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Donnerstag, 26. Februar 2009

Michel Houellebecq, Victor Hugo

Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq wurde am 26. Februar 1958 – gemäß anderen Quellen 1956 – auf Réunion geboren. Heute lebt er in Irland und auf Lanzarote. Er begann in den 1980er-Jahren mit Gedichten, die 1991 und 1992 gesammelt in den Bänden Rester vivant und La Poursuite du bonheur erschienen (Suche nach Glück, 2000). In seinem frühen Essay H. P. Lovecraft, contre le monde, contre la vie, 1991 (Gegen die Welt, gegen das Leben, 2002), setzte er sich mit Leben und Werk des amerikanischen Kultautors der fantastischen Literatur, H.P. Lovecraft, auseinander. Aber erst mit seinen Romanen Extension du domaine de la lutte 1994 (Ausweitung der Kampfzone, 2000) und vor allem Les Particules élémentaires, 1998 (Elementarteilchen, 2001), die beide verfilmt wurden, erreichte er nationale und internationale Bekanntheit. Der dritte Roman, Plateforme, 2001 (Plattform) und der vierte, La Possibilité d'une île, 2005 (Die Möglichkeit einer Insel) waren gleich bei ihrem Erscheinen Erfolge. Sie wurden mit den Literaturpreisen Prix Novembre bzw. Prix interallié ausgezeichnet und noch im Erscheinungsjahr in mehrere Sprachen, darunter auch ins Deutsche, übersetzt.

Aus: Elementarteilchen (Übersetzt von Ulli Wittmann)

„Der erste Juli 1998 fiel auf einen Mittwoch. Daher war es durchaus logisch, wenn auch ungewöhnlich, dass Djerzinski seine Abschiedsfeier an einem Dienstagabend veranstaltete. Zwischen den Tiefkühltruhen für Embryos stand, ein wenig erdrückt von deren Vielzahl, ein Kühlschrank der Marke
Brandt, in dem sich die Champagnerflaschen befanden; er diente normalerweise zur Aufbewahrung der üblichen chemischen Produkte.
Vier Flaschen für fünfzehn Leute, das war ein bisschen knapp bemessen. Alles war außerdem etwas knapp bemessen: Die Motivation, die sie zusammenführte, war oberflächlich; ein falsches Wort, ein schräger Blick, und schon würde sich die Gruppe auflösen und jeder zu seinem Fahrzeug eilen.
Sie hielten sich in einem weiß gekachelten, klimatisierten Raum im Kellergeschoss auf, der mit einem Plakat deutscher Seen geschmückt war. Niemand hatte sich angeboten, Fotos zu machen. Ein bärtiger junger Forscher mit dümmlichem Aussehen, der seit Anfang des Jahres im Institut arbeitete, verdrückte sich nach wenigen Minuten unter dem Vorwand von Parkproblemen. Unter den Anwesenden breitete sich zunehmend spürbares Unbehagen aus; bald begannen die Ferien. Manche fuhren in ein Landhaus der Familie, andere verbrachten die Ferien im Grünen. Die Worte, die gewechselt wurden, peitschten langsam durch die Luft. Man trennte sich schnell.
Um neunzehn Uhr dreißig war alles vorbei. Djerzinski ging in Begleitung einer Kollegin mit langem schwarzem Haar, sehr weißer Haut und großen Brüsten über den Parkplatz. Sie war etwas älter als er; wahrscheinlich würde sie seine Nachfolge antreten und die Leitung des Forschungsinstituts übernehmen.
Die meistenihrer Veröffentlichungen beschäftigten sich mit dem Gen DAF3 der Drosophila; sie war unverheiratet. Er stand vor seinem Toyota und reichte der Forscherin mit einem Lächeln die Hand (seit mehreren Sekunden hatte er sich vorgenommen, diese Geste, begleitet von einem Lächeln,
auszuführen, und sich innerlich darauf vorbereitet). Die Handflächen verschränkten sich und schüttelten sich leicht. Ein wenig zu spät sagte er sich, dass es diesem Händedruck an Wärme gefehlt habe; angesichts der Umstände hätten sie sich umarmen können, wie es Minister oder manche
Schlagersänger taten.“







Michel Houellebecq (Réunion, 26. Februar 1958)




Der französische Schriftsteller Victor Hugo wurde am 26. Februar 1802 in Besançon geboren. Vielleicht schon mit 10 begann Hugo zu schreiben, und früh war sein Ziel, „Chateaubriand zu werden oder nichts“. Mit 15 erhielt er bei einem Dichtwettbewerb eine „ermutigende Erwähnung“, mit 16 begann er ein Jurastudium. Eben 17-jährig (1819) gründete er zusammen mit den Brüdern eine literarische Zeitschrift, Le Conservateur littéraire, 1831 publizierte Hugo den sehr erfolgreichen historischen Roman Notre Dame de Paris (dt: „Der Glöckner von Notre-Dame“) und die ebenfalls erfolgreiche Gedichtsammlung Les feuilles d'automne. In den nächsten Jahren verfasste er hauptsächlich historische Stücke, deren erstes, Le roi s'amuse (1832), direkt nach der Premiere verboten wurde, denn Hugo war, zusammen mit anderen jungen Intellektuellen, schon bald nach der Julirevolution von 1830 in Opposition zu dem neuen Regime von „Bürgerkönig“ Louis-Philippe gegangen. 1837 machte Hugo die persönliche Bekanntschaft Louis-Philippes und näherte sich ihm politisch an. Wie immer schrieb und publizierte er ständig auch Gedichte, die er von Zeit zu Zeit gesammelt herausgab. 1841 wurde er nach mehreren Anläufen endlich in die Académie française gewählt. Im Jahre 1845 ernannte König Louis-Philippe ihn zum Vicomte und Pair, d. h. zum Mitglied auf Lebenszeit der Chambre des Pairs, des parlamentarischen Oberhauses, das allerdings nach der Februarrevolution 1848 abgeschafft wurde. 1847 begann Hugo einen sozial engagierten Roman in der Manier von Eugène Sues Les mystères de Paris, der aber erst 1862 als Les Misérables (dt. Die Elenden) fertig werden sollte.Als Hugo sich gegen den Staatsstreich auflehnte, mit dem sich Napoleon III. am 2. Dezember 1851 zum Präsidenten auf Lebenszeit machte, wurde er kurz inhaftiert und anschließend aus Frankreich verbannt.1871, nach dem Sturz von Kaiser Napoléon III., kehrte Hugo aus dem Exil zurück, doch misslangen zunächst seine Versuche, in der Politik der jungen Dritten Republik Fuß zu fassen. Erst 1876 wurde er in den als Oberhaus fungierenden Senat gewählt. Nach einem Schlaganfall 1878 ließ seine Schaffenskraft nach, doch konnte er noch einige Jahre seinen Ruhm genießen.

Aus: Der Glöckner von Notre-Dame (Übersetzt von Hertha Lorenz)

„Heute vor dreihundertachtundvierzig Jahren sechs Monaten und neunzehn Tagen erwachten die Pariser unter dem Geläute aller Glocken, welche innerhalb des dreifachen Bereiches der Altstadt, Südstadt oder des Universitätsviertels und der Nordstadt mit lautem Schalle ertönten.
Und dennoch ist der 6. Januar 1482 kein Tag, von dem die Geschichte eine Erinnerung bewahrt hat. Nichts Merkwürdiges war an dem Ereignisse, welches seit dem Morgen die Glocken und die Bürger von Paris so in Bewegung und Erregung versetzte. Weder war es ein Ueberfall der Picarden oder der Burgunder, noch ein glänzender Jagdaufzug, noch ein Studententumult im Weingarten von Laas, noch ein Einzug »unseres allergnädigsten Herrn, des sehr gefürchteten Herrn Königs«, noch auch eine hübsche Aufknüpfung von Spitzbuben und Diebinnen im Gerichtshofe zu Paris. Nein, nicht einmal die im fünfzehnten Jahrhunderte so häufige Ueberraschung durch irgend welche verbrämte und mit Federbüschen geschmückte Gesandtschaft war es. Vor kaum zwei Tagen hatte der letzte derartige Aufzug, nämlich derjenige der flamländischen Gesandten, welche mit Abschließung des Ehebündnisses zwischen dem Dauphin und Margarethen von Flandern beauftragt waren, seinen Einzug in Paris gehalten, zum großen Verdrusse des Herrn Cardinals von Bourbon, welcher, dem Könige zu gefallen, dieser ganzen tölpelhaften Gesellschaft flamländischer Bürgermeister höflich begegnen und sie in seinem Palaste Bourbon mit einem »viel köstlichen Moralitätsspiele, Possen- und Schwankspiele« hatte unterhalten müssen, während ein Platzregen die prächtigen Teppiche vor seinem Thore überschwemmte.
Der 6. Januar, welcher »die ganze Bevölkerung von Paris in Bewegung brachte«, wie Jehan von Troyes erzählt, vereinigte seit undenklicher Zeit ein Doppelfest in sich: das des Königstages und des Narrenfestes.
An diesem Tage mußte es Freudenfeuer auf dem Grèveplatze, Maienaufpflanzung in der Kapelle Braque und geistliches Schauspiel im Justizpalaste geben. Am Abend vorher war es unter Trompetenschall in den Gassen durch des Herrn Oberrichters Leute in ihren Waffenröcken von violettem Camelot, mit großen weißen Kreuzen auf der Brust, ausgerufen worden.“







Victor Hugo (26 februari 1802 – 22 mei 1885)
Photografiert von Félix Nadar, 1884

Mittwoch, 25. Februar 2009

Anthony Burgess, Lesja Oekrajinka

Der amerikanische Schriftsteller Anthony Burgess wurde am 25. Februar 1917 in Manchester geboren. Er studierte Musik und englische Literatur in seiner Heimatstadt. 1940 bis 1945 war er im Krieg. Von 1954 bis 1957 arbeitete er als Erziehungsoffizier in Malaysia und danach im Kolonialdienst in Brunei (Borneo), bis er 1959 nach England zurückgeschickt wurde, weil die Ärzte glaubten, einen Gehirntumor bei ihm diagnostiziert zu haben. Weil Anthony Burgess befürchtete, nicht mehr viel Zeit zu haben, schrieb er innerhalb eines Jahres fünf Romane, häufig mit grotesken und satirischen Zügen, u. a. »Uhrwerk Orange« (1962, 1971 verfilmt) und »Das Uhrwerk-Testament« (1974) sowie literaturwissenschaftliche Schriften, wie »Ein Mann in Dublin namens Joyce« (1965) und »Shakespeare« (1977). Anthony Burgess starb erst am 25. November 1993.


Aus: Revolutionary Sonnets

A dream, yes, but for everyone the same.
The thought that wove it never dropped a stitch.
The absolute was everybody's pitch,
For, when a note was struck, we knew its name.
That dark aborted any wish to tame
Waters that day might prove to be a ditch
But then was endless growling ocean, rich
In fish and heroes till the dredgers came.
Wachet auf! A fretful dunghill cock
Flinted the noisy beacons through the shires.
A martin's nest clogged the cathedral clock,
But it was morning: birds could not be liars.
A key cleft rusty age in lock and lock.
Men shivered by a hundred kitchen fires.




Going, Going, Gone

i know it is time to go
and go i must
so does it mean i don't care,
questioning did I ever care
or was it fear that made stay so long
fear of starting over
fear on the unknown
but to stay i must to lie
lying is a cowardly trait
and i can not longer wear those shoes
they are much too small for my feet now
so with a kiss on the cheek
i taste the sadness of notorious love
and I'm gone







Anthony Burgess (25. Februar 1917 – 22. November 1993)



Die ukrainische Dichterin, Dramaturgin und Übersetzerin Lesja Ukrainka wurde am 25. Februar 1871 in Nowohrad-Wolynskyj geboren.Trotz ihrer Neigung zur Musik und ihres großen musikalischen Talents, wandte sie sich wegen ihrer Tuberkulose-Erkrankung, mit der sie zeitlebens zu kämpfen hatte, der Literatur zu. Krankheitsbedingt besuchte sie auch keine öffentliche Schule, sondern wurde von ihrer Mutter und Drahomanow privat unterrichtet. In ihrem Gedicht Contra Spem Spero („Gegen die Hoffnung hoffe ich“), das sich in ihrem Werk deutlich abhebt, kommt der ganze Kampfeswillen und der Optimismus zum Ausdruck, der sie trotz ihrer Krankheit nie verließ. An dem 1892 in Lemberg erschienenen Buch der Lieder von Heinrich Heine war Lesja Ukrainka mit 92 Übersetzungen beteiligt. Daneben übersetzte sie auch poetische Werke von Iwan Sergejewitsch Turgenew, Adam Mickiewicz und Victor Hugo, Macbeth von William Shakespeare, Dantes Inferno sowie Stücke von Byron und Gerhart Hauptmann. Um die ukrainische Sprache neben der russischen populär zu machen, wählte sie bewusst volksnahe Texte zur Übersetzung aus. In ihren eigenen Gedichten spielten die Sehnsucht nach Freiheit ebenso wie folkloristische Sujets eine große Rolle. Aus ihrer Feder stammen zahlreiche Liedertexte, Balladen und Märchen.



Contra spem spero (Hope against hope)

Hence, dark thoughts! Away, ye autumn mists!
Golden spring is here, she's here today!
Should my days of youth be spent in woe,
Drearily and sadly pass away?

Nay, through all my tears, I still will smile,
Sing my songs through troubles round me loom;
Hopeless, still hope on against all odds,
I will live! Away, ye thoughts of gloom!

On this hard and ingrate soil I'll sow
Flowers that shall bloom with colors rare;
Flowers will I plant where frost doth reign,
Water them with many a bitter tear.

And these burning tears will soften then
All that ground so crusted, chill, malign,
Flowers, then perhaps, will bloom and bring
Joyous spring e'en to this heart of mine.

Though the mountain side be rough and steep,
Onward will I bear the ponderous stone;
Struggling upwards 'neath the crushing load,
Still will I my joyous song intone.

Through the long, dark night inscrutable
Never will I close my wearied eyes,
Searching ever for guiding start -
Radiant empress of the midnight skies.

Yes, through all my tears, I still will smile,
Sing my songs through troubles round me loom;
Hopeless, still hope on against all odds,
I will live! Away, ye thoughts of gloom!








Lesja Oekrajinka (25. Februar 1871 – 1. August 1913)

Dienstag, 24. Februar 2009

Stanislaw Witkacy, George Moore

Der polnische Schriftsteller, Maler, Fotograf und Philosoph Stanisław Ignacy Witkiewicz oder Witkacy wurde am 24. Februar 1885 in Warschau geboren. Sein Vater, Stanisław Witkiewicz, war Künstler und seine Mutter Musikerin, so dass er bereits in der Kindheit stark von künstlerischen Einflüssen geprägt wurde. Um den Sohn frei zu erziehen, schickte der Vater ihn auf keine Schule, sondern unterrichtete ihn selbst. Trotz allem konnte er ein Abitur ablegen und studierte kurzzeitig an der Kunstakademie in Krakau. Nach dem Freitod seiner Verlobten 1914 reiste er zusammen mit seinem Freund Bronisław Malinowski nach Australien. Im Herbst desselben Jahres begab sich Witkiewicz nach Petersburg zum Pawlowski-Regiment. Nach seiner Ausbildung begann er sich 1915 der Kunst zuzuwenden und erlebte die Russische Revolution in Petrograd. Nach Polen zurückgekehrt gab er sich seinen Künstlernamen Witkacy und konzentrierte sich nun vollständig auf die Kunst. Allein 1920 schrieb er zehn Theaterstücke. 1922 heiratete er Jadwiga von Unrug, die Enkelin des polnischen Malers Juliusz Kossak. Um seinen Geldmangel zu beseitigen, gründete er in Zakopane das Unternehmen „S. I. Witkiewicz" und malte dort Porträts. Diese zeichnete er oft unter dem Einfluss von Drogen. Ob er auch abhängig von Drogen war, ist umstritten. Die Art der Drogen vermerkte er stets (anhand ihrer chemischen Formel) auf den Bildern. Je nach seiner Laune fielen die Bilder sehr unterschiedlich aus. So wurden Kommentare eingearbeitet, aber auch die Darstellung der Bilder an sich variierte. Möglicherweise entstand aber gerade dadurch seine große Popularität. Anerkennung für seine geschriebenen Werke erhielt er zu Lebzeiten nicht. Sowohl Kritiker als auch das breite Publikum zeigten seinen Werken gegenüber meist Ablehnung und völliges Unverständnis.Heute gilt Witkacy neben Witold Gombrowicz und Bruno Schulz als einer der wichtigsten Schriftsteller der polnischen Moderne.

Aus: 622 Abstürze Bungos oder Die dämonische Frau (Übersetzt von Friedrich Griese)

Gegen vier Uhr nachmittags hielt das riesige schwarze Automobil des Fürsten Nevermore vor dem Gartentor. Der Chauffeur des Fürsten, ein kleinwüchsiger Alter mit langen grauen Haaren, dem die homosexuelle Perversion ins Gesicht geschrieben stand, ging Bungo abholen, ohne den Motor abzustellen. Kurz darauf eilten sie mit einer Geschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde den großen, ferne Horizonte verdeckenden Wäldern der Bukowina entgegen, während Bungos Mutter ihnen besorgt nachschaute, gänzlich zu Unrecht der Meinung, der Fürst sei der böse Dämon ihres Sohnes. Der Fürst war nicht allein. Bei ihm war sein Leibarzt, Doktor Riexenburg, auch "das Gerät" genannt. Er war ein hochgewachsener Herr, tadellos gekleidet, ganz in Schwarz. Seinen länglich ovalen, kahl werdenden Schädel umringte ein Kranz hellroter Haare, deren Farbe an den Schläfen ins Gelblich-Weiße überging. Seine gebrochene Nase bildete fast einen rechten Winkel, und auf der zum Boden parallelen Linie ruhte eine goldene Brille. Hinter ihr verbargen sich die stechenden grauen Augen des notorischen Hypnotiseurs. Den sinnlichen Mund, der gleichsam ständig etwas unermeßlich Schweinisches kostete und ein wenig über den fast völlig verkümmerten Unterkiefer vorstand, verdeckte von oben ein dunkel-feuerroter Schnurrbart. Dieser Mensch erweckte den Eindruck, als sei er das Stativ irgendeines Meßgeräts und als könne man seine Glieder abschrauben und nebeneinander legen. Zugleich besaß er scheinbar die Elastizität eines gewissen Körperteils eines Stiers. Man konnte sich keine Situation vorstellen, in der dieser seltsame Herr fehl am Platz gewesen wäre. Als Bungo in das kleine schmutzige Zimmer trat, das völlig überhäuft war von Dingen, zwischen denen kein erkennbarer Zusammenhang bestand, diskutierten die beiden Gentlemen über das richtige Funktionieren des Gasmotors, den der Fürst kürzlich erfunden hatte."






Stanislaw Witkiewicz (24. Februar 1885 – 18. September 1939)
Selbstporträt




Der irische Schriftsteller und Kunstkritiker George Augustus Moore wurde am 24. Februar 1852 in Ballyglass, Irland, geboren. Nach dem Tod seines Vaters 1870 entschied er sich – nunmehr finanziell unabhängig – nach Paris zu gehen um Kunst zu studieren. Im März 1873 schrieb er sich an der Ecole des Beaux-Arts als Schüler von Cabanel ein, um dann später in die Académie Julian zu wechseln. Nach nur drei Jahren entschloss sich Moore, die Malerei wieder aufzugeben und wandte sich ab 1876 ganz dem Schreiben zu. Über Auguste Villiers de L'Isle Adam lernte Moore Mallarmé und über diesen wiederum Édouard Manet kennen, der Moore in dieser Zeit mehrfach porträtierte. Im Café de la Nouvelle-Athènes hatte er darüber hinaus Pissarro, Degas, Renoir, Monet, Daudet, Turgenev und vor allem Émile Zola getroffen, dessen Naturalismus ihn besonders beeinflusste. 1880 siedelte Moore sich in London an und veröffentlichte erste Gedichte. 1883 erscheint sein erster Roman A Modern Lover, welcher in England wegen Unsittlichkeit verboten wurde. Mit seinem 1885 erschienen Roman A mummer's wife schuf Moore den ersten Roman im realistischen Stil in England. In den folgenden Romanen thematisierte Moore Themen wie Prostitution, außerehelichen Sex und lesbische Liebe und provoziert damit die Öffentlichkeit. Seine Bücher Impressions and Opinions (1891) und Modern Painting (1893) brachten dem englischen Publikum erstmals die Malerei des Impressionismus näher. Ab 1901 lebte Moore in Dublin. Zusammen mit Yeats schrieb er hier Diarmuid and Grania für das Irish Literary Theatre. In den folgenden Jahren setzte er sich mit der irischen Kultur (Celtic Revival) auseinander und Irland wurde Schauplatz des Romans The Lake (1905) und einiger Kurzgeschichten. In diesen Kurzgeschichten griff Moore auch die katholische Kirche an, was zu Problemen bei der Veröffentlichung seines Werkes in irischer Sprache führte. Seine Kurzgeschichten inspirierten auch den jungen James Joyce.

Aus: The Lake

„It was one of those enticing days at the beginning of May when white clouds are drawn about the earth like curtains. The lake lay like a mirror that somebody had breathed upon, the brown islands showing through the mist faintly, with gray shadows falling into the water, blurred at the edges. The ducks were talking in the reeds, the reeds themselves were talking, and the water lapping softly about the smooth limestone shingle. But there was an impulse in the gentle day, and, turning from the sandy spit, Father Oliver walked to and fro along the disused cart-track about the edge of the wood, asking himself if he were going home, knowing very well that he could not bring himself to interview his parishioners that morning.
On a sudden resolve to escape from anyone that might be seeking him, he went into the wood and lay down on the warm grass, and admired the thickly-tasselled branches of the tall larches swinging above him. At a little distance among the juniper-bushes, between the lake and the wood, a bird uttered a cry like two stones clinked sharply together, and getting up he followed the bird, trying to catch sight of it, but always failing to do so; it seemed to range in a circle about certain trees, and he hadn't gone very far when he heard it behind him. A stonechat he was sure it must be, and he wandered on till he came to a great silver fir, and thought that he spied a pigeon's nest among the multitudinous branches. The nest, if it were one, was about sixty feet from the ground, perhaps more than that; and, remembering that the great fir had grown out of a single seed, it seemed to him not at all wonderful that people had once worshipped trees, so mysterious is their life, so remote from ours. And he stood a long time looking up, hardly able to resist the temptation to climb the tree—not to rob the nest like a boy, but to admire the two gray eggs which he would find lying on some bare twigs.
At the edge of the wood there were some chestnuts and sycamores. He noticed that the large-patterned leaf of the sycamores, hanging out from a longer stem, was darker than the chestnut leaf.“







George Moore (24. Februar 1852 – 20. Januar 1933)
Porträt von Édouard Manet

Montag, 23. Februar 2009

Robert Gray, Erich Kästner

Der australische Lyriker Robert Gray wurde 1945 in Port Macquarie geboren und wuchs an der Küste von New South Wales auf. Nach der Diagnose eines letalen Herzfehlers, die sich später als falsch erwies, brach er die Schule ab. Er wurde Journalist und begann Gedichte zu schreiben. 1963 ging Gray nach Sydney, wo er als Werbetexter, Einkäufer im Buchhandel sowie Lehrer für Kreatives Schreiben arbeitete und Neuerscheinungen für den Rundfunksender »ABC« und die Tageszeitung »Sydney Morning Herald« rezensierte. Nach seinem Debüt »Introspect, Retrospect« (1970) machte er mit »Creekwater Journal« (1974) auf sich aufmerksam. Stipendien und Dozenturen an diversen Universitäten des Landes und an der Tokioter Meiji-Universität würdigten und unterstützten seine weiteren – ausschließlich lyrischen – Arbeiten wie »Grass Script«, »The Skylight«, »Piano« (1988) und »Certain Things« (1993).


Journey: the North Coast

Next thing, I wake up in a swaying bunk,
as though on board a clipper
lying in the sea,
and it's the train, that booms and cracks,
it tears the wind apart.
Now the man's gone
who had the bunk below me. I swing out,
cover his bed and rattle up the sash -
there's sunlight rotating
off the drab carpet. And the water sways
solidly in its silver basin, so cold
it joins together through my hand.
I see from where I'm bent
one of those bright crockery days
that belong to so much I remember.
The train's shadow, like a birds,
flees on the blue and silver paddocks,
over fences that look split from stone,
and banks of fern,
a red clay bank, full of roots,
over a dark creek, with logs and leaves suspended,
and blackened tree trunks.
Down these slopes move, as a nude descends a staircase,
slender white gum trees,
and now the country bursts open on the sea -
across a calico beach, unfurling;
strewn with flakes of light
that make the whole compartment whirl.
Shuttering shadows. I rise into the mirror
rested. I'll leave my hair
ruffled a bit that way - fold the pyjamas,
stow the book and wash bag. Everything done,
press down the latches into the case,
that for twelve months I've watched standing out
of a morning, above the wardrobe
in a furnished room.




Harbour Dusk

She and I came wandering there through an empty park,
and we laid our hands on a stone parapet’s
fading life. Before us, across the oily, aubergine dark
of the harbour, we could make our yachts –

beneath an overcast sky, that was mauve underlit,
against a far shore of dark, crumbling bush.
Part of the city, to our left, was fruit shop bright.
After the summer day, a huge, moist hush.

The yachts were far across their empty fields of water.
One, at times, was gently rested like a quill.
They seemed to whisper, slipping amongst each other,
always hovering, as though resolve were ill.

Away off, through the strung Bridge, a sky of mulberry
and orange chiffon. Mauve-grey, each cloven sail –
like nursing sisters in a deep corridor, some melancholy;
or nuns, going to an evening confessional.








Robert Gray (Port Macquarie, 23. Februar 1945)





Der deutsche Schriftsteller Erich Kästner wurde am 23. Februar 1899 in Dresden genoren als Sohn eines Sattlermeisters. Er besuchte erst die Bürgerschule, bevor er 1913 eine Ausbildung zum Volksschullehrer begann, die er (nach Kriegsdienst und Lazarett) 1918 abschloss. Nach dem Krieg arbeitete er als Bankbeamter und Redakteur der Neuen Leipziger Zeitschrift, parallel begann Erich Kästner im Jahr 1919 ein Studium der Germanistik, Philosophie, Theaterwissenschaften und Geschichte in Leipzig, Rostock und Berlin. 1927 verlegte Erich Kästner seinen Wohnsitz ganz nach Berlin und begann seine Karriere als freier Schriftsteller (Mitarbeit u. a. bei der Weltbühne). 1928 erschien sein erster Gedichtband (Herz auf Taille) und sein erstes Kinder- und Jugendbuch (Emil und die Detektive). Es folgten 1931 Pünktchen und Anton und der unbeschreiblich komische, mit einem Feuerwerk von bunten Einfällen durchsetzte Der 35. Mai und 1933 Das fliegende Klassenzimmer.

Aus: Emil und die Detektive

“Eigentlich ist Emil ja ein ganz passabler Junge. Er hilft seiner Mutter im Waschsalon, ist immer nett und hat Freunde. Aber doch ist da etwas, dass ihn selbst ein wenig belastet. Ist er doch, ohne, dass jemand davon weiß ein Verbrecher.... Hat er doch einer Statue im Park eine rote Nase und einen Schnurrbart verpasst und diese Schandtat wäre beinahe heraus gekommen.
Doch nun fährt er erst einmal nach Berlin, gemeinsam mit 140 DM, die er seiner Oma bringen soll. Dort wird er dann auch wieder Pony Hütchen, seine Cousine, treffen. Natürlich fährt man in eine solch große Stadt in seinem Sonntagsanzug und in diesen steckt Emil auch die 140 DM, damit er sie nicht verliert ...
Nur auf der Zugfahrt schläft er plötzlich ein und träumt die wildesten Dinge von Hochhäusern, Männern mit Hüten und allerhand anderer Dinge. Als er aufwacht bemerkt er dass das Geld gestohlen wurde.
Nun ist guter Rat teuer. Gott sei Dank trifft er in Berlin Gustav mit der Hupe und ehe er es sich versieht ist er mitten in einem großen Abenteuer, in dem auch der kleine Dienstag eine große Rolle spielt.”






Erich Kästner (23. Februar 1899 – 29. Juli 1974)

Sonntag, 22. Februar 2009

Arnon Grunberg, Hugo Ball

Der niederländische Schrifsteller Arnon Grünberg wurde am 22. Februar 1971 in Amsterdam. Geboren. Arnon Grünberg besuchte zunächst die Amsterdamer Montessori-Schule, von 1982 bis 1988 das Vossius-Gymnasium in Amsterdam. Von diesem wurde er als „asoziales Element“ verwiesen, und er beendete daher seine Schullaufbahn. Danach war er u. a. als Apothekenhelfer, Tellerwäscher und Verleger tätig und gründete er seinen eigenen Verlag (Kasimir). 1994 erschien Blauer Montag, ein internationaler Bestseller. Sein nächstes Buch war Statisten und 1998 publizierte er De heilige Antonio. Phantomschmerz erschien 2000. Grünberg bekam dafür den AKO-Preis, einer der wichtigsten literarischen Preise in den Niederlanden. Unter dem Pseudonym Marek van der Jagt veröffentlichte er zwei Romane und Amour Fou. 2002 empfing er in Deutschland den NRW-Literatur-Preis für sein Werk.

Aus: Tirza (Übersetzt von Rainer Kersten)

„Jörgen Hofmeester steht in der Küche und schneidet Thun.sch für das Fest. In der Linken hält er den rohen Fisch. Er schwenkt das Messer, wie er es im Kurs »Sushi und Sashimi selber machen« gelernt hat, den er vor fünf Jahren zusammen mit seiner Frau belegte. Nicht zu viel Druck ausüben, das ist das Geheimnis.
Die Tür in den Garten steht halb offen. Es wird ein warmer Abend, wie Tirza gehofft hat. Seit ein paar Tagen verfolgt sie den Wetterbericht, als hinge der Erfolg ihrer Party ausschließlich vom Wetter ab.
In ein paar Stunden werden die Gäste den Garten in Beschlag nehmen. Pflanzen werden zertreten, junge Leute werden auf der Holztreppe zum Wohnzimmer hocken, andere sich auf den vier Gartenstühlen rekeln, die Hofmeester damals beim Einzug gekauft hat. Wieder andere werden in den kleinen Schuppen vordringen, wo Hofmeester nach Partys schon öfter leere Bierflaschen gefunden hat, halbvolle Weingläser neben dem Rasenmäher, Fläschchen mit exotischen Namen neben der Kettensäge, mit der er im Herbst und Frühling an Sonntagen den Apfelbaum stutzt. Einmal auch eine ungeöffnete Tüte mit Chips, die jemand dort vergessen hatte und die er geistesabwesend aufaß.
Tirza hat schon häufiger Partys gegeben, doch dieser Abend ist etwas Besonderes. Wie Lebensläufe können auch Feste gelingen oder nicht. Obwohl Tirza nichts gesagt hat, spürt Hofmeester, daß viel von diesem Abend abhängt. Tirza, seine Jüngste, die Wohlgeratenste. Ausgezeichnet gelungen, sowohl innerlich als auch äußerlich.
Hofmeester hat die Ärmel hochgekrempelt. Um sein Hemd nicht zu bekleckern, trägt er eine Schürze, die er einmal zum Muttertag gekauft hat. Für seine Verhältnisse wirkt er heute männlich. Seit sechs Tagen hat er sich nicht rasiert. Er kam nicht dazu. Gleich nach dem Aufstehen überfielen ihn Gedanken, die ihm noch nie so gekommen waren: Pläne, Erinnerungen an die Kinder, als sie noch kaum krabbeln konnten, Ideen, die ihm zu dieser Morgenstunde brillant erschienen. Gleich will er sich schnell noch rasieren. Repräsentativ und charmant möchte er aussehen. So will er die Gäste empfangen: ein Mann, der nicht umsonst gelebt hat.“






Arnon Grunberg (Amsterdam, 22. Februar 1971)




Der deutsche Lyriker und Schrifsteller Hugo Ball wurde 1886 in Pirmasens geboren. Nach dem Studium der Philosophie und Soziologie und einer abgebrochenen Dissertation über Nietzsche begann er 1910 eine Regieausbildung bei Max Reinhardt. 1912 wurde er Dramaturg und Regisseur an den Münchner Kammerspielen und gehörte zum Kreis des «Blauen Reiter». 1915 emigrierte er mit Emmy Hennings in die Schweiz. In den Jahren 1916/17 war er der führende Kopf der Züricher Dada-Bewegung und zusammen mit Emmy Hennings, Hans Arp, Richard Huelsenbeck und Tristan Tzara der Mitbegründer des Cabaret Voltaire, in dem die Veranstaltungen der Dadaisten stattfanden. Schon 1917 verließ er den Dada-Kreis und wendete sich später wieder dem Katholizismus zu. Er starb 1927 in Gentilino bei Lugano.



Ein und kein Frühlingsgedicht

Ein Doppeldecker steigt aus jeder Flasche
Und stößt sich heulend seinen Kopf kaputt.
Der Übermensch verzehrt die Paprikagoulasche,
Zerbröselnd Semmeln, rülpsend in den Kälberschutt.

Den Gästen hängt der Kiefer bis zur Treppe,
Dort hinterlist'ge Fallen tätlich legend.
Aus dem Aburte schlitzt Lolô die Tangoschneppe,
Verpestend mit dem Lockendampf die Absinthgegend.

Denn siehe, ich bin bei euch alle Tage
Und meine schmettergelbe Lusttrompete packt euch an.
Der umgekippten Erektionen Frühlingsklage
Buhlt veilchenblau im Bidet mit dem Schwan(n).



Die Erfindung

Als ich zum ersten Male diesen Narren
Mein neues Totenwäglein vorgeführt,
War alle Welt im Leichenhaus gerührt
Von ihren Selbstportraits und anderen Schmarren.

Sie sagten mir: nun wohl, das sei ein Karren,
Jedoch die Räder seien nicht geschmiert,
Auch sei es innen nicht genug verziert
Und schließlich wollten sie mich selbst verscharren.

Sie haben von der Sache nichts begriffen,
Als daß es wurmig zugeht im Geliege
Und wenn ich mich vor Lachen jetzt noch biege,

So ist es, weil sie drum herum gestanden,
Die Pfeife rauchten und den Mut nicht fanden,
Hineinzusteigen in die schwarze Wiege.







Hugo Ball (22. Februar 1886 – 14. September 1927)

Samstag, 21. Februar 2009

W. H. Auden, Ishigaki Rin

Der englische Lyriker und Schriftsteller Wystan Hugh Auden wurde am 21. Februar 1907 in York geboren. Der Schriftsteller beschäftigte sich mit den politischen Umbrüchen seiner Zeit und verlieh diesen u.a. auch in den Gedichten Ausdruck. Andere bedeutende Werke sind seine Weihnachtsoratorien (For the Time Being, Musée des Beaux-Arts) und Dichtungen zum Tod von William Butler Yeats und Sigmund Freud. Seine Dichtungen werden auch oft in Filmen zitiert, beispielsweise das Trauergedicht Funeral Blues in Vier Hochzeiten und ein Todesfall (1993) oder ein Sonett an zentraler Stelle in Gruppo di famiglia in un interno (1974) von Luchino Visconti. 1929 lebte er nach seinem Studium für neun Monate mit Christopher Isherwood im damals freizügigen Berlin. Er bereiste in dieser Zeit Kassel und Marburg (Lahn). Er reiste nach Island, worüber er ein Reisebuch publizierte (mit Louis MacNeice), kämpfte auf Regierungsseite (Republik) im spanischen Bürgerkrieg und veröffentlichte über den Chinesisch-Japanischen Krieg (zusammen mit Isherwood). 1935 heiratete Auden die deutsche Schriftstellerin Erika Mann, die Tochter des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann, um der aus dem nationalsozialistischen Deutschland ausgebürgerten Schriftstellerin zu einem englischen Reisepass zu verhelfen. Im Jahr 1939 verlegte er seinen Wohnsitz nach New York in die USA, wo er als Dozent arbeitete, und nahm 1946 die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Von 1948 bis 1972 verbrachte er die Winter in den USA, die Sommer in Europa


Base Words Are Uttered

Base words are uttered only by the base
And can for such at once be understood,
But noble platitudes:--ah, there's a case
Where the most careful scrutiny is needed
To tell a voice that's genuinely good
From one that's base but merely has succeeded.




Ganymede

He looked in all His wisdom from the throne
Down on that humble boy who kept the sheep,
And sent a dove; the dove returned alone:
Youth liked the music, but soon fell asleep.

But He had planned such future for the youth:
Surely, His duty now was to compel.
For later he would come to love the truth,
And own his gratitude. His eagle fell.

It did not work. His conversation bored
The boy who yawned and whistled and made faces,
And wriggled free from fatherly embraces;

But with the eagle he was always willing
To go where it suggested, and adored
And learnt from it so many ways of killing.





The Novelist

Encased in talent like a uniform,
The rank of every poet is well known;
They can amaze us like a thunderstorm,
Or die so young, or live for years alone.
They can dash forward like hussars: but he
Must struggle out of his boyish gift and learn
How to be plain and awkward, how to be
One after whom none think it worth to turn.

For, to achieve his lightest wish, he must
Become the whole of boredom, subject to
Vulgar complaints like love, among the Just

Be just, among the Filthy filthy too,
And in his own weak person, if he can,
Must suffer dully all the wrongs of Man.







W. H. Auden (21. Februar 1907 – 29. September 1973)




Die japanische Lyrikerin Ishigaki Rin wurde am 21. Februar 1920 in Tokio geboren. Nach ihrem Schulabschluss 1934 verdiente sie als Bankangestellte bei der Nihon Kogyo Bank ihren Lebensunterhalt, wo sie bis zu ihrem Ruhestand 1970 beschäftigt war. Sie blieb unverheiratet.
Als Mitglied eines Literaturzirkels in ihrer Bank begann sie Gedichte zu schreiben; 1959 erschien eine erste Sammlung. Ihr zweiter Band, der 1968 erschien, wurde mit einem Poesie-Preis für die beste Poesiesammlung des Jahres in Japan ausgezeichnet In dieser Zeit war es in Japan noch ungewöhnlich für eine Frau, selbständig und berufstätig zu leben, manchmal wurde sie als die "Bankangestellten-Dichterin" bezeichnet. Insgesamt veröffentlichte Ishigaki Rin vier eigene Gedichtbände, zwei Sammelbände gemeinsam mit Arbeiten anderer Dichter, und einige Essays und autobiographische Arbeiten. Ihr bekanntestes Gedicht ist das in ihrem zweiten Gedichtband enthaltene Stück "Namensschild", das auch sie selbst später als ihr wichtigstes bezeichnete.



Nameplates

When you live in a place
you'd best provide the nameplate yourself.

When you abide in a space
the nameplate another affixes
never works out.

I went to the hospital and
they added "Ms" to the card on the sickroom door
"Ms Ishigaki Rin"

At a hotel
they put no name on the room
but when I get in the cremation oven
and they slam the door, the tag they hang will say
"Ishigaki Rin, Esquire."
And much they'll care what I think then.

"Ms" or "Esquire"
neither fits.

When you live somewhere
you'd best hang out the nameplate yourself.

And to the space where your spirit dwells
a nameplate must never be affixed
by any other hand.
Ishigaki Rin: that will do.







Ishigaki Rin (21. Februar 1920 – 26. Dezember 2004)

Freitag, 20. Februar 2009

Julia Franck, Pierre Boulle

Die deutsche Schriftstellerin Julia Franck wurde am 20. Februar 1970 in Berlin geboren. Sie hat noch eine eineiige Zwillingsschwester. Die Eltern sind die Schauspielerin Anna Katharina Franck und der Regisseur Jürgen Sehmisch. Julia Franck ist Enkelin der Bildhauerin Ingeborg Hunzinger und Ururenkelin des Malers Philipp Franck. 1978 reiste Francks Mutter mit ihren vier Töchtern über das Notaufnahmelager Marienfelde aus und konnte nach 9 Monaten nach Schleswig-Holstein in die Nähe von Rendsburg ziehen. Dort besuchte Julia Franck einige Jahre die Freie Waldorfschule. Ab 1983 lebte sie bei Freunden in Berlin und holte 1991 das Abitur nach. Sie studierte Jura, Altamerikanistik, Neuere deutsche Literatur und Philosophie an der FU Berlin. Sie arbeitete u.a. als Hilfsschwester, Phonotypistin, wissenschaftliche Hilfskraft an der Freien Universität und auch als freie Mitarbeiterin für das Radio und verschiedene Zeitungen. Außerdem hielt sie sich einige Monate in den Vereinigten Staaten, in Mexiko und in Guatemala auf. Sie lebt mit ihren beiden Kindern in Berlin-Friedenau. Das Jahr 2005 verbrachte sie als Stipendiatin in der Villa Massimo in Rom. Seit 2001 ist Franck Mitglied im P.E.N.-Zentrum Deutschland.

Aus: Liebediener

“Von der Straße her hörte ich das ungeduldige Vor- und Zurücksetzen eines Autos. Als ich meinen Briefkasten öffnete, fiel mir ein Stapel Werbezettel entgegen. Und nachdem ich die Zeitung nicht gefunden hatte, sie auch auf keinem der anderen Kästen oder dem Boden liegen sah, wollte ich zurück in meine Wohnung. Dort stand noch mein Fahrrad. Es war Mitte April, Ostern, und ich war auf
dem Weg zur Familie meines Bruders, die im Treptower Park hinter dem Ehrendenkmal Eier verstecken wollte.
Ich war spät dran. Es ärgerte mich, daß die Zeitung wieder geklaut war, und ich hatte nicht zum ersten Mal meine Nachbarin Charlotte im Verdacht, von der ich wußte, wie gerne sie mal etwas mitnahm, das ihr nicht gehörte (die Diebin). Ich knüllte die Werbezettel zusammen und warf sie in den Karton, der unter den Briefkästen stand.
Um in meine Wohnung zu gelangen, mußte ich vom Hausflur noch einmal auf die Straße treten. Wie die meisten Kellerwohnungen hatte sie den Eingang an der Vorderfront des Hauses, und eine schmale Treppe führte zu ihr hinab.
Die Kastanienallee war leergefegt. Genau vor meiner Tür, im Schatten des Hauses, den die Morgensonne warf, entdeckte ich ein nagelneues, zumindest glänzendes, kleines rotes Auto, in dem ein Mann saß, der sich abmühte, aus seiner Parklücke zu kommen. Ich nehme an, es war ein Ford, in dem er saß, so gut kenne ich mich mit Autos nicht aus, er stieß immer wieder an die Stoßstangen der Wagen vor und hinter ihm. In meiner Erinnerung hat er mittelblondes bis dunkles Haar, aber ich bin mir nicht mehr sicher, ich kann mir nicht mehr sicher sein.”







Julia Franck (Berlin, 20. Februar 1970)





Der französische Schriftsteller Pierre Boulle wurde am 20. Februar 1912 in Avignon geboren. Boulle zog nach seinem Abschluss an der Fachschule für Elektriker in den Fernen Osten und kämpfte im Zweiten Weltkrieg bei den Freien Französischen Streitkräften in der Republik China, Birma und Indonesien. In seinem berühmtesten Werk Die Brücke am Kwai verarbeitete er seine Kriegserlebnisse, insbesondere seine Kriegsgefangenschaft in Südostasien. Um sich den Willen zum Überleben zu erhalten, besorgte er sich dort Schreibzeug, um heimlich seine Erlebnisse festzuhalten. Gegen Ende des Jahres 1944 gelang Boulle die Flucht aus dem Lager. Nach dem Krieg ließ er sich in Malaysia nieder, um schließlich wieder nach Frankreich zu ziehen. Erst dorthin zurückgekehrt, widmete er sich der eigentlichen Schriftstellerei. Boulle schrieb u.a. auch Planet der Affen.

Aus: Die Brücke am Kwai (Übersetzt von Gottfried Beutel)

“Nachdem das Oberkommando Befehl gegeben hatte, die Waffen niederzulegen, war von einer Gruppe junger Offiziere seines Regiments ein Plan ausgearbeitet worden, wie man die Küste erreichen, sich einiger Schiffe bemächtigen und in Richtung auf die holländischen Inseln segeln könnte. Doch Oberst Nicholson hatte, bei aller Anerkennung ihrer Begeisterung und ihres Mutes, diesen Plan mit allen ihm noch zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft.
Zuerst versuchte er, sie zu überzeugen. Er setzte ihnen auseinander, daß dieser Versuch in krassem Gegensatz zu den erhaltenen Befehlen stehe. Der Oberkommandierende hatte für die gesamten malaiischen Gebiete die Kapitulation unterzeichnet, kein Untertan Seiner Majestät konnte sich ihr entziehen, ohne einen Akt des Ungehorsams zu begehen. Für sich selbst sah der Oberst nur eine mögliche Verhaltensweise: er mußte an Ort und Stelle abwarten, bis ein höherer japanischer Offizier kam, um seine und seiner Truppen Übergabe entgegenzunehmen. „Welch ein Beispiel gäbe man der Truppe", sagte er, „wenn ihre Vorgesetzten sich pflichtwidrig verhielten!"
Seine Argumente wurden von der Stärke und dem Nachdruck unterstützt, die sein Blick in Stunden schwerer Entscheidungen annahm. Seine Augen hatten die Farbe des Indischen Ozeans bei schönem Wetter, und sein immer ruhiges Gesicht war das Abbild einer Seele, die keine Gewissensqualen kennt. Er trug den rotblonden Schnurrbart friedfertiger Helden, und der rötliche Schimmer seiner Haut zeugte von einem reinen Herzen, das über eine untadelige, kräftige und regelmäßige Blutzirkulation herrschte.“







Pierre Boulle (20. Februar 1912 – 30. Januar 1994)

Donnerstag, 19. Februar 2009

Siri Hustvedt, Jaan Kross

Die amerikanische Schriftstellerin Siri Hustvedt wurde am 19. Februar 1955 in Northfield, Minnesota geboren. Hustvedt ist Tochter einer Norwegerin und eines Norwegischprofessors. Sie wuchs zweisprachig auf. Seit sie vierzehn Jahre alt war, wollte sie Schriftstellerin werden und während ihrer Highschool-Zeit schrieb sie Gedichte. 1981 heiratete Siri Hustvedt den Schriftsteller Paul Auster, welchen sie ein Jahr zuvor kennen gelernt hatte. Sie studierte Englische Literatur und machte 1986 ihren PhD an der Columbia University. Das Paar lebt in Brooklyn mit seiner 1987 geborenen Tochter Sophie und Austers Sohn aus erster Ehe. Hustvedts bekannteste Romane sind Die Verzauberung der Lily Dahl (1992) und Was ich liebte (2003). Ihr jüngstes Werk ist der Roman The Sorrows of an American (deutscher Titel: Die Leiden eines Amerikaners), der im März 2008 erschien.

Aus: The Sorrows of an American

„My sister called it “the year of secrets,” but when I look back on it now, I’ve come to understand that it was a time not of what was there, but of what wasn’t. A patient of mine once said, “There are ghosts walking around inside me, but they don’t always talk. Sometimes they have nothing to say.” Sarah squinted or kept her eyes closed most of the time because she was afraid the light would blind her. I think we all have ghosts inside us, and it’s better when they speak than when they don’t. After my father died, I couldn’t talk to him in person anymore, but I didn’t stop having conversations with him in my head. I didn’t stop seeing him in my dreams or stop hearing his words. And yet it was what my father hadn’t said that took over my life for a while—what he hadn’t told us. It turned out that he wasn’t the only person who had kept secrets. On January sixth, four days after his funeral, Inga and I came across the letter in his study.
We had stayed on in Minnesota with our mother to begin tackling the job of sifting through his papers. We knew that there was a memoir he had written in the last years of his life, as well as a box containing the letters he had sent to his parents—many of them from his years as a soldier in the Pacific during World War II—but there were other things in that room we had never seen. My father’s study had a particular smell, one slightly different from the rest of the house. I wondered if all the cigarettes he’d smoked and the coffee he’d drunk and the rings those endless cups had left on the desk over forty years had acted upon the atmosphere of that room to produce the unmistakable odor that hit me when I walked through the door. The house is sold now. A dental surgeon bought it and did extensive renovations, but I can still see my father’s study with its wall of books, the filing cabinets, the long desk he had built himself, and the plastic organizer on it, which despite its transparency had small handwritten labels on every drawer—“Paper Clips,” “Hearing Aid Batteries,” “Keys to the Garage,” “Erasers.”







Siri Hustvedt (Northfield, 19. Februar 1955)



Der estnische Schriftsteller Jaan Kross wurde am 19. Februar 1920 in Tallinn geboren. Kross besuchte die Universität Tartu, schloss dort 1944 als Jurist ab und lehrte als Dozent für weitere zwei Jahre (und wieder als Professor der Artes Liberales 1998). Im Frühjahr 1944 wurde er von den deutschen Besatzern und 1946 von den Sowjets verhaftet, die ihn nach Sibirien deportierten, wo er bis 1954 im Gulag verblieb. Nach seiner Rückkehr nach Tallinn 1954 folgten im nächsten Jahr erste Veröffentlichungen von Gedichten in verschiedenen Zeitschriften. Seitdem war er als freier Schriftsteller tätig. Seine reimlosen Gedichte der 1950er und 60er Jahre modernisierten die estnische Lyrik. Er war seit 1958 Mitglied des estnischen Schriftstellerverbandes, dessen Präsidium er ab 1971 angehörte. In den 1970/80ern verfasste er vor allem historische Romane. Im folgenden Jahrzehnt wandte er sich der jüngeren estnischen Vergangenheit zu, wobei seine Romane immer deutlicher autobiographische Züge annahmen. Zwischen 1992 und 1993 war er Mitglied des estnischen Parlaments. An der Universität Tartu nahm er 1998 die die Professur der freien Künste wahr. Zu den Werken Jaan Kross' gehören 13 Romane, seine Autobiographie, 6 Lyrikbände und Essaysammlungen sowie weiterhin Opernlibretti.

Aus: Treading Air (Übersetzt von Eric Dickens)

„My immediate superior in this new job was, as said above, the private secretary to the Prime-Minister, Major Tilgre. He no doubt came from the fertile province of Mulgimaa, but was, for all that, a particularly dry individual, a thoroughly correct man of around forty-five. In actual fact, Tilgre had less to do with me than Head of Chancery Terras who was in formal terms a much higher and more distant boss. This smallish man was the soul of discretion, came originally from the Virumaa province near the capital and had graduated from Saint Petersburg University. He had qualities ideal for a civil servant - he was entirely inconspicuous. But he was always there when he was needed. And inconspicuous, thus indispensable, to such a degree that he stayed in his post for over twenty years, during all the changes of government which Estonia underwent. And what's more, he stayed at his post even during the first few weeks of 1946, that is to say during Barbarus' time as prime-minister, until one of the informers in place by that time noticed, and the inevitable came to pass. The Head of the Chancery was arrested and given the choice of dying a year later what was a normal death at the Solikam labour camp, of hunger and dysentery, or to freeze to death, which, God rest his soul, was, as we all know, the normal death for someone of his calibre.
And I, Jaak Sirkel, as I leaf through my old exercise books filled with Ulloica think to myself: I myself know this full well. Because Ullo knew this in quite a mythical way, the way we all know from hearsay about what happened. But as for me, I received a full-blown academic lecture on the subject (and in an environment of much greater relevance) from a bald-headed chap with major's flashes.
This happened to me during the last days of my career as felt boot-dryer in the year 1949. I have described elsewhere the ins and outs of this particular profession, and how I ended up entering it. But only now did the thought strike me that my dismissal from what was, by labour camp standards, rather a pleasant job, is maybe the result of this didactic conversation.”






Jaan Kross (19. Februar 1920 – 27. Dezember 2007)

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