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Weltliteratur

Montag, 2. März 2009

Eduard Douwes Dekker, Thom Wolfe

Der niederländischer Schriftsteller Eduard Douwes Dekker wurde am 2. März 1820 in Amsterdam geboren. Bekannt geworden ist er unter dem Pseudonym Multatuli (lat. etwa: „ich habe vieles ertragen“). Um das Jahr 1900 herum waren seine Bücher in Deutschland sehr verbreitet. So zählten ihn etwa Sigmund Freud und Hermann Hesse zu ihren Lieblingsautoren. Mittlerweile ist er in Deutschland jedoch weitgehend vergessen, während er in den Niederlanden zum Kanon der Schulbuchliteratur zählt.
Als 18-Jähriger war er mit seinem Vater nach Java in der Kolonie Niederländisch-Indien gekommen und fand dort bei der Kolonialverwaltung eine Anstellung. Seine Karriere als Kolonialbeamter (er wurde 1856 zum Assistent-Residenten von Lebak auf Java ernannt) endete, als er korrupte Machenschaften anprangerte, in die sein Vorgesetzter verstrickt war. Die auf seinen Antrag hin erfolgte Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis bewog Dekker zur Rückkehr nach Europa.
Die letzten siebzehn Jahre seines Lebens verbrachte er fast ausschließlich in Deutschland. Von 1870 bis 1879 lebte er in Wiesbaden. Hier schrieb er rund zwei Fünftel der noch zu seinen Lebzeiten veröffentlichten Werke. Sein bekanntestes Werk ist der 1860 erschienene Roman Max Havelaar oder Die Kaffeeversteigerungen der Niederländischen Handelsgesellschaft. Dekker starb 1887 in Ingelheim, wo er die letzten sieben Jahre seines Lebens zurückgezogen gelebt hatte.

Aus: Max Havelaar oder die Kaffee-Versteigerungen (Übersetzt von Paul Seliger)

“Ich bin Makler in Kaffee, und wohne auf der Lauriergracht Nummer 37. Es ist eigentlich nicht mein Fall, Romane zu schreiben oder dergleichen, und es hat auch ziemlich lange gedauert, bis ich mich entschloß, ein paar Ries Papier extra zu bestellen und das Werk anzufangen, das ihr, liebe Leser, soeben zur Hand genommen habt, und das ihr lesen müßt, ob ihr Makler in Kaffee seid, oder ob ihr irgend etwas anderes seid. Nicht allein, daß ich niemals etwas geschrieben habe, was nach einem Roman aussah – nein, ich bin sogar nicht einmal ein Freund davon, solches Zeug zu lesen, denn ich bin ein Geschäftsmann. Seit Jahren frage ich mich, wozu so etwas gut sein kann, und ich stehe verwundert über die Unverschämtheit, mit der die Dichter und Romanerzähler euch allerlei weißmachen dürfen, was niemals geschehen ist, und was überhaupt niemals vorkommen kann. Wenn ich in meinem Fach – ich bin Makler in Kaffee und wohne auf der Lauriergracht Nummer 37 – einem [14] Prinzipal – ein Prinzipal ist jemand, der Kaffee verkauft – eine Deklaration machte, in der nur ein kleiner Teil der Unwahrheiten vorkäme, die in Gedichten und Romanen die Hauptsache sind, er würde zur Stunde sicher Büsselinck & Waterman nehmen. Das sind auch Makler in Kaffee, doch ihre Adresse braucht ihr nicht zu wissen. Ich passe deshalb wohl auf, daß ich keine Romane schreibe oder andere falsche Angaben mache.
Ich habe auch die Erfahrung gemacht, daß Menschen, die sich mit so etwas einlassen, meistenteils schlecht wegkommen. Ich bin dreiundvierzig Jahre alt, seit zwanzig Jahren besuche ich die Börse, und ich kann daher wohl vortreten, wenn man jemand ruft, der Erfahrung hat. Ich habe schon etwas von Häusern fallen sehen! Und meistens, wenn ich der Sache nachging, kam es mir vor, daß der Grund in der verkehrten Richtung lag, die die meisten in ihrer Jugend empfingen”.







Multatuli (2. März 1820 - 19 Februar 1887)
Statue in Amsterdam





Der amerikanische Schriftsteller Tom Wolfe (eigentlich: Thomas Kennerly Wolfe) wurde am 2. März 1931 in Richmond, Virginia, geboren. Nach der Promotion an der Yale University in New Haven, Connecticut, arbeitete er als Reporter bei der "Washington Post" und zog 1962 nach New York, wo er zum Starreporter der "New York Herold Tribune" aufstieg. Nach zwei Reportageromanen ("The Electric Kool-Aid Acid Test", 1968, dt: "Unter Strom"; "The Right Stuff", 1979, dt: "Die Helden der Nation") veröffentlichte Tom Wolfe 1987 seinen ersten fiktionalen Roman – "Fegefeuer der Eitelkeiten" – und schaffte damit sogleich den internationalen Durchbruch. Das Wagnis des New Yorker Verlags Farrar Straus Giroux, Tom Wolfes zweiten rein fiktionalen Roman mit einer Startauflage von 1,2 Millionen Exemplaren herauszubringen, zahlte sich aus: "Ein ganzer Kerl" wurde ebenfalls ein Weltbestseller.


Uit: Ein ganzer Kerl (Übersetzt von Benjamin Schwartz)

“Derdosian legte den Aktendeckel auf einen Tisch in der Nähe, zog den Stapel Lohnschecks heraus und fing an, die Namen in alphabetischer Reihenfolge aufzurufen. Conrad nahm seinen Umschlag entgegen. Ohne sich die Mühe zu machen, ihn zu öffnen, faltete er ihn einmal zusammen, steckte ihn in die Tasche seines bunt karierten Hemdes und ging zurück zu dem Tisch.In dem Moment wurden Stimmen am Nebentisch laut. Es waren Tony Chase und die anderen beiden schwarzen Schlepper. Tony zeigte ihnen einen weißen Zettel und redeteaufgeregt auf sie ein. Glühbirne drehte sich herum und hörte zu, dann beugte er sich wieder nach vorn. „Lieber Gott“, sagte er, „Tohohohohohony hat gerade die Mihihihihitteilunggekriegt. Er ist entlassen.“Conrad richtete sich auf. Tony war in derselben Woche wie er eingestellt worden.Kenny und Glühbirne hatten schon ihre Umschläge zugeteilt bekommen undüberprüften sie, um zu sehen ob außer dem Scheck noch etwas anderes drin war.Offensichtlich waren sie außer Gefahr. Man hatte sie nicht entlassen. Dasselbe ging nun im ganzen Pausenraum vor sich. Irgendwo hinter sich hörte Conrad eine Stimme keuchen:„Verdammte Scheiße!“Langsam zog Conrad seinen Umschlag aus der Brusttasche, ließ seinen dicken Finger unter die Klappe gleiten und riss ihn auf. Er fand den lachsfarbenen Lohnscheck, wie üblich. Dahinter steckte ein weißer Zettel. Dann las er die ersten paar Worte: „Aufgrund einer notwendigenKapazitätseinschränkung in dieser Abteilung müssen wir auf ihre Dienste...“ Er schaute auf. Kenny und Glühbirne starrten ihn an. Er brachte kein Wort heraus. Er konnte nur nicken, um ihnen zu sagen: „Ja, es stimmt.“„Verdammt noch mal, ich glaub das nich“, fluchte Kenny. Hastig streckte er den Arm über den Tisch und sagte: „Zeig mal her“, riss Conrad den Zettel aus der Hand und besah ihn sich einen Moment lang. Dann schoss er von seinem Platz hoch. Der Stuhl fiel hinter ihm mit einem lauten Plastikbums zu Boden. Er warf dem hinausgehenden Derdosian einen wütenden Blick hinterher und rief: „He! Nick!“Derdosian blieb in der Tür des Pausenraums stehen. Im selben Moment begann sein Kopf von einer Seite zur anderen zu wackeln, als wollte er sagen: „Ich hatte damit nichts zu tun.“„Was zum Teufel geht hier vor, Nick!“






Thom Wolfe (Richmond, 2. März 1930)

Sonntag, 1. März 2009

Franzobel, Franz Hohler

Der österreichische Schriftsteller Franzobel (eigentlich Franz Stefan Griebl) wurde am 1. März 1967 in Vöcklabruck, Oberösterreich geboren. Franzobel ist der Sohn eines Chemiearbeiters. Er absolvierte die HTL für Maschinenbau in Vöcklabruck und studierte von 1986 bis 1994 in Wien Germanistik und Geschichte. Nebenbei war er als Komparse am Wiener Burgtheater tätig. Das Studium schloss er mit einer Diplomarbeit über Visuelle Poesie ab. Seit 1989 ist er als freier Schriftsteller tätig. Neben seiner literarischen Tätigkeit (er publiziert im Eigenverlag, in Kleinverlagen und innerhalb von Mail-Art-Projekten) arbeitete Franzobel als Maler (Concept Art bis 1992). Er hat zahlreiche Theaterstücke, Prosatexte und Lyrik veröffentlicht,

Aus: Frau Hornaus im Hochstand

“-Waren Sie schon einmal vom Leben durchgeglüht?
-Wissen Sie, daß Jesus extra für Sie gestorben ist? Sie. Extra Sie hat er erlöst. Sie persönlich. Für Ihre Sünden hat er Leid ertragen. Für Ihren Platz im Paradies? Sie wurden persönlich auserwählt. Haben Sie kurz Zeit?
Und der Vater, noch vom Schlaf verwirrt, noch nicht ganz bei sich, bat zwei debil grinsende Persönchen herein. Aurelia und Zita paßten gut zu ihren Namen. In pfeffer- und salzfarbene Mäntel gehüllt, dicke Brillen im beflaumten Gesicht, dünne Lippen, abstehendes Ohrenpergament, dezent mit Gold behängt. Wanderschuhe. Nach Lavendel und chemischer Kleiderreinigung rochen sie. Abgelagertes, fast verkarstetes Leben in gebückten Gestalten.
-Meinetwegen setzen Sie sich halt. Der verknitterte Vater holte sich ein Bier, die beiden Damen lehnten ab.
-In der Bibel steht auf alles eine Antwort, sie nimmt uns das Gefühl des Ausgeliefertseins, nicht, wortwörtlich steht da alles drin. Wir sind Produkt des Schöpfungsakts. Auch Sie. Und bloß weil der Mensch gesündigt hat, hat Gott ihn vertrieben. In der Bibel stehts. Lesen Sie darin?
-Nein, brummte der Vater, ärgerlich, daß er so überrumpelt worden war, auch wollte er nicht sehen, was der Mensch verbrochen hatte. Erbsünde? Bibelrotz? Das war doch alles bloß ein Mist.
-Der Mensch hatte die Entscheidung, und der erste vollkommene Mensch, Adam, hat sich für die Lüge entschieden, für das Nichtgehorchen. Deshalb hat Gott ihn aus dem Paradies vertreiben müssen, weil er nicht geliebt hat, nicht gehorcht. Für die Sünde hat er sich entschieden, dieser Adam. Wir aber, wir dürfen keine Unzucht treiben. Gott weiß alles, was wir denken und tun. Seinen eigenen Sohn hat er geopfert, hat ihn extra ans Kreuz genagelt wegen uns. Nicht. Damit er uns von unseren Sünden befreit. Nicht.
-Was für Sünden denn?”






Franzobel (Vöcklabruck, 1. März 1967)




Der Schweizer Schriftsteller, Kabarettist und Liedermacher Franz Hohler wurde am 1. März 1943 in Biel geboren. Hohler wuchs in Olten auf und besuchte die Kantonsschule in Aarau bis zur Matura 1963. Dann begann er das Studium der Germanistik und Romanistik in Zürich. Während des Studiums führte er sein erstes Soloprogramm pizzicato auf (1965). Dessen Erfolg ermutigte ihn, das Studium abzubrechen und sich ganz der Kunst zu widmen. Sein Werk umfasst unter anderem Kabarettprogramme, Theaterstücke, Film- und Fernseh-Produktionen, Kinderbücher, Kurzgeschichten und Romane.Zu seinen wohl bekanntesten Werken gehören der Sketch Es bärndütsches Gschichtli (1967), das Lied Es si alli so nätt (1979) und der Erzählband Die Rückeroberung (1982). Hohler begleitet sich bei seinen Auftritten oft selbst auf dem Cello (Celloballaden).

Aus: Es klopft

„Seit einer Stunde lag er im Bett und konnte nicht einschla-fen.Auf dem Rücken nicht, auf dem Bauch nicht, auf der lin-ken Seite nicht, und auf der rechten auch nicht. Das war ihm schon lange nicht mehr passiert.Er war neunundfünfzig,und gewöhnlich war er am Abend so müde, dass er, nachdem er im Bett noch ein paar Zeilen in einem Buch gelesen hatte,die Nachttischlampe löschte, der Frau an seiner Seite einen Gute-Nacht-Wunsch zumurmelte und nach wenigen Atem-zügen einschlief.Erst wenn ihn seine Blase um zwei oder drei Uhr weckte, konnte es vorkommen, dass er den Schlaf nicht gleich wieder fand, dann stand er auf, nahm das Buch in die Hand und schlich sich leise aus dem gemeinsamen Schlafzim-mer in seinen Arbeitsraum, bettete sich dort auf seine Couch und las so lange, bis ihm die Augen zufielen.Er dachte an den morgigen Tag, es war ein Montag, das hieß, dass ihn eine volle Praxis erwartete. Um halb elf waren sie beide zu Bett gegangen, nun zeigten die Leuchtziffern seiner Uhr schon fast Mitternacht, und er sah seine Ruhe-zeit dahinschrumpfen, denn morgens um sechs würde mit-leidlos der Wecker klingeln. Aufstehen und ins Arbeitszim-mer wechseln, mit dem Buch in der Hand? Er fürchtete,dadurch seine Frau zu wecken, und er fürchtete ihre Frage,ob er nicht schlafen könne. Warum, würde sie dann fragen,warum kannst du nicht schlafen? Dann müsste er zu einer Notlüge greifen. Manchmal, wenn ihm ein Behandlungsfehler unterlaufen war oder wenn sich eine folgenschwere Komplikation eingestellt hatte, was zum Glück selten vor-kam, stand der Patient nachts plötzlich vor ihm mit seinem ganzen Unglück und wollte ihn nicht in den Schlaf entlassen.Für solche Fälle hatte er ein Schächtelchen Rohypnol in sei-ner Hausapotheke, aber er hasste es, wenn er sich betäuben musste,und zudem war er mit der Dosierung nie ganz sicher.“







Franz Hohler (Biel, 1. März 1943)

Samstag, 28. Februar 2009

Stephen Spender, John Montague

Der englische Lyriker und Schrifsteller Stephen Spender wurde am 28. Februar 1909 in London geboren. Spender besuchte u.a. die Gresham's School in Holt (Norfolk) und die Universität Oxford. An der Gresham's School begegnete er W. H. Auden. Spender beendete sein Studium nicht, sondern ging nach Deutschland (gleichwohl wurde er 1973 zum honorary fellow of the college erhoben). Zu dieser Zeit in Deutschland wurde er ein Freund von Christopher Isherwood (der auch in Weimar lebte), Louis MacNeice und C. Day Lewis. In späterer Zeit lernte er William Butler Yeats, Allen Ginsberg, Ted Hughes, Joseph Brodsky, Isaiah Berlin, Mary McCarthy, Roy Campbell, Raymond Chandler, Dylan Thomas, Jean-Paul Sartre und T. S. Eliot, sowie als Mitglied der Bloomsbury Group insbesondere Virginia Woolf kennen. Seine ersten Gedichte, bekannt unter Poems (1933), waren oftmals von sozialem Protest inspiriert. Spender begann 1929 seine Arbeit mit dem Roman The Temple, der aber erst 1988 publizierte wurde. Der Roman handelt von einem jungen Mann, der nach Deutschland reist und dort mehr Kultur als in England findet und insbesondere einiges über Beziehungen zu Männern hinzulernt.Spender wurde Professor für Englisch am University College in London und lehrte von 1970 bis 1977. Danach wurde er Professor Emeritus. Spender erhielt 1962 den Titel Commander (CBE) des Order of the British Empire und wurde 1983 zum Ritter geschlagen.


Listen

Deep in the winter plain, two armies
Dig their machinery, to destroy each other.
Men freeze and hunger. No one is given leave
On either side, except the dead, and wounded.
These have their leave; while new battalions wait
On time at last to bring them violent peace.

All have become so nervous and so cold
That each man hates the cause and distant words
Which brought him here, more terribly than bullets.
Once a boy hummed a popular marching song,
Once a novice hand flapped the salute;
The voice was choked the lifted hand fell,
Shot through the wrist by those of his own side.

From their numb harvest all would flee, except
For discipline drilled once in an iron school
Which holds them at the point of a revolver.
Yet when they sleep, the images of home
Ride wishing horses of escape
Which herd the plain in a mass unspoken poem.

Finally, they cease to hate: for although hate
Bursts from the air and whips the earth like hail
Or pours it up in fountains to marvel at,
And although hundreds fell, who can connect
The inexhaustible anger of the guns
With the dumb patience of these tormented animals?

Clean silence drops at night when a little walk
Divides the sleeping armies, each
Huddled in linen woven by remote hands.
When the machines are stilled, a common suffering
Whitens the air with breath and makes both one
As though these enemies slept in each other’s arms.

Only the lucid friend to aerial raiders,
The brilliant pilot moon, stares down
Upon the plain she makes a shining bone
Cut by the shadow of many thousand bones.
Where amber clouds scatter on no-man’s-land
She regards death and time throw up
The furious words and minerals which kill life.





In memoriam M.A.S

There are some days the happy ocean lies
Like an unfingered harp, below the land.
Afternoon guilds all the silent wires
Into a burning music for the eyes
On mirrors flashing between fine-strung fires
The shore, heaped up with roses, horses, spires
Wanders on water tall above ribbed sand.

The motionlessness of the hot sky tires
And a sigh, like a woman's from inland,
Brushes the instrument with shadowy hand
Drawing across those wires some gull's sharp cry
Or bell, or shout, from distant, hedged-in, shires;
These, deep as anchors, the hushing wave buries.

Then from the shore, two zig-zag butterflies
Like errant dog-roses cross the bright strand
Spiralling over waves in dizzy gyres
Until the fall in wet reflected skies.
They drown. Fishermen understand
Such wings sunk in such ritual sacrifice.

Remembering legends of undersea, drowned cities.
What voyagers, oh what heroes, flamed like pyres
With helmets plumed have set forth from some island
And them the seas engulfed. Their eyes
Distorted to the cruel waves desires,
Glitter with coins through the tide scarcely scanned,
While, far above, that harp assumes their sighs.








Stephen Spender (28. Februar 1909 – 16. Juli 1995)





Der irische Lyriker John Montague wurde am 28. Februar 1929 als Sohn irischer Auswanderer in Brooklyn, New York, geboren. Er wuchs in der nordirischen Grafschaft Tyrone auf. Später studierte er in Irland und den USA und lehrte in Irland, Kanada und den USA. Er ist unter anderem Autor von Gedichtbänden und gilt als einer der führenden irischen Lyriker der Gegenwart. Er lebt heute in der irischen Grafschaft Cork und in Nizza.



Blessing

A feel of warmth in this place.
In winter air, a scent of harvest.
No form of prayer is needed,
When by sudden grace attended.
Naturally, we fall from grace.
Mere humans, we forget what light
Led us, lonely, to this place.




No Music

I'll tell you a sore truth, little understood
It's harder to leave, than to be left:
To stay, to leave, both sting wrong.

You will always have me to blame,
Can dream we might have sailed on;
From absence's rib, a warm fiction.

To tear up old love by the roots,
To trample on past affections:
There is no music for so harsh a song.








John Montague (New York, 28. Februar 1929)
Bronze von John Coll

Freitag, 27. Februar 2009

John Steinbeck, Lawrence Durrell

Der amerikanische Schriftsteller John Ernst Steinbeck wurde am 27. Februar 1902 in Salinas, Kalifornien geboren. Schon als Schüler hatte er ein ausgeprägtes Interesse an Literatur und begann selbst Geschichten zu schreiben. 1919 bewarb er sich erfolgreich um ein Studium an der angesehenen Stanford University und belegte dort Kurse in Englischer Literatur, Klassischer Literatur und Alter Geschichte, Journalismus und anderen Fächern, die ihm für eine Karriere als Schriftsteller nützlich schienen, auch einen über das Verfassen von Kurzgeschichten, der als einer der ersten Kurse für kreatives Schreiben an amerikanischen Universitäten betrachtet werden kann. Einen ersten Erfolg erlebte Steinbeck 1935 mit dem „episodischen Roman“ Tortilla Flat, in dem er das Leben einer Clique von bettelarmen, aber lebenslustigen Hispano-Amerikanern nach dem Vorbild der mythischen Tafelrunde von König Artus schildert. Nach der Veröffentlichung seines Romans In Dubious Battle (dt.: Stürmische Ernte), der einen Landarbeiterstreik zum Thema hat, nahm Steinbeck 1936 den Auftrag der Zeitung San Francisco News an, eine Artikelserie über die entwurzelten Wanderarbeiter aus Oklahoma zu schreiben. Scharen völlig verarmter „Okies“ zogen damals auf der Suche nach Jobs aus Oklahoma nach Kalifornien. Die Erfahrungen, die er bei den Recherchen zu diesem Thema sammelte, gingen in seine beiden Werke ein, die Kritik und Publikum bis heute am stärksten beeindrucken: die Novelle Of Mice and Men von 1937 (dt.: Von Mäusen und Menschen) und der sozialkritische Roman The Grapes of Wrath von 1939 (dt.: Früchte des Zorns). 1949 begegnete Steinbeck der selbstbewussten Texanerin Elaine Anderson Scott, die als Theaterchefin am Broadway bekannt geworden und dann nach Hollywood gegangen war. 1950 heiratete er sie und zog mit ihr und ihrer Tochter erneut nach New York. Es folgten unstete Jahre mit langen Reisen durch Nordafrika, Süd- und Westeuropa, bis John Steinbeck 1952 noch einmal ein großer literarischer Wurf gelang: Der epische Roman East of Eden (dt.: Jenseits von Eden) erzählt die Geschichte der Familien Trask und Hamilton vom Bürgerkrieg bis zum Ersten Weltkrieg.

Aus: Früchte des Zorns (Übersetzt von Klaus Lambrecht)

„Ein mächtiger roter Lastwagen stand vor der kleinen Raststätte. Aus dem senkrechten Auspuffrohr knatterte es leise, und ein fast unsichtbarer Dunst von stahlblauem Rauch schwebte darüber. Es war ein neuer Lastwagen, glänzend rot, und auf seinen Seitenwänden stand in Zwanzig-Zentimeter-Lettern: OKLAHOMA CITY TRANSPORT COMPANY. Seine Doppelreifen waren neu, und ein Messingschloß stand stramm ab von der Krampe an den großen Hintertüren.
Im Gasthaus spielte ein Radio Tanzmusik. Es war leise gestellt, so, wie es ist, wenn niemand zuhört. In seinem runden Loch über der dicht verrammelten Eingangstür summte ein Abzugsventilator, und Fliegen brummten aufgeregt an den Türen und Fenstern herum und stießen gegen die herabgelassenen Jalousien. Ein Mann, der Lastwagenfahrer, saß auf einem Schemel, hatte die Ellbogen auf die Theke gestützt und blickte über seinen Kaffee hinweg die magere, einsame Kellnerin an. Er redete mit ihr in der flotten, nachlässigen Sprache der Leute auf der Landstraße.
"Vor drei Monaten habe ich ihn mal gesehen. Hat 'ne Operation gehabt. Irgendwas rausgeschnippelt. Habe vergessen, was."
Und sie:
"Mir kommt's vor, als hätte ich ihn erst vor 'ner Woche gesehen. Sah gut aus. Er ist 'n netter Kerl, wenn er nicht besoffen ist."
Hin und wieder dröhnten die Fliegen leise an der Tür. Die Kaffeemaschine spie Dampf aus, und ohne sich umzublicken, griff die Kellnerin hinter sich und drehte sie ab.
Draußen ging ein Mann am Rand der Straße entlang, überquerte sie und trat an den Lastwagen heran. Er ging langsam um ihn herum, legte seine Hand auf den glänzenden Kühler und blickte auf einen Aufkleber an der Windschutzscheibe, auf dem "Keine Mitfahrer" stand. Einen Augenblick schien es, als wollte er weitergehen, statt dessen aber setzte er sich auf das Trittbrett.
Er war nicht über dreißig. Seine Augen waren dunkelbraun, und selbst das Weiße hatte einen Schimmer von braunem Pigment. Seine Backenknochen waren hoch und breit, und starke, tiefe Linien hatten sich zu beiden Seiten des Mundes eingeschnitten. Seine Oberlippe war lang, und da seine Zähne vorstanden, dehnten sich die Lippen, um sie zu verdecken; denn dieser Mann hielt seine Lippen geschlossen.
Seine Hände waren hart, mit breiten Fingern und Nägeln, die so dick und gekerbt waren wie kleine Muschelschalen. Die Spannen zwischen Daumen und Zeigefinger und die Handflächen waren voller Schwielen.“






John Steinbeck (27. Februar 1902 – 20. Dezember 1968)




Der anglo-indische Schriftsteller Lawrence George Durrell wurde am 27. Februar 1912 in Darjiling, Indien geboren. Die ersten Lebensjahre verbrachte Durrell in Indien. Mit elf Jahren wurde er zum Schulbesuch nach Canterbury (England) geschickt, wo er sich jedoch nie heimisch fühlen sollte. Er verließ die Universität ohne Abschluss, da er den Beruf des Schriftstellers anstrebte. Am 22. Januar 1935 heiratete Durrell Nancy Isobel Myers, seine erste Ehefrau. Im März zog er nach Aufenthalten in Paris und Athen mit Mutter, Frau und Geschwistern einschließlich Bruder Gerald nach Korfu. Zu dieser Zeit begann auch seine lebenslange Freundschaft mit dem Schriftstellerkollegen Henry Miller. Im gleichen Jahr veröffentlichte er auch seinen ersten Roman Pied Piper of Lovers.
1941 mussten die Durrells Griechenland wegen der näherrückenden deutschen Armee verlassen. Die Familie zog nach Kairo um. In der Folge lebte Durrell in Alexandria, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf Rhodos, 1947/48 in Argentinien, 1949 bis 1952 in Belgrad. Er arbeitete in verschiedenen Positionen, meist als Presseattaché, für die britische Regierung.
Im Jahr 1952 zog Durrell nach Zypern, wo er zunächst Englischunterricht erteilte und später wiederum für die britische Regierung in Nikosia arbeitete. Seine Erlebnisse aus der Zeit des Krieges zwischen türkischen und griechischen Zyprioten verarbeitete er in dem Buch Bittere Limonen (veröffentlicht 1957). Noch während der Zeit auf Zypern begann Durrell mit der Arbeit am Alexandria-Quartett, das zwischen 1957 und 1960 veröffentlicht wurde. Diese vier Bücher brachten Durrell internationale Anerkennung ein.

Aus: Justine

“As for me I am neither happy nor unhappy; I lie suspended like a hair or a feather in the cloudy mixtures of memory. I spoke of the uselessness of art but added nothing truthful about its consolations. The solace of such work as I do with brain and heart lies in this—that only there, in the silences of the painter or the writer can reality be reordered, reworked and made to show its significant side. Our common actions in reality are simply the sackcloth covering which hides the cloth-of-gold—the meaning of the pattern. For us artists there waits the joyous compromise through art with all that wounded or defeated us in daily life; in this way not to evade destiny, as the ordinary people try to do, but to fulfil it in its true potential—the imagination. Otherwise why should we hurt one another? No, the remission I am seeking, and will be granted perhaps, is not one I shall ever see in the bright friendly eyes of Melissa or the sombre brow-dark gaze of Justine. We have all of us taken different paths now; but in this, the first great fragmentation of my maturity I feel the confines of my art and my living deepened immeasurably by the memory of them. In thought I achieve them anew; as if only here—this wooden table over the sea under an olive tree, only here can I enrich them as they deserve. So that the taste of this writing should have taken something from its living subjects—their breath, skin, voices—weaving them into the supple tissues of human memory. I want them to live again to the point where pain becomes art….Perhaps this is a useless attempt, I cannot say. But I must try.”






Lawrence Durrell (27. Februar 1912 – 7. November 1990)

Donnerstag, 26. Februar 2009

Michel Houellebecq, Victor Hugo

Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq wurde am 26. Februar 1958 – gemäß anderen Quellen 1956 – auf Réunion geboren. Heute lebt er in Irland und auf Lanzarote. Er begann in den 1980er-Jahren mit Gedichten, die 1991 und 1992 gesammelt in den Bänden Rester vivant und La Poursuite du bonheur erschienen (Suche nach Glück, 2000). In seinem frühen Essay H. P. Lovecraft, contre le monde, contre la vie, 1991 (Gegen die Welt, gegen das Leben, 2002), setzte er sich mit Leben und Werk des amerikanischen Kultautors der fantastischen Literatur, H.P. Lovecraft, auseinander. Aber erst mit seinen Romanen Extension du domaine de la lutte 1994 (Ausweitung der Kampfzone, 2000) und vor allem Les Particules élémentaires, 1998 (Elementarteilchen, 2001), die beide verfilmt wurden, erreichte er nationale und internationale Bekanntheit. Der dritte Roman, Plateforme, 2001 (Plattform) und der vierte, La Possibilité d'une île, 2005 (Die Möglichkeit einer Insel) waren gleich bei ihrem Erscheinen Erfolge. Sie wurden mit den Literaturpreisen Prix Novembre bzw. Prix interallié ausgezeichnet und noch im Erscheinungsjahr in mehrere Sprachen, darunter auch ins Deutsche, übersetzt.

Aus: Elementarteilchen (Übersetzt von Ulli Wittmann)

„Der erste Juli 1998 fiel auf einen Mittwoch. Daher war es durchaus logisch, wenn auch ungewöhnlich, dass Djerzinski seine Abschiedsfeier an einem Dienstagabend veranstaltete. Zwischen den Tiefkühltruhen für Embryos stand, ein wenig erdrückt von deren Vielzahl, ein Kühlschrank der Marke
Brandt, in dem sich die Champagnerflaschen befanden; er diente normalerweise zur Aufbewahrung der üblichen chemischen Produkte.
Vier Flaschen für fünfzehn Leute, das war ein bisschen knapp bemessen. Alles war außerdem etwas knapp bemessen: Die Motivation, die sie zusammenführte, war oberflächlich; ein falsches Wort, ein schräger Blick, und schon würde sich die Gruppe auflösen und jeder zu seinem Fahrzeug eilen.
Sie hielten sich in einem weiß gekachelten, klimatisierten Raum im Kellergeschoss auf, der mit einem Plakat deutscher Seen geschmückt war. Niemand hatte sich angeboten, Fotos zu machen. Ein bärtiger junger Forscher mit dümmlichem Aussehen, der seit Anfang des Jahres im Institut arbeitete, verdrückte sich nach wenigen Minuten unter dem Vorwand von Parkproblemen. Unter den Anwesenden breitete sich zunehmend spürbares Unbehagen aus; bald begannen die Ferien. Manche fuhren in ein Landhaus der Familie, andere verbrachten die Ferien im Grünen. Die Worte, die gewechselt wurden, peitschten langsam durch die Luft. Man trennte sich schnell.
Um neunzehn Uhr dreißig war alles vorbei. Djerzinski ging in Begleitung einer Kollegin mit langem schwarzem Haar, sehr weißer Haut und großen Brüsten über den Parkplatz. Sie war etwas älter als er; wahrscheinlich würde sie seine Nachfolge antreten und die Leitung des Forschungsinstituts übernehmen.
Die meistenihrer Veröffentlichungen beschäftigten sich mit dem Gen DAF3 der Drosophila; sie war unverheiratet. Er stand vor seinem Toyota und reichte der Forscherin mit einem Lächeln die Hand (seit mehreren Sekunden hatte er sich vorgenommen, diese Geste, begleitet von einem Lächeln,
auszuführen, und sich innerlich darauf vorbereitet). Die Handflächen verschränkten sich und schüttelten sich leicht. Ein wenig zu spät sagte er sich, dass es diesem Händedruck an Wärme gefehlt habe; angesichts der Umstände hätten sie sich umarmen können, wie es Minister oder manche
Schlagersänger taten.“







Michel Houellebecq (Réunion, 26. Februar 1958)




Der französische Schriftsteller Victor Hugo wurde am 26. Februar 1802 in Besançon geboren. Vielleicht schon mit 10 begann Hugo zu schreiben, und früh war sein Ziel, „Chateaubriand zu werden oder nichts“. Mit 15 erhielt er bei einem Dichtwettbewerb eine „ermutigende Erwähnung“, mit 16 begann er ein Jurastudium. Eben 17-jährig (1819) gründete er zusammen mit den Brüdern eine literarische Zeitschrift, Le Conservateur littéraire, 1831 publizierte Hugo den sehr erfolgreichen historischen Roman Notre Dame de Paris (dt: „Der Glöckner von Notre-Dame“) und die ebenfalls erfolgreiche Gedichtsammlung Les feuilles d'automne. In den nächsten Jahren verfasste er hauptsächlich historische Stücke, deren erstes, Le roi s'amuse (1832), direkt nach der Premiere verboten wurde, denn Hugo war, zusammen mit anderen jungen Intellektuellen, schon bald nach der Julirevolution von 1830 in Opposition zu dem neuen Regime von „Bürgerkönig“ Louis-Philippe gegangen. 1837 machte Hugo die persönliche Bekanntschaft Louis-Philippes und näherte sich ihm politisch an. Wie immer schrieb und publizierte er ständig auch Gedichte, die er von Zeit zu Zeit gesammelt herausgab. 1841 wurde er nach mehreren Anläufen endlich in die Académie française gewählt. Im Jahre 1845 ernannte König Louis-Philippe ihn zum Vicomte und Pair, d. h. zum Mitglied auf Lebenszeit der Chambre des Pairs, des parlamentarischen Oberhauses, das allerdings nach der Februarrevolution 1848 abgeschafft wurde. 1847 begann Hugo einen sozial engagierten Roman in der Manier von Eugène Sues Les mystères de Paris, der aber erst 1862 als Les Misérables (dt. Die Elenden) fertig werden sollte.Als Hugo sich gegen den Staatsstreich auflehnte, mit dem sich Napoleon III. am 2. Dezember 1851 zum Präsidenten auf Lebenszeit machte, wurde er kurz inhaftiert und anschließend aus Frankreich verbannt.1871, nach dem Sturz von Kaiser Napoléon III., kehrte Hugo aus dem Exil zurück, doch misslangen zunächst seine Versuche, in der Politik der jungen Dritten Republik Fuß zu fassen. Erst 1876 wurde er in den als Oberhaus fungierenden Senat gewählt. Nach einem Schlaganfall 1878 ließ seine Schaffenskraft nach, doch konnte er noch einige Jahre seinen Ruhm genießen.

Aus: Der Glöckner von Notre-Dame (Übersetzt von Hertha Lorenz)

„Heute vor dreihundertachtundvierzig Jahren sechs Monaten und neunzehn Tagen erwachten die Pariser unter dem Geläute aller Glocken, welche innerhalb des dreifachen Bereiches der Altstadt, Südstadt oder des Universitätsviertels und der Nordstadt mit lautem Schalle ertönten.
Und dennoch ist der 6. Januar 1482 kein Tag, von dem die Geschichte eine Erinnerung bewahrt hat. Nichts Merkwürdiges war an dem Ereignisse, welches seit dem Morgen die Glocken und die Bürger von Paris so in Bewegung und Erregung versetzte. Weder war es ein Ueberfall der Picarden oder der Burgunder, noch ein glänzender Jagdaufzug, noch ein Studententumult im Weingarten von Laas, noch ein Einzug »unseres allergnädigsten Herrn, des sehr gefürchteten Herrn Königs«, noch auch eine hübsche Aufknüpfung von Spitzbuben und Diebinnen im Gerichtshofe zu Paris. Nein, nicht einmal die im fünfzehnten Jahrhunderte so häufige Ueberraschung durch irgend welche verbrämte und mit Federbüschen geschmückte Gesandtschaft war es. Vor kaum zwei Tagen hatte der letzte derartige Aufzug, nämlich derjenige der flamländischen Gesandten, welche mit Abschließung des Ehebündnisses zwischen dem Dauphin und Margarethen von Flandern beauftragt waren, seinen Einzug in Paris gehalten, zum großen Verdrusse des Herrn Cardinals von Bourbon, welcher, dem Könige zu gefallen, dieser ganzen tölpelhaften Gesellschaft flamländischer Bürgermeister höflich begegnen und sie in seinem Palaste Bourbon mit einem »viel köstlichen Moralitätsspiele, Possen- und Schwankspiele« hatte unterhalten müssen, während ein Platzregen die prächtigen Teppiche vor seinem Thore überschwemmte.
Der 6. Januar, welcher »die ganze Bevölkerung von Paris in Bewegung brachte«, wie Jehan von Troyes erzählt, vereinigte seit undenklicher Zeit ein Doppelfest in sich: das des Königstages und des Narrenfestes.
An diesem Tage mußte es Freudenfeuer auf dem Grèveplatze, Maienaufpflanzung in der Kapelle Braque und geistliches Schauspiel im Justizpalaste geben. Am Abend vorher war es unter Trompetenschall in den Gassen durch des Herrn Oberrichters Leute in ihren Waffenröcken von violettem Camelot, mit großen weißen Kreuzen auf der Brust, ausgerufen worden.“







Victor Hugo (26 februari 1802 – 22 mei 1885)
Photografiert von Félix Nadar, 1884

Mittwoch, 25. Februar 2009

Anthony Burgess, Lesja Oekrajinka

Der amerikanische Schriftsteller Anthony Burgess wurde am 25. Februar 1917 in Manchester geboren. Er studierte Musik und englische Literatur in seiner Heimatstadt. 1940 bis 1945 war er im Krieg. Von 1954 bis 1957 arbeitete er als Erziehungsoffizier in Malaysia und danach im Kolonialdienst in Brunei (Borneo), bis er 1959 nach England zurückgeschickt wurde, weil die Ärzte glaubten, einen Gehirntumor bei ihm diagnostiziert zu haben. Weil Anthony Burgess befürchtete, nicht mehr viel Zeit zu haben, schrieb er innerhalb eines Jahres fünf Romane, häufig mit grotesken und satirischen Zügen, u. a. »Uhrwerk Orange« (1962, 1971 verfilmt) und »Das Uhrwerk-Testament« (1974) sowie literaturwissenschaftliche Schriften, wie »Ein Mann in Dublin namens Joyce« (1965) und »Shakespeare« (1977). Anthony Burgess starb erst am 25. November 1993.


Aus: Revolutionary Sonnets

A dream, yes, but for everyone the same.
The thought that wove it never dropped a stitch.
The absolute was everybody's pitch,
For, when a note was struck, we knew its name.
That dark aborted any wish to tame
Waters that day might prove to be a ditch
But then was endless growling ocean, rich
In fish and heroes till the dredgers came.
Wachet auf! A fretful dunghill cock
Flinted the noisy beacons through the shires.
A martin's nest clogged the cathedral clock,
But it was morning: birds could not be liars.
A key cleft rusty age in lock and lock.
Men shivered by a hundred kitchen fires.




Going, Going, Gone

i know it is time to go
and go i must
so does it mean i don't care,
questioning did I ever care
or was it fear that made stay so long
fear of starting over
fear on the unknown
but to stay i must to lie
lying is a cowardly trait
and i can not longer wear those shoes
they are much too small for my feet now
so with a kiss on the cheek
i taste the sadness of notorious love
and I'm gone







Anthony Burgess (25. Februar 1917 – 22. November 1993)



Die ukrainische Dichterin, Dramaturgin und Übersetzerin Lesja Ukrainka wurde am 25. Februar 1871 in Nowohrad-Wolynskyj geboren.Trotz ihrer Neigung zur Musik und ihres großen musikalischen Talents, wandte sie sich wegen ihrer Tuberkulose-Erkrankung, mit der sie zeitlebens zu kämpfen hatte, der Literatur zu. Krankheitsbedingt besuchte sie auch keine öffentliche Schule, sondern wurde von ihrer Mutter und Drahomanow privat unterrichtet. In ihrem Gedicht Contra Spem Spero („Gegen die Hoffnung hoffe ich“), das sich in ihrem Werk deutlich abhebt, kommt der ganze Kampfeswillen und der Optimismus zum Ausdruck, der sie trotz ihrer Krankheit nie verließ. An dem 1892 in Lemberg erschienenen Buch der Lieder von Heinrich Heine war Lesja Ukrainka mit 92 Übersetzungen beteiligt. Daneben übersetzte sie auch poetische Werke von Iwan Sergejewitsch Turgenew, Adam Mickiewicz und Victor Hugo, Macbeth von William Shakespeare, Dantes Inferno sowie Stücke von Byron und Gerhart Hauptmann. Um die ukrainische Sprache neben der russischen populär zu machen, wählte sie bewusst volksnahe Texte zur Übersetzung aus. In ihren eigenen Gedichten spielten die Sehnsucht nach Freiheit ebenso wie folkloristische Sujets eine große Rolle. Aus ihrer Feder stammen zahlreiche Liedertexte, Balladen und Märchen.



Contra spem spero (Hope against hope)

Hence, dark thoughts! Away, ye autumn mists!
Golden spring is here, she's here today!
Should my days of youth be spent in woe,
Drearily and sadly pass away?

Nay, through all my tears, I still will smile,
Sing my songs through troubles round me loom;
Hopeless, still hope on against all odds,
I will live! Away, ye thoughts of gloom!

On this hard and ingrate soil I'll sow
Flowers that shall bloom with colors rare;
Flowers will I plant where frost doth reign,
Water them with many a bitter tear.

And these burning tears will soften then
All that ground so crusted, chill, malign,
Flowers, then perhaps, will bloom and bring
Joyous spring e'en to this heart of mine.

Though the mountain side be rough and steep,
Onward will I bear the ponderous stone;
Struggling upwards 'neath the crushing load,
Still will I my joyous song intone.

Through the long, dark night inscrutable
Never will I close my wearied eyes,
Searching ever for guiding start -
Radiant empress of the midnight skies.

Yes, through all my tears, I still will smile,
Sing my songs through troubles round me loom;
Hopeless, still hope on against all odds,
I will live! Away, ye thoughts of gloom!








Lesja Oekrajinka (25. Februar 1871 – 1. August 1913)

Dienstag, 24. Februar 2009

Stanislaw Witkacy, George Moore

Der polnische Schriftsteller, Maler, Fotograf und Philosoph Stanisław Ignacy Witkiewicz oder Witkacy wurde am 24. Februar 1885 in Warschau geboren. Sein Vater, Stanisław Witkiewicz, war Künstler und seine Mutter Musikerin, so dass er bereits in der Kindheit stark von künstlerischen Einflüssen geprägt wurde. Um den Sohn frei zu erziehen, schickte der Vater ihn auf keine Schule, sondern unterrichtete ihn selbst. Trotz allem konnte er ein Abitur ablegen und studierte kurzzeitig an der Kunstakademie in Krakau. Nach dem Freitod seiner Verlobten 1914 reiste er zusammen mit seinem Freund Bronisław Malinowski nach Australien. Im Herbst desselben Jahres begab sich Witkiewicz nach Petersburg zum Pawlowski-Regiment. Nach seiner Ausbildung begann er sich 1915 der Kunst zuzuwenden und erlebte die Russische Revolution in Petrograd. Nach Polen zurückgekehrt gab er sich seinen Künstlernamen Witkacy und konzentrierte sich nun vollständig auf die Kunst. Allein 1920 schrieb er zehn Theaterstücke. 1922 heiratete er Jadwiga von Unrug, die Enkelin des polnischen Malers Juliusz Kossak. Um seinen Geldmangel zu beseitigen, gründete er in Zakopane das Unternehmen „S. I. Witkiewicz" und malte dort Porträts. Diese zeichnete er oft unter dem Einfluss von Drogen. Ob er auch abhängig von Drogen war, ist umstritten. Die Art der Drogen vermerkte er stets (anhand ihrer chemischen Formel) auf den Bildern. Je nach seiner Laune fielen die Bilder sehr unterschiedlich aus. So wurden Kommentare eingearbeitet, aber auch die Darstellung der Bilder an sich variierte. Möglicherweise entstand aber gerade dadurch seine große Popularität. Anerkennung für seine geschriebenen Werke erhielt er zu Lebzeiten nicht. Sowohl Kritiker als auch das breite Publikum zeigten seinen Werken gegenüber meist Ablehnung und völliges Unverständnis.Heute gilt Witkacy neben Witold Gombrowicz und Bruno Schulz als einer der wichtigsten Schriftsteller der polnischen Moderne.

Aus: 622 Abstürze Bungos oder Die dämonische Frau (Übersetzt von Friedrich Griese)

Gegen vier Uhr nachmittags hielt das riesige schwarze Automobil des Fürsten Nevermore vor dem Gartentor. Der Chauffeur des Fürsten, ein kleinwüchsiger Alter mit langen grauen Haaren, dem die homosexuelle Perversion ins Gesicht geschrieben stand, ging Bungo abholen, ohne den Motor abzustellen. Kurz darauf eilten sie mit einer Geschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde den großen, ferne Horizonte verdeckenden Wäldern der Bukowina entgegen, während Bungos Mutter ihnen besorgt nachschaute, gänzlich zu Unrecht der Meinung, der Fürst sei der böse Dämon ihres Sohnes. Der Fürst war nicht allein. Bei ihm war sein Leibarzt, Doktor Riexenburg, auch "das Gerät" genannt. Er war ein hochgewachsener Herr, tadellos gekleidet, ganz in Schwarz. Seinen länglich ovalen, kahl werdenden Schädel umringte ein Kranz hellroter Haare, deren Farbe an den Schläfen ins Gelblich-Weiße überging. Seine gebrochene Nase bildete fast einen rechten Winkel, und auf der zum Boden parallelen Linie ruhte eine goldene Brille. Hinter ihr verbargen sich die stechenden grauen Augen des notorischen Hypnotiseurs. Den sinnlichen Mund, der gleichsam ständig etwas unermeßlich Schweinisches kostete und ein wenig über den fast völlig verkümmerten Unterkiefer vorstand, verdeckte von oben ein dunkel-feuerroter Schnurrbart. Dieser Mensch erweckte den Eindruck, als sei er das Stativ irgendeines Meßgeräts und als könne man seine Glieder abschrauben und nebeneinander legen. Zugleich besaß er scheinbar die Elastizität eines gewissen Körperteils eines Stiers. Man konnte sich keine Situation vorstellen, in der dieser seltsame Herr fehl am Platz gewesen wäre. Als Bungo in das kleine schmutzige Zimmer trat, das völlig überhäuft war von Dingen, zwischen denen kein erkennbarer Zusammenhang bestand, diskutierten die beiden Gentlemen über das richtige Funktionieren des Gasmotors, den der Fürst kürzlich erfunden hatte."






Stanislaw Witkiewicz (24. Februar 1885 – 18. September 1939)
Selbstporträt




Der irische Schriftsteller und Kunstkritiker George Augustus Moore wurde am 24. Februar 1852 in Ballyglass, Irland, geboren. Nach dem Tod seines Vaters 1870 entschied er sich – nunmehr finanziell unabhängig – nach Paris zu gehen um Kunst zu studieren. Im März 1873 schrieb er sich an der Ecole des Beaux-Arts als Schüler von Cabanel ein, um dann später in die Académie Julian zu wechseln. Nach nur drei Jahren entschloss sich Moore, die Malerei wieder aufzugeben und wandte sich ab 1876 ganz dem Schreiben zu. Über Auguste Villiers de L'Isle Adam lernte Moore Mallarmé und über diesen wiederum Édouard Manet kennen, der Moore in dieser Zeit mehrfach porträtierte. Im Café de la Nouvelle-Athènes hatte er darüber hinaus Pissarro, Degas, Renoir, Monet, Daudet, Turgenev und vor allem Émile Zola getroffen, dessen Naturalismus ihn besonders beeinflusste. 1880 siedelte Moore sich in London an und veröffentlichte erste Gedichte. 1883 erscheint sein erster Roman A Modern Lover, welcher in England wegen Unsittlichkeit verboten wurde. Mit seinem 1885 erschienen Roman A mummer's wife schuf Moore den ersten Roman im realistischen Stil in England. In den folgenden Romanen thematisierte Moore Themen wie Prostitution, außerehelichen Sex und lesbische Liebe und provoziert damit die Öffentlichkeit. Seine Bücher Impressions and Opinions (1891) und Modern Painting (1893) brachten dem englischen Publikum erstmals die Malerei des Impressionismus näher. Ab 1901 lebte Moore in Dublin. Zusammen mit Yeats schrieb er hier Diarmuid and Grania für das Irish Literary Theatre. In den folgenden Jahren setzte er sich mit der irischen Kultur (Celtic Revival) auseinander und Irland wurde Schauplatz des Romans The Lake (1905) und einiger Kurzgeschichten. In diesen Kurzgeschichten griff Moore auch die katholische Kirche an, was zu Problemen bei der Veröffentlichung seines Werkes in irischer Sprache führte. Seine Kurzgeschichten inspirierten auch den jungen James Joyce.

Aus: The Lake

„It was one of those enticing days at the beginning of May when white clouds are drawn about the earth like curtains. The lake lay like a mirror that somebody had breathed upon, the brown islands showing through the mist faintly, with gray shadows falling into the water, blurred at the edges. The ducks were talking in the reeds, the reeds themselves were talking, and the water lapping softly about the smooth limestone shingle. But there was an impulse in the gentle day, and, turning from the sandy spit, Father Oliver walked to and fro along the disused cart-track about the edge of the wood, asking himself if he were going home, knowing very well that he could not bring himself to interview his parishioners that morning.
On a sudden resolve to escape from anyone that might be seeking him, he went into the wood and lay down on the warm grass, and admired the thickly-tasselled branches of the tall larches swinging above him. At a little distance among the juniper-bushes, between the lake and the wood, a bird uttered a cry like two stones clinked sharply together, and getting up he followed the bird, trying to catch sight of it, but always failing to do so; it seemed to range in a circle about certain trees, and he hadn't gone very far when he heard it behind him. A stonechat he was sure it must be, and he wandered on till he came to a great silver fir, and thought that he spied a pigeon's nest among the multitudinous branches. The nest, if it were one, was about sixty feet from the ground, perhaps more than that; and, remembering that the great fir had grown out of a single seed, it seemed to him not at all wonderful that people had once worshipped trees, so mysterious is their life, so remote from ours. And he stood a long time looking up, hardly able to resist the temptation to climb the tree—not to rob the nest like a boy, but to admire the two gray eggs which he would find lying on some bare twigs.
At the edge of the wood there were some chestnuts and sycamores. He noticed that the large-patterned leaf of the sycamores, hanging out from a longer stem, was darker than the chestnut leaf.“







George Moore (24. Februar 1852 – 20. Januar 1933)
Porträt von Édouard Manet

Sonntag, 22. Februar 2009

Arnon Grunberg, Hugo Ball

Der niederländische Schrifsteller Arnon Grünberg wurde am 22. Februar 1971 in Amsterdam. Geboren. Arnon Grünberg besuchte zunächst die Amsterdamer Montessori-Schule, von 1982 bis 1988 das Vossius-Gymnasium in Amsterdam. Von diesem wurde er als „asoziales Element“ verwiesen, und er beendete daher seine Schullaufbahn. Danach war er u. a. als Apothekenhelfer, Tellerwäscher und Verleger tätig und gründete er seinen eigenen Verlag (Kasimir). 1994 erschien Blauer Montag, ein internationaler Bestseller. Sein nächstes Buch war Statisten und 1998 publizierte er De heilige Antonio. Phantomschmerz erschien 2000. Grünberg bekam dafür den AKO-Preis, einer der wichtigsten literarischen Preise in den Niederlanden. Unter dem Pseudonym Marek van der Jagt veröffentlichte er zwei Romane und Amour Fou. 2002 empfing er in Deutschland den NRW-Literatur-Preis für sein Werk.

Aus: Tirza (Übersetzt von Rainer Kersten)

„Jörgen Hofmeester steht in der Küche und schneidet Thun.sch für das Fest. In der Linken hält er den rohen Fisch. Er schwenkt das Messer, wie er es im Kurs »Sushi und Sashimi selber machen« gelernt hat, den er vor fünf Jahren zusammen mit seiner Frau belegte. Nicht zu viel Druck ausüben, das ist das Geheimnis.
Die Tür in den Garten steht halb offen. Es wird ein warmer Abend, wie Tirza gehofft hat. Seit ein paar Tagen verfolgt sie den Wetterbericht, als hinge der Erfolg ihrer Party ausschließlich vom Wetter ab.
In ein paar Stunden werden die Gäste den Garten in Beschlag nehmen. Pflanzen werden zertreten, junge Leute werden auf der Holztreppe zum Wohnzimmer hocken, andere sich auf den vier Gartenstühlen rekeln, die Hofmeester damals beim Einzug gekauft hat. Wieder andere werden in den kleinen Schuppen vordringen, wo Hofmeester nach Partys schon öfter leere Bierflaschen gefunden hat, halbvolle Weingläser neben dem Rasenmäher, Fläschchen mit exotischen Namen neben der Kettensäge, mit der er im Herbst und Frühling an Sonntagen den Apfelbaum stutzt. Einmal auch eine ungeöffnete Tüte mit Chips, die jemand dort vergessen hatte und die er geistesabwesend aufaß.
Tirza hat schon häufiger Partys gegeben, doch dieser Abend ist etwas Besonderes. Wie Lebensläufe können auch Feste gelingen oder nicht. Obwohl Tirza nichts gesagt hat, spürt Hofmeester, daß viel von diesem Abend abhängt. Tirza, seine Jüngste, die Wohlgeratenste. Ausgezeichnet gelungen, sowohl innerlich als auch äußerlich.
Hofmeester hat die Ärmel hochgekrempelt. Um sein Hemd nicht zu bekleckern, trägt er eine Schürze, die er einmal zum Muttertag gekauft hat. Für seine Verhältnisse wirkt er heute männlich. Seit sechs Tagen hat er sich nicht rasiert. Er kam nicht dazu. Gleich nach dem Aufstehen überfielen ihn Gedanken, die ihm noch nie so gekommen waren: Pläne, Erinnerungen an die Kinder, als sie noch kaum krabbeln konnten, Ideen, die ihm zu dieser Morgenstunde brillant erschienen. Gleich will er sich schnell noch rasieren. Repräsentativ und charmant möchte er aussehen. So will er die Gäste empfangen: ein Mann, der nicht umsonst gelebt hat.“






Arnon Grunberg (Amsterdam, 22. Februar 1971)




Der deutsche Lyriker und Schrifsteller Hugo Ball wurde 1886 in Pirmasens geboren. Nach dem Studium der Philosophie und Soziologie und einer abgebrochenen Dissertation über Nietzsche begann er 1910 eine Regieausbildung bei Max Reinhardt. 1912 wurde er Dramaturg und Regisseur an den Münchner Kammerspielen und gehörte zum Kreis des «Blauen Reiter». 1915 emigrierte er mit Emmy Hennings in die Schweiz. In den Jahren 1916/17 war er der führende Kopf der Züricher Dada-Bewegung und zusammen mit Emmy Hennings, Hans Arp, Richard Huelsenbeck und Tristan Tzara der Mitbegründer des Cabaret Voltaire, in dem die Veranstaltungen der Dadaisten stattfanden. Schon 1917 verließ er den Dada-Kreis und wendete sich später wieder dem Katholizismus zu. Er starb 1927 in Gentilino bei Lugano.



Ein und kein Frühlingsgedicht

Ein Doppeldecker steigt aus jeder Flasche
Und stößt sich heulend seinen Kopf kaputt.
Der Übermensch verzehrt die Paprikagoulasche,
Zerbröselnd Semmeln, rülpsend in den Kälberschutt.

Den Gästen hängt der Kiefer bis zur Treppe,
Dort hinterlist'ge Fallen tätlich legend.
Aus dem Aburte schlitzt Lolô die Tangoschneppe,
Verpestend mit dem Lockendampf die Absinthgegend.

Denn siehe, ich bin bei euch alle Tage
Und meine schmettergelbe Lusttrompete packt euch an.
Der umgekippten Erektionen Frühlingsklage
Buhlt veilchenblau im Bidet mit dem Schwan(n).



Die Erfindung

Als ich zum ersten Male diesen Narren
Mein neues Totenwäglein vorgeführt,
War alle Welt im Leichenhaus gerührt
Von ihren Selbstportraits und anderen Schmarren.

Sie sagten mir: nun wohl, das sei ein Karren,
Jedoch die Räder seien nicht geschmiert,
Auch sei es innen nicht genug verziert
Und schließlich wollten sie mich selbst verscharren.

Sie haben von der Sache nichts begriffen,
Als daß es wurmig zugeht im Geliege
Und wenn ich mich vor Lachen jetzt noch biege,

So ist es, weil sie drum herum gestanden,
Die Pfeife rauchten und den Mut nicht fanden,
Hineinzusteigen in die schwarze Wiege.







Hugo Ball (22. Februar 1886 – 14. September 1927)

Samstag, 21. Februar 2009

W. H. Auden, Ishigaki Rin

Der englische Lyriker und Schriftsteller Wystan Hugh Auden wurde am 21. Februar 1907 in York geboren. Der Schriftsteller beschäftigte sich mit den politischen Umbrüchen seiner Zeit und verlieh diesen u.a. auch in den Gedichten Ausdruck. Andere bedeutende Werke sind seine Weihnachtsoratorien (For the Time Being, Musée des Beaux-Arts) und Dichtungen zum Tod von William Butler Yeats und Sigmund Freud. Seine Dichtungen werden auch oft in Filmen zitiert, beispielsweise das Trauergedicht Funeral Blues in Vier Hochzeiten und ein Todesfall (1993) oder ein Sonett an zentraler Stelle in Gruppo di famiglia in un interno (1974) von Luchino Visconti. 1929 lebte er nach seinem Studium für neun Monate mit Christopher Isherwood im damals freizügigen Berlin. Er bereiste in dieser Zeit Kassel und Marburg (Lahn). Er reiste nach Island, worüber er ein Reisebuch publizierte (mit Louis MacNeice), kämpfte auf Regierungsseite (Republik) im spanischen Bürgerkrieg und veröffentlichte über den Chinesisch-Japanischen Krieg (zusammen mit Isherwood). 1935 heiratete Auden die deutsche Schriftstellerin Erika Mann, die Tochter des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann, um der aus dem nationalsozialistischen Deutschland ausgebürgerten Schriftstellerin zu einem englischen Reisepass zu verhelfen. Im Jahr 1939 verlegte er seinen Wohnsitz nach New York in die USA, wo er als Dozent arbeitete, und nahm 1946 die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Von 1948 bis 1972 verbrachte er die Winter in den USA, die Sommer in Europa


Base Words Are Uttered

Base words are uttered only by the base
And can for such at once be understood,
But noble platitudes:--ah, there's a case
Where the most careful scrutiny is needed
To tell a voice that's genuinely good
From one that's base but merely has succeeded.




Ganymede

He looked in all His wisdom from the throne
Down on that humble boy who kept the sheep,
And sent a dove; the dove returned alone:
Youth liked the music, but soon fell asleep.

But He had planned such future for the youth:
Surely, His duty now was to compel.
For later he would come to love the truth,
And own his gratitude. His eagle fell.

It did not work. His conversation bored
The boy who yawned and whistled and made faces,
And wriggled free from fatherly embraces;

But with the eagle he was always willing
To go where it suggested, and adored
And learnt from it so many ways of killing.





The Novelist

Encased in talent like a uniform,
The rank of every poet is well known;
They can amaze us like a thunderstorm,
Or die so young, or live for years alone.
They can dash forward like hussars: but he
Must struggle out of his boyish gift and learn
How to be plain and awkward, how to be
One after whom none think it worth to turn.

For, to achieve his lightest wish, he must
Become the whole of boredom, subject to
Vulgar complaints like love, among the Just

Be just, among the Filthy filthy too,
And in his own weak person, if he can,
Must suffer dully all the wrongs of Man.







W. H. Auden (21. Februar 1907 – 29. September 1973)




Die japanische Lyrikerin Ishigaki Rin wurde am 21. Februar 1920 in Tokio geboren. Nach ihrem Schulabschluss 1934 verdiente sie als Bankangestellte bei der Nihon Kogyo Bank ihren Lebensunterhalt, wo sie bis zu ihrem Ruhestand 1970 beschäftigt war. Sie blieb unverheiratet.
Als Mitglied eines Literaturzirkels in ihrer Bank begann sie Gedichte zu schreiben; 1959 erschien eine erste Sammlung. Ihr zweiter Band, der 1968 erschien, wurde mit einem Poesie-Preis für die beste Poesiesammlung des Jahres in Japan ausgezeichnet In dieser Zeit war es in Japan noch ungewöhnlich für eine Frau, selbständig und berufstätig zu leben, manchmal wurde sie als die "Bankangestellten-Dichterin" bezeichnet. Insgesamt veröffentlichte Ishigaki Rin vier eigene Gedichtbände, zwei Sammelbände gemeinsam mit Arbeiten anderer Dichter, und einige Essays und autobiographische Arbeiten. Ihr bekanntestes Gedicht ist das in ihrem zweiten Gedichtband enthaltene Stück "Namensschild", das auch sie selbst später als ihr wichtigstes bezeichnete.



Nameplates

When you live in a place
you'd best provide the nameplate yourself.

When you abide in a space
the nameplate another affixes
never works out.

I went to the hospital and
they added "Ms" to the card on the sickroom door
"Ms Ishigaki Rin"

At a hotel
they put no name on the room
but when I get in the cremation oven
and they slam the door, the tag they hang will say
"Ishigaki Rin, Esquire."
And much they'll care what I think then.

"Ms" or "Esquire"
neither fits.

When you live somewhere
you'd best hang out the nameplate yourself.

And to the space where your spirit dwells
a nameplate must never be affixed
by any other hand.
Ishigaki Rin: that will do.







Ishigaki Rin (21. Februar 1920 – 26. Dezember 2004)

Freitag, 20. Februar 2009

Julia Franck, Pierre Boulle

Die deutsche Schriftstellerin Julia Franck wurde am 20. Februar 1970 in Berlin geboren. Sie hat noch eine eineiige Zwillingsschwester. Die Eltern sind die Schauspielerin Anna Katharina Franck und der Regisseur Jürgen Sehmisch. Julia Franck ist Enkelin der Bildhauerin Ingeborg Hunzinger und Ururenkelin des Malers Philipp Franck. 1978 reiste Francks Mutter mit ihren vier Töchtern über das Notaufnahmelager Marienfelde aus und konnte nach 9 Monaten nach Schleswig-Holstein in die Nähe von Rendsburg ziehen. Dort besuchte Julia Franck einige Jahre die Freie Waldorfschule. Ab 1983 lebte sie bei Freunden in Berlin und holte 1991 das Abitur nach. Sie studierte Jura, Altamerikanistik, Neuere deutsche Literatur und Philosophie an der FU Berlin. Sie arbeitete u.a. als Hilfsschwester, Phonotypistin, wissenschaftliche Hilfskraft an der Freien Universität und auch als freie Mitarbeiterin für das Radio und verschiedene Zeitungen. Außerdem hielt sie sich einige Monate in den Vereinigten Staaten, in Mexiko und in Guatemala auf. Sie lebt mit ihren beiden Kindern in Berlin-Friedenau. Das Jahr 2005 verbrachte sie als Stipendiatin in der Villa Massimo in Rom. Seit 2001 ist Franck Mitglied im P.E.N.-Zentrum Deutschland.

Aus: Liebediener

“Von der Straße her hörte ich das ungeduldige Vor- und Zurücksetzen eines Autos. Als ich meinen Briefkasten öffnete, fiel mir ein Stapel Werbezettel entgegen. Und nachdem ich die Zeitung nicht gefunden hatte, sie auch auf keinem der anderen Kästen oder dem Boden liegen sah, wollte ich zurück in meine Wohnung. Dort stand noch mein Fahrrad. Es war Mitte April, Ostern, und ich war auf
dem Weg zur Familie meines Bruders, die im Treptower Park hinter dem Ehrendenkmal Eier verstecken wollte.
Ich war spät dran. Es ärgerte mich, daß die Zeitung wieder geklaut war, und ich hatte nicht zum ersten Mal meine Nachbarin Charlotte im Verdacht, von der ich wußte, wie gerne sie mal etwas mitnahm, das ihr nicht gehörte (die Diebin). Ich knüllte die Werbezettel zusammen und warf sie in den Karton, der unter den Briefkästen stand.
Um in meine Wohnung zu gelangen, mußte ich vom Hausflur noch einmal auf die Straße treten. Wie die meisten Kellerwohnungen hatte sie den Eingang an der Vorderfront des Hauses, und eine schmale Treppe führte zu ihr hinab.
Die Kastanienallee war leergefegt. Genau vor meiner Tür, im Schatten des Hauses, den die Morgensonne warf, entdeckte ich ein nagelneues, zumindest glänzendes, kleines rotes Auto, in dem ein Mann saß, der sich abmühte, aus seiner Parklücke zu kommen. Ich nehme an, es war ein Ford, in dem er saß, so gut kenne ich mich mit Autos nicht aus, er stieß immer wieder an die Stoßstangen der Wagen vor und hinter ihm. In meiner Erinnerung hat er mittelblondes bis dunkles Haar, aber ich bin mir nicht mehr sicher, ich kann mir nicht mehr sicher sein.”







Julia Franck (Berlin, 20. Februar 1970)





Der französische Schriftsteller Pierre Boulle wurde am 20. Februar 1912 in Avignon geboren. Boulle zog nach seinem Abschluss an der Fachschule für Elektriker in den Fernen Osten und kämpfte im Zweiten Weltkrieg bei den Freien Französischen Streitkräften in der Republik China, Birma und Indonesien. In seinem berühmtesten Werk Die Brücke am Kwai verarbeitete er seine Kriegserlebnisse, insbesondere seine Kriegsgefangenschaft in Südostasien. Um sich den Willen zum Überleben zu erhalten, besorgte er sich dort Schreibzeug, um heimlich seine Erlebnisse festzuhalten. Gegen Ende des Jahres 1944 gelang Boulle die Flucht aus dem Lager. Nach dem Krieg ließ er sich in Malaysia nieder, um schließlich wieder nach Frankreich zu ziehen. Erst dorthin zurückgekehrt, widmete er sich der eigentlichen Schriftstellerei. Boulle schrieb u.a. auch Planet der Affen.

Aus: Die Brücke am Kwai (Übersetzt von Gottfried Beutel)

“Nachdem das Oberkommando Befehl gegeben hatte, die Waffen niederzulegen, war von einer Gruppe junger Offiziere seines Regiments ein Plan ausgearbeitet worden, wie man die Küste erreichen, sich einiger Schiffe bemächtigen und in Richtung auf die holländischen Inseln segeln könnte. Doch Oberst Nicholson hatte, bei aller Anerkennung ihrer Begeisterung und ihres Mutes, diesen Plan mit allen ihm noch zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft.
Zuerst versuchte er, sie zu überzeugen. Er setzte ihnen auseinander, daß dieser Versuch in krassem Gegensatz zu den erhaltenen Befehlen stehe. Der Oberkommandierende hatte für die gesamten malaiischen Gebiete die Kapitulation unterzeichnet, kein Untertan Seiner Majestät konnte sich ihr entziehen, ohne einen Akt des Ungehorsams zu begehen. Für sich selbst sah der Oberst nur eine mögliche Verhaltensweise: er mußte an Ort und Stelle abwarten, bis ein höherer japanischer Offizier kam, um seine und seiner Truppen Übergabe entgegenzunehmen. „Welch ein Beispiel gäbe man der Truppe", sagte er, „wenn ihre Vorgesetzten sich pflichtwidrig verhielten!"
Seine Argumente wurden von der Stärke und dem Nachdruck unterstützt, die sein Blick in Stunden schwerer Entscheidungen annahm. Seine Augen hatten die Farbe des Indischen Ozeans bei schönem Wetter, und sein immer ruhiges Gesicht war das Abbild einer Seele, die keine Gewissensqualen kennt. Er trug den rotblonden Schnurrbart friedfertiger Helden, und der rötliche Schimmer seiner Haut zeugte von einem reinen Herzen, das über eine untadelige, kräftige und regelmäßige Blutzirkulation herrschte.“







Pierre Boulle (20. Februar 1912 – 30. Januar 1994)

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Zuletzt aktualisiert: 23. Jan, 19:14

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