight down to zero, though he'd been half out of his mind with the pain two nights running and was so weak, for days after, that he could hardly tie his own shoelaces.
Back on the street at last, he'd gotten the chuck horrors: for two full days he'd eaten candy bars, sweet rolls and strawberry malteds. It had seemed that there would be no end to his hunger for sweets.
Louie never had the sweet-roll horrors any more. Yet sometimes himself sensed that something had twisted in his brain in those nights when he'd gotten the monkey off his back on Milwaukee Avenue.
"Habit? Man," he liked to remember, "I had a great big habit. One time I knocked out one of my own teet' to get the gold for a fix. You call that bein' hooked or not? Hooked? Man, I wasn't hooked, I was crucified. The monkey got so big he was carryin' me. "Cause the way it starts is like this, students: you let the habit feed you first 'n one mornin' you wake up 'n you're feedin' the habit.
"But don't tell me you can't kick it if you want to. When I hear a junkie tell me he wants to kick the habit but he just can't I know he lies even if he don't know he does. He wants to carry the monkey, he's punishin' himself for somethin' 'n don't even know it. It's what I was doin' for six years, punishin' myself for things I'd done 'n thought I'd forgot. So I told myself hwo I wasn't to blame for what I done in the first place, I was only tryin' to live like everyone else 'n doin' them things was the only way I had of livin'. Then I got forty grains 'n went up to the room 'n went from monkey to nothin' in twenny-eight days 'n that's nineteen years ago 'n the monkey's dead."
"The monkey's never dead, Fixer," Frankie told him knowingly.“







Nelson Algren (28. März 1909 – 9. Mai 1981)

Freitag, 27. März 2009

Golo Mann, Heinrich Mann

Heute genau vor 100 Jahren, am 27. März 1909, wurde der deutsche Historiker und Schriftsteller Golo Mann als drittes von sechs Kindern Thomas Manns in München geboren. Die ersten Schuljahre waren schwierig für den jungen Golo, besser wurde es erst ab 1923 im Internat Schloss Salem am Bodensee. 1932 promovierte er bei dem Philosophen Karl Jaspers über Hegel. Wie die ganze Familie ist auch Golo 1933 emigriert. Er hielt sich zunächst in Frankreich auf, war Lektor für deutsche Sprache in Paris und arbeitete für die Exilzeitschrift "Die Sammlung". Herausgeber war sein Bruder, der Schriftsteller Klaus Mann, zu dem Golo ein gutes Verhältnis hatte. 1939 ging er zuerst in die USA, dann nach Zürich, um die Redaktion der Exil-Zeitschrift "Maß und Wert" zu übernehmen. Die Exiljahre verliefen abenteuerlich: 1940 floh er mit seinem Onkel Heinrich Mann aus Südfrankreich über die Pyrenäen nach Spanien und fuhr dann von Lissabon aus mit dem Schiff nach New York. 1943 trat er in die US-Armee ein und arbeitete als Nachrichtenoffizier in Washington DC. Ab 1944 sprach er - wie sein Vater - Rundfunkkommentare aus London und dann aus Luxemburg. Nach dem Krieg war er bis 1958 Assistenzprofessor für Geschichte in Kalifornien. Die Wende brachte seine "Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts", erstmals erschienen 1958. Fortan lebte er in der Bundesrepublik oder in Zürich, war zeitweise Professor in Münster und Stuttgart, wurde Mitherausgeber der Propyläen Weltgeschichte, hatte mit dem "Wallenstein" (1971) seinen zweiten Bestseller-Erfolg. Bis zu seinem Tod arbeitete Golo Mann ohne Bindung an eine Institution als Historiker und Publizist.


Aus: Wallenstein

„Er kam aus Italien und war vorher in Frankreich gewesen. Einige sagen, auch in Spanien, oder in England, aber das ist nicht wahr. Die Bildungsreise, wie sie zur Erziehung böhmischer Edelleute gehörte, konnte wohl auch England einschließen oder Spanien oder beide Königreiche; sie tat es in Fällen, von denen wir wissen, aber nicht in diesem. Übrigens wissen wir von Albrecht Wallensteins Grand Tour überhaupt nicht viel. Er schrieb keine Briefe, jedenfalls sind keine da; und an wen hätte er schreiben sollen? Von seinen späteren Gesprächen sind viele überliefert; aber die handeln nur von Krieg und Staatsgeschäften, nie, fast nie, von der eigenen Menschlichkeit. Genoß er erste Lieb' und Freundschaft, so liegen sie im Dunkeln; vielleicht genoß er keine. Man legte wenig Gewicht auf das, was wir Gefühle nennen, um die Wende des 16. zum17. Jahrhundert. Die, welche man gleichwohl erlebte und für welche es die uns geläufigen Namen nicht gab, verschloß man in sich, vertraute sie allenfalls dem Beichtvater, dem geistlichen Berater an, der seinerseits in Schweigsamkeit geübt sein mußte. Wurden Tagebücher geführt, das kam vor, so hielten sie Begebenheiten und äußere Beobachtungen fest, nicht Reflexionen, viel weniger Selbstreflexionen. Ausnahmen gibt es, die gibt es immer, und wir werden im Lauf unserer Erzählungen noch ein paar von ihnen kennen lernen. Aber Wallenstein gehört zu ihnen nicht. Stellt er eine Ausnahme dar, so eher in der anderen Richtung; das heißt, er trieb später die Verschwiegenheit über das, was In seiner Seele vorging und was ihn zu dem gemacht hatte, was er war, noch weiter als der Durchschnitt seiner Standesgenossen.“







Golo Mann (27. März 1909 – 7. April 1994)




Der deutsche Schrifsteller Heinrich Mann wurde als ältester Sohn des Speditionskaufmanns und späteren Senators Heinrich Mann und dessen Frau Julia, geborene Bruns, am 27. März 1871 in Lübeck geboren. Heinrich Mann, der ältere Bruder von Thomas Mann, ging 1889 vorzeitig vom Gymnasium ab. Er begann eine Buchhändlerlehre in Dresden, die er gleichfalls nicht zu Ende führte. Ohne Abschluss blieb auch sein Volontariat beim S. Fischer Verlag in Berlin in den Jahren 1890 und 1891 sowie sein Studium an der Berliner Universität. Ab 1891 war Heinrich Mann als freier Schriftsteller tätig. Nach dem Tode des Vaters 1891 siedelte die Familie 1893 nach München über. 1894 erschien sein erster Roman "In einer Familie", der sich mit moralischen Vorstellungen und dem Innenleben beschäftigt. Im Jahre 1918 erschien sein erfolgreichstes Werk Der Untertan, dessen Vorabdruck in einer Illustrierten bei Kriegsbeginn 1914 abgebrochen werden musste. Es wurde in den ersten Wochen nach Erscheinen fast hundertausendmal verkauft.Er verließ Deutschland 1933 kurz vor dem Reichstagsbrand im Februar und emigrierte über Sanary-sur-Mer nach Nizza, wo er bis 1940 seinen Wohnsitz hatte. Wegen seiner nochmaligen Unterzeichnung des Dringenden Appells am 14. Februar 1933 schlossen ihn die Nationalsozialisten aus der Akademie der Künste aus, und im August 1933 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt; Mann stand auf der Ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs von 1933. In den Jahren von 1935 bis 1938 verfasste er den zweibändigen historischen Roman Die Jugend des Königs Henri Quatre und Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Im Jahr 1939 heiratete er Nelly Kröger. Heinrich und Nelly Mann flohen mit Golo Mann und dem Ehepaar Werfel 1940 über Spanien und Portugal in die USA. 1949 wurde er zum Präsidenten der Deutschen Akademie der Künste in Ost-Berlin gewählt, starb jedoch 1950 noch vor der geplanten Rückkehr nach Deutschland in Santa Monica (in der Nähe, in Pacific Palisades, lebte auch sein Bruder Thomas mit Familie); dort wurde er auch begraben. 1961 wurde seine Urne nach Deutschland überführt und auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt.

Aus: Die Jugend des Königs Henri Quatre

„Etwas später trat die Königin Jeanne zum reformierten Bekenntnis über. Das war ein beträchliches Ereignis - nicht nur für ihr kleines Land, das sie nach Kräften protestantisch machte. Es vermehrte den Mut und den Einfluß der neuen Religion überall. Sie hatte es aber getan, weil ihr Gatte Antoine bei Hof und im Felde immer noch mehr Geliebte nahm. Da er reformiert gewesen und aus Schwäche wieder katholisch geworden war, machte sie es umgekehrt. Ihr Glaubenswechsel geschah vielleicht aus Frömmigkeit, besonders aber um herauszufordern: ihren treulosen Mann, den Hof in Paris, alle, die sie kränkten oder ihr im Wege waren. Ihr Sohn sollte einmal groß werden, und das konnte er nur an der Spitze protestantischer Heere, der Ehrgeiz seiner Mutter erkannte es früh.
Als die Reise nach Paris endlich nahe bevorstand, umarmte Jeanne ihren Sohn und sagte: «Wir reisen, aber du darfst nicht denken, daß es zum Vergnügen ist. Denn wir werden in eine Stadt kommen, wo fast alle gegen die Religion und gegen uns sind. Vergiß es niemals! Du bist jetzt sieben Jahre alt und hast Verstand. Weißt du noch, daß wir schon einmal zu Hofe gingen? Du warst ganz klein und erinnerst dich nicht. Vielleicht, daß dein Vater sich entsinnen würde, wenn er nicht so vieles, was einst war, vergessen und verloren hätte.»
Sie versank in schmerzliches Träumen. Er zog sie am Arm und fragte: «Was gab es denn damals bei Hofe?»
«Der selige König lebte noch. Er fragte dich, ob du sein Sohn sein wolltest. Du zeigtest auf deinen Vater und antwortetest, der sei dein Herr Vater. Darauf fragte der selige König dich, ob du dann sein Schwiegersohn werden wolltest. Du erwidertest , und seither geben sie dich bei Hofe als den Verlobten der königlichen Prinzessin aus; damit wollen sie uns fangen. Ich sage es dir, damit du nicht alles glaubst und ihnen nicht traust.»






Heinrich Mann (27. März 1871 – 12. März 1950)

Donnerstag, 26. März 2009

Patrick Süskind, Gregory Corso

Der deutsche Dramatiker, Prosaschriftsteller, Hörspiel- und Drehbuchautor Patrick Süskind wurde am 26.März 1949 in Ambach am Starnberger See geboren. Sein Vater ist der Schriftsteller, Übersetzter und längjährige Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung Wilhelm Emanuel Süskind. Nach Abitur und abgeleistetem Zivildienst studierte Patrick Süskind von 1968-1974 in München Geschichte. Sein Auslandsstudium verbrachte er in Aix-en Provence. Danach lebte er von Gelegenheitsjobs und schrieb kleinere Prosastücke, welche aber zunächst nicht veröffentlicht wurden. Sein erster großer Durchbruch gelang ihm mit dem Theaterstück "Der Kontrabass"(ürsprünglich als Hörspiel gesendet). Die Uraufführung fand im Münchner Cuvilliestheater statt. Der einaktige Monolog erzielte Erfolge von Australien bis Israel und war das meistgespielte Theaterstück Deutschlands in der Spielzeit 1984/85.
Mit dem Roman "Das Parfüm" gelang Süskind fünf Jahre später der Welterfolg.

Aus: Drei Geschichten

“Wie war die Frage? Achsoja: Welches Buch mich beeindruckt, geprägt, gestempelt, gebeutelt, gar 'auf ein Gleis' gesetzt oder 'aus der Bahn geworfen' hätte. Aber das klingt ja nach Schockerlebnis oder traumatischer Erfahrung, und diese pflegt der Geschädigte sich allenfalls in Angstträumen zu vergegenwärtigen, nicht aber bei wachem Bewußtsein, geschweige denn schriftlich und vor aller Öffentlichkeit, worauf, so scheint mir, bereits ein österreichischer Psychologe, dessen Name mir momentan entfallen ist, in einem sehr lesenswerten Aufsatz, an dessen Titel ich mich nicht mehr mit Bestimmtheit erinnern kann, der aber in einem Bändchen unter der Sammelüberschrift "Ich und Du" oder "Es und Wir" oder "Selbst Ich" oder so ähnlich erschienen ist (ob neuerdings bei Rowohlt, Fischer, dtv oder Suhrkamp wiederaufgelegt, wüßte ich nicht mehr zu sagen, wohl aber, daß der Umschlag grün-weiß oder hellblau- gelblich, wenn nicht gar grau-blau-grünlich war), zu Recht hingewiesen hat. Nun, vielleicht ist die Frage ja gar nicht nach neurotraumatischen Leseerfahrungen gerichtet, sondern meint eher jenes aufrüttelnde Kunsterlebnis, wie es in dem berühmten Gedicht "Schöner Apollo" ... nein, es hieß, glaube ich, nicht "Schöner Apollo", es hieß irgendwie anders, der Titel hatte etwas Archaisches, "Junger Torso" oder "Uralter schöner Apoll" oder so ähnlich hieß es, aber das tut nichts zur Sache... - wie es also in diesem berühmten Gedicht von ... von ... - ich kann mich im Augenblick nicht auf seinen Namen besinnen, aber es war wirklich ein sehr berühmter Dichter mit Kuhaugen und einem Schnauzbart, und er hat diesem dicken französischen Bildhauer (wie hieß er doch gleich?) eine Wohnung in der Rue de Varenne besorgt - Wohnung ist kein Ausdruck, ein Palazzo ist das, mit einem Park, den man in zehn Minuten nicht durchmessen kann! (Man fragt sich beiläufig, wovon die Leute das damals alles bezahlt haben) - wie es jedenfalls seinen Ausdruck in diesem herrlichen Gedicht findet, das ich in seiner Gänze nicht mehr zitieren könnte, dessen letzte Zeile mir jedoch unauslöschlich im Gedächtnis eingegraben steht, sie lautet nämlich: "Du mußt dein Leben ändern."







Patrick Süskind (Ambach, 26. März 1949)




Der amerikanische Dichter Gregory Nunzio Corso wurde am 26. März 1930 in Greenwich Village, New York City geboren.. Corsos Eltern, italienische Einwanderer, waren bei seiner Geburt beide erst 17 und 16 Jahre alt. Ein Jahr später verließ seine Mutter die Familie, um nach Italien zurückzukehren. Dadurch musste Corso den Großteil seiner Kindheit in Waisenhäusern und bei Pflegefamilien verbringen. Mit 16 wurde er zu drei Jahren im Clinton State Prision in Upstate New York verurteilt. Während dieser Haftzeit begann er Literatur zu lesen, vor allem wurde er ein derart großer Bewunderer des unkonventionellen und sprachlich hervorragenden Dichters Percy Bysshe Shelley. Er begann in Haft auch erste eigene Gedichte zu verfassen. Er wurde 1950 freigelassen, kehrte nach New York City zurück und traf in Greenwich Village auf Allen Ginsberg. Ginsberg stellte Corso den anderen Beat-Autoren vor. Corso arbeitete 1952 für den Los Angeles Examiner und fuhr wie Jack Kerouac mit der Handelsmarine zur See. 1954 nahm er ohne Anmeldung an einigen Kursen in Harvard teil, wo er auch Beiträge für seine erste Veröffentlichung von Gedichten sammelte („The Vestal Lady on Brattle and Other Poems“). Er folgte den anderen Beatniks 1956 nach San Francisco, wo Lawrence Ferlinghetti seinen Gedichtband „Gasoline“ veröffentlichte. Zusammen mit Kerouac und Ginsberg machte er 1957 einige unkonventionelle Lesungen und Interviews und reiste auch durch Mexiko, West- und Osteuropa.



Birthplace Revisited
(from Gasoline)

I stand in the dark light in the dark street
and look up at my window, I was born there.
The lights are on; other people are moving about.
I am with raincoat; cigarette in mouth,
hat over eye, hand on gat.
I cross the street and enter the building.
The garbage cans haven't stopped smelling.
I walk up the first flight; Dirty Ears
aims a knife at me...
I pump him full of lost watches.





Poets Hitchiking on the Highway

Of course I tried to tell him
but he cranked his head
without an excuse.
I told him the sky chases
the sun
And he smiled and said:
'What's the use.'
I was feeling like a demon
again
So I said: 'But the ocean chases
the fish.'
This time he laughed
and said: 'Suppose the
strawberry were
pushed into a mountain.'
After that I knew the
war was on--
So we fought:
He said: 'The apple-cart like a
broomstick-angel
snaps & splinters
old dutch shoes.'
I said: 'Lightning will strike the old oak
and free the fumes!'
He said: 'Mad street with no name.'
I said: 'Bald killer! Bald killer! Bald killer!'
He said, getting real mad,
'Firestoves! Gas! Couch!'
I said, only smiling,
'I know God would turn back his head
if I sat quietly and thought.'
We ended by melting away,
hating the air!








Gregory Corso (26. März 1930 – 17. Januar 2001)

Mittwoch, 25. März 2009

Flannery O'Connor, Jaime Sabines

Die amerikanische Schriftstellerin Mary Flannery O’Connor wurde am 25. März 1925 in Savannah (Georgia) geboren. O’Connor besuchte die Peabody Laboratory School, wo sie 1942 ihren Abschluss machte. Dann ging sie auf das Georgia State College for Women, wo sie Englisch und Soziologie studierte (letzteres war eine Perspektive, die sie in ihrem Roman The Violent Bear It Away satirisch verarbeitete). 1946 wurde Flannery O’Connor in den angesehenen Iowa Writers’ Workshop aufgenommen. 1949 lernte O’Connor Robert Fitzgerald kennen und nahm schließlich eine Einladung an, bei ihm und seiner Frau, Sally, in Redding, Connecticut zu wohnen. 1951 wurde bei ihr Lupus erythematosus diagnostiziert. Daraufhin kehrte sie zu dem Bauernhaus ihrer Vorfahren Andalusia in Milledgeville zurück. Die Ärzte gaben ihr nur noch fünf Jahre; tatsächlich lebte sie noch fast 15 Jahre.
O’Connor schrieb zwei Romane und 31 Kurzgeschichten, aber auch eine Reihe von Buchbesprechungen und Kommentaren. Sie war eine Südstaaten-Schriftstellerin in der Art von William Faulkner, schrieb in einem Southern Gothic Stil und betonte regionale Schauplätze und - wie immer wieder gesagt wird - groteske Charaktere. Sie sagte „alles was aus dem Süden kommt, wird von Lesern aus dem Norden immer grotesk genannt, es sei denn es ist wirklich grotesk, dann wird es als realistisch bezeichnet“ (Mystery and Manners: Occasional Prose 40). Ihre zwei Romane waren Wise Blood (1952) und The Violent Bear It Away (1960). Sie veröffentlichte auch noch zwei Bücher mit Kurzgeschichten: A Good Man Is Hard to Find and Other Stories (1955) und Everything That Rises Must Converge (1965 nach ihrem Tod veröffentlicht).

Aus: Wise Blood

„Enoch Emery knew now that his life would never be the same again, because the thing that was going to happen to him had started to happen. He had always known that something was going to happen but he hadn't known what. If he had been much given to thought, he might have thought that now was the time for him to justify his daddy's blood, but he didn't think in broad sweeps like that, he thought what he would do next. Sometimes he didn't think, he only wondered; then before long he would find himself doing this or that, like a bird finds itself building a nest when it hasn't actually been planning to.
What was going to happen to him had started to happen when he showed what was in the glass case to Haze Motes. That was a mystery beyond his understanding, but he knew that what was going to be expected of him was something awful. His blood was more sensitive than any other part of him; it wrote doom all through him, except possibly in his brain, and the result was that his tongue, which edged out every few minutes to test his fever blister, knew more than he did.
The first thing that he found himself doing that was not normal was saving his pay. He was saving all of it, except what his landlady came to collect every week and what he had to use to buy something to eat with. Then to his surprise, he found he wasn't eating very much and he was saving that money too. He had a fondness for supermarkets; it was his custom to spend an hour or so in one every afternoon
after he left the city park, browsing around among the canned goods and reading the cereal stories. Lately he had been compelled to pick up a few things here and there that would not be bulky in his pockets, and he wondered if this could be the reason he was saving so much money on food. It could have been, but he had the suspicion that saving the money was connected with some larger thing. He had always been given to stealing but he had never saved before.“








Flannery O'Connor (25. März 1925 – 3. August 1964)





Der mexikanische Lyriker Jaime Sabines wurde geboren am 25. März 1926 in Tuxtla Gutiérrez, Chiapas. Obwohl Sabines nie von der Poesie leben konnte, war sie sein Leben. Sein Brot verdiente er sich mit dem Verkauf von Futtermitteln für Kühe, auch der „geistigen Gesundheit“ wegen, um sich nicht von „intellektueller Frivolität“ anstecken zu lassen, so Sabines. Er gehörte zur Generation von Carlos Fuentes, Efraín Huerta und Rosario Castellanos, beeinflußt vor allem von César Vallejo und Pablo Neruda. In seiner Dichtung sind sowohl Spuren der Volkspoesie als auch die von Klassikern und Avantgardisten auszumachen; seine Gedichte sind nicht nur in unzähligen Anthologien, sondern auch im kollektiven Gedächtnis festgehalten, sie werden spontan rezitiert und ziehen vor allem ein junges Publikum an.



Pedestrian

It's said, it's rumored, they affirm it in the salons, at parties, someone
or many in the know, that Jaime Sabines is a great poet. Or at least a good
poet. Or a poet who's decent, worthy. Or simply, really, a poet.
Jaime hears the news and he's happy: how marvelous! I'm a poet! I'm an
important poet! I'm a great poet! convinced, he goes out or comes home,
convinced. But in the street, no one, and in the house, fewer: no one
notices that he's a poet. Why don't the poets have a star before them, or a
visible brilliance, or a ray of light shining from their ears?
My god, says Jaime. I have to be a father or husband, work in the factory
like others, or go about, like others, as a pedestrian.
That's it! says Jaime. I'm not a poet. I'm a pedestrian.
And this time he hangs about in bed, sweetly happy and tranquil.






Consider It Well

They say that I have to exercise to lose weight,
that at fifty fat and cigarettes are dangerous,
that one should keep one's figure
and fight the battle of time, of age.

Well-intentioned experts and friendly doctors
recommend diets and programs
to prolong life a few years more.

I'm thankful for the good intention, but I laugh
at how shallow are the prescriptions, how stingy the fervor.
(Death too laughs at these things.)

The only recommendation I'll seriously consider
is to find a young woman for my bed
because at this age
youth is the only thing that comes close to curing this disease.




Übersetzt von Athena Kildegaard








Jaime Sabines (25. März 1926 – 19. März 1999)

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Zuletzt aktualisiert: 23. Jan, 19:14

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