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Samstag, 13. Dezember 2008

Heinrich Heine

Der deutsche Dichter Christian Johann Heinrich Heine wurde am 13. Dezember 1797 in Düsseldorf als Harry Heine geboren. Während über Heines Geburtsort nie ein Zweifel bestand, herrschte über sein genaues Geburtsdatum lange Unklarheit. Alle zeitgenössischen Akten, die darüber Auskunft geben könnten, sind im Laufe der letzten 200 Jahre verlorengegangen. Heine selbst bezeichnete sich scherzhaft als „ersten Mann des Jahrhunderts“, da er in der Neujahrsnacht 1800 geboren sei. Gelegentlich gab er auch 1799 als Geburtsjahr an. Nach heutigem Forschungsstand gilt aber als gesichert, dass Harry Heine – so sein Geburtsname – am 13. Dezember 1797 zur Welt kam. Seine Kindheit und Jugend fielen in eine Zeit großer Veränderungen in Folge der Französischen Revolution.



An meine Mutter
B. Heine geborene v. Geldern

II

Im tollen Wahn hatt ich dich einst verlassen,
Ich wollte gehn die ganze Welt zu Ende,
Und wollte sehn, ob ich die Liebe fände,
Um liebevoll die Liebe zu umfassen.

Die Liebe suchte ich auf allen Gassen,
Vor jeder Türe streckt ich aus die Hände,
Und bettelte um g'ringe Liebesspende -
Doch lachend gab man mir nur kaltes Hassen.

Und immer irrte ich nach Liebe, immer
Nach Liebe, doch die Liebe fand ich nimmer,
Und kehrte um nach Hause, krank und trübe.

Doch da bist du entgegen mir gekommen,
Und ach! was da in deinem Aug' geschwommen,
Das war die süße, langgesuchte Liebe.






Mir träumte wieder der alte Traum

Mir träumte wieder der alte Traum:
Es war eine Nacht im Maie,
Wir saßen unter dem Lindenbaum,
Und schwuren uns ewige Treue,
Das war ein Schwören und Schwören aufs neu',
Ein Kichern, ein Kosen, ein Küssen;
Daß ich gedenk des Schwures sei,
Hast du in die Hand mich gebissen.

O Liebchen mit den Äuglein klar!
O Liebchen schön und bissig!
Das Schwören in der Ordnung war,
Das Beißen war überflüssig.




Schöne Wiege meiner Leiden

Schöne Wiege meiner Leiden,
Schönes Grabmal meiner Ruh',
Schöne Stadt, wir müssen scheiden -
Lebe wohl! ruf ich dir zu.
Lebe wohl, du heil'ge Schwelle,
Wo da wandelt Liebchen traut;
Lebe wohl, du heil'ge Stelle,
Wo ich sie zuerst geschaut.

Hätt ich dich doch nie gesehen,
Schöne Herzenskönigin!
Nimmer wär es dann geschehen,
Daß ich jetzt so elend bin.

Nie wollt ich dein Herze rühren,
Liebe hab ich nie erfleht;
Nur ein stilles Leben führen
Wollt ich, wo dein Odem weht.

Doch du drängst mich selbst von hinnen,
Bittre Worte spricht dein Mund;
Wahnsinn wühlt in meinen Sinnen,
Und mein Herz ist krank und wund.

Und die Glieder matt und träge
Schlepp ich fort am Wanderstab,
Bis mein müdes Haupt ich lege
Ferne in ein kühles Grab.






Heinrich Heine (13. Dezember 1797 - 17. Februar 1856)

Freitag, 12. Dezember 2008

John Osborne, Beat Sterchi

Der englischer Dramatiker John James Osborne wurde am 12. Dezember 1929 in Fulham geboren. Er erhielt seine Schulbildung auf dem Balmont College in Devon, wurde aber nach einer Attacke auf den Schulleiter der Schule verwiesen. Danach schlug es ihn zum Theater, wo er zunächst eine Anstellung als Inspizient und schließlich als Schauspieler fand. Gleichzeitig versuchte er sich als Schriftsteller, und zwei seiner frühen Dramen The devil inside her und Personal Enemy wurden auf kleineren Bühnen aufgeführt, bevor er 1956 sein erfolgreichstes Drama Look Back in Anger (dt.: Blick zurück im Zorn) der neu gegründeten English Stage Company an Londons Royal Court Theatre vorlegte. Die Truppe unter der künstlerischen Leitung von George Devine erkannte in dem Drama die wütende und aufwühlende Ausdrucksweise eines neuen Nachkriegsempfindens und nahm das Stück kurzerhand als eines von dreien in ihren Spielplan auf. Die Kritiken waren gemischt, aber Kenneth Tynan - einer der einflussreichsten Kritiker dieser Zeit - lobte es begeistert.
Sein nächstes Werk war The Entertainer (dt. Der Entertainer), das ebenfalls am Royal Court Theatre uraufgeführt wurde und vom dem behauptet wird, dass es durch Bertolt Brechts Arbeiten inspiriert sei. Eine Behauptung, die Osborne immer abstritt. Dennoch kann man in seinen Stücken erkennen, dass auch Osborne mit den Mitteln der Verfremdung spielte, eine Technik, die maßgeblich von Bertolt Brecht begründet wurde.

Aus: Look Back in Anger

HELENA.Time we end. [Allison nods] I'll just get my things together. I'll see you downstairs.
[EXIT. A slight pause]
JIMMY. [not looking at her, almost whispering] Doesn't it matter to you -- what people do to me? What are you trying to do to me? I've given you just everything. Doesn't it mean anything to you? [Her back stiffens. His axe-swinging bravado has vanished and his voice crumples in disabled rage] You Judas! You phlegm! She's taking you with her, and you're so bloody feeble, you'll let her do it!
[Allison suddenly takes hold of her cup and hurls it on the floor. He's drawn blood at last. She looks down at the pieces on the floor, and then at him. Then she crosses the room, takes out a dress on a hanger, and slips it on. As she is zipping up the side, she feels giddy, and she has to lean against the wardrobe for support. She closes her eyes.]
ALLISON. All I want is a little peace.
JIMMY. Peace! God! She wants peace! [hardly able to get his wrods out] My heart is so full, I feel ill -- and she wants peace! [She crosses to the bed to put on her shoes. Cliff gets up from the table and sits in the armchair. He picks up a paper and looks at that. Jimmy has recovered slightly, and manages to sound almost detached] I rage, and shout my head off, and everyone thinks, "poor chap!" or "what an objectionable young man!" But that girl there can twist your arm off with her silence. I've sat in this chair in the dark for hours. And, although she knows I'm feeling as I feel now, she's turned over and gone to sleep. One of us is crazy. One of us is mean and stupid and crazy. Which is it? Is it me? Is it me, standing here like an hysterical girl, hardly able to get my words out? Or is it her? Sitting there, putting on her shoes to go out with that -- [But inspiration has deserted him by now] Which is it? [Cliff is still looking down at his paper] I wish to heaven you'd try loving her, that's all. [Jimmy watches Allison look for her gloves] Perhaps, one day, you may want to come back. I shall wait for that day. I want to stand up in your tears, and splash about in them, and sing. I want to be there when you grovel. I want to be there, I want to watch it, I want the front seat. [Helena enters, carrying two prayer books] I want to see your face rubbed in the mud -- that's all I can hope for. There's nothing else I want any longer.
HELENA. [after a moment] There's a phone call for you.
JIMMY. [turning] Well, it can't be anything good, can it?
[He goes out]





John Osborne (12. Dezember 1929 – 24. Dezember 1994)




Der Schweizer Schriftsteller Beat Sterchi wurde am 12. Dezember 1949 in Bern geboren. Nach dem Besuch von Primar- und Sekundarschule machte Beat Sterchi eine Lehre als Metzger. 1970 wanderte er nach Kanada aus, wo er verschiedene Tätigkeiten ausübte und nebenher eine Abendschule absolvierte. Das anschliessende Studium der Anglistik an der University of British Columbia bei Vancouver schloss er mit dem Grad eines Bachelors ab. 1975 ging er nach Honduras, wo er in der Hauptstadt Tegucigalpa bis 1977 als Englischlehrer arbeitete und erste Gedichte in englischer und deutscher Sprache veröffentlichte. Von 1977 bis 1982 studierte er an der McGill University in Montréal und arbeitete als Lehrer am dortigen Goethe-Institut. Von 1984 bis 1994 lebte Sterchi als freier Schriftsteller in einem spanischen Dorf in der Nähe von Valencia. Sein gegenwärtiger Wohnsitz ist Bern.

Aus: Die Glasfrau und andere merkwürdige Geschichten

"Es war einmal ein Mann, der hiess Ernest Charron, und er war vor fünfzig Jahren in diese Stadt gekommen, in der man das zweite e in seinem Vornamen vergass. In den letzten Jahren sagten die Leute, die Ernest noch kannten: "Der scharro macht's nicht mehr lange, dem blättert die Haut von den Knochen, wie das Gebrabbel von seinem Kinn tropft." Aber Ernest dachte nicht daran, es noch kürzer oder länger zu machen - er machte es einfach, fand jedoch auch, dass seine Aussprache nicht so nass sein müsste, wie sie war; daran hatten, vermutete Ernest, einige Zahnärzte, die zum Teil schon tot waren, ihre Schuld. Es war Sonntag, und an Sonntagen stand Ernest zwei Stunden später auf als an Werktagen, das hatte er sich mit den Jahren so angewöhnt, denn auch die "Harmonie", seine Stammbeiz, öffnete sonntags erst um zwei. Ernest kramte ein bisschen in seiner grauen Wohnung herum und band sich eine Krawatte um. Seit zehn Jahren war es dieselbe Krawatte, sie glänzte an einigen Stellen ein bisschen zu schwarz, und an einigen Stellen war sie ein bisschen zu matt, aber für Ernest war es eine Krawatte, und wenn er sie umband, war es Sonntag."





Beat Sterchi (Bern, 12. Dezember 1949)

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Ludwig Laher, Andrea De Carlo, Maximilian von Schenkendorf

Der österreichische Schriftsteller Ludwig Laher wurde am 11. Dezember 1955 in Linz geboren. Laher studierte Germanistik, Anglistik und Klassische Philologie in Salzburg und schloss mit einem Dr. phil. ab. Danach arbeitete er zunächst als Gymnasiallehrer am Christian-Doppler-Gymnasium in Salzburg. 1993 zog er nach St. Pantaleon (Oberösterreich) und ist seit 1998 als freier Schriftsteller tätig. Laher veröffentlichte Prosa, Lyrik, Essays, Übersetzungen, wissenschaftliche Arbeiten, Hörspiele, Drehbücher und erhielt zahlreiche Literaturpreise und Stipendien.

Aus: Aufgeklappt

“Während sich der Freier mit verzweifelter Vehemenz abarbeitet, transferiert der Dichter in ihm das sich anbahnende Desaster geschickt in die beliebte Form des zotigen, umgangssprachlichen Schnaderhüpfels, und der populäre Vortragskünstler Ferdinand Sauter, dem nachgesagt wird, dass er überhaupt keinen Genierer kennt, nimmt den Vierzeiler, da bin ich mir ziemlich sicher, mit entsprechender musikalischer Untermalung selbstverständlich ins Vorstadtwirtshausprogramm auf:

Ich stoß alleweil zua / Und mir kommt nit die Natur / Und jetzt glaub ich schon bald / I bin selber a Hur. Brüllendes Gelächter, Schenkelklopfen, Prost. Noch ein unterspicktes, aber grad so ein scharfes! Man kennt das. Während du schon nachlegst, will ich mich, wenn's gestattet ist, lieber Ferdinand, allerdings doch ein paar Augenblicke länger bei diesem nur an der Oberfläche wenig ergiebigen Text aufhalten, der, hingekritzelt auf die Rückseite eines leeren Versicherungspolizzenformulars, auf verschlungenen Wegen in die Handschriftensammlung des Wiener Rathauses Eingang gefunden hat.

Sauter muß also an die vierzig Jahre oder älter sein. Wie so oft bei ihm geht es nur vordergründig um einen seichten pornographischen Gspaß, und ich traue ihm zu, dass er sich der Schärfe solch unverstellter Gedankensplitter in allen Facetten durchaus bewusst ist, dass er die Schnittwunden in Kauf nimmt und sich trotzdem neben den anderen Kleidungsstücken erneut das enge Biedermeierkorsett auszieht. Es geht wieder einmal um nichts weniger als ums Eingemachte tradierter Selbstdefinition des Mannes.”





Ludwig Laher (Linz, 11. Dezember 1955)





Der italienische Schriftsteller Andrea De Carlo wurde am 11. Dezember 1952 in Mailand geboren. Sein erster großer Erfolg war der 1981 erschienene Roman Treno di Panna. In Italien avancierte er schnell zum Bestsellerautor. Andrea De Carlo arbeitete als Fotograf und Rockmusiker, später als Assistent von Federico Fellini, bevor er Schriftsteller wurde. Er hat zahlreiche Romane geschrieben, die sich weltweit mehr als fünf Millionen Mal verkauft haben und in einundzwanzig Sprachen übersetzt worden sind. Andrea De Carlo ist engagiert beteiligt an der Greenpeace-Kampagne "Scrittori per le foreste" (Schriftsteller für die Tropenwälder). Er lebt in Rom, Mailand und auf dem Land in der Nähe von Urbino.

Aus: Das Meer der Wahrheit (Mare delle verità, übersetzt von Maja Pflug)

„Am Morgen des 24. November lagen draußen mindestens vierzig Zentimeter Schnee, und mein Bruder rief an, um mir zu sagen, dass unser Vater gestorben war.
Nach dem Aufwachen hatte ich die Fensterblenden geöΣnet und eine Weile das Weiß betrachtet, das Bäume und Felder und ferne Häuser einförmig zudeckte bis zum Horizont, wo die welligen Hügel mit dem sehr hellen Grau des Himmels verschwammen. Ich hatte der Stille gelauscht, tief die eisige Lu∫ eingesogen, Atemwölkchen ausgestoßen. Einige Schneeflocken hatten sich mir auf Stirn, Brust und
Hände gelegt, die Kälte war über meine nackte Haut gestrichen.
Zwar schneit es hier in der Gegend zu häu⁄g, als dass man das gleiche Gefühl von Verzauberung wie in der Kindheit emp⁄nden könnte, dennoch fasziniert es mich jedes Mal, wie die Geräusche gedämpfter und die Entfernungen länger werden, wie dürres Holz, Dornengestrüpp, Steine, Löcher und Risse im Boden unter der weißen Oberfläche verschwinden und die Illusion einer einheitlichen Landschaft erwecken. Ich wusste, dass das Staunen über die Verwandlung nicht lange anhalten und schon bald etliche praktische Schwierigkeiten auftauchen würden, doch in den ersten Minuten ließ ich mich verzaubern, während ich mehrere Schichten Baumwolle und Wolle übereinander anzog.
\In der Küche hatte ich Tee aufgesetzt und Haferbrei zubereitet, hatte Knie- und Armbeugen gemacht, um mich aufzuwärmen. Beim Frühstück hatte ich in einem Aufsatz über Ozeanströmungen geblättert, den ich brauchte, weil ich an einem Buch über das Überleben auf offenem Meer nach einem Schiffbruch schrieb. Dann hatte ich prüfend das Telefon abgehoben, und es war absolut stumm. Ich hatte es nicht anders erwartet, denn die Leitungen laufen ein paar Kilometer lang durch einen Wald, ein Gewitter oder ein Windstoß oder eben Schnee genügt, damit die Verbindung ausfällt. Es dauert jedes Mal tagelang, bis jemand kommt und sie repariert, vorausgesetzt, man hat die Geduld, mehrmals täglich die Störungsstelle anzurufen und zu mahnen.“






Andrea De Carlo (Mailand, 11. Dezember 1952)




Der deutsche Dichter Maximilian Gottfried von Schenkendorf wurde am 11. Dezember 1783 in Tilsit in Ostpreußen geboren. Er studierte von 1798 bis 1806 in Königsberg Kameralwissenschaften, danach war er dort im Staatsdienst. 1809 wurde er in einem Duell verletzt und konnte seine rechte Hand nicht mehr bewegen. Ab 1807 war er Mitherausgeber der Zeitschrift Vesta. 1813 nahm er als Freiwilliger an den Befreiungskriegen teil, auch an der Völkerschlacht bei Leipzig. Ab 1815 war er für das Militärgouvernement in Aachen und in Köln tätig. Er ließ sich dann Ende 1815 in Koblenz als Regierungsrat nieder. Max von Schenkendorf gilt als einer der bedeutendsten Lyriker der Befreiungskriege. Er schrieb den Text zu den Liedern „Freiheit, die ich meine“ und „Wenn alle untreu werden“.


Soldaten-Morgenlied
1813.

An Friedrich Baron de la Motte Fouqué.
N.d.W.: Auf auf zum wackern Jagen.


Erhebt euch von der Erde,
Ihr Schläfer aus der Ruh';
Schon wiehern uns die Pferde
Den guten Morgen zu.
Die lieben Waffen glänzen
So hell im Morgenroth,
Man träumt von Siegeskränzen,
Man denkt auch an den Tod.

Du reicher Gott in Gnaden,
Schau' her vom blauen Zelt;
Du selbst hast uns geladen
In dieses Waffenfeld.
Laß uns vor dir bestehen,
Und gib uns heute Sieg;
Die Christenbanner wehen,
Dein ist, o Herr! der Krieg.

Ein Morgen soll noch kommen,
Ein Morgen mild und klar;
Sein harren alle Frommen,
Ihn schaut der Engel Schaar
Bald scheint er sonder Hülle
Auf jeden deutschen Mann,
O brich, du Tag der Fülle,
Du Freiheitstag brich an!

Dann klang von allen Thürmen,
Und Klang aus jeder Brust,
Und Ruhe nach den Stürmen
Und Lieb' und Lebenslust.
Es schallt auf allen Wegen
Dann frohes Siegsgeschrei –
Und wir, ihr wackern Degen,
Wir waren auch dabei!






Maximilian von Schenkendorf
(11. Dezember 1783 – 11. Dezember 1817)

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Emily Dickinson, Jorge Semprún, Christine Brückner

Die amerikanische Dichterin Emily Dickinson wurde am 10. Dezember 1830 in Amherst, US-Bundesstaat Massachusetts geboren. Emily verbrachte ihr gesamtes Leben in Amherst, Massachusetts. Sie entstammt einer alteingesessenen, calvinistischen Familie. Sie besuchte die Amherst Academy (1834-1847), wo sie Unterricht in klassischer Literatur, Latein, Geschichte, Religion, Mathematik und Biologie erhielt. Danach wechselte sie auf das Mount Holyoke Female Seminary (1847-1848), eine konservativ-evangelikale Schule für Mädchen. Dort fiel sie ihren Lehrern durch ihre Intelligenz auf, sie war jedoch physisch und psychisch anfällig und litt an Depressionen, so dass sie die Schule nach nur einem Jahr abbrach. Emily Dickinson stand mit einer Reihe von Bekannten und Verwandten in Briefkontakt, persönliche Kontakte pflegte sie aber nur zu wenigen Menschen. Dazu gehörte neben ihrer Schwester Lavinia und ihrem Bruder Austin und dessen Frau Susan, einer Jugendfreundin von Emily, auch der Geistliche Charles Wadsworth aus Philadelphia. In ihm sah sie einen Seelenverwandten, den sie als dearest earthly friend bezeichnete.
Die ersten Gedichte von Emily Dickinson stammen aus dem Jahr 1850, die sie ab etwa 1858 in Faszikel ordnete und zusammenfasste. Die fruchtbarste Schaffensphase (1860-1870) war von zunehmender Vereinsamung und Krankheit überschattet. Nur sieben ihrer insgesamt 1775 Gedichte wurden zu ihren Lebzeiten veröffentlicht, viele fanden jedoch den Weg in die Öffentlichkeit in Briefen an Freunde und Verwandte. Aber Ihre Gedichte, erstmals 1890 nach ihrem Tod gedruckt, scheinen stilistisch vielfach ins 20. Jahrhundert vorzugreifen.



THERE is another Loneliness

THERE is another Loneliness
That many die without,
Not want or friend occasions it,
Or circumstances or lot.

But nature sometimes, sometimes thought,
And whoso it befall
Is richer than could be divulged
By mortal numeral.




A POOR torn heart, a tattered heart

A POOR torn heart, a tattered heart,
That sat it down to rest,
Nor noticed that the ebbing day
Flowed silver to the west,
Nor noticed night did soft descend
Nor constellation burn,
Intent upon the vision
Of latitudes unknown.

The angels, happening that way,
This dusty heart espied;
Tenderly took it up from toil
And carried it to God.
There,—sandals for the barefoot;
There,—gathered from the gales,
Do the blue havens by the hand
Lead the wandering sails.






I SHOULD not dare to leave my friend

I SHOULD not dare to leave my friend,
Because—because if he should die
While I was gone, and I—too late—
Should reach the heart that wanted me;

If I should disappoint the eyes
That hunted, hunted so, to see,
And could not bear to shut until
They “noticed” me—they noticed me;

If I should stab the patient faith
So sure I ’d come—so sure I ’d come,
It listening, listening, went to sleep
Telling my tardy name,—

My heart would wish it broke before,
Since breaking then, since breaking then,
Were useless as next morning’s sun,
Where midnight frosts had lain!







Emily Dickinson (10. Dezember 1830 – 15. Mai 1886)





Der Spanische Schriftsteller Jorge Semprún wurde am 10. Dezember 1923 in Madrid als eines von sieben Kindern des linksliberalen Juraprofessors José Maria Semprún geboren. Aufgrund des spanischen Bürgerkriegs zog José Maria Semprún im September 1936 mit seiner zweiten Frau und den Kindern nach Paris. Dort, an der Sorbonne, studierte Jorge Semprún nach der Rückkehr von einem längeren Aufenthalt in Den Haag Philosophie und schloss sich 1941 unter dem Decknamen "Gérard" der kommunistischen Résistance an ("Francs-Tireurs et Partisans"). 1943 wurde Jorge Seprún von der Gestapo festgenommen und ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Nach der Befreiung am 12. April 1945 wählte er erneut Paris als seinen Wohnort. Als Mitglied der spanischen Exil-KP begann er 1953, den Widerstand gegen das Franco-Regime zu koordinieren, und von 1957 bis 1962 wirkte er am Aufbau einer kommunistischen Untergrundorganisation in Spanien mit. Wegen seiner Kritik am Stalinismus schloss die Kommunistische Partei ihn 1964 aus. Zu diesem Zeitpunkt hatte Jorge Semprún bereits zu schreiben angefangen und seinen autobiografischen Roman "Die große Reise" veröffentlicht. 1980 erschien Jorge Semprúns Roman "Was für ein schöner Sonntag!".
Der spanische Ministerpräsident Felipe Gonzáles Márquez (*1942) ernannte ihn 1988 zum Kultusminister, aber schon nach drei Jahren zog Jorge Semprún sich wieder aus der Politik zurück.
1994 wurde er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.


Aus: Der Tote mit meinem Namen (Le mort qu'il faut, übersetzt von Eva Moldenhauer)

„- Wir haben den passenden Toten! schreit Kaminsky.
Er kommt mit großen Schritten herbei, wartet nicht, bis er mich erreicht hat, um die gute Nachricht auszuposaunen.
Ein Dezembersonntag: Wintersonne.
Die Bäume ringsum waren mit Reif bedeckt. Überall Schnee, anscheinend seit jeher. Jedenfalls hatte er den bläulichen Schimmer des Ewigen. Aber der Wind hatte sich gelegt. Seine üblichen Böen auf der Höhe des Ettersbergs, stürmisch, rauh, eisig, gelangten nur noch bis zu der Bodensenke, wo sich das Latrinengebäude des Kleinen Lagers erhob.
Flüchtig hätte man in der Sonne, in der Abwesenheit des todbringenden Windes vergessen, an etwas anderes denken können. Das hatte ich mir gesagt, als ich am vereinbarten Treffpunkt ankam, vor der Baracke der Gemeinschaftslatrinen. Man hätte sich sagen können, daß der Appell gerade zu Ende gegangen war und daß man, wie jeden Sonntag, ein paar Stunden Leben vor sich hatte: eine kostbare kleine Zeitspanne, die nicht den SS-Leuten gehören würde.
Man hätte in der Sonne die Augen schließen, sich ausdenken können, womit man diese verfügbare Zeit, dieses allwöchentliche Wunder ausfüllen würde.
Die Auswahl war nicht groß, es gab präzise Grenzen - wie man sich denken kann. Aber die gibt es wahrscheinlich immer und überall; jedenfalls für den gemeinen Sterblichen. Dennoch war eine, wenn auch eingeschränkte Wahl möglich: eine Ausnahme, ausschließlich den Sonntagnachmittagen vorbehalten, aber real. Man könnte zum Beispiel wählen, sich schlafen zu legen.
Übrigens rannten die meisten Deportierten gleich nach dem Ende des Sonntagsappells zu den Schlafräumen. Sich vergessen, sich verlieren, vielleicht träumen. Sie fielen wie ein Stein auf das Stroh der Bettstellen, schliefen sofort ein. Nach dem Appell, nach der Sonntagssuppe - immer Nudelsuppe; die dickste der Woche; immer willkommen schien das Bedürfnis nach dem erholsamen Nichts zu überwiegen.
Man konnte es aber auch über sich bringen, den Schlafmangel, die Lebensmüdigkeit zu überwinden, um Kumpel aufzusuchen, eine Gemeinsamkeit, manchmal sogar eine Gemeinschaft herzustellen, wenn nicht allein das Geburtsdorf oder der Maquis, die Widerstandsbewegung, ihr zugrunde lag; wenn sie zudem noch eine politische oder religiöse war, die nach Überschreitung, also nach Transzendenz trachtete.“






Jorge Semprún (Madrid, 10. Dezember 1923)






Die deutsche Schriftstellerin Christine Brückner wurde am 10. Dezember 1921 in Schmillinghausen/Waldeck bei Arolsen als Tochter des Pfarrers Carl Emde und dessen Ehefrau geboren. Sie studierte Germanistik, Psychologie und Kunstgeschichte, während sie ihren Lebensunterhalt als Köchin, Kantinenleiterin, Buchhalterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunstinstitut Marburg verdiente. Im Alter von zweiunddreißig Jahren veröffentlichte Christine Brückner ihren ersten Roman: "Ehe die Spuren verwehen". 1985 stiftete sie zusammen mit ihrem Ehemann Otto Heinrich Kühner den "Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor". Zu den größten Erfolgen der Autorin zählt die Roman-Trilogie "Jauche und Levkojen", "Nirgendwo ist Poenichen" und "Die Quints" sowie das Buch "Wenn Du geredet hättest, Desdemona. Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen". In den Jahren 1979 und 1980 wurden "Jauche und Levkojen" und "Nirgendwo ist Poenichen" jeweils als Mehrteiler für das Fernsehen verfilmt.

Aus: Jauche und Levkojen

“Der junge Quindt kehrte nach viertägiger Hotel-Ehe zu seinem Regiment an die Westfront zurück, und die alten Quindts nahmen seine junge Frau mit nach Poenichen. Schnellzug Berlin-Stettin-Stargard, dann Lokalbahn und schließlich Riepe, der die drei mit dem geschlossenen Coupé - nach dem Innenpolster >Der Karierte< genannt - an der Bahnstation abholte. Die junge Frau führte nicht mehr als eine Reihe von Schließkörben und Reisetaschen mit sich. Fürs erste blieb ihre Aussteuer in Berlin, Möbel, Wäsche, Porzellan und Silber für die spätere Berliner Stadtwohnung. Sie würde fürs erste zwei der Gästezimmer im Herrenhaus bewohnen, die sogenannten >grünen Zimmer<. Fürs erste, das hieß: bis der junge Baron heimkehrte, bis der Krieg zu Ende war.
Als die Pferde in die kahle Lindenallee einbogen, dämmerte es bereits. Vera sagte, als sie das Herrenhaus am Ende der Allee auftauchen sah: »Das sieht ja direkt antik aus! War denn mal einer von euch Quindts in Griechenland?« Der alte Quindt bestätigte es. »Ja, aber nicht lange genug. Pommersche Antike. «
Wo dieses Poenichen liegt?
Wenn Sie sich die Mühe machen wollen, schlagen Sie im Atlas die Deutschlandkarte auf. Je nach Erscheinungsjahr finden Sie das Gebiet von. Hinterpommern rot oder schwarz überdruckt mit >z. Z. poln. Besatzungsgebiet< oder >unter poln. Verwaltung<, die Ortsnamen ausschließlich in deutscher Sprache oder die polnischen Namen in Klammern unter den deutschen oder auch nur polnisch. Daraus sollten Sie kein Politikum machen; im Augenblick steht zwar schon fest, daß der Erste Weltkrieg im günstigsten Falle noch durch einen ehrenvollen Waffenstillstand beendet werden kann, aber: Noch ist Pommern nicht verloren!“






Christine Brückner (10 december 1921 – 21 december 1996)

Dienstag, 9. Dezember 2008

Michael Krüger, Wolfgang Hildesheimer

Der deutsche Schriftsteller, Dichter, Verleger und Übersetzer Michael Krüger wurde am 9. Dezember 1943 in Wittgendorf geboren. Krüger ist in Berlin aufgewachsen. Nach dem Abitur absolvierte er eine Lehre als Verlagsbuchhändler beim Herbig-Verlag. Nebenher war er Gasthörer in Philosophie an der Freien Universität Berlin. Von 1962 bis 1965 arbeitete er als Buchhändler in London. Ab 1968 war Krüger als Verlagslektor beim Carl Hanser Verlag tätig. Er wurde 1986 literarischer Leiter des Verlages und ist seit 1995 Geschäftsführer. Seine eigene literarische Arbeit beschränkte sich zunächst auf Vor- und Nachworte zu Anthologien und Sammelbänden, die er herausgab. Erst 1976 erschien sein Erstling, der Gedichtband Reginapoly. Seine erste Erzählung mit dem Titel Was tun? erschien 1984. 1991 erschien – ein Jahr nach seiner Novelle Das Ende des Romans – sein erster von bisher drei Romanen, Der Mann im Turm.



Rede der Erbin

Mein Erbe betrug
14 Millionen Euro in bar
und in Aktien,
dazu eine kleine
Apotheken-Kette im Sauerland
und eine Eigentumswohnung
auf Mallorca.
Da ich mich außerstande sah,
anderen zu befehlen,
verkaufte ich die Apotheken.
Ich komme hin.
Meinen Eltern bin ich dankbar.




Brummelei des Gärtners

Meine Kunden haben zuviel
über Gärten gelesen.
Sie können englische Gärten
von französischen unterscheiden.
Sichtachse, rufen sie
und zeigen auf Stiefmütterchen.
Jemand hat Kartoffelschalen
in den Buchs geschüttet.
Ich muß ihnen erklären,
wie man Schatten züchtet.
Und sie glotzen mich an,
als sei ich ein Animator
auf einer Spielwiese für Rentner.






Michael Krüger (Wittgendorf, 9. Dezember 1943)




Der deutsche Schriftsteller und Maler Wolfgang Hildesheimer wurde am 9. Dezember 1916 in Hamburg geboren. Nach einer Schreinerlehre in Palästina, wohin seine Eltern emigriert waren, studierte er Malerei und Bühnenbildnerei in London. 1946 begann er eine Tätigkeit als Simultandolmetscher und Gerichtsschreiber bei den Nürnberger Prozessen. Er arbeitete danach als Schriftsteller und war Mitglied der Gruppe 47. Für Aufsehen sorgte eine Rede, die Hildesheimer 1960 anlässlich der Internationalen Theaterwoche der Studentenbühnen in Erlangen unter dem Titel „Über das absurde Theater“ hielt. 1980 hielt Hildesheimer die Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele „Was sagt Musik aus“.Hildesheimer ist aber vor allem durch seine Hörspiele und Dramen bekannt geworden. Neben seinen literarischen Werken verfertigte er auch Collagen, die er in mehreren Bänden sammelte. Seine Mozart-Biografie hat Hildesheimer selbst als sein „Lebensbuch“ charakterisiert

Aus: Mozart

„Es wundert uns nicht, daß gerade diese beiden Werke ein Übermaß an emotionaler Interpretation erfahrenhaben, vor allem das g Moll-Werk. In der Tat spricht es eine Sprache, die zum Mitvollzug eines unerklärbaren Vorganges auffordert, einer abwechselnd dringlichen und wieder distanzierten Mitteilung, die auf uns – es gibt da wohl kaum eine Ausnahme – tief tragisch wirkt. Es läßt sich schließlich nicht leugnen, daß unser rezeptives Potential ja nicht auf ein Abstraktum reagiert, sondern auf Suggestionen aus dem reichen Angebot eines Zauberers. Er gibt uns Erfahrungen ein, legt uns Assoziationen nah, mit Erlebtem, vergangenen Erschütterungen, die sich außermusikalischer Begrifflichkeit entziehen …Letzten Endes beruht darauf unser niemals nachlassendes Mozart-Erlebnis: Wir genießen – nicht anders al sim Fall Beethoven – die Sublimierungen der Katastrophe eines Menschen als Katharsis. In der Hoffnung, diese Quintette absetzen zu können, sah sich Mozart allerdings getäuscht. Im April –während der Arbeit am „Don Giovanni“ — bot er sie „schön und korrekt geschrieben auf subscripzion“ an,und zwar durch seinen Freund, Ordensbruder und wahrscheinlich schon beginnenden Gläubiger Michae lPuchberg, in dessen „Sallizinscher Niederlassungshandlung am hohen Markt“ die Werke ab Juli zu haben wären; doch vergebens: keiner kaufte sie. Am 25. Juni 1788 verlängerte Mozart die Subskriptionszeit bis 1789, auch das war umsonst. Wien zog kleinere Geister vor, Kozeluch, Dittersdorf, Hummel, Duschek, Eberl,Gyrowetz, und wie sie alle hießen. Mit seelenaufrührender Musik wollte man nichts zu tun haben. Am 23. April 1787 war in „Cramers Magazin der Musik“ (Hamburg) der Bericht des Wiener Korrespondenten über den auf Abwege geratenen Mozart erschienen: „Schade, daß er sich in seinem künstlichen und wirklich schönen Satz, um ein neuer Schöpfer zu werden, zu hoch versteigt, wobei freylich Empfindung und Herz wenig gewinnen,seine neuen Quartetten sind doch wohl zu stark gewürzt – und welcher Gaumen kann das lange aushalten.“ Dasselbe Magazin bestätigte ihm denn auch im Jahr 1789, „daß er einen entschiedenen Hang für das Schwere und das Ungewöhnliche hat“, was wohl auch kaum zu leugnen ist. Ob Mozart zur Zeit dieser Quintette und ihrer Ablehnung das Honorar von hundert Dukaten für den Prager Auftrag des „Don Giovanni“ schon ausgegeben oder noch nicht erhalten hatte, wissen wir nicht.“






Wolfgang Hildesheimer (9. Dezember 1916 – 21. August 1991)

Montag, 8. Dezember 2008

Mary Gordon, Louis de Bernières, Delmore Schwartz

Die amerikanische Schriftstellerin Mary Gordon wurde geboren am 8. Dezember 1949 in Far Rockaway, New York. Gordon ist Professorin für Englisch am Barnard College und eine der bekanntesten amerikanischen Autorinnen der Gegenwart. Sie ist Trägerin des O'Henry Prize und hat mehrere Romane, Kurzgeschichten und Memoirs veröffentlicht. Sie lebt in New York City.

Aus: Pearl (2005)

We may as well begin with the ride home.
It is Christmas night, 1998. The ending of a day that was not unseasonable, except in its failure to fulfill the sentimental wish for spur-of-the moment snow. The sky: gray; the air: cold, with a high of 33 degrees Fahrenheit. Palpable winter but not winter at its worst. Fewer of the poor than usual died on that day of causes traceable to the weather. Perhaps the relatively unimpressive showing of weather-related deaths was due to the relative clemency of the air, the relative windlessness, the relative benevolence that could be counted on by the poor to last, perhaps, eight days, December twenty-fourth through the first of January.
Ten o'clock Christmas night. Four friends drive south on the way home after a day of celebration. They have had Christmas dinner at the house of other friends, a weekend and vacation house in the mountains north of New York. One couple sits in the front of a brown Honda Accord, the other in the back. They are all in their fifties. All of their children are on other continents: one in Brazil, working on an irrigation project; one in Japan, teaching English; one in Ireland studying the Irish language at Trinity College. They were determined not to have a melancholy Christmas, and for the most part they have not.
They leave Maria Meyers off first since she lives in the most northerly part of the city or, as they would say, the farthest uptown.
She opens the door of her apartment on the sixth or top floor of a building on the corner of La Salle Street and Claremont Avenue, a block west of Broadway, a block south of 125th Street, on the margins of Harlem, at the tip end of the force field of Columbia University. Before she takes off her brown boots lined with tan fur, her green down coat, her rose-colored scarf, her wool beret, also rose, she sees the red light of her answering machine.”





Mary Gordon (Far Rockaway, 8. Dezember 1949)






Der britische Schriftsteller Louis de Bernières wurde am 8. Dezember 1954 in London geboren. Er wuchs im Nahen Osten als Sohn eines britischen Offiziers auf. Nach der Schule schrieb er sich in der Militärakademie Sandhurst ein, verließ die britische Militärschule jedoch bald darauf wieder. In der Folgezeit hielt sich de Bernières in Lateinamerika auf, bevor er wieder nach London zurückkehrte und ein Philosophiestudium aufnahm. Bis er mit dem Roman Captain Corelli's Mandolin 1994 seinen ersten Erfolg verzeichnen konnte, arbeitete er als Landschaftsgärtner und Kfz-Mechaniker. Sein Roman Traum aus Stein und Federn präsentiert eine in einem anatolischen Dorf spielende Liebesgeschichte auf der Folie des untergehenden Osmanischen Reiches. Über die Jahre erhielt de Bernières (in verschiedenen Kategorien) den Commonwealth Writers Prize; 1991 für The War of Don Emmanuel's Nether Parts, 1992 für Señor Vivo and the Coca Lord, 1995 für Captain Corelli's Mandolin und 2005 für Birds Without Wings. Außerdem wurde er 1997 mit einem der British Book Awards und 2004 mit dem Whitbread Novel Award ausgezeichnet.

Aus: Birds Without Wings

“Yusuf the Tall loved all his children equally, with a passionate adoration that, when he thought about it, sometimes made him lachrymose. If his life were like a garden, then his daughters would be like the roses growing alongside its walls, and his sons would be like young trees that formed a palisade against the world. When they were small he devoted happy hours to their entertainment, and when they grew older he hugged them until their eyes bulged and they thought that their ribs would crack. He had grown to love his wife too, partly because this is what happens when a wife is well chosen, and partly because from her loins had sprung these brooks and becks of happiness.

But now Yusuf the Tall did not know what to do with his hands. It seemed as though they were behaving on their own. The thumb and middle finger of his left hand stroked across his eyeballs, meeting at the bridge of his nose. It was comforting, perhaps, for a scintilla of time. There was no comfort longer than that in this terrible situation. Sometimes his hands lay side by side on his face, the tips of his thumbs touching the lobes of his ears. He had thrown off his fez so that they could stroke his hair backwards, coming to rest on the back of his neck. The maroon fez lay in a corner on its side, so that his wife Kaya kept glancing at it. Despite this awful emergency, and the drama in which she was caught up, her instinct was to tidy it away, even if it were only to set it upright. She sat on the low divan, kneading her fingers, biting her lip and looking up at her husband. She was as helpless as one who stands before the throne of God.“






Louis de Bernières (Londen, 8. Dezember 1954)





Der amerikanische Dichter Delmore Schwartz wurde am * 8. Dezember 1913 in Brooklyn, New York, geboren. Seine erstes veröffentlichtes Werk war die 1937 erschienene Kurzgeschichte In Dreams Begin Responsibilities. Diese und andere Kurzgeschichten und Gedichte erschienen in seinem ersten Buch In Dreams Begin Responsibilities and Other Stories (1938). Es wurde gut aufgenommen und Schwartz wurde zu einer bekannten Figur in den intellektuellen Zirkeln New Yorks. In den nächsten drei Jahrzehnten publizierte Schwartz zahlreiche Geschichten, Gedichte und Stücke und gab von 1943 bis 1955 die Partisan Review heraus. 1959 war er der Jüngste unter den mit dem Bollingen Prize Geehrten. Er erhielt den Preis für eine Sammlung von Gedichten, die in jenem Jahr erschien (Summer Knowledge: New and Selected Poems). Diese Sammlung enthält auch Calmly We Walk Through This April's Day. Sein späteres Leben war vom Alkoholismus und schließlich vom Wahnsinn geprägt; die Geschichte dieser Abwärtsspirale, die seinem ursprünglichen Erfolg folgte, liegt Saul Bellow's Roman Humboldt's Gift zugrunde.



At This Moment Of Time

Some who are uncertain compel me. They fear
The Ace of Spades. They fear
Loves offered suddenly, turning from the mantelpiece,
Sweet with decision. And they distrust
The fireworks by the lakeside, first the spuft,
Then the colored lights, rising.
Tentative, hesitant, doubtful, they consume
Greedily Caesar at the prow returning,
Locked in the stone of his act and office.
While the brass band brightly bursts over the water
They stand in the crowd lining the shore
Aware of the water beneath Him. They know it. Their eyes
Are haunted by water

Disturb me, compel me. It is not true
That "no man is happy," but that is not
The sense which guides you. If we are
Unfinished (we are, unless hope is a bad dream),
You are exact. You tug my sleeve
Before I speak, with a shadow's friendship,
And I remember that we who move
Are moved by clouds that darken midnight.





Late Autumn In Venice

(After Rilke)

The city floats no longer like a bait
To hook the nimble darting summer days.
The glazed and brittle palaces pulsate and radiate
And glitter. Summer's garden sways,
A heap of marionettes hanging down and dangled,
Leaves tired, torn, turned upside down and strangled:
Until from forest depths, from bony leafless trees
A will wakens: the admiral, lolling long at ease,
Has been commanded, overnight -- suddenly --:
In the first dawn, all galleys put to sea!
Waking then in autumn chill, amid the harbor medley,
The fragrance of pitch, pennants aloft, the butt
Of oars, all sails unfurled, the fleet
Awaits the great wind, radiant and deadly.






Delmore Schwartz (8. Dezember 1913 – 11. Juli 1966)

Sonntag, 7. Dezember 2008

Johann Nestroy, Noam Chomsky

Der österreichische Dramatiker, Schauspieler, Sänger und Satiriker Johann Nepomuk Nestroy wurde geboren am 7. Dezember 1801 in Wien. Nestroy war das zweite von acht Kindern einer angesehenen Wiener Bürgerfamilie und sollte eigentlich Jurist werden wie sein Vater, der „Hof- und Gerichtsadvokat“ Johann Nestroy. Er interessierte sich aber mehr für das Theater.1831 bekam er sein erstes Engagement im Theater an der Wien. Schon bald hatten ihn die Wiener ins Herz geschlossen und zählten ihn zu den beliebtesten Volksschauspielern und Possendichtern. Sein erster großer Erfolg als Autor war die Zauberposse „Der böse Geist Lumpazivagabundus“ (1833). Dies ist auch sein bekanntestes Stück. Ab 1854 leitete Nestroy das Leopoldstädter Theater bis 1860. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Graz und Bad Ischl. Nestroys Werk ist der literarische Höhepunkt des Alt-Wiener Volkstheaters.

Aus: Die schlimmen Buben in der Schule


Landrat Sternau. Franz.
(Mit dem Aufrollen des Vorhanges tritt Franz mit dem Landrat Sternau ein. Sternau ist in einen simplen Überrock gekleidet, Franz trägt ein großes Paket Bücher, in Packpapier emballiert.)
Franz. Wie gesagt, zu Hause ist er nicht, ich habe ihn diesen Morgen schon begegnet - (das Paket auf die vordere Bank ablegend) aber wenn Sie ihn hier erwarten wollen -
Sternau. Sie haben mir auf dem Wege von der Post bis hieher den Mann so lebhaft geschildert, daß ich kaum mehr nötig habe, ihn persönlich kennenzulernen. Nur scheint es, daß Sie mit zuviel Vorliebe -
Franz. Der Magister ist gewiß ein braver, herzensguter Mann!
Sternau. Ich höre aber von Unordnungen im Schulwesen hier auf dem Schlosse; warum schweigen Sie darüber?
Franz(etwas stockend). Weil - (für sich) dieser Fremde hat so etwas Gebieterisches und Vertrauenerweckendes zugleich -
Sternau. Fürchten Sie nicht, durch Offenheit dem Magister zu schaden!
Franz. Er trägt auch gewiß keine Schuld. Die liebe Jugend ist dem guten alten Mann etwas über den Kopf gewachsen, das ist das Ganze.
Sternau. Das passiert diesen Herrn öfters. Das Alter allein ist nicht genug, die Jugend in Respekt zu erhalten, es bringt nur leider oft die entgegengesetzte Wirkung hervor. Aber Sie sollten dann um so mehr - Sie sind ja sein Gehilfe!
Franz. Ach, wenn ich's wäre! Aber er verweigert mir durchaus diesen Titel! »Aufseher« - das ist alles, was er mir zugesteht. Dadurch schmälert er mein Ansehn und hindert mich, so zu wirken, wie ich's gerne möchte.
Sternau. Ist er Ihnen abgeneigt?
Franz. O nein! Aber - man kann ihm's im Grunde nicht verargen - er ist ängstlich, fürchtet immer, seine nicht gesicherte Stellung hier zu verlieren, und will es daher durchaus nicht merken lassen, daß er altershalber schon eines Gehilfen bedürfte.
Sternau(nachsinnend, für sich). Nun - nun - wir werden ja sehn -





Johann Nestroy (7. Dezember 1801 – 25. Mai 1862)





Der Amerikanische Schriftsteller und Sprachwissenschaftler Noam Chomsky wurde geboren am 7. Dezember 1928 in Philadelphia, Pennsylvania. Er entwickelte die nach ihm benannte Chomsky-Hierarchie, seine Beiträge zur allgemeinen Sprachwissenschaft förderten den Niedergang des Behaviorismus und den Aufstieg der Kognitionswissenschaft. Neben seiner linguistischen Arbeit gilt Chomsky als einer der bedeutendsten linken politischen Intellektuellen Nordamerikas und ist seit dem Vietnamkrieg als scharfer Kritiker der US-amerikanischen Außen- und Wirtschaftspolitik weltweit bekannt. Dem Arts and Humanities Citation Index von 1992 zufolge ist Chomsky im Zeitraum zwischen 1980 und 1992 die am häufigsten zitierte lebende Person der Welt gewesen. Er bezeichnet sich als libertären Sozialisten mit Sympathien für den Anarchosyndikalismus und ist Mitglied der Industrial Workers of the World.

Aus: Understanding Power

“I'll tell you another, last case—and there are many others like this. Here's a story which is really tragic. How many of you know about Joan Peters, the book by Joan Peters? There was this best-seller a few years ago [in 1984], it went through about ten printings, by a woman named Joan Peters—or at least, signed by Joan Peters—called From Time Immemorial. It was a big scholarly-looking book with lots of footnotes, which purported to show that the Palestinians were all recent immigrants [i.e. to the Jewish-settled areas of the former Palestine, during the British mandate years of 1920 to 1948]. And it was very popular—it got literally hundreds of rave reviews, and no negative reviews: the Washington Post, the New York Times, everybody was just raving about it. Here was this book which proved that there were really no Palestinians! Of course, the implicit message was, if Israel kicks them all out there's no moral issue, because they're just recent immigrants who came in because the Jews had built up the country. And there was all kinds of demographic analysis in it, and a big professor of demography at the University of Chicago [Philip M. Hauser] authenticated it. That was the big intellectual hit for that year: Saul Bellow, Barbara Tuchman, everybody was talking about it as the greatest thing since chocolate cake.Well, one graduate student at Princeton, a guy named Norman Finkelstein, started reading through the book. He was interested in the history of Zionism, and as he read the book he was kind of surprised by some of the things it said. He's a very careful student, and he started checking the references—and it turned out that the whole thing was a hoax, it was completely faked: probably it had been put together by some intelligence agency or something like that. Well, Finkelstein wrote up a short paper of just preliminary findings, it was about twenty-five pages or so, and he sent it around to I think thirty people who were interested in the topic, scholars in the field and so on, saying: "Here's what I've found in this book, do you think it's worth pursuing?"





Noam Chomsky (Philadelphia, 7. Dezember 1928)

Samstag, 6. Dezember 2008

Peter Handke, Rafał Wojaczek, Dirk Dobbrow

Der österreichische Schriftsteller Peter Handke wurde am 6. Dezember 1942 als Sohn eines deutschen Soldaten und einer Kärtner Slowenin in Griffen in Kärnten geboren. Handke verbrachte seine Kindheit zum Teil in Kärnten und in Berlin. In Tanzenberg hielt er sich als Internatsschüler auf. 1961 absolvierte Handke in Klagenfurt sein Abitur. Nach der Schule fing er ein Jurastudium in Graz an. Dort lernte er die Grazer Gruppe "Forum Stadtpark" kennen. Es folgten Veröffentlichungen von Prosatexten und eine Mitarbeit beim Rundfunk. 1966 erschien sein Erstlingsroman "Die Hornissen". Handke brach sein Studium ab. Seitdem lebte er als Berufsschriftsteller. Handke wechselte seine Wohnsitze zwischen Deutschland, Österreich und Frankreich. Seit 1991 lebt er in Chaville bei Paris.

Aus: Rund um das große Tribunal

“Nichts Lächerlicheres und vor allem Kläglicheres aber als die mannigfaltigen Verschwörungstheorien, welche von diesen und jenen aus den verschwindenden oder fast schon verschwundenen Minderheiten gegen die herrschenden Sicherheiten ins Feld geführt werden. Die Juden; die islamische Gefahr; der Balkan in westlicher Hand für den Zugang und Zugriff auf die östlichen und südöstlichen Erdölfelder etc.: Denn die mächtigen und reichen Länder haben gleichwelche Verschwörung oder Munkelei gar nicht nötig; sie sind von vornherein, durch den Stand der Dinge, schon verschworen, natur- und sachverschworen, ohne irgendwelche Packeleien in Hinterzimmerkonferenzen. Verschworenheit ohne Verschwörung: Strahlt das nicht von jedem lässigen Zusammenstehen der gerade Mächtigen - wenn sie es denn sind - in den freien Weitgegenden aus? Als Verschwörer dagegen wirken zunehmend gerade die Leutchen mit den Verschwörungstheorien: kleine, zersplitterte, traurige, hoffnungslose Verschwörer im Niemandsland, oder eben in der Diaspora, verschworen und sich täglich neu verschwörend - für nichts und wieder nichts; Verschwörer ohne Ziel, oder mit unerreichbarem Ziel (ein anderer Augenschein). Wieder so eine verkehrte Welt? Oder doch wieder die richtige - die maßgebliche?“





Peter Handke (Griffen, 6. Dezember 1942)





Der Polnische Lyriker Rafał Wojaczek wurde am 6. Dezember 1945 in Mikołów in einer stadtbekannten und -geschätzten Familie geboren. Sein Vater war Gymnasiumslehrer, seine Mutter arbeitete in einem Verlag. Er besuchte mehrere Gymnasien in Mikołów, Katowice-Ligota und Kędzierzyn-Koźle. Nach dem Abitur studierte er Polonistik an der Jagiellonen-Universität in Krakau, brach aber das Studium nach kurzer Zeit ab und zog 1964 nach Breslau, wo er mehrere Jobs ausprobierte, u.a. arbeitete er im städtischen Mühlabfuhrunternehmen. Während seiner Zeit in Breslau führte er ein exzessives Leben und galt als ein weltfremder Egomane, der unter Selbstzerstörungswahn litt. Dies führte zum Alkoholismus und mehreren Selbstmordversuchen. Er starb 1971 nach der Einnahme eines Medikamentencocktails.Wojaczek gehörte zu der gleichen Dichtergeneration wie Edward Stachura und Andrzej Bursa und gilt als einer der jungen Wilden der polnischen Dichtung der 1960er Jahre. Als Dichter debütierte er 1965 in der Zeitschrift „Poezja“ (dt. Poesie).


ich bin die waagerechte

ich bin die waagerechte
du bist senkrecht
du bist der berg
ich bin das tal
ich bin die erde
du bist die sonne
ich bin das schild
du bist das schwert
ich bin die wunde
du bist der schmerz
ich bin die nacht
du bist gott
du bist das feuer
ich bin das wasser
ich bin nackt
du bist in mir
ich bin die waagerechte
nicht immer
du bist senkrecht
auf zeit
ich bin die senkrechte
berg des orgasmus
du bist waagerecht
bei mir




I, Kafka

Heart has overgrown me
I'm all inside
root

White grasses
grow from my
lips

Julia daughter of a eunuch
with lips by her farther
trained
tills my illness




You Have to Fear the Rose . . .

You have to fear the rose; it is the mouth
of the wound that bleeds continually inside you.

Because my tongue, oh naked one, can’t find you.
Tell me you are afraid, I’ll believe you exist.

That you exist in yourself; conscious of your body.
The body is a shutter the gentlest breeze’s hand

can turn into a windowpane of blood.
A firestorm will seize the neighboring district,

burn out the eyes of every newborn baby,
while the blind, grieving mothers lose their hair.

Tell me then, so that only my hair can hear you,
so that my skin can tell the lips, with a quick shudder

of whisper, whether you still live in this muddy person;
before I’ve flowed through it entirely, tell me.






Rafał Wojaczek (6. Dezember 1945 – 11. Mai 1971)





Der deutsche Schauspieler, Schriftsteller und Dramatiker Dirk Dobbrow wurde am 6. Dezember 1966 in Berlin. Geboren. Nach dem Abitur arbeitete Dobbrow als Zeitungsbote, Altenpfleger und Radiosprecher. Außerdem besuchte er eine private Schauspielschule. Er war zwei Jahre lang als Schauspieler am Stadttheater Lüneburg engagiert, danach an verschiedenen Theatern in Berlin, darunter an der Vaganten Bühne und am Schlossparktheater. 2003 war Dobbrow Stipendiat des Deutschen Literaturfonds. 2004 konnte er ein Arbeitsstipendium für Schriftstellerinnen und Schriftsteller von der Kulturverwaltung des Berliner Senats entgegennehmen und 2004/2005 war er Stipendiat der DrehbuchWerkstatt München. Dirk Dobbrow lebt als freier Autor in Berlin und schreibt Theaterstücke, Romane und Erzählungen.

Aus: Der Mann der Polizistin

„DaBaby fürchtete die Dunkelkammer wie eine große Maschine. Große Maschine, die ihn gleich verschlucken würde, wenn er den Schlüssel ins Schloß gesteckt, herumgedreht, die Tür zum verbotenen Bezirk geöffnet hätte. DaBaby liebte seine Furcht. Es war eine Furcht, die ihm dieses gewisse Kribbeln verschaffte, ein Kribbeln, das den Rücken hinauf und hinunter fuhr und irgendwo zwischen den Pobacken verschwand, bis es wieder von vorn oben zwischen den Schulterblättern startete.
Er knipste die kleine Osram-Funzel an. Funzliges Dämmerlicht sollte ihm genügen, gehörte zur Dunkelkammeratmosphäre dazu, fand er. Er schloß die Metallschränke auf. War nicht weiter schwierig, hier steckte der Schlüssel. Was diese Metallschränke gekostet haben, dachte DaBaby, ein Vermögen, und er zog eine Schublade auf, darein paßten auch die großformatigen Abzüge, Daddys Ausstattung entsprach dem gehobenen Standard, Ma hatte geflucht, als Arbeiter die prächtigen Metallschränke in die Wohnung schleppten, fette teure Ziffer auf dem Lieferschein, Pa zahlte ohne mit der berühmten Wimper zu zucken, hast du dir schon einmal ausgerechnet, fluchte Ma, hast du dir schon einmal ausgerechnet, was deine Arbeit einbringt, CASH meine ich, unterm Strich, und hinter ihrem Fluch zuckte ein riesiges Fragezeichen auf, flatterte durch den Raum, gespenstischer schwarzer Vogel, DaBaby atmete ein, DaBaby schnappte nach Luft, es würde einer der mittelschweren Kräche beginnen, nicht einer der äußerst schweren, ein äußerst schwerer begann, wenn Mammie fragte, was sein H o b b y einbringt, hörte Pa das Wort Hobby, umschrieb jemand seine schweißtreibende Arbeit mit dem Wort Hobby, schwoll ihm am Hals eine Ader, die nichts Gutes versprach.“





Dirk Dobbrow (Berlin, 6. Dezember 1966)

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