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Sonntag, 8. März 2009

Harry Thürk, Hafid Bouazza

Der deutsche Schriftsteller Harry Thürk wurde am 8. März 1927 in Zülz, Oberschlesien geboren. 1934 zog er mit seiner Familie nach Neustadt/OS um. Nach dem Besuch der Albert-Leo-Schlageter-Volksschule (1934-40) und der Handelsschule von Neustadt/OS (1940-42) in Oberschlesien wurde Thürk Arbeiter bei der Deutschen Reichsbahn. Im Zweiten Weltkrieg 1944 zum Fallschirm-Panzer-Korps Hermann Göring eingezogen und mit Verleihung des Eisernen Kreuzes kehrte er nach Ende des Krieges von der Front in seine Heimat zurück. Von dort floh er schließlich vor den Polen nach Westen und fand in Weimar seine zweite Heimat. Von 1946 bis 1948 war er hauptberuflicher Funktionär der Freien Deutschen Jugend und trat der SED bei. Nach diversen Gelegenheitsjobs arbeitete Thürk als Journalist für verschiedene Zeitungen und war in den Vietnamkriegen und in Korea als Reporter tätig. Dort zog er sich eine schwere Vergiftung mit dem vom US-Militär eingesetzten Giftgas „Agent Orange“ zu, die ihn später ans Bett fesselte.
Nach weiteren Ostasienreisen zwischen 1964 und 1980 (u. a. nach Laos, Kambodscha, Vietnam, Korea, China) kehrte Thürk nach Weimar zurück. Dort war er von 1971 bis 1983 Vorsitzender der Bezirksorganisation Erfurt des Schriftstellerverbandes.
Mit seinem Ende 2004 erschienen Buch „Treffpunkt Wahrheit“ hat Thürk insgesamt 60 Bücher veröffentlicht (Romane, Dokumentationen, Reportagen, Krimis, Kinderbücher u.a.) sowie 15 Drehbücher geschrieben. Seine Sujets und spannende Erzählweise machten ihn insbesondere in der DDR populär - mit einer Gesamtauflage von 9 Millionen Exemplaren in 13 Sprachen (3 Millionen allein in Deutschland) war Thürk einer der meistgelesenen und populärsten deutschen Nachkriegsautoren. Im Westen blieb er jedoch weitgehend unbekannt.

Uit: Taifun. Aufzeichnungen eines Geheimdienstmannes

"Die goldene Regel“, doziere ich wieder einmal, während ein halbes Dutzend Augenpaare mich erwartungsvoll anblickt, „man bleibt für Chinesen stets ein Ausländer, so gut man auch mit ihnen auskommt. Man bemühe sich also nie, sich ihnen durch Nachahmung ihrer Sitten anzubiedern. Respektiert wird man, wenn man ihre Sitten achtet, sich nicht über sie belustigt zeigt, so eigenartig sie auch sein mögen, die eigenen aber beibehält, und zwar unverschleiert. Weil wir Amerikaner – und das begreift jeder Chinese schnell – die höhere Zivilisation haben, die stärkere Macht, das tiefere Wissen, die bessere Technik, und weil wir allein den Weg kennen, auf dem auch die Chinesen zu allen diesen Dingen kommen können …“
Ich spreche über Eßgewohnheiten und Hygiene, über das Verhältnis der Geschlechter zueinander, die Rolle der Familie und den Ahnenkult, die Bereitschaft der Chinesen, zuzuhören, wenn Geschichten erzählt werden, ihren Humor, den wir als primitiv empfinden, ihre Sensibilität, mit der sie spüren, wenn ein Fremder nicht ehrlich sagt, was er denkt.
„Versucht nie, ihnen etwas vorzumachen“, warne ich. „Ihr geht bewaffnet nach dem Norden, um dafür zu sorgen, dass der Norden ein Vorposten Amerikas bleibt und die Kommunisten dort nicht allein schalten können, wie es ihnen beliebt: ihr seid die Vorhut der Vereinigten Staaten, was ihr tut, das tut ihr, damit China eine Demokratie wird und nicht ein kommunistisches Pseudoparadies!“
„Gut“, meldet sich Captain Birch, ein junger Mann, der einige Zeit Baptistenprediger gewesen ist, und dann als Aufklärer bei General Chennaults „Flying Tigers“ diente, jener Gruppe von Abenteurern des Luftkrieges, die in der Art einer Fremdenlegion für Tschiang Kai-shek flogen, bevor die Vereinigten Staaten in den pazifischen Krieg verwickelt und sie schließlich als 14. Luftflotte in die US-Streitkräfte eingegliedert wurden."







Harry Thürk (8. März 1927 – 24. November 2005)




Der niederländisch-marokanische Schrifsteller Hafid Bouazza wurde am 8. März 1970 in Oujda, Marokko, geboren. Bouazza wuchs in den Niederlanden auf. Dort debütierte er mit der Novelle "Momo" und einem Band mit Kurzgeschichten. Für seinen ersten Roman "Paravion" erhielt er zahlreiche Preise, unter anderem den belgischen Literaturpreis "De Gouden Uil 2004".

Aus: Paravion (Überstetz von Ira Wilhelm)

„Hör zu.
"Hatscha!"
Und nochmal: "Hatscha!"
Das ist schon besser. Noch nicht perfekt, aber besser, viel besser. Er macht Fortschritte.
Das ist Paravion - siehe, seine Minarette sind schon zu erkennen. Stolz wie erhobene Mittelfinger erheben sie sich zenitwärts und lassen die demutsvoll hingekauerten Kirchtürme hinter sich. Noch höhere Minarette waren bereits im Bau, und die allerhöchsten wurden gerade entworfen. Nicht mehr lange, so lautete ein Gerücht im Teehaus, und alle Kirchen werden sich in Moscheen verwandeln. Das sei nur eine Frage der Zeit, sagte der Teppichverkäufer, der mehr mit der Spitze des Kinnbarts zu sprechen schien als mit dem Mund. Die übrigen Gäste nickten.
Der Name des Cafes lautete Bar Zach. Es war keine echte Bar, das heißt eine, in der Alkohol ausgeschenkt wurde, nein, der Wirt wollte nur einen modern klingenden Namen. Jeder aus Morea kam hierher, um unter Seinesgleichen zu sein, sich zu akklimatisieren und im neuen Land allmählich die ersten Schritte zu tun sofern man sich überhaupt bewegte. Hier trank man zischende und sprudelnde Limonaden, zum Beispiel Orangina, Crush und Judor ("Das Getränk der Jugend"). Sie schmeckten nach Orangen, Moreas Frucht par excellence. Außerdem servierte man hier das erfrischende La Cigogne, dessen Flasche ein Storchrelief zum Signet hatte. Das Getränk kitzelte in der Nase wie ein Nieser, der partout nicht raus wollte. Die beiden beliebtesten Getränke aber waren Cola Maroca und Zam Zam Cola, anregend und mit Kohlensäure, aber auch mit E 120 bis inklusive E 160 versetzt. Der Geschmack von Vaterland in Flaschen, denn die Getränke waren durchweg moreanische Marken.“







Hafid Bouazza (Oujda, 8. März 1970)

Bret Easton Ellis, Reinhard Kaiser

Der amerikanische Schriftsteller Bret Easton Ellis wurde am 7. März 1964 in Los Angeles geboren. Aufgewachsen ist Ellis in Sherman Oaks in Kalifornien. 1986 absolvierte er eine Musikausbildung am Bennington College in Vermont. Dieses College diente später als Vorlage für das fiktive "Camden Arts College", welches in seinem Roman Einfach unwiderstehlich (The Rules of Attraction) eine zentrale Rolle spielt. In den frühen 1980er-Jahren spielte er Keyboard in einigen New-Wave-Bands, z.B. bei "The Parents". Während seines Studiums gab Ellis den späteren Roman Unter Null als Arbeit für einen Creative-Writing-Kurs ab. Sein Professor war von der Arbeit beeindruckt und motivierte Ellis, den Roman zu veröffentlichen. 1987 zog er nach New York City, wo er seinen zweiten Roman Einfach unwiderstehlich veröffentlichte. 1991 stieg Ellis mit seinem dritten Roman American Psycho zum Kultautor auf. Nachdem ihn American Psycho weltweit berühmt gemacht hatte, steigerten sich Ellis' Drogenexzesse. Auf Lesetouren begleitete ihn, im Auftrag seines Verlages Vintage Books, ein Aufpasser, um Ellis' Drogenkonsum einzudämmen. Drei Jahre später, 1994, erschien sein Roman Die Informanten (The Informers), eine Kurzgeschichtensammlung. Der Roman Glamorama wurde 1999 publiziert, von den Kritikern jedoch deutlich negativer als American Psycho aufgenommen. Sein nächstes Werk, Lunar Park, war ein halb-autobiografischer Roman, dessen Hauptfigur ebenfalls Bret Easton Ellis heißt und Autor ist.

Aus: Lunar Park (Übertragung Clara Drechsler und Harald Hellmann)

„»Ganz gleich, wie entsetzlich die geschilderten Ereignisse auch erscheinen mögen, eines dürfen Sie als Leser nie vergessen, wenn Sie das Buch in Händen halten: Alles beruht auf Tatsachen, jedes einzelne Wort ist wahr.
Was mich am meisten quält? Da niemand wusste, was in diesem Haus vor sich ging, hatte auch niemand Angst um uns.«
Die Änfange:
»Du siehst dir verblüffend ähnlich.«
So lautet der erste Satz von Lunar Park, der in seiner Kürze
und Einfachheit eine Rückkehr zur Form, ein Echo auf die
erste Zeile meines Debütromans Unter Null darstellen soll.
»Auf den Freeways in Los Angeles werden die Leute auch
immer rücksichtsloser.«
Von da an wurden die ersten Sätze meiner Romane, mochten sie noch so geschickt konstruiert sein, immer komplizierter und verschachtelter, überfrachtet mit der sperrigen, überflüssigen Aufzählung von Nebensächlichkeiten.
Mein zweiter Roman, Einfach Unwiderstehlich, begann zum Beispiel:
»die dich vielleicht langweilt, aber du mußt ja nicht zuhören, sagte sie mir, weil sie immer gewußt hat, daß es so kommen würde, und sie glaubt, es war ihr erstes Jahr, oder, eigentlich ein Wochenende, tatsächlich Freitag, im September, in Camden, und das ist drei oder vier Jahre her, und sie wurde so betrunken, daß sie im Bett landete, entjungfert wurde (spät, sie war schon achtzehn) in Lorna Slavins Zimmer, weil sie im ersten Jahr war, und Lorna, fällt ihr ein, im vierten oder im dritten Jahr war und normalerweise hin und wieder in der Wohnung ihres Freundes außerhalb des Campus, der ihrer Meinung nach im zweiten Jahr war und Töpfern als Hauptfach hatte, aber der in Wirklichkeit entweder ein Typ von der New York Universität war, ein Film-Student, der nur wegen der Bums-Klamotten-Fete hier in New Hampshire war, oder einer aus dem Ort.«






Bret Easton Ellis (Los Angeles, 7. März 1964)





Der deutsche Schriftsteller und Übersetzer Reinhard Kaiser wurde am 7. März 1950 in Viersen geboren. Er besuchte das Gymnasium in Viersen, wo er 1968 sein Abitur machte. Von 1968 bis 1975 studierte er Germanistik, Romanistik, Sozialwissenschaften und Philosophie in Berlin, Paris, Köln und Frankfurt am Main. 1974 legte er an der Universität Köln das erste Staatsexamen in den Fächern Germanistik und Sozialwissenschaften ab. Nach der Übersiedlung nach Frankfurt am Main im selben Jahr begann er, für den Suhrkamp-Verlag Übersetzungen sozialwissenschaftlicher Texte anzufertigen und als Außenlektor zu arbeiten. Von 1976 bis 1980 war er Lektor im Frankfurter Syndikat-Verlag. Seit 1980 war er als freier Lektor und Übersetzer für verschiedene Verlage tätig, u.a. von 1985 bis 1990 als Lektor der "Anderen Bibliothek" des Greno-Verlags. 1989 erschien Kaisers erstes eigenes Buch; seither ist er als freier Autor, aber auch weiter als Übersetzer, zunehmend von belletristischen Texten, tätig. Er hat zahlreiche belletristische Bücher und Sachbücher übersetzt.

Aus: Kindskopf

„Inge hatte mir von der Schaukel beim Graben zugesehen. Nach einer Viertelstunde kam sie zurückgeschlendert. Sie setzte einen Fuß auf den immer höher werdenden Erdwall, beugte sich vor und sah zu mir in die Tiefe.
»Und wozu soll das gut sein – dein Loch?«, wollte sie diesmal wissen.
Ich sagte nichts. Ich fand, die Antwort auf diese Frage verstand sich von selbst. Löcher graben war offenkundig eine ernsthafte, anstrengende Tätigkeit und folglich aus sich heraus wertvoll. Ritterburgen oder Indianerlandschaften im Sandkasten bauen – das war Spiel. Löcher graben hingegen, mit dem Spaten, den gewöhnlich Herr Wachtmann führte, der sich einmal in der Woche um unseren Garten kümmerte, war Arbeit. Es hatte mit Erwachsensein und Großwerden zu tun, und beim Großwerden fragte auch niemand: Wozu soll das gut sein?
Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich Inge mit dem Zungenbrecher geantwortet, den mir Winfried Drove, ein Künstlerfreund meiner Eltern, seit einiger Zeit beizubringen versuchte. Winfried Drove liebte die Zungenbrecher. Er kam oft zu Besuch, unterhielt sich mit meiner Mutter, mit meinem Vater und auch mit mir, und seit ich von seiner Liebe zu den Zungenbrechern wusste, fragte ich ihn jedes Mal nach neuen. Wenn ihm kein neuer einfiel, bat ich ihn, die alten, die ich schon kannte, zu wiederholen: In Ulm, um Ulm und um Ulm herum. Hinter Hansens Hinterhaus hängen hundert Hemden raus. Fischers Fritze fischt frische Fische."







Reinhard Kaiser (Viersen, 7. März 1950)

Gabriel García Márquez, Günter Kunert

Der kolumbianische Schriftsteller Gabriel García Márquez wurde am 6. März 1928 in dem Dorf Aracataca als ältestes von sechzehn Kindern eines Telegraphisten geboren. Seine frühe Kindheit verbrachte er bei seinen Großeltern. Er studierte Jura in Bogotá, dann in Cartagena, bevor er sich ausschließlich dem Schreiben zuwandte. Als Journalist arbeitete er u.a. für El Espectador in Bogotá. Aufenthalte in Rom und Paris. 1957 reiste er als Reporter in die DDR und die UDSSR. Er vertrat die kubanische Presseagentur Prensa Latina in Bogotá und New York. 1967 gelang ihm mit »Hundert Jahre Einsamkeit« der literarische Durchbruch. Mit einer weltweiten Auflage von weit über zehn Millionen Exemplaren machte dieser Roman ihn zum meistgelesenen lateinamerikanischen Autor. 1982 wurde Gabriel García Márquez mit dem Nobelpreis geehrt.

Aus: Leben, um davon zu erzählen (Übersetzt von Dagmar Ploetz)

"So wurde also in Aracataca der erste von sieben Söhnen und vier Töchtern geboren, am 6. März 1927, bei einem für die Jahreszeit höchst ungewöhnlichen Platzregen, während am Horizont das Sternbild des Stiers aufzog. Der Knabe wäre fast von der Nabelschnur stranguliert worden, da die Hebamme der Familie, Santos Villero, im ungünstigsten Augenblick die Übersicht verlor. So auch Tante Francisca, die zur Eingangstür rannte und wie bei einer Feuersbrunst schrie: 'Ein Junge! Ein Junge!' Und gleich darauf, wie beim Sturmläuten: 'Rum her, er erstickt.' ... Ich hätte eigentlich Olegario heißen sollen, das war der Heilige des Tages, doch niemand hatte einen Heiligenkalender zur Hand, also gaben sie mir in der Eile den Namen meines Vaters, und dazu noch den des Tischlers, José, weil er der Patron von Aracataca und März sein Monat war. Misia Juana de Freytes schlug noch einen dritten Namen vor, um der allgemeinen Versöhnung zu gedenken, die innerhalb der Familie und des Freundeskreises mit meiner Geburt stattgefunden hatte, aber auf dem offiziellen Taufschein, der drei Jahre später ausgestellt wurde, vergaß man ihn: Gabriel José de la Concordia."







Gabriel García Márquez (Aracataca, 6. März 1928)




Der deutsche Lyriker und Schriftsteller Günter Kunert wurde am 6. März 1929 in Berlin geboren. Nach dem Besuch der Volksschule war es Günter Kunert auf Grund der nationalsozialistischen Rassengesetze (seine Mutter war Jüdin) nicht möglich, eine höhere Schule zu besuchen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges studierte er in Ost-Berlin fünf Semester Grafik, brach sein Studium dann jedoch ab. 1948 trat er der SED bei. Er lernte Bertolt Brecht und Johannes R. Becher kennen.
1972/73 war er Gastdozent an der University of Texas in Austin, 1975 an der University of Warwick in England. Er gehörte 1976 zu den Erstunterzeichnern der Petition gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann. Daraufhin wurde ihm 1977 die SED-Mitgliedschaft entzogen. 1979 ermöglichte ihm ein mehrjähriges Visum das Verlassen der DDR. Kunert ließ sich mit seiner Frau Marianne in Kaisborstel bei Itzehoe nieder, wo er bis heute als freier Schriftsteller lebt. Kunert gilt als einer der vielseitigsten und bedeutendsten Gegenwartsschriftsteller.



Leute

Kleine Leute, große Leute
gab es gestern, gibt es heute,
wird es sicher immer geben,
über, unter, hinter, neben

dir und mit und ihm und ihr:
Kleine, Große sind wie wir.
Größer als ein Großer kann
aber sein ein kleiner Mann.

Klein und groß sagt gar nichts aus,
sondern nur, was einer draus
für sich selbst und alle macht.
Darum habe darauf acht:

Wer den andren hilft und stützt
und sich nicht nur selber nützt,
hat das richtige Format -
ob ein Zwerg er oder grad

lang wie eine Latte ist
oder einen Meter mißt.
Kleine Leute, große Leute
gab es gestern, gibt es heute.





Der alte Mann

Der alte Mann
studiert die Todesanzeigen
mit Befriedigung:
Generaldirektor Sowieso
verstarb im sechzigsten Lebensjahr.
Da fühlt man sich gleich besser
und gesünder und fast
glücklich. Wie im Krieg, wo
die Granaten links und rechts
einschlugen. Es trifft
immer die anderen. Gott sei Dank,
daß ich kein anderer bin.







Günter Kunert (Berlin, 6. März 1929)

Donnerstag, 5. März 2009

Pier Paolo Pasolini, Arthur van Schendel

Der italienische Dichter, Filmregisseur und Publizist Pier Paolo Pasolini wurde am 5. März 1922 in Bologna geboren. Prägend wurde für den Jugendlichen das Landstädtchen Casarsa, der Wohnort seiner Großeltern mütterlicherseits. Dort verbrachte er die Schulferien und fühlte sich dabei immer mehr in das friaulische Landleben ein. Die Anfänge seiner schriftstellerischen Bemühungen, bereits im Alter von sieben Jahren, gehen auf diese Zeit und Umgebung zurück. Es entstand schon früh ein Lyrikband in friaulischer Sprache (Poesie a Casarsa, 1942), der aber von der faschistischen Zensur unterdrückt wurde.Nach anfänglicher Arbeitslosigkeit und mit wachsender Sorge über den sozialen Statusverfall der Mutter konnte er nach und nach durch schlecht entlohnte Lehrtätigkeit und schriftstellerische Gelegenheitsarbeiten (u. a. Mitarbeit an Drehbüchern für Luis Trenker und Federico Fellini) in Rom Fuß fassen. Erste Kontakte im Intellektuellenmilieu (u. a. zu Laura Betti und Alberto Moravia) bahnten sich an. Dabei fühlte sich Pasolini aber immer dem Milieu der römischen Vorstädte (borgate) verbunden, für dessen kleine Diebe, Strichjungen und Mörder er Sympathie empfand. Starkes, engagiertes Interesse am Aufzeigen und an der Änderung sozialer Missstände verband sich dabei mit der Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse. Sein Romandebüt Ragazzi di Vita (1955) ist denn auch in diesem Milieu angesiedelt.Zu Beginn der 1960er Jahre entdeckte Pasolini zunehmend den Film als Medium dichterischer und sozialkritischer Aktivität. Die angestrebte Zusammenarbeit mit der Filmgesellschaft Fellinis scheiterte an Fellinis Ablehnung. Mit Accattone – Wer nie sein Brot mit Tränen aß (1961) und Mamma Roma lieferte Pasolini eine bedeutsame filmische Umsetzung seiner Vorstadtstudien, die ihm zum Teil internationales Lob brachte.


Song of the Church Bells

When evening dips inside water fountains
my town disappears among muted hues.

From far away I remember frogs croaking,
the moonlight, the cricket's sad cries.

The fields devour the Vespers' church bells
but I am dead to the sound of those bells.

Stranger, don't fear my tender return
across mountains, I am the spirit of love

coming back home from faraway shores.




Mystery

Daring to lift my eyes
towards the dry treetops,
I don't see God, but his light
is immensely shining.

Of all the things I know
my heart feels only this:
I'm young, alive, alone,
my body consuming itself.

I briefly rest in the tall grasses
of a river bank, under bare
trees, then move along beneath
clouds to live out my young days.




I'm Glad

In the roughness of Saturday night
I'm glad to watch people
outside laughing in the open air.

My heart also is made of air
my eyes reflect the joy of the people
and in my hair shines Saturday night.

Young man, I'm glad with my miserly
Saturday night, I'm happy with people
I am alive, I am happy with the air.

I am used to the evil of Saturday night.





Übersetzt von Adeodato Piazza Nicolai








Pier Paolo Pasolini (5. März 1922 – 2. November 1975)





Der niederländische Schriftsteller Arthur van Schendel wurde am 5. März 1874 in Batavia, heute: Jakarta, geboren. Die Familie van Schendel kehrte 1879 nach Pensionierung des Vaters, der in der Kolonialarmee Karriere gemacht hatte, aus Batavia im damaligen Niederländisch Indien nach Holland zurück und ließ sich in Haarlem nieder. Einen tiefen Eindruck auf den jungen Arthur hat der Tod einer Halbschwester im Jahre 1885 hinterlassen, welche die Mutter während dieser Zeit geboren hatte und deren Vater unbekannt geblieben war.
Die Art und Weise einer Schulbildung van Schendels ist unbekannt. Eine Abschlussprüfung hatte er nie abgelegt. Ob der Besuch einer Schauspielschule mit der ernsthaften Absicht verbunden war, Schauspieler zu werden, ist ebenfalls unbekannt. 1901 ließ sich van Schendel in den Niederlanden als Lehrer registrieren; zuvor hatte er an einer englischen Grammar School Französisch unterrichtet.
1902 heiratete er Bertha Zimmermann. Das Paar bekam bald eine Tochter, Hubertina. Eine zweite Tochter verschied bereits 1903, und 1905 starb auch Bertha. Danach ließ er sich mit seiner Tochter Hubertina in Doorn. 1908 heiratet van Schendel seine zweite Frau, Anni de Boers. Das Paar hatte eine Tochter und einen Sohn und begann ein Nomadenleben (u.a. wegen des Asthmas der Frau) in Italien, England und Frankreich. Die Familie lebte schlecht und recht von den Einkünften des Vaters aus seiner Arbeit als Schriftsteller, insbesondere von seinen Tantiemen für Übersetzungen ins Deutsche. Van Schendel begründete mit seinem ersten Roman die niederländische Neoromantik. Kritik veranlasste ihn in späteren Romanen zu einem nüchternen und realistischen Stil, fast in Form von Reportagen. Hiervon ist insbesondere sein wohl bekanntester Roman "Das Fregattschiff 'Johanna Maria'" geprägt.

Aus: Fregattschiff Johanna Maria (Übersetzt von Gregor Seferens)

„Morgens und mittags standen Männer mit Kranzbärten auf dem Kai und schauten bei der Arbeit zu. Manchmal blinzelte einer, ehe er weiterging, manchmal nahm einer die Pfeife aus dem Mund, um ein paar Worte zu sagen. Ein Kopfnicken bedeutete Bewunderung, aber es gab niemanden, der nicht bedenklich die Augen zusammengekniffen hätte, wenn er die Höhe der Masten und Stengen maß. Die "Johanna Maria", obwohl stattlich gebaut, mit hohem Bug und kräftigen Spanten, führte tatsächlich unter den Wimpeln eine wagemutige Takelage. Als das Schiff fertig war und die Reeder, die Herren ten Hope, es mit dem Baumeister und dem Kapitän besichtigten, meinten auch sie, daß die obersten Stengen gekürzt werden müßten. Der Kapitän jedoch, der ein glücklicher Mann war, berichtete lachend von ebensolcher Takelage, mit der die Engländer unglaubliche Geschwindigkeiten erreichten, und er gab sein Wort, dasselbe zu tun, wenn die Herren nur für die richtige Ladung sorgten. Anschließend inspizierten sie jeden Teil des Schiffes, vor und achtern, Laderäume, Kombüse und Back, und als sie dann wieder in der Kajüte waren, zufrieden mit der Stabilität und der Genauigkeit der Arbeit, stießen sie mit Rheinwein auf ihr Vertrauen in den Wahlspruch ihres Eigentums an. Kapitän Jan Wilkens hatte von nun an das Kommando. In der Betriebsamkeit der nächsten Tage schwand die Unversehrtheit des Decks. Die Öl-Schmierfett-Tonnen hinterließen Flecken, die die Maserung des Holzes zum Glänzen brachten, die Ketten und Blöcke schlugen beim Fallen Kerben, die schweren Kästen, Kisten und Fässer verursachten breite Kratzer, die Stiefel der Schauerleute brachten Dreck an Bord, der das Holz um die Luken herum trotz Scheuerns rasch verfärbte. Es war eine gute Ladung, aber die Verschiedenartigkeit der Waren gefiel dem Kapitän nicht, so daß er selbst in den Laderaum stieg, um dafür zu sorgen, daß alles ordentlich verstaut wurde.“








Arthur van Schendel (5. März 1874 – 11 September 1946)
Porträt von Jan Toorop

Mittwoch, 4. März 2009

Kristof Magnusson, Khaled Hosseini

Der isländisch-deutsche Schriftsteller Kristof Magnusson wurde am 4. März 1976 in Hamburg geboren. Nach dem Abitur leistete Magnusson seinen Anderen Dienst bei der Aktion Sühnezeichen in einem Obdachlosenasyl in New York und absolvierte eine Ausbildung zum Kirchenmusiker bei der evangelischen Landeskirche Nordelbien. Anschließend studierte er am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und an der Universität Reykjavík. Bekannt wurde er durch seine Komödie Männerhort, die 2003 am Schauspiel Bonn uraufgeführt wurde. Im November 2005 feierte das Stück auch am Theater am Kurfürstendamm in Berlin Premiere. Außerdem veröffentlichte Magnusson zahlreiche Erzählungen, Reportagen und Essays in in- und ausländischen Zeitungen und Zeitschriften und betätigt sich als Übersetzer aus dem Isländischen (u.a. Gedichte von Sigurbjörg Þrastardóttir und Theaterstücke von Þorvaldur Þorsteinsson). Im August 2005 erschien sein Romandebüt Zuhause im Münchner Verlag Antje Kunstmann.

Aus: Summer of Love

“Günther erzählte mir, dass Bolinas ein Fischerdorf war, das Anfang der Siebziger von Hippies übernommen wurde. Er selbst sei seit zehn Jahren hier, eigentlich Fahrlehrer aus Bochum, aber nach einem Lottogewinn aus der Deutschland AG ausgestiegen. Hier habe er Frieden gefunden, kein Massentourismus bringe die Gewalt und den Konsum aus der Außenwelt hierher. Alle Wegweiser, die die Straßenmeisterei auf der Landstraße aufstellte, verschwänden noch in der selben Nacht. Hastig fügte er hinzu, dass ich natürlich okay sei, weil kein Massentourist. Man lebe gut hier, immer gebe es etwas zu feiern und zu rauchen; ganz besonders heute, auf der Geburtstagsparty für den Summer of Love. Man könne auch im Saloon sitzen, der übrigens Zimmer vermiete, und Gün Tonics trinken, oder Gün Fiddich. Er lachte und bot an, mich zu massieren. Ich stand auf und bekam seine Visitenkarte: Günther, massage for the working class, Ocean View Boulevard, Bolinas. Ich ging.
Es war ein heißer Tag. Als ich zum ersten Mal mit den Füßen auf die Dorfstra-ße trat, merkte ich, wie weich und klebrig der Teer war. Eine Frau mit langen grauen Zöpfen kämpfte mit einem handbetriebenen Rasenmäher. Er blieb im viel zu hohen Gras stecken, aber sie versuchte es immer wieder mit einer Beharrlichkeit, die ich in einem Hippiedorf einer Wiese gegenüber nicht erwartet hätte. Auf dem Weg zum Strand wurde es immer hektischer: Schüsseln, Lebensmittel, Bierdosen und Colaflaschen wurden zum Strand getragen, ein großer Grill wurde angefeuert. Im Sand war eine Bühne aufgebaut und eine Band begann mit dem Soundcheck. Ich ging in den Saloon und mietete mir ein Zimmer.”







Kristof Magnusson (Hamburg, 4. März 1976)




Der afghanisch-amerikanischer Schriftsteller Khaled Hosseini wurde am 4. März 1965 in Kabul geboren. Hosseinis Vater stand im Dienst des afghanischen Außenministeriums, seine Mutter unterrichtete Persisch und Geschichte an einer Mädchen-High-School. Khaled Hosseini ist das älteste von fünf Kindern. Von 1970 bis 1973 lebte die Familie in Teheran (Iran). 1976, drei Jahre vor der sowjetischen Invasion, zog sie nach Paris, wo der Vater einen Posten in der afghanischen Botschaft bekam. Ursprünglich sollte die Familie nach vier Jahren nach Kabul zurückkehren. Die sowjetische Invasion im Heimatland Afghanistan veranlasste sie jedoch, in den USA politisches Asyl zu beantragen, welches den Hosseinis 1980 gewährt wurde. Die Familie ließ sich in San José (Kalifornien) nieder. Hosseini erlangte 1984 seinen High-School-Abschluss und nahm anschließend an der Santa Clara University ein Studium der Biologie auf, das er 1988 mit dem akademischen Grad Bachelor abschloss. In den folgenden Jahren studierte er an der medizinischen Fakultät der University of California (San Diego). Dort wurde er 1993 zum Doktor der Medizin promoviert. 1996 schloss Hosseini seine Fachausbildung zum Internisten am Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles ab. Seit 1996 arbeitet er als Internist.Khaled Hosseini hatte sich schon als Kind für Literatur interessiert und auch selbst geschrieben. Im Jahr 2003 erschien sein erster Roman Drachenläufer, der 2007 unter dem Titel The Kite Runner (deutscher Titel Drachenläufer) verfilmt wurde. Sein zweites Buch A Thousand Splendid Suns (Deutsch: Tausend strahlende Sonnen) erschien 2007.

Aus: Drachenläufer (Übersetzt von Angelika Naujokat, Michael Windgassen)


„Der frisch gefallene Schnee glitzerte auf den Straßen, und der Himmel war makellos blau. Der Schnee bedeckte jedes Dach und lastete auf den Zweigen der verkümmerten Maulbeerbäume, die unsere Straße säumten. Über Nacht war der Schnee in alle Ritzen und Spalten gedrungen. Ich schaute blinzelnd in das blendende Weiß, als Hassan und ich durch das schmiedeeiserne Tor traten. Ali schloss das Tor hinter uns. Ich hörte, wie er leise ein Gebet sprach - das tat er immer, wenn sein Sohn das Haus verließ.
Ich hatte noch nie so viele Menschen in unserer Straße gesehen. Kinder warfen Schneebälle, zankten sich, jagten hintereinander her, kicherten. Drachenkämpfer und ihre Helfer steckten die Köpfe zusammen, trafen letzte Vorbereitungen. Aus angrenzenden Straßen vernahm ich Lachen und Geplapper. Die Dächer waren schon voller Zuschauer, die es sich auf Gartenstühlen bequem gemacht hatten. Heißer Tee dampfte aus Thermoskannen, und die Musik von Ahmad Zahir plärrte aus den Kassettenrecordern. Der unglaublich populäre Ahmad Zahir hatte die afghanische Musik revolutioniert und die Puristen empört, weil er den traditionellen Musikinstrumenten tabla und Harmonium elektrische Gitarren, Schlagzeug und Bläser hinzugefügt hatte; auf der Bühne oder auf Partys setzte er sich über die vorgeschriebene strenge, ja abweisende Haltung der älteren Sänger hinweg und lächelte doch tatsächlich beim Singen - lächelte manchmal sogar Frauen zu. Ich wandte meinen Blick zu unserem Dach und entdeckte dort oben Baba und Rahim Khan, die in dicke Wollpullover gekleidet auf einer Bank saßen und Tee tranken. Baba winkte. Ich konnte nicht erkennen, ob es mir oder Hassan galt.
»Wir sollten uns bereitmachen«, sagte Hassan. Er trug schwarze Schneestiefel aus Gummi, einen leuchtend grünen chapan-Umhang über einem dicken Pullover und abgewetzte Cordhosen. Sonnenlicht ergoss sich über sein Gesicht, und ich sah, wie gut die rosafarbene Narbe über seiner Lippe verheilt war.“







Khaled Hosseini (Kabul, 4. März 1965)

Dienstag, 3. März 2009

James Merrill

Der amerikanischer Lyriker und Schriftsteller James Ingram Merrill wurde am 3. März 1926 in New York City geboren. In seiner Kindheit genoss Merrill ein privilegiertes Leben und eine gute Erziehung. Er erhielt Privatunterricht und lernte Französisch und Deutsch. In seinem Gedicht Lost in Translation schreibt Merrill über seine Kindheitserfahrungen. Seine Eltern trennten sich, als Merrill 11 Jahre alt war und ließen sich scheiden, als er 13 Jahre alt war. Merrill besuchte als Teenager die Lawrenceville School. Als Merrill 16 Jahre alt wurde, begann sein Vater seine Kurzgeschichten und Gedichte zu sammeln und veröffentlichte diese als Überraschung unter dem Titel Jim's Book. 1944 unterbrach Merrill sein Studium für einen achtmonatigen Einsatz in der United States Army. 1945 kehrte er an das Amherst College zurück und graduierte dort 1947. Eine Sammlung seiner Gedichte unter dem Titel The Black Swan veröffentlichte sein Mentor Professor Kimon Friar am Amherst College und 1946 privat in Athen, Griechenland. 1951 veröffentlichte Merrill seine erste verlegerisch besorgte Ausgabe First Poems durch Alfred A. Knopf.
Merrill verliebte sich in den Autor David Jackson, mit dem er vier Jahrzehnte zusammenlebte. Merrill und Jackson trafen sich 1953 in New York City nach einer Performance von Merrills The Bait. Gemeinsam zogen sie 1955 nach Stonington, Connecticut. In den folgenden beiden Jahrzehnten verbrachten sie jeweils einen Teil des jeweiligen Jahres in Athen, Griechenland.
In den Memoiren von 1993 zeichnet Merrill ein Porträt des schwulen Lebens in den frühen 1950ern, in denen er Beziehungen mit verschiedenen Männern wie den Autor Claude Fredericks, den Kunsthändlern Robert Isaacson, David Jackson und den Schauspieler Peter Hooten schildert.
Bereits zu Beginn seiner schriftstellerischen Karriere gewann Merrill für The Black Swan den Glascock Prize. Im Laufe seines weiteren schriftstellerischen Schaffens erhielt er zahlreiche bedeutende Poesieauszeichnungen in den Vereinigten Staaten, inklusive 1977 den Pulitzer Preis für Divine Comedies.



Voices from the Other World

Presently at our touch the teacup stirred,
Then circled lazily about
From A to Z. The first voice heard
(If they are voices, these mute spellers-out)
Was that of an engineer

Originally from Cologne.
Dead in his 22nd year
Of cholera in Cairo, he had KNOWN
NO HAPPINESS. He once met Goethe, though.
Goethe had told him: PERSEVERE.

Our blind hound whined. With that, a horde
Of voices gathered above the Ouija board,
Some childish and, you might say, blurred
By sleep; one little boy
Named Will, reluctant possibly in a ruff

Like a large-lidded page out of El Greco, pulled
Back the arras for that next voice,
Cold and portentous: ALL IS LOST.
FLEE THIS HOUSE. OTTO VON THURN UND TAXIS.
OBEY. YOU HAVE NO CHOICE.

Frightened, we stopped; but tossed
Till sunrise striped the rumpled sheets with gold.
Each night since then, the moon waxes,
Small insects flit round a cold torch
We light, that sends them pattering to the porch . . .

But no real Sign. New voices come,
Dictate addresses, begging us to write;
Some warn of lives misspent, and all of doom
In way’s that so exhilarate
We are sleeping sound of late.

Last night the teacup shattered in a rage.
Indeed, we have grown nonchalant
Towards the other world. In the gloom here,
our elbows on the cleared
Table, we talk and smoke, pleased to be stirred

Rather by buzzings in the jasmine, by the drone
Of our own voices and poor blind Rover’s wheeze,
Than by those clamoring overhead,
Obsessed or piteous, for a commitment
We still have wit to postpone

Because, once looked at lit
By the cold reflections of the dead
Risen extinct but irresistible,
Our lives have never seemed more full, more real,
Nor the full moon more quick to chill.





The Victor Dog

Bix to Buxtehude to Boulez,
The little white dog on the Victor label
Listens long and hard as he is able.
It's all in a day's work, whatever plays.

From judgment, it would seem, he has refrained.
He even listens earnestly to Bloch,
Then builds a church upon our acid rock.
He's man's--no--he's the Leiermann's best friend,

Or would be if hearing and listening were the same.
Does he hear?I fancy he rather smells
Those lemon-gold arpeggios in Ravel's
"Les jets d'eau du palais de ceux qui s'aiment."

He ponders the Schumann Concerto's tall willow hit
By lightning, and stays put.When he surmises
Through one of Bach's eternal boxwood mazes
The oboe pungent as a bitch in heat,

Or when the calypso decants its raw bay rum
Or the moon in Wozzeck reddens ripe for murder,
He doesn't sneeze or howl; just listens harder.
Adamant needles bear down on him from

Whirling of outer space, too black, too near--
But he was taught as a puppy not to flinch,
Much less to imitate his bête noire Blanche
Who barked, fat foolish creature, at King Lear.

Still others fought in the road's filth over Jezebel,
Slavered on hearths of horned and pelted barons.
His forebears lacked, to say the least, forebearance.
Can nature change in him?Nothing's impossible.

The last chord fades.The night is cold and fine.
His master's voice rasps through the grooves' bare groves.
Obediently, in silence like the grave's
He sleeps there on the still-warm gramophone

Only to dream he is at the première of a Handel
Opera long thought lost--Il Cane Minore.
Its allegorical subject is his story!
A little dog revolving round a spindle

Gives rise to harmonies beyond belief,
A cast of stars . . . . Is there in Victor's heart
No honey for the vanquished?Art is art.
The life it asks of us is a dog's life.







James Merrill (3. März 1926 – 6. Februar 1995)

Montag, 2. März 2009

Eduard Douwes Dekker, Thom Wolfe

Der niederländischer Schriftsteller Eduard Douwes Dekker wurde am 2. März 1820 in Amsterdam geboren. Bekannt geworden ist er unter dem Pseudonym Multatuli (lat. etwa: „ich habe vieles ertragen“). Um das Jahr 1900 herum waren seine Bücher in Deutschland sehr verbreitet. So zählten ihn etwa Sigmund Freud und Hermann Hesse zu ihren Lieblingsautoren. Mittlerweile ist er in Deutschland jedoch weitgehend vergessen, während er in den Niederlanden zum Kanon der Schulbuchliteratur zählt.
Als 18-Jähriger war er mit seinem Vater nach Java in der Kolonie Niederländisch-Indien gekommen und fand dort bei der Kolonialverwaltung eine Anstellung. Seine Karriere als Kolonialbeamter (er wurde 1856 zum Assistent-Residenten von Lebak auf Java ernannt) endete, als er korrupte Machenschaften anprangerte, in die sein Vorgesetzter verstrickt war. Die auf seinen Antrag hin erfolgte Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis bewog Dekker zur Rückkehr nach Europa.
Die letzten siebzehn Jahre seines Lebens verbrachte er fast ausschließlich in Deutschland. Von 1870 bis 1879 lebte er in Wiesbaden. Hier schrieb er rund zwei Fünftel der noch zu seinen Lebzeiten veröffentlichten Werke. Sein bekanntestes Werk ist der 1860 erschienene Roman Max Havelaar oder Die Kaffeeversteigerungen der Niederländischen Handelsgesellschaft. Dekker starb 1887 in Ingelheim, wo er die letzten sieben Jahre seines Lebens zurückgezogen gelebt hatte.

Aus: Max Havelaar oder die Kaffee-Versteigerungen (Übersetzt von Paul Seliger)

“Ich bin Makler in Kaffee, und wohne auf der Lauriergracht Nummer 37. Es ist eigentlich nicht mein Fall, Romane zu schreiben oder dergleichen, und es hat auch ziemlich lange gedauert, bis ich mich entschloß, ein paar Ries Papier extra zu bestellen und das Werk anzufangen, das ihr, liebe Leser, soeben zur Hand genommen habt, und das ihr lesen müßt, ob ihr Makler in Kaffee seid, oder ob ihr irgend etwas anderes seid. Nicht allein, daß ich niemals etwas geschrieben habe, was nach einem Roman aussah – nein, ich bin sogar nicht einmal ein Freund davon, solches Zeug zu lesen, denn ich bin ein Geschäftsmann. Seit Jahren frage ich mich, wozu so etwas gut sein kann, und ich stehe verwundert über die Unverschämtheit, mit der die Dichter und Romanerzähler euch allerlei weißmachen dürfen, was niemals geschehen ist, und was überhaupt niemals vorkommen kann. Wenn ich in meinem Fach – ich bin Makler in Kaffee und wohne auf der Lauriergracht Nummer 37 – einem [14] Prinzipal – ein Prinzipal ist jemand, der Kaffee verkauft – eine Deklaration machte, in der nur ein kleiner Teil der Unwahrheiten vorkäme, die in Gedichten und Romanen die Hauptsache sind, er würde zur Stunde sicher Büsselinck & Waterman nehmen. Das sind auch Makler in Kaffee, doch ihre Adresse braucht ihr nicht zu wissen. Ich passe deshalb wohl auf, daß ich keine Romane schreibe oder andere falsche Angaben mache.
Ich habe auch die Erfahrung gemacht, daß Menschen, die sich mit so etwas einlassen, meistenteils schlecht wegkommen. Ich bin dreiundvierzig Jahre alt, seit zwanzig Jahren besuche ich die Börse, und ich kann daher wohl vortreten, wenn man jemand ruft, der Erfahrung hat. Ich habe schon etwas von Häusern fallen sehen! Und meistens, wenn ich der Sache nachging, kam es mir vor, daß der Grund in der verkehrten Richtung lag, die die meisten in ihrer Jugend empfingen”.







Multatuli (2. März 1820 - 19 Februar 1887)
Statue in Amsterdam





Der amerikanische Schriftsteller Tom Wolfe (eigentlich: Thomas Kennerly Wolfe) wurde am 2. März 1931 in Richmond, Virginia, geboren. Nach der Promotion an der Yale University in New Haven, Connecticut, arbeitete er als Reporter bei der "Washington Post" und zog 1962 nach New York, wo er zum Starreporter der "New York Herold Tribune" aufstieg. Nach zwei Reportageromanen ("The Electric Kool-Aid Acid Test", 1968, dt: "Unter Strom"; "The Right Stuff", 1979, dt: "Die Helden der Nation") veröffentlichte Tom Wolfe 1987 seinen ersten fiktionalen Roman – "Fegefeuer der Eitelkeiten" – und schaffte damit sogleich den internationalen Durchbruch. Das Wagnis des New Yorker Verlags Farrar Straus Giroux, Tom Wolfes zweiten rein fiktionalen Roman mit einer Startauflage von 1,2 Millionen Exemplaren herauszubringen, zahlte sich aus: "Ein ganzer Kerl" wurde ebenfalls ein Weltbestseller.


Uit: Ein ganzer Kerl (Übersetzt von Benjamin Schwartz)

“Derdosian legte den Aktendeckel auf einen Tisch in der Nähe, zog den Stapel Lohnschecks heraus und fing an, die Namen in alphabetischer Reihenfolge aufzurufen. Conrad nahm seinen Umschlag entgegen. Ohne sich die Mühe zu machen, ihn zu öffnen, faltete er ihn einmal zusammen, steckte ihn in die Tasche seines bunt karierten Hemdes und ging zurück zu dem Tisch.In dem Moment wurden Stimmen am Nebentisch laut. Es waren Tony Chase und die anderen beiden schwarzen Schlepper. Tony zeigte ihnen einen weißen Zettel und redeteaufgeregt auf sie ein. Glühbirne drehte sich herum und hörte zu, dann beugte er sich wieder nach vorn. „Lieber Gott“, sagte er, „Tohohohohohony hat gerade die Mihihihihitteilunggekriegt. Er ist entlassen.“Conrad richtete sich auf. Tony war in derselben Woche wie er eingestellt worden.Kenny und Glühbirne hatten schon ihre Umschläge zugeteilt bekommen undüberprüften sie, um zu sehen ob außer dem Scheck noch etwas anderes drin war.Offensichtlich waren sie außer Gefahr. Man hatte sie nicht entlassen. Dasselbe ging nun im ganzen Pausenraum vor sich. Irgendwo hinter sich hörte Conrad eine Stimme keuchen:„Verdammte Scheiße!“Langsam zog Conrad seinen Umschlag aus der Brusttasche, ließ seinen dicken Finger unter die Klappe gleiten und riss ihn auf. Er fand den lachsfarbenen Lohnscheck, wie üblich. Dahinter steckte ein weißer Zettel. Dann las er die ersten paar Worte: „Aufgrund einer notwendigenKapazitätseinschränkung in dieser Abteilung müssen wir auf ihre Dienste...“ Er schaute auf. Kenny und Glühbirne starrten ihn an. Er brachte kein Wort heraus. Er konnte nur nicken, um ihnen zu sagen: „Ja, es stimmt.“„Verdammt noch mal, ich glaub das nich“, fluchte Kenny. Hastig streckte er den Arm über den Tisch und sagte: „Zeig mal her“, riss Conrad den Zettel aus der Hand und besah ihn sich einen Moment lang. Dann schoss er von seinem Platz hoch. Der Stuhl fiel hinter ihm mit einem lauten Plastikbums zu Boden. Er warf dem hinausgehenden Derdosian einen wütenden Blick hinterher und rief: „He! Nick!“Derdosian blieb in der Tür des Pausenraums stehen. Im selben Moment begann sein Kopf von einer Seite zur anderen zu wackeln, als wollte er sagen: „Ich hatte damit nichts zu tun.“„Was zum Teufel geht hier vor, Nick!“






Thom Wolfe (Richmond, 2. März 1930)

Sonntag, 1. März 2009

Franzobel, Franz Hohler

Der österreichische Schriftsteller Franzobel (eigentlich Franz Stefan Griebl) wurde am 1. März 1967 in Vöcklabruck, Oberösterreich geboren. Franzobel ist der Sohn eines Chemiearbeiters. Er absolvierte die HTL für Maschinenbau in Vöcklabruck und studierte von 1986 bis 1994 in Wien Germanistik und Geschichte. Nebenbei war er als Komparse am Wiener Burgtheater tätig. Das Studium schloss er mit einer Diplomarbeit über Visuelle Poesie ab. Seit 1989 ist er als freier Schriftsteller tätig. Neben seiner literarischen Tätigkeit (er publiziert im Eigenverlag, in Kleinverlagen und innerhalb von Mail-Art-Projekten) arbeitete Franzobel als Maler (Concept Art bis 1992). Er hat zahlreiche Theaterstücke, Prosatexte und Lyrik veröffentlicht,

Aus: Frau Hornaus im Hochstand

“-Waren Sie schon einmal vom Leben durchgeglüht?
-Wissen Sie, daß Jesus extra für Sie gestorben ist? Sie. Extra Sie hat er erlöst. Sie persönlich. Für Ihre Sünden hat er Leid ertragen. Für Ihren Platz im Paradies? Sie wurden persönlich auserwählt. Haben Sie kurz Zeit?
Und der Vater, noch vom Schlaf verwirrt, noch nicht ganz bei sich, bat zwei debil grinsende Persönchen herein. Aurelia und Zita paßten gut zu ihren Namen. In pfeffer- und salzfarbene Mäntel gehüllt, dicke Brillen im beflaumten Gesicht, dünne Lippen, abstehendes Ohrenpergament, dezent mit Gold behängt. Wanderschuhe. Nach Lavendel und chemischer Kleiderreinigung rochen sie. Abgelagertes, fast verkarstetes Leben in gebückten Gestalten.
-Meinetwegen setzen Sie sich halt. Der verknitterte Vater holte sich ein Bier, die beiden Damen lehnten ab.
-In der Bibel steht auf alles eine Antwort, sie nimmt uns das Gefühl des Ausgeliefertseins, nicht, wortwörtlich steht da alles drin. Wir sind Produkt des Schöpfungsakts. Auch Sie. Und bloß weil der Mensch gesündigt hat, hat Gott ihn vertrieben. In der Bibel stehts. Lesen Sie darin?
-Nein, brummte der Vater, ärgerlich, daß er so überrumpelt worden war, auch wollte er nicht sehen, was der Mensch verbrochen hatte. Erbsünde? Bibelrotz? Das war doch alles bloß ein Mist.
-Der Mensch hatte die Entscheidung, und der erste vollkommene Mensch, Adam, hat sich für die Lüge entschieden, für das Nichtgehorchen. Deshalb hat Gott ihn aus dem Paradies vertreiben müssen, weil er nicht geliebt hat, nicht gehorcht. Für die Sünde hat er sich entschieden, dieser Adam. Wir aber, wir dürfen keine Unzucht treiben. Gott weiß alles, was wir denken und tun. Seinen eigenen Sohn hat er geopfert, hat ihn extra ans Kreuz genagelt wegen uns. Nicht. Damit er uns von unseren Sünden befreit. Nicht.
-Was für Sünden denn?”






Franzobel (Vöcklabruck, 1. März 1967)




Der Schweizer Schriftsteller, Kabarettist und Liedermacher Franz Hohler wurde am 1. März 1943 in Biel geboren. Hohler wuchs in Olten auf und besuchte die Kantonsschule in Aarau bis zur Matura 1963. Dann begann er das Studium der Germanistik und Romanistik in Zürich. Während des Studiums führte er sein erstes Soloprogramm pizzicato auf (1965). Dessen Erfolg ermutigte ihn, das Studium abzubrechen und sich ganz der Kunst zu widmen. Sein Werk umfasst unter anderem Kabarettprogramme, Theaterstücke, Film- und Fernseh-Produktionen, Kinderbücher, Kurzgeschichten und Romane.Zu seinen wohl bekanntesten Werken gehören der Sketch Es bärndütsches Gschichtli (1967), das Lied Es si alli so nätt (1979) und der Erzählband Die Rückeroberung (1982). Hohler begleitet sich bei seinen Auftritten oft selbst auf dem Cello (Celloballaden).

Aus: Es klopft

„Seit einer Stunde lag er im Bett und konnte nicht einschla-fen.Auf dem Rücken nicht, auf dem Bauch nicht, auf der lin-ken Seite nicht, und auf der rechten auch nicht. Das war ihm schon lange nicht mehr passiert.Er war neunundfünfzig,und gewöhnlich war er am Abend so müde, dass er, nachdem er im Bett noch ein paar Zeilen in einem Buch gelesen hatte,die Nachttischlampe löschte, der Frau an seiner Seite einen Gute-Nacht-Wunsch zumurmelte und nach wenigen Atem-zügen einschlief.Erst wenn ihn seine Blase um zwei oder drei Uhr weckte, konnte es vorkommen, dass er den Schlaf nicht gleich wieder fand, dann stand er auf, nahm das Buch in die Hand und schlich sich leise aus dem gemeinsamen Schlafzim-mer in seinen Arbeitsraum, bettete sich dort auf seine Couch und las so lange, bis ihm die Augen zufielen.Er dachte an den morgigen Tag, es war ein Montag, das hieß, dass ihn eine volle Praxis erwartete. Um halb elf waren sie beide zu Bett gegangen, nun zeigten die Leuchtziffern seiner Uhr schon fast Mitternacht, und er sah seine Ruhe-zeit dahinschrumpfen, denn morgens um sechs würde mit-leidlos der Wecker klingeln. Aufstehen und ins Arbeitszim-mer wechseln, mit dem Buch in der Hand? Er fürchtete,dadurch seine Frau zu wecken, und er fürchtete ihre Frage,ob er nicht schlafen könne. Warum, würde sie dann fragen,warum kannst du nicht schlafen? Dann müsste er zu einer Notlüge greifen. Manchmal, wenn ihm ein Behandlungsfehler unterlaufen war oder wenn sich eine folgenschwere Komplikation eingestellt hatte, was zum Glück selten vor-kam, stand der Patient nachts plötzlich vor ihm mit seinem ganzen Unglück und wollte ihn nicht in den Schlaf entlassen.Für solche Fälle hatte er ein Schächtelchen Rohypnol in sei-ner Hausapotheke, aber er hasste es, wenn er sich betäuben musste,und zudem war er mit der Dosierung nie ganz sicher.“







Franz Hohler (Biel, 1. März 1943)

Samstag, 28. Februar 2009

Stephen Spender, John Montague

Der englische Lyriker und Schrifsteller Stephen Spender wurde am 28. Februar 1909 in London geboren. Spender besuchte u.a. die Gresham's School in Holt (Norfolk) und die Universität Oxford. An der Gresham's School begegnete er W. H. Auden. Spender beendete sein Studium nicht, sondern ging nach Deutschland (gleichwohl wurde er 1973 zum honorary fellow of the college erhoben). Zu dieser Zeit in Deutschland wurde er ein Freund von Christopher Isherwood (der auch in Weimar lebte), Louis MacNeice und C. Day Lewis. In späterer Zeit lernte er William Butler Yeats, Allen Ginsberg, Ted Hughes, Joseph Brodsky, Isaiah Berlin, Mary McCarthy, Roy Campbell, Raymond Chandler, Dylan Thomas, Jean-Paul Sartre und T. S. Eliot, sowie als Mitglied der Bloomsbury Group insbesondere Virginia Woolf kennen. Seine ersten Gedichte, bekannt unter Poems (1933), waren oftmals von sozialem Protest inspiriert. Spender begann 1929 seine Arbeit mit dem Roman The Temple, der aber erst 1988 publizierte wurde. Der Roman handelt von einem jungen Mann, der nach Deutschland reist und dort mehr Kultur als in England findet und insbesondere einiges über Beziehungen zu Männern hinzulernt.Spender wurde Professor für Englisch am University College in London und lehrte von 1970 bis 1977. Danach wurde er Professor Emeritus. Spender erhielt 1962 den Titel Commander (CBE) des Order of the British Empire und wurde 1983 zum Ritter geschlagen.


Listen

Deep in the winter plain, two armies
Dig their machinery, to destroy each other.
Men freeze and hunger. No one is given leave
On either side, except the dead, and wounded.
These have their leave; while new battalions wait
On time at last to bring them violent peace.

All have become so nervous and so cold
That each man hates the cause and distant words
Which brought him here, more terribly than bullets.
Once a boy hummed a popular marching song,
Once a novice hand flapped the salute;
The voice was choked the lifted hand fell,
Shot through the wrist by those of his own side.

From their numb harvest all would flee, except
For discipline drilled once in an iron school
Which holds them at the point of a revolver.
Yet when they sleep, the images of home
Ride wishing horses of escape
Which herd the plain in a mass unspoken poem.

Finally, they cease to hate: for although hate
Bursts from the air and whips the earth like hail
Or pours it up in fountains to marvel at,
And although hundreds fell, who can connect
The inexhaustible anger of the guns
With the dumb patience of these tormented animals?

Clean silence drops at night when a little walk
Divides the sleeping armies, each
Huddled in linen woven by remote hands.
When the machines are stilled, a common suffering
Whitens the air with breath and makes both one
As though these enemies slept in each other’s arms.

Only the lucid friend to aerial raiders,
The brilliant pilot moon, stares down
Upon the plain she makes a shining bone
Cut by the shadow of many thousand bones.
Where amber clouds scatter on no-man’s-land
She regards death and time throw up
The furious words and minerals which kill life.





In memoriam M.A.S

There are some days the happy ocean lies
Like an unfingered harp, below the land.
Afternoon guilds all the silent wires
Into a burning music for the eyes
On mirrors flashing between fine-strung fires
The shore, heaped up with roses, horses, spires
Wanders on water tall above ribbed sand.

The motionlessness of the hot sky tires
And a sigh, like a woman's from inland,
Brushes the instrument with shadowy hand
Drawing across those wires some gull's sharp cry
Or bell, or shout, from distant, hedged-in, shires;
These, deep as anchors, the hushing wave buries.

Then from the shore, two zig-zag butterflies
Like errant dog-roses cross the bright strand
Spiralling over waves in dizzy gyres
Until the fall in wet reflected skies.
They drown. Fishermen understand
Such wings sunk in such ritual sacrifice.

Remembering legends of undersea, drowned cities.
What voyagers, oh what heroes, flamed like pyres
With helmets plumed have set forth from some island
And them the seas engulfed. Their eyes
Distorted to the cruel waves desires,
Glitter with coins through the tide scarcely scanned,
While, far above, that harp assumes their sighs.








Stephen Spender (28. Februar 1909 – 16. Juli 1995)





Der irische Lyriker John Montague wurde am 28. Februar 1929 als Sohn irischer Auswanderer in Brooklyn, New York, geboren. Er wuchs in der nordirischen Grafschaft Tyrone auf. Später studierte er in Irland und den USA und lehrte in Irland, Kanada und den USA. Er ist unter anderem Autor von Gedichtbänden und gilt als einer der führenden irischen Lyriker der Gegenwart. Er lebt heute in der irischen Grafschaft Cork und in Nizza.



Blessing

A feel of warmth in this place.
In winter air, a scent of harvest.
No form of prayer is needed,
When by sudden grace attended.
Naturally, we fall from grace.
Mere humans, we forget what light
Led us, lonely, to this place.




No Music

I'll tell you a sore truth, little understood
It's harder to leave, than to be left:
To stay, to leave, both sting wrong.

You will always have me to blame,
Can dream we might have sailed on;
From absence's rib, a warm fiction.

To tear up old love by the roots,
To trample on past affections:
There is no music for so harsh a song.








John Montague (New York, 28. Februar 1929)
Bronze von John Coll

Freitag, 27. Februar 2009

John Steinbeck, Lawrence Durrell

Der amerikanische Schriftsteller John Ernst Steinbeck wurde am 27. Februar 1902 in Salinas, Kalifornien geboren. Schon als Schüler hatte er ein ausgeprägtes Interesse an Literatur und begann selbst Geschichten zu schreiben. 1919 bewarb er sich erfolgreich um ein Studium an der angesehenen Stanford University und belegte dort Kurse in Englischer Literatur, Klassischer Literatur und Alter Geschichte, Journalismus und anderen Fächern, die ihm für eine Karriere als Schriftsteller nützlich schienen, auch einen über das Verfassen von Kurzgeschichten, der als einer der ersten Kurse für kreatives Schreiben an amerikanischen Universitäten betrachtet werden kann. Einen ersten Erfolg erlebte Steinbeck 1935 mit dem „episodischen Roman“ Tortilla Flat, in dem er das Leben einer Clique von bettelarmen, aber lebenslustigen Hispano-Amerikanern nach dem Vorbild der mythischen Tafelrunde von König Artus schildert. Nach der Veröffentlichung seines Romans In Dubious Battle (dt.: Stürmische Ernte), der einen Landarbeiterstreik zum Thema hat, nahm Steinbeck 1936 den Auftrag der Zeitung San Francisco News an, eine Artikelserie über die entwurzelten Wanderarbeiter aus Oklahoma zu schreiben. Scharen völlig verarmter „Okies“ zogen damals auf der Suche nach Jobs aus Oklahoma nach Kalifornien. Die Erfahrungen, die er bei den Recherchen zu diesem Thema sammelte, gingen in seine beiden Werke ein, die Kritik und Publikum bis heute am stärksten beeindrucken: die Novelle Of Mice and Men von 1937 (dt.: Von Mäusen und Menschen) und der sozialkritische Roman The Grapes of Wrath von 1939 (dt.: Früchte des Zorns). 1949 begegnete Steinbeck der selbstbewussten Texanerin Elaine Anderson Scott, die als Theaterchefin am Broadway bekannt geworden und dann nach Hollywood gegangen war. 1950 heiratete er sie und zog mit ihr und ihrer Tochter erneut nach New York. Es folgten unstete Jahre mit langen Reisen durch Nordafrika, Süd- und Westeuropa, bis John Steinbeck 1952 noch einmal ein großer literarischer Wurf gelang: Der epische Roman East of Eden (dt.: Jenseits von Eden) erzählt die Geschichte der Familien Trask und Hamilton vom Bürgerkrieg bis zum Ersten Weltkrieg.

Aus: Früchte des Zorns (Übersetzt von Klaus Lambrecht)

„Ein mächtiger roter Lastwagen stand vor der kleinen Raststätte. Aus dem senkrechten Auspuffrohr knatterte es leise, und ein fast unsichtbarer Dunst von stahlblauem Rauch schwebte darüber. Es war ein neuer Lastwagen, glänzend rot, und auf seinen Seitenwänden stand in Zwanzig-Zentimeter-Lettern: OKLAHOMA CITY TRANSPORT COMPANY. Seine Doppelreifen waren neu, und ein Messingschloß stand stramm ab von der Krampe an den großen Hintertüren.
Im Gasthaus spielte ein Radio Tanzmusik. Es war leise gestellt, so, wie es ist, wenn niemand zuhört. In seinem runden Loch über der dicht verrammelten Eingangstür summte ein Abzugsventilator, und Fliegen brummten aufgeregt an den Türen und Fenstern herum und stießen gegen die herabgelassenen Jalousien. Ein Mann, der Lastwagenfahrer, saß auf einem Schemel, hatte die Ellbogen auf die Theke gestützt und blickte über seinen Kaffee hinweg die magere, einsame Kellnerin an. Er redete mit ihr in der flotten, nachlässigen Sprache der Leute auf der Landstraße.
"Vor drei Monaten habe ich ihn mal gesehen. Hat 'ne Operation gehabt. Irgendwas rausgeschnippelt. Habe vergessen, was."
Und sie:
"Mir kommt's vor, als hätte ich ihn erst vor 'ner Woche gesehen. Sah gut aus. Er ist 'n netter Kerl, wenn er nicht besoffen ist."
Hin und wieder dröhnten die Fliegen leise an der Tür. Die Kaffeemaschine spie Dampf aus, und ohne sich umzublicken, griff die Kellnerin hinter sich und drehte sie ab.
Draußen ging ein Mann am Rand der Straße entlang, überquerte sie und trat an den Lastwagen heran. Er ging langsam um ihn herum, legte seine Hand auf den glänzenden Kühler und blickte auf einen Aufkleber an der Windschutzscheibe, auf dem "Keine Mitfahrer" stand. Einen Augenblick schien es, als wollte er weitergehen, statt dessen aber setzte er sich auf das Trittbrett.
Er war nicht über dreißig. Seine Augen waren dunkelbraun, und selbst das Weiße hatte einen Schimmer von braunem Pigment. Seine Backenknochen waren hoch und breit, und starke, tiefe Linien hatten sich zu beiden Seiten des Mundes eingeschnitten. Seine Oberlippe war lang, und da seine Zähne vorstanden, dehnten sich die Lippen, um sie zu verdecken; denn dieser Mann hielt seine Lippen geschlossen.
Seine Hände waren hart, mit breiten Fingern und Nägeln, die so dick und gekerbt waren wie kleine Muschelschalen. Die Spannen zwischen Daumen und Zeigefinger und die Handflächen waren voller Schwielen.“






John Steinbeck (27. Februar 1902 – 20. Dezember 1968)




Der anglo-indische Schriftsteller Lawrence George Durrell wurde am 27. Februar 1912 in Darjiling, Indien geboren. Die ersten Lebensjahre verbrachte Durrell in Indien. Mit elf Jahren wurde er zum Schulbesuch nach Canterbury (England) geschickt, wo er sich jedoch nie heimisch fühlen sollte. Er verließ die Universität ohne Abschluss, da er den Beruf des Schriftstellers anstrebte. Am 22. Januar 1935 heiratete Durrell Nancy Isobel Myers, seine erste Ehefrau. Im März zog er nach Aufenthalten in Paris und Athen mit Mutter, Frau und Geschwistern einschließlich Bruder Gerald nach Korfu. Zu dieser Zeit begann auch seine lebenslange Freundschaft mit dem Schriftstellerkollegen Henry Miller. Im gleichen Jahr veröffentlichte er auch seinen ersten Roman Pied Piper of Lovers.
1941 mussten die Durrells Griechenland wegen der näherrückenden deutschen Armee verlassen. Die Familie zog nach Kairo um. In der Folge lebte Durrell in Alexandria, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf Rhodos, 1947/48 in Argentinien, 1949 bis 1952 in Belgrad. Er arbeitete in verschiedenen Positionen, meist als Presseattaché, für die britische Regierung.
Im Jahr 1952 zog Durrell nach Zypern, wo er zunächst Englischunterricht erteilte und später wiederum für die britische Regierung in Nikosia arbeitete. Seine Erlebnisse aus der Zeit des Krieges zwischen türkischen und griechischen Zyprioten verarbeitete er in dem Buch Bittere Limonen (veröffentlicht 1957). Noch während der Zeit auf Zypern begann Durrell mit der Arbeit am Alexandria-Quartett, das zwischen 1957 und 1960 veröffentlicht wurde. Diese vier Bücher brachten Durrell internationale Anerkennung ein.

Aus: Justine

“As for me I am neither happy nor unhappy; I lie suspended like a hair or a feather in the cloudy mixtures of memory. I spoke of the uselessness of art but added nothing truthful about its consolations. The solace of such work as I do with brain and heart lies in this—that only there, in the silences of the painter or the writer can reality be reordered, reworked and made to show its significant side. Our common actions in reality are simply the sackcloth covering which hides the cloth-of-gold—the meaning of the pattern. For us artists there waits the joyous compromise through art with all that wounded or defeated us in daily life; in this way not to evade destiny, as the ordinary people try to do, but to fulfil it in its true potential—the imagination. Otherwise why should we hurt one another? No, the remission I am seeking, and will be granted perhaps, is not one I shall ever see in the bright friendly eyes of Melissa or the sombre brow-dark gaze of Justine. We have all of us taken different paths now; but in this, the first great fragmentation of my maturity I feel the confines of my art and my living deepened immeasurably by the memory of them. In thought I achieve them anew; as if only here—this wooden table over the sea under an olive tree, only here can I enrich them as they deserve. So that the taste of this writing should have taken something from its living subjects—their breath, skin, voices—weaving them into the supple tissues of human memory. I want them to live again to the point where pain becomes art….Perhaps this is a useless attempt, I cannot say. But I must try.”






Lawrence Durrell (27. Februar 1912 – 7. November 1990)

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Zuletzt aktualisiert: 23. Jan, 19:14

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