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Weltliteratur

Donnerstag, 12. März 2009

Dave Eggers, Kathrin Schmidt

Der amerikanische Schriftsteller und Herausgeber Dave Eggers wurde am 8. Januar 1970 in Chicago, Illinois, geboren. Er studierte an der University of Illinois in Urbana-Champaign. Er gründete die Magazine "Might" und "McSweeneys" sowie ein Verlagshaus gleichen Namens. Im Jahr 2000 veröffentlichte er sein bekanntestes Werk, A Heartbreaking Work of Staggering Genius (Deutsch.: Ein herzzerreißendes Werk von umwerfender Genialität), das zum Bestseller und für den Pulitzer-Preis nominiert wurde. 2002 erschien sein Roman You Shall Know Our Velocity (Deutsch.: Ihr werdet (noch) merken, wie schnell wir sind), sowie im Jahr 2004 die Kurzgeschichtensammlung How We Are Hungry (Deutsch.: Wie hungrig wir doch sind).
Gemeinsam mit Jonathan Safran Foer und Nicole Krauss ist er Herausgeber des 2004 im Rahmen des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs erschienenen The Future Dictionary of America, eine Sammlung politischer Aufsätze von Schriftstellern wie Paul Auster, Stephen King, Richard Powers oder Joyce Carol Oates.

Aus: Ihr werdet (noch) merken, wie schnell wir sind (Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann)

“ Ich sprach mit Hand, einem meiner zwei besten Freunde, dem, der noch lebte, und wir planten unsere Reise. Zu diesem Zeitpunkt gab es gute Tage, gute Wochen, wenn wir so taten, als wäre es hinnehmbar, dass Jack überhaupt gelebt hatte, dass sein Leben auch in seiner verkürzten Form vollständig gewesen war. Heute war nicht so ein Tag. Ich lief hin und her, und Hand wusste, dass ich hin und her lief, und wusste, was das bedeutete. Ich lief immer so hin und her, wenn ich nachdachte oder irgendwas plante, und ich knackte mit den Knöcheln und schnippte leise und unrhythmisch mit den Fingern und ging von der Westseite der Wohnung, wo ich die Eingangstür abschloss und wieder aufschloss, zur Ostseite, zur Glasschiebetür des Balkons, die ich rasch öffnete, um den Kopf hinauszustecken, und dann wieder schloss. Hand konnte das leise Grollen der Tür hören, die sich auf ihren Schienen vor und zurück bewegte, aber er sagte nichts. Die Luft war eiskalt, und es war Freitagnachmittag, und ich war zu Hause, trug die neue, blaue Flanellpyjamahose, die ich damals fast jeden Tag trug, drinnen wie draußen. Ein blöder und nervöser, kotfarbener Vogel flatterte zur Futterstelle auf dem Balkon und fraß von der ekeligen Körnermischung, die ich völlig grundlos dort ausgestreut hatte, was mir jetzt schon Leid tat - diese Vögel würden bald sterben, und ich wollte weder ihren Flug noch ihr Ableben beobachten. Das Haus, in dem ich wohnte, erwärmte sich nicht regelmäßig und ohne gerechte Berücksichtigung seiner Ecken, und meine Wohnung, hinten links oben, bekam nur selten, dann jedoch viel zu viel Wärme ab. Jack war sechsundzwanzig gewesen und fünf Monate zuvor gestorben, und jetzt würden Hand und ich eine Weile verreisen. Vor zwei Wochen war ich von drei dunklen Gestalten in einem Lagercontainer in Oconomowoc brutal zusammengeschlagen worden - es hatte eigentlich nichts mit Jack oder sonst wem zu tun, oder vielleicht doch, vielleicht war es indirekt Jacks und direkt Hands Schuld - und wir mussten mal eine Weile weg. Ich hatte Schorf im Gesicht und auf dem Rücken und eine böse, birnenförmige Beule oben auf dem Kopf, und ich hatte dieses Geld, das unter die Leute gebracht werden musste, und deshalb würden Hand und ich verreisen. Mein Kopf war eine Kirche, auf der ein Fluch lastete, mit Fledermäusen an der Decke, aber ich riss mich aus dieser düsteren Stimmung und wurde euphorisch, wenn ich an die Reise dachte..“







Dave Eggers (Chicago, 12. März 1970)





Die deutsche Schriftstellerin Kathrin Schmidt wurde am 12. März 1958 in Gotha geboren und wuchs ab 1964 in Waltershausen auf. Nach dem Abitur studierte sie von 1976 bis 1981 Psychologie an der Universität Jena. Nachdem sie dieses Studium mit einem Diplom abgeschlossen hatte, war sie von 1981 bis 1982 wissenschaftliche Assistentin an der Universität Leipzig und von 1983 an wissenschaftliche Mitarbeiterin am Berliner Institut für Vergleichende Sozialforschung. Daneben war sie als Kinderpsychologin an verschiedenen Ost-Berliner Krankenhäusern tätig. 1986/87 absolvierte sie ein Sonderstudium am Literaturinstitut "Johannes R. Becher" in Leipzig. Nach der Wende in der DDR arbeitete sie am "Runden Tisch" in Ost-Berlin mit. 1990/91 war sie Redakteurin der Frauenzeitschrift "Ypsilon". Seit 1994 ist sie freie Schriftstellerin. Sie ist verheiratet, hat fünf Kinder und lebt in Berlin-Hellersdorf. Dort war sie 1997 auch Stadtschreiberin. Kathrin Schmidt, die bereits seit ihrer Jugend schrieb, hat zuerst Gedichte veröffentlicht. In ihren Romanen brilliert Schmidt durch ihre Sprachmächtigkeit und eine überbordende Fantasie, die von der Kritik mit der des frühen Günter Grass und Irmtraud Morgners verglichen wurde.

Aus: Die Gunnar-Lennefsen-Expedition

“Josepha Schlupfburgs Faible für Taschenkalender geht weit über jenes Maß hinaus, das sich aus bloßer Erwerbsarbeit ergeben könnte. Du steckst in den Kalender eine Ewigkeit, den du entblätterst bei Kaffee und Bodenfrost, murmelt sie, wenn ihre Nächte unter der Rassel eines vorsintflutlichen (falls der Leser das Wort Sintflut als Synonym für den letzten Krieg gelten zu lassen geneigt ist) Weckers regelmäßig dahinsterben, aller Schlaf einer splittrigen Scheibe Toast zum Opfer fällt und der dicke braune Aufguß der Marke Rondo Melange mindestens dreimal ihre Tasse füllt. In der Küche einer Wohnung übrigens, die Josepha Schlupfburg seit ihrem sechsten Lebensjahr mit ihrer Urgroßmutter Therese teilt, mehr in Freud denn in Leid - und doch durch die Not an Wohnungen gedrungen, seit sie erwachsen ist und gern ein Eigenes hätte, ihren Rhythmus zu finden. Gewohntem ergeben, steht die Druckerin Josepha Schlupfburg auch heute (wie eh und je) mit der fünften Stunde auf, zu der die alte Therese zum ersten Mal zur Toilette zu schlurfen pflegt. Die Außenwand bezeichneter Küche, die den Hintergrund des hier zu schildernden morgendlichen Aufbruchs abgibt, hat Josepha Schlupfburg mit exakt zweiundzwanzig bebilderten Kalendern behängt, deren erster aus dem Jahre ihrer Geburt stammt und wie die der darauffolgenden sechs Jahre von Thereses Hand mit nicht zu vergessenden Terminen, Geburts- und Namenstagen und einer Vielzahl kaum zu entschlüsselnder Zeichen, Kreuzchen und Punkte übersät worden ist. Vom Jahr ihres Schulbeginns an hat dann Josepha die Feder geführt und vermerkt, was zu vermerken ihr wichtig schien. Zu den Weihnachtsfesten brachte sich Therese den Inhabern der Buch- und Schreibwarengeschäfte als treue Kundin in Erinnerung: Sie kaufte Kalender. Die Küchenwand bietet Tier-, Zirkus-, Pferde-, Kunst-, Vogel-, Blumen-, Kirchen- und Frauenkalender, deren monatliche Seiten eine Plastspirale zusammenhält oder Papierleim. Josepha, die sich beim Frühstücken unbeobachtet weiß, hat sich mit den Jahren einen rituellen Spaß daraus gemacht, mittels der ihr innewohnenden magischen und Zeitverschiebungs-Kräfte am jeweils Ersten des Monats durch einen besonderen Klapp-Blick die entsprechende Seite aufzuschlagen.”







Kathrin Schmidt (Gotha, 12. März 1958)

Mittwoch, 11. März 2009

Karl Krolow, Ernst Wichert

Der deutsche Lyriker und Schriftsteller Karl Krolow wurde am 11. März 1915 in Hannover geboren. Von 1935 bis 1942 studierte er Germanistik, Romanistik, Philosophie und Kunstgeschichte an den Universitäten in Göttingen und Breslau. Krolow, der bereits seit 1934 der Hitlerjugend angehört hatte, trat 1937 der NSDAP bei. Ab 1942 ließ sich der Autor als freier Schriftsteller in Göttingen nieder.
1952 zog Krolow nach Hannover, 1956 nach Darmstadt, wo er bis zu seinem Tode lebte. Bereits seit den Fünfzigerjahren galt Krolow als einer der bedeutendsten Lyriker der deutschen Nachkriegsliteratur. Er ist daneben auch als Übersetzer aus dem Französischen und Spanischen und Verfasser von Prosawerken hervorgetreten. Karl Krolow war seit 1951 Mitglied des PEN-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland, seit 1953 der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt (zeitweise als Präsident), seit 1960 der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz und seit 1962 der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Für sein umfangreiches und vielseitiges Werk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, u.a. 1956 den Georg-Büchner-Preis, das Große Bundesverdienstkreuz, den Rainer-Maria-Rilke-Preis für Lyrik, 1976 den Ehrendoktor der Technischen Universität Darmstadt, 1983 den Hessischen Kulturpreis, 1985 den Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und 1988 den Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg.


Eisblumen

Blumen, zärtlich hingehaucht,
tief vom Frost umfangen,
hold in halbes Licht getaucht,
sind mir aufgegangen.

Ohne Zahl. Sind froh erwacht
aus dem Wintergrunde,
blühen mir zur nahen Nacht
Stunde wohl um Stunde.

Leben leicht und ohne Not
wie die Sommerfalter.
Leise ist ihr Blumentod,
schnell und ohne Alter.





Bare Münze

Was man für bare Münze hielt:
als Katzengold rollt es vom Tisch.
Sein Leben zahlt man bar oder stiehlt
es heimlich als bloßen Wisch –
ein Leben: nicht Fleisch und nicht Fisch.

Und bar gezahlt, heißt, nichts verschenkt,
nichts unter den Tisch gekehrt.
Aber frisch gewagt, ist schon halb gehenkt:
ein Träumer, wer anderes denkt,
wenn er sein Bares verzehrt.

Die bare Münze. Der bare Hohn
schlägt als Lachen ihm ins Gesicht.
Das bloße Leben: was gilt es schon?
Es zählt oder es zählt nicht,
je nachdem, was man sich verspricht.








Karl Krolow (11. März 1915 – 21. Juni 1999)





Der deutsche Schriftsteller und Jurist Ernst Wichert wurde am 11. März 1831 in Insterburg geboren. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Königsberg und der Assessorenzeit in Memel wurde Ernst Wichert 1860 Kreisrichter in Prökuls (jetzt Litauen). Drei Jahre später kam er als Stadtrichter nach Königsberg zurück, wo er 1877 (nach anderen Quellen 1879) Oberlandesgerichtsrat wurde und die Ehrendoktorwürde erhielt. Ab 1888 war Wichert als Kammergerichtsrat in Berlin und ging 1896 als Geheimer Justizrat in Pension. Der Dichterjurist war der Mitherausgeber der Altpreußischen Monatsschrift und Mitbegründer der „Deutschen Genossenschaft dramatischer Autoren und Komponisten“, die 1871 in Leipzig ins Leben gerufen wurde. Ernst Wichert hat 34 Theaterstücke, 28 Romane sowie 15 zum Großteil mehrbändige Novellen-Sammlungen veröffentlicht. In seinen Bühnenstücken ebenso wie in seinen Prosaarbeiten entsprach er dem Bedürfnis des wilhelminischen Publikums nach Bestätigung ihrer bürgerlichen Werte und ihres Glaubens an die Zukunft des von Bismarck geschaffenen Reiches. Sie bilden ein kulturhistorisch authentisches Bild des 19. Jahrhunderts.

Aus: Endrik Kraupatis

„Die große Mühle in Kraupatischken war vor zwei Jahren abgebrannt.
Man nannte sie die »große Mühle«, weil das Flüßchen, das unfern diesem Dorf in den Pregel mündete, weiter aufwärts noch zwei oder drei Mühlen trieb, die über eine geringere Wasserkraft verfügten. Aber die Mühle hatte auch wirklich zu der Zeit, in der sie angelegt wurde, und in diesem Teile von Preußisch-Litauen für ein bedeutendes Werk gelten können. Später, bei verbesserter Technik, war sie von mancher Konkurrentin überholt. Aber sie hieß noch immer im Volksmunde »die große Kraupatischker Mühle«, und so hieß sie auch, nachdem sie abgebrannt war und bis auf ein unversehrt gebliebenes Seitenhäuschen als Ruine dalag.
Es war übrigens seit dreißig oder vierzig Jahren, also ungefähr so weit zurück, als die jetzigen älteren Männer Kinder gewesen waren, üblich geworden, sie auch die »alte« Kraupatischker Mühle zu nennen. Nicht weil ihr eine neue zur Seite stand, sondern weil sie wirklich nachgerade alt, recht alt war. Davon konnten sich alle Mahlgäste überzeugen, die unter ihr mächtiges Dach traten – die ganze Mühle schien, aus einiger Entfernung gesehen, nur Dach zu sein – und das Gebälk bewunderten. Es stammte noch aus der Zeit, als an den Quellflüssen des Pregels meilenweite Wälder mit ihren Beständen von uralten Eichen das Land bedeckten – dort, wo sich unter der Herrschaft des deutschen Ordens und unter den Herzögen und viel später noch bis in die Regierungszeit des Großen Kurfürsten hinein »die Wildnis« als Schutz gegen feindliche Einfälle ausdehnte.“







Ernst Wichert (11. März 1831 – 21. Januar 1902)

Dienstag, 10. März 2009

Jakob Wassermann, Joseph von Eichendorff

Der deutsche Schrifsteller Jakob Wassermann wurde am 10. März 1873 in Fürth geboren. Wassermanns Vater war ein jüdischer Spielwarenfabrikant. Nach der Schulzeit ging Wassermann bei seinem Onkel in Wien in die Lehre, die er jedoch bald abbrach. Nach dem Militärdienst arbeitete er als Versicherungsangestellter in Nürnberg. Ab 1894 arbeitet er in München und wurde er dem Verleger Albert Langen als Autor empfohlen. Während seiner dreijährigen Tätigkeit als Lektor beim "Simplicissimus" lernte er Thomas Mann, Rainer Maria Rilke und Hugo von Hofmannsthal kennen. Später war er Theaterkorrespondent in Wien.

Aus: Mein Weg als Deutscher und Jude

“Ohne Rücksicht auf die Gewöhnung meines Geistes, sich in Bildern und Figuren zu bewegen, will ich mir – gedrängt von innerer Not und Not der Zeit – Rechenschaft ablegen über den problematischesten Teil meines Lebens, den, der mein Judentum und meine Existenz als Jude betrifft, nicht als Jude schlechthin, sondern als deutscher Jude, zwei Begriffe, die auch dem Unbefangenen Ausblick auf Fülle von Mißverständnissen, Tragik, Widersprüchen, Hader und Leiden eröffnen.
Heikel war das Thema stets, ob es nun mit Scham, mit Freiheit oder Herausforderung behandelt wurde, schönfärbend von der einen, gehässig von der anderen Seite. Heute ist es ein Brandherd. Es verlangt mich, Anschauung zu geben. Da darf denn nichts mehr gelten, was mir schon einmal als bewiesen gegolten hat. Auf Beweis und Verteidigung verzichte ich somit überhaupt, auf Anklage und jede Art konstruktiver Beredsamkeit. Ich stütze mich auf das Erlebnis.

Unabweisbar trieb es mich, Klarheit zu gewinnen über das Wesen jener Disharmonie, die durch mein ganzes Tun und Sein zieht und mir mit den Jahren immer schmerzlicher fühlbar und bewußt worden ist. Der unreife Mensch ist gewissen Verwirrungen viel weniger ausgesetzt als der reife. Dieser, sofern er an eine Sache hingegeben ist oder an eine Idee, was im Grunde dasselbe besagt, entringt sich nach und nach der Besessenheit, in der das Ich den Zauber des Unbedingten hat, und Welt und Menschheit kraft einer angenehmen und halbfreiwilligen Täuschung dem gebundenen Willen in den Transformationen der Leidenschaften zu dienen scheinen.”







Jakob Wassermann (10. März 1873 – 1. Januar 1934)
Porträt von Emil Orlik





Der deutsche Lyriker und Schrifsteller Joseph Freiherr von Eichendorff wurde am 10. März 1788 auf Schloß Lubowitz bei Ratibor / Oberschlesien geboren. Eichendorff entstammte einer katholischen Adelsfamilie. Nach dem Besuch des kath. Gymnasiums in Breslau 1801-1804 begann er ein Jurastudium in Halle 1805/06, das er 1807/08 in Heidelberg fortsetzte. 1808 unternahm er eine Bildungsreise nach Paris und Wien, von wo aus er 1810 nach Lubowitz zurückkehrte und dort den Vater bei der Verwaltung der Güter unterstützte. Den Winter 1809/10 verbrachte er in Berlin, besuchte Vorlesungen bei Fichte und kam mit Arnim, Brentano und Kleist zusammen. In Wien setzte er 1810 das Studium fort und schloß es 1812 ab. 1813-1815 nahm er an den Befreiungskriegen teil. 1816 trat er in den preußischen Staatsdienst als Referendar in Breslau., wurde 1821 katholischer Kirchen- und Schulrat in Danzig, 1824 Oberpräsidialrat in Königsberg. 1831 übersiedelte er mit der Familie nach Berlin und war dort in verschiedenen Ministerien beschäftigt, bis er 1841 zum Geheimen Regierungsrat ernannt wurde; 1844 ging er in Pension.
Seine von höchster Musikalität und Innigkeit geprägte Lyrik ist von zahlreichen Komponisten, insbesondere von Schuhmann und Hugo Wolf, vertont worden. Weltruhm hat auch seine Novelle " Aus dem Leben eines Taugenichts" erlangt. Sein großer Roman " Ahnung und Gegenwart" ist weniger bekannt. Neben seinem dichterischen Schaffen sind seine literaturhistorischen Schriften zu nennen. Daneben Übersetzungen, insbesondere der geistlichen Schauspiele Calderons.



Frühlingsnacht

Übern Garten durch die Lüfte
Hört ich Wandervögel ziehn,
Das bedeutet Frühlingsdüfte,
Unten fängt's schon an zu blühn.

Jauchzen möcht ich, mochte weinen,
Ist mir's doch, als könnt's nicht sein!
Alte Wunder wieder scheinen
Mit dem Mondesglanz herein.

Und der Mond, die Sterne sagen's,
Und in Träumen rauscht's der Hain,
Und die Nachtigallen schlagen's:
Sie ist Deine, sie ist dein!




Im Abendrot

Wir sind durch Not und Freude
Gegangen Hand in Hand,
Vom Wandern ruhn wir beide
Nun überm stillen Land.

Rings sich die Täler neigen,
Es dunkelt schon die Luft,
Zwei Lerchen nur noch steigen
Nachträumend in den Duft.

Tritt her, und laß sie schwirren,
Bald ist es Schlafenszeit,
Daß wir uns nicht verirren
In dieser Einsamkeit.

O weiter, stiller Friede!
So tief im Abendrot
Wie sind wir wandermüde -
Ist das etwa der Tod?








Joseph von Eichendorff (10. März 1788 – 26. November 1857)

Montag, 9. März 2009

Peter Altenberg, Ota Filip

Der österreichische Schriftsteller Peter Altenberg (eigentlich Richard Engländer) wurde am 9. März 1859 in Wien geboren. Nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen, ein normales Berufsleben zu beginnen, attestierte ihm ein Arzt die Unfähigkeit einen Beruf auszuüben wegen einer Überempfindlichkeit des Nervensystems. Seither führte er das Leben eines Bohèmiens und verbrachte die meiste Zeit im Kaffeehaus. Von kurzen Eindrücken, flüchtigen Begegnungen und zufällig mitgehörten Gesprächen inspiriert, schrieb Altenberg als Gelegenheitskünstler kleine Prosastücke. Diese stellen eine impressionistische Studie des Wiener Lebens und der Gesellschaft dar. Trotz Erfolges blieb Altenberg von Spenden abhängig, zu denen seine Freunde – u.a. Karl Kraus und Adolf Loos – aufriefen. Nachdem er seine letzten zehn Lebensjahre zu einem großen Teil in Alkoholentzugs- und Nervenheilanstalten verbracht hatte, starb er 1919. Er wurde in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof bestattet.

Aus: Café-Chantant

“Nach der Vorstellung, Mitternacht, soupieren die Kavaliere mit den »Stars«.
Fünf junge Damen sind es, Schwestern. Vier sind hellblond, mit tiefen Scheiteln in ihren seidenen leichten Haaren. Eine ist hellbraun, mit tiefem Scheitel in ihren seidenen leichten Haaren.
Alle fünf tragen weite seidene schwarze Kleider und hellgraue Empire-Hüte mit drei schwarzen Straußfedern. Eine sechste ist in Reserve da. Plötzlich ist sie verschwunden. Wohin?! Niemand könnte es ergründen. Entführt, versunken?!?
Siehst Du, wie gut es ist, daß eine in der Reserve ist?! Gleich bestellt man einen neuen Reservisten und ein schwarzes Seidenkleid und einen Hut Empire.
Ein Graf schrieb der wunderbaren Mage einmal in ihr englisches Stammbüchlein: »Wenn Sie haben eine üble Laune, mein Herr, so nehmen Sie nicht Beechams Pillen, sondern soupieren sie mit Mage, und Ihre Krankheit wird fort sein, ganz fort.«
Viele Herren versuchten seitdem dieses einfache Mittel und allen half es. Frohen Sinn verbreitet sie wirklich, wie ein Kind bei seinen Großeltern.
Ein Baron sagte einmal während eines Soupers: »Fünf little dogs wird man euch schenken, ihr Süßen, gelbe Hündchen mit dunklen Schnäuzchen. Alle werden zu gleicher Zeit auf eurem Schoße sitzen und – – –«
»Und?!« fragten die fünf jungen Mädchen.
»Und – – –. Kleine Hunde können nichts dafür.«
Die fünf Fräulein lachten darüber wie Kanarienvögel im Sonnenlichte. Ganze Trillerketten rollten sie, wie man bei »Harzern« sich auszudrücken pflegt.
»You are ein kleines Swein,« sagte Mage zu diesem Kavaliere und tippte ihn auf seine Glatze, welche er in höchstem Maße besaß.
Die Kavaliere bestellten fünf Eierpünsche. Dafür schwärmen die jungen Fräulein. »Keinen Champagner! Keinen Rheinwein! Eierpunsch! Eierpunsch, o bitte – –!«
»Ich vermutete gar nicht, daß im Eierpunsche soviel Poesie läge«, sagte einer der Kavaliere und leckte Mages Löffelchen ab.”








Peter Altenberg (9 maart 1859 – 8 januari 1919)
Porträt von Oskar Kokoschka, 1909




Der deutsch- und tschechischsprachigee Schriftsteller Ota Filip wurde am 9. März 1930 in Schlesisch Ostrau geboren. Ota Filip arbeitete nach Abitur und Journalistik-Studium in der Tschechoslowakei als Redakteur in verschiedenen Zeitungen und im Rundfunk, ab 1960 bis Ende 1967 als Hilfsarbeiter. In dieser Zeit begann er aus Langeweile den Roman Cafe an der Straße zum Friedhof zu schreiben, für den er 1967 den Großen Preis der Stadt Ostrau erhielt. Ab 1968 arbeitete er als Verlagslektor. Ein Jahr nach der Okkupation des Landes, im Jahr 1969, wurde er wegen „Unterwühlung der sozialistischen Gesellschaft“ verurteilt und war 14 Monate inhaftiert. Danach war er als Möbelmonteur, Lastwagenfahrer und Bauarbeiter tätig. 1974 wurde er mit seiner Familie ausgebürgert und lebt seitdem als freier Schriftsteller in Oberbayern. 1986 wurde ihm der Adelbert-von-Chamisso-Preis für deutschsprachige Migrantenliteratur verliehen.

Aus: Im Licht der goldenen Stadt

Was blieb nach 1945 von der grossartigen, natürlich vorwiegend deutschsprachigen jüdischen Kultur in Prag zurück? Der alte jüdische Friedhof mitten in Prag mit seinen in vier Jahrhunderten künstlich aufgeschütteten zwölf Erdschichten, mit ebenso vielen Gräberschichten und mit mehr als 12|000 Grabsteinen, ist heute - leider - eine Touristenattraktion; es blieben die Alt-Neue Synagoge, ein jüdisches Museum, mehr als 77|000 von den Nazis ermordete böhmische Juden und dann nur Geschichten, Legenden, Märchen und Erzählungen aus einer grossen, mehr als tausendjährigen Geschichte des Prager Judentums. Und Franz Kafka? Der wird in Prag inzwischen ganz geschickt vermarktet. Es wird nicht lange dauern, und westliche Touristen werden sich in Prag schicke T-Shirts mit der Aufschrift »I love Kafka« oder Wandteller mit Kafkas traurigem Gesicht kaufen können. Erst dann wird es in Prag richtig »kafkaesk«. Aber wenn Sie Kafkas Prag erleben wollen, dann besuchen Sie Franz Kafka auf dem jüdischen Teil des Friedhofs in Prag- Olgany. Hier werden Sie bestimmt keine oder nur wenige Touristen antreffen. Der neue jüdische Friedhof kann den Besuchern nämlich nicht wie der alte, von Touristen überlaufene in der Nähe der Pariser Strasse das Grab des legendären Prager Rabbi Loewy bieten, der den berühmten Golem schuf (Gustav Meyrink schrieb 1915 über den Golem einen herrlichen Roman), auch keine Berühmtheiten aus der Geschichte des Prager Ghettos, sondern nur den schlichten Grabstein mit Franz Kafkas Namen, mit den Namen seiner Eltern und Schwestern, und dann die Stille zwischen den schwarzen, von wilden Holundersträuchern überwachsenen Marmorsteinen mit ihren goldenen, längst vergessenen Namen von einst ehrwürdigen jüdischen Familien aus Prag und Umgebung. Die Geschichte wiederholt sich nicht, nicht einmal die Geschichte einer Literatur. Diese Regel trifft auch auf die Geschichte der grossartigen deutschen oder deutschsprachigen Literatur in Prag zu."







Ota Filip (Ostrau, 9 maart 1930)

Sonntag, 8. März 2009

Harry Thürk, Hafid Bouazza

Der deutsche Schriftsteller Harry Thürk wurde am 8. März 1927 in Zülz, Oberschlesien geboren. 1934 zog er mit seiner Familie nach Neustadt/OS um. Nach dem Besuch der Albert-Leo-Schlageter-Volksschule (1934-40) und der Handelsschule von Neustadt/OS (1940-42) in Oberschlesien wurde Thürk Arbeiter bei der Deutschen Reichsbahn. Im Zweiten Weltkrieg 1944 zum Fallschirm-Panzer-Korps Hermann Göring eingezogen und mit Verleihung des Eisernen Kreuzes kehrte er nach Ende des Krieges von der Front in seine Heimat zurück. Von dort floh er schließlich vor den Polen nach Westen und fand in Weimar seine zweite Heimat. Von 1946 bis 1948 war er hauptberuflicher Funktionär der Freien Deutschen Jugend und trat der SED bei. Nach diversen Gelegenheitsjobs arbeitete Thürk als Journalist für verschiedene Zeitungen und war in den Vietnamkriegen und in Korea als Reporter tätig. Dort zog er sich eine schwere Vergiftung mit dem vom US-Militär eingesetzten Giftgas „Agent Orange“ zu, die ihn später ans Bett fesselte.
Nach weiteren Ostasienreisen zwischen 1964 und 1980 (u. a. nach Laos, Kambodscha, Vietnam, Korea, China) kehrte Thürk nach Weimar zurück. Dort war er von 1971 bis 1983 Vorsitzender der Bezirksorganisation Erfurt des Schriftstellerverbandes.
Mit seinem Ende 2004 erschienen Buch „Treffpunkt Wahrheit“ hat Thürk insgesamt 60 Bücher veröffentlicht (Romane, Dokumentationen, Reportagen, Krimis, Kinderbücher u.a.) sowie 15 Drehbücher geschrieben. Seine Sujets und spannende Erzählweise machten ihn insbesondere in der DDR populär - mit einer Gesamtauflage von 9 Millionen Exemplaren in 13 Sprachen (3 Millionen allein in Deutschland) war Thürk einer der meistgelesenen und populärsten deutschen Nachkriegsautoren. Im Westen blieb er jedoch weitgehend unbekannt.

Uit: Taifun. Aufzeichnungen eines Geheimdienstmannes

"Die goldene Regel“, doziere ich wieder einmal, während ein halbes Dutzend Augenpaare mich erwartungsvoll anblickt, „man bleibt für Chinesen stets ein Ausländer, so gut man auch mit ihnen auskommt. Man bemühe sich also nie, sich ihnen durch Nachahmung ihrer Sitten anzubiedern. Respektiert wird man, wenn man ihre Sitten achtet, sich nicht über sie belustigt zeigt, so eigenartig sie auch sein mögen, die eigenen aber beibehält, und zwar unverschleiert. Weil wir Amerikaner – und das begreift jeder Chinese schnell – die höhere Zivilisation haben, die stärkere Macht, das tiefere Wissen, die bessere Technik, und weil wir allein den Weg kennen, auf dem auch die Chinesen zu allen diesen Dingen kommen können …“
Ich spreche über Eßgewohnheiten und Hygiene, über das Verhältnis der Geschlechter zueinander, die Rolle der Familie und den Ahnenkult, die Bereitschaft der Chinesen, zuzuhören, wenn Geschichten erzählt werden, ihren Humor, den wir als primitiv empfinden, ihre Sensibilität, mit der sie spüren, wenn ein Fremder nicht ehrlich sagt, was er denkt.
„Versucht nie, ihnen etwas vorzumachen“, warne ich. „Ihr geht bewaffnet nach dem Norden, um dafür zu sorgen, dass der Norden ein Vorposten Amerikas bleibt und die Kommunisten dort nicht allein schalten können, wie es ihnen beliebt: ihr seid die Vorhut der Vereinigten Staaten, was ihr tut, das tut ihr, damit China eine Demokratie wird und nicht ein kommunistisches Pseudoparadies!“
„Gut“, meldet sich Captain Birch, ein junger Mann, der einige Zeit Baptistenprediger gewesen ist, und dann als Aufklärer bei General Chennaults „Flying Tigers“ diente, jener Gruppe von Abenteurern des Luftkrieges, die in der Art einer Fremdenlegion für Tschiang Kai-shek flogen, bevor die Vereinigten Staaten in den pazifischen Krieg verwickelt und sie schließlich als 14. Luftflotte in die US-Streitkräfte eingegliedert wurden."







Harry Thürk (8. März 1927 – 24. November 2005)




Der niederländisch-marokanische Schrifsteller Hafid Bouazza wurde am 8. März 1970 in Oujda, Marokko, geboren. Bouazza wuchs in den Niederlanden auf. Dort debütierte er mit der Novelle "Momo" und einem Band mit Kurzgeschichten. Für seinen ersten Roman "Paravion" erhielt er zahlreiche Preise, unter anderem den belgischen Literaturpreis "De Gouden Uil 2004".

Aus: Paravion (Überstetz von Ira Wilhelm)

„Hör zu.
"Hatscha!"
Und nochmal: "Hatscha!"
Das ist schon besser. Noch nicht perfekt, aber besser, viel besser. Er macht Fortschritte.
Das ist Paravion - siehe, seine Minarette sind schon zu erkennen. Stolz wie erhobene Mittelfinger erheben sie sich zenitwärts und lassen die demutsvoll hingekauerten Kirchtürme hinter sich. Noch höhere Minarette waren bereits im Bau, und die allerhöchsten wurden gerade entworfen. Nicht mehr lange, so lautete ein Gerücht im Teehaus, und alle Kirchen werden sich in Moscheen verwandeln. Das sei nur eine Frage der Zeit, sagte der Teppichverkäufer, der mehr mit der Spitze des Kinnbarts zu sprechen schien als mit dem Mund. Die übrigen Gäste nickten.
Der Name des Cafes lautete Bar Zach. Es war keine echte Bar, das heißt eine, in der Alkohol ausgeschenkt wurde, nein, der Wirt wollte nur einen modern klingenden Namen. Jeder aus Morea kam hierher, um unter Seinesgleichen zu sein, sich zu akklimatisieren und im neuen Land allmählich die ersten Schritte zu tun sofern man sich überhaupt bewegte. Hier trank man zischende und sprudelnde Limonaden, zum Beispiel Orangina, Crush und Judor ("Das Getränk der Jugend"). Sie schmeckten nach Orangen, Moreas Frucht par excellence. Außerdem servierte man hier das erfrischende La Cigogne, dessen Flasche ein Storchrelief zum Signet hatte. Das Getränk kitzelte in der Nase wie ein Nieser, der partout nicht raus wollte. Die beiden beliebtesten Getränke aber waren Cola Maroca und Zam Zam Cola, anregend und mit Kohlensäure, aber auch mit E 120 bis inklusive E 160 versetzt. Der Geschmack von Vaterland in Flaschen, denn die Getränke waren durchweg moreanische Marken.“







Hafid Bouazza (Oujda, 8. März 1970)

Bret Easton Ellis, Reinhard Kaiser

Der amerikanische Schriftsteller Bret Easton Ellis wurde am 7. März 1964 in Los Angeles geboren. Aufgewachsen ist Ellis in Sherman Oaks in Kalifornien. 1986 absolvierte er eine Musikausbildung am Bennington College in Vermont. Dieses College diente später als Vorlage für das fiktive "Camden Arts College", welches in seinem Roman Einfach unwiderstehlich (The Rules of Attraction) eine zentrale Rolle spielt. In den frühen 1980er-Jahren spielte er Keyboard in einigen New-Wave-Bands, z.B. bei "The Parents". Während seines Studiums gab Ellis den späteren Roman Unter Null als Arbeit für einen Creative-Writing-Kurs ab. Sein Professor war von der Arbeit beeindruckt und motivierte Ellis, den Roman zu veröffentlichen. 1987 zog er nach New York City, wo er seinen zweiten Roman Einfach unwiderstehlich veröffentlichte. 1991 stieg Ellis mit seinem dritten Roman American Psycho zum Kultautor auf. Nachdem ihn American Psycho weltweit berühmt gemacht hatte, steigerten sich Ellis' Drogenexzesse. Auf Lesetouren begleitete ihn, im Auftrag seines Verlages Vintage Books, ein Aufpasser, um Ellis' Drogenkonsum einzudämmen. Drei Jahre später, 1994, erschien sein Roman Die Informanten (The Informers), eine Kurzgeschichtensammlung. Der Roman Glamorama wurde 1999 publiziert, von den Kritikern jedoch deutlich negativer als American Psycho aufgenommen. Sein nächstes Werk, Lunar Park, war ein halb-autobiografischer Roman, dessen Hauptfigur ebenfalls Bret Easton Ellis heißt und Autor ist.

Aus: Lunar Park (Übertragung Clara Drechsler und Harald Hellmann)

„»Ganz gleich, wie entsetzlich die geschilderten Ereignisse auch erscheinen mögen, eines dürfen Sie als Leser nie vergessen, wenn Sie das Buch in Händen halten: Alles beruht auf Tatsachen, jedes einzelne Wort ist wahr.
Was mich am meisten quält? Da niemand wusste, was in diesem Haus vor sich ging, hatte auch niemand Angst um uns.«
Die Änfange:
»Du siehst dir verblüffend ähnlich.«
So lautet der erste Satz von Lunar Park, der in seiner Kürze
und Einfachheit eine Rückkehr zur Form, ein Echo auf die
erste Zeile meines Debütromans Unter Null darstellen soll.
»Auf den Freeways in Los Angeles werden die Leute auch
immer rücksichtsloser.«
Von da an wurden die ersten Sätze meiner Romane, mochten sie noch so geschickt konstruiert sein, immer komplizierter und verschachtelter, überfrachtet mit der sperrigen, überflüssigen Aufzählung von Nebensächlichkeiten.
Mein zweiter Roman, Einfach Unwiderstehlich, begann zum Beispiel:
»die dich vielleicht langweilt, aber du mußt ja nicht zuhören, sagte sie mir, weil sie immer gewußt hat, daß es so kommen würde, und sie glaubt, es war ihr erstes Jahr, oder, eigentlich ein Wochenende, tatsächlich Freitag, im September, in Camden, und das ist drei oder vier Jahre her, und sie wurde so betrunken, daß sie im Bett landete, entjungfert wurde (spät, sie war schon achtzehn) in Lorna Slavins Zimmer, weil sie im ersten Jahr war, und Lorna, fällt ihr ein, im vierten oder im dritten Jahr war und normalerweise hin und wieder in der Wohnung ihres Freundes außerhalb des Campus, der ihrer Meinung nach im zweiten Jahr war und Töpfern als Hauptfach hatte, aber der in Wirklichkeit entweder ein Typ von der New York Universität war, ein Film-Student, der nur wegen der Bums-Klamotten-Fete hier in New Hampshire war, oder einer aus dem Ort.«






Bret Easton Ellis (Los Angeles, 7. März 1964)





Der deutsche Schriftsteller und Übersetzer Reinhard Kaiser wurde am 7. März 1950 in Viersen geboren. Er besuchte das Gymnasium in Viersen, wo er 1968 sein Abitur machte. Von 1968 bis 1975 studierte er Germanistik, Romanistik, Sozialwissenschaften und Philosophie in Berlin, Paris, Köln und Frankfurt am Main. 1974 legte er an der Universität Köln das erste Staatsexamen in den Fächern Germanistik und Sozialwissenschaften ab. Nach der Übersiedlung nach Frankfurt am Main im selben Jahr begann er, für den Suhrkamp-Verlag Übersetzungen sozialwissenschaftlicher Texte anzufertigen und als Außenlektor zu arbeiten. Von 1976 bis 1980 war er Lektor im Frankfurter Syndikat-Verlag. Seit 1980 war er als freier Lektor und Übersetzer für verschiedene Verlage tätig, u.a. von 1985 bis 1990 als Lektor der "Anderen Bibliothek" des Greno-Verlags. 1989 erschien Kaisers erstes eigenes Buch; seither ist er als freier Autor, aber auch weiter als Übersetzer, zunehmend von belletristischen Texten, tätig. Er hat zahlreiche belletristische Bücher und Sachbücher übersetzt.

Aus: Kindskopf

„Inge hatte mir von der Schaukel beim Graben zugesehen. Nach einer Viertelstunde kam sie zurückgeschlendert. Sie setzte einen Fuß auf den immer höher werdenden Erdwall, beugte sich vor und sah zu mir in die Tiefe.
»Und wozu soll das gut sein – dein Loch?«, wollte sie diesmal wissen.
Ich sagte nichts. Ich fand, die Antwort auf diese Frage verstand sich von selbst. Löcher graben war offenkundig eine ernsthafte, anstrengende Tätigkeit und folglich aus sich heraus wertvoll. Ritterburgen oder Indianerlandschaften im Sandkasten bauen – das war Spiel. Löcher graben hingegen, mit dem Spaten, den gewöhnlich Herr Wachtmann führte, der sich einmal in der Woche um unseren Garten kümmerte, war Arbeit. Es hatte mit Erwachsensein und Großwerden zu tun, und beim Großwerden fragte auch niemand: Wozu soll das gut sein?
Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich Inge mit dem Zungenbrecher geantwortet, den mir Winfried Drove, ein Künstlerfreund meiner Eltern, seit einiger Zeit beizubringen versuchte. Winfried Drove liebte die Zungenbrecher. Er kam oft zu Besuch, unterhielt sich mit meiner Mutter, mit meinem Vater und auch mit mir, und seit ich von seiner Liebe zu den Zungenbrechern wusste, fragte ich ihn jedes Mal nach neuen. Wenn ihm kein neuer einfiel, bat ich ihn, die alten, die ich schon kannte, zu wiederholen: In Ulm, um Ulm und um Ulm herum. Hinter Hansens Hinterhaus hängen hundert Hemden raus. Fischers Fritze fischt frische Fische."







Reinhard Kaiser (Viersen, 7. März 1950)

Gabriel García Márquez, Günter Kunert

Der kolumbianische Schriftsteller Gabriel García Márquez wurde am 6. März 1928 in dem Dorf Aracataca als ältestes von sechzehn Kindern eines Telegraphisten geboren. Seine frühe Kindheit verbrachte er bei seinen Großeltern. Er studierte Jura in Bogotá, dann in Cartagena, bevor er sich ausschließlich dem Schreiben zuwandte. Als Journalist arbeitete er u.a. für El Espectador in Bogotá. Aufenthalte in Rom und Paris. 1957 reiste er als Reporter in die DDR und die UDSSR. Er vertrat die kubanische Presseagentur Prensa Latina in Bogotá und New York. 1967 gelang ihm mit »Hundert Jahre Einsamkeit« der literarische Durchbruch. Mit einer weltweiten Auflage von weit über zehn Millionen Exemplaren machte dieser Roman ihn zum meistgelesenen lateinamerikanischen Autor. 1982 wurde Gabriel García Márquez mit dem Nobelpreis geehrt.

Aus: Leben, um davon zu erzählen (Übersetzt von Dagmar Ploetz)

"So wurde also in Aracataca der erste von sieben Söhnen und vier Töchtern geboren, am 6. März 1927, bei einem für die Jahreszeit höchst ungewöhnlichen Platzregen, während am Horizont das Sternbild des Stiers aufzog. Der Knabe wäre fast von der Nabelschnur stranguliert worden, da die Hebamme der Familie, Santos Villero, im ungünstigsten Augenblick die Übersicht verlor. So auch Tante Francisca, die zur Eingangstür rannte und wie bei einer Feuersbrunst schrie: 'Ein Junge! Ein Junge!' Und gleich darauf, wie beim Sturmläuten: 'Rum her, er erstickt.' ... Ich hätte eigentlich Olegario heißen sollen, das war der Heilige des Tages, doch niemand hatte einen Heiligenkalender zur Hand, also gaben sie mir in der Eile den Namen meines Vaters, und dazu noch den des Tischlers, José, weil er der Patron von Aracataca und März sein Monat war. Misia Juana de Freytes schlug noch einen dritten Namen vor, um der allgemeinen Versöhnung zu gedenken, die innerhalb der Familie und des Freundeskreises mit meiner Geburt stattgefunden hatte, aber auf dem offiziellen Taufschein, der drei Jahre später ausgestellt wurde, vergaß man ihn: Gabriel José de la Concordia."







Gabriel García Márquez (Aracataca, 6. März 1928)




Der deutsche Lyriker und Schriftsteller Günter Kunert wurde am 6. März 1929 in Berlin geboren. Nach dem Besuch der Volksschule war es Günter Kunert auf Grund der nationalsozialistischen Rassengesetze (seine Mutter war Jüdin) nicht möglich, eine höhere Schule zu besuchen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges studierte er in Ost-Berlin fünf Semester Grafik, brach sein Studium dann jedoch ab. 1948 trat er der SED bei. Er lernte Bertolt Brecht und Johannes R. Becher kennen.
1972/73 war er Gastdozent an der University of Texas in Austin, 1975 an der University of Warwick in England. Er gehörte 1976 zu den Erstunterzeichnern der Petition gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann. Daraufhin wurde ihm 1977 die SED-Mitgliedschaft entzogen. 1979 ermöglichte ihm ein mehrjähriges Visum das Verlassen der DDR. Kunert ließ sich mit seiner Frau Marianne in Kaisborstel bei Itzehoe nieder, wo er bis heute als freier Schriftsteller lebt. Kunert gilt als einer der vielseitigsten und bedeutendsten Gegenwartsschriftsteller.



Leute

Kleine Leute, große Leute
gab es gestern, gibt es heute,
wird es sicher immer geben,
über, unter, hinter, neben

dir und mit und ihm und ihr:
Kleine, Große sind wie wir.
Größer als ein Großer kann
aber sein ein kleiner Mann.

Klein und groß sagt gar nichts aus,
sondern nur, was einer draus
für sich selbst und alle macht.
Darum habe darauf acht:

Wer den andren hilft und stützt
und sich nicht nur selber nützt,
hat das richtige Format -
ob ein Zwerg er oder grad

lang wie eine Latte ist
oder einen Meter mißt.
Kleine Leute, große Leute
gab es gestern, gibt es heute.





Der alte Mann

Der alte Mann
studiert die Todesanzeigen
mit Befriedigung:
Generaldirektor Sowieso
verstarb im sechzigsten Lebensjahr.
Da fühlt man sich gleich besser
und gesünder und fast
glücklich. Wie im Krieg, wo
die Granaten links und rechts
einschlugen. Es trifft
immer die anderen. Gott sei Dank,
daß ich kein anderer bin.







Günter Kunert (Berlin, 6. März 1929)

Donnerstag, 5. März 2009

Pier Paolo Pasolini, Arthur van Schendel

Der italienische Dichter, Filmregisseur und Publizist Pier Paolo Pasolini wurde am 5. März 1922 in Bologna geboren. Prägend wurde für den Jugendlichen das Landstädtchen Casarsa, der Wohnort seiner Großeltern mütterlicherseits. Dort verbrachte er die Schulferien und fühlte sich dabei immer mehr in das friaulische Landleben ein. Die Anfänge seiner schriftstellerischen Bemühungen, bereits im Alter von sieben Jahren, gehen auf diese Zeit und Umgebung zurück. Es entstand schon früh ein Lyrikband in friaulischer Sprache (Poesie a Casarsa, 1942), der aber von der faschistischen Zensur unterdrückt wurde.Nach anfänglicher Arbeitslosigkeit und mit wachsender Sorge über den sozialen Statusverfall der Mutter konnte er nach und nach durch schlecht entlohnte Lehrtätigkeit und schriftstellerische Gelegenheitsarbeiten (u. a. Mitarbeit an Drehbüchern für Luis Trenker und Federico Fellini) in Rom Fuß fassen. Erste Kontakte im Intellektuellenmilieu (u. a. zu Laura Betti und Alberto Moravia) bahnten sich an. Dabei fühlte sich Pasolini aber immer dem Milieu der römischen Vorstädte (borgate) verbunden, für dessen kleine Diebe, Strichjungen und Mörder er Sympathie empfand. Starkes, engagiertes Interesse am Aufzeigen und an der Änderung sozialer Missstände verband sich dabei mit der Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse. Sein Romandebüt Ragazzi di Vita (1955) ist denn auch in diesem Milieu angesiedelt.Zu Beginn der 1960er Jahre entdeckte Pasolini zunehmend den Film als Medium dichterischer und sozialkritischer Aktivität. Die angestrebte Zusammenarbeit mit der Filmgesellschaft Fellinis scheiterte an Fellinis Ablehnung. Mit Accattone – Wer nie sein Brot mit Tränen aß (1961) und Mamma Roma lieferte Pasolini eine bedeutsame filmische Umsetzung seiner Vorstadtstudien, die ihm zum Teil internationales Lob brachte.


Song of the Church Bells

When evening dips inside water fountains
my town disappears among muted hues.

From far away I remember frogs croaking,
the moonlight, the cricket's sad cries.

The fields devour the Vespers' church bells
but I am dead to the sound of those bells.

Stranger, don't fear my tender return
across mountains, I am the spirit of love

coming back home from faraway shores.




Mystery

Daring to lift my eyes
towards the dry treetops,
I don't see God, but his light
is immensely shining.

Of all the things I know
my heart feels only this:
I'm young, alive, alone,
my body consuming itself.

I briefly rest in the tall grasses
of a river bank, under bare
trees, then move along beneath
clouds to live out my young days.




I'm Glad

In the roughness of Saturday night
I'm glad to watch people
outside laughing in the open air.

My heart also is made of air
my eyes reflect the joy of the people
and in my hair shines Saturday night.

Young man, I'm glad with my miserly
Saturday night, I'm happy with people
I am alive, I am happy with the air.

I am used to the evil of Saturday night.





Übersetzt von Adeodato Piazza Nicolai








Pier Paolo Pasolini (5. März 1922 – 2. November 1975)





Der niederländische Schriftsteller Arthur van Schendel wurde am 5. März 1874 in Batavia, heute: Jakarta, geboren. Die Familie van Schendel kehrte 1879 nach Pensionierung des Vaters, der in der Kolonialarmee Karriere gemacht hatte, aus Batavia im damaligen Niederländisch Indien nach Holland zurück und ließ sich in Haarlem nieder. Einen tiefen Eindruck auf den jungen Arthur hat der Tod einer Halbschwester im Jahre 1885 hinterlassen, welche die Mutter während dieser Zeit geboren hatte und deren Vater unbekannt geblieben war.
Die Art und Weise einer Schulbildung van Schendels ist unbekannt. Eine Abschlussprüfung hatte er nie abgelegt. Ob der Besuch einer Schauspielschule mit der ernsthaften Absicht verbunden war, Schauspieler zu werden, ist ebenfalls unbekannt. 1901 ließ sich van Schendel in den Niederlanden als Lehrer registrieren; zuvor hatte er an einer englischen Grammar School Französisch unterrichtet.
1902 heiratete er Bertha Zimmermann. Das Paar bekam bald eine Tochter, Hubertina. Eine zweite Tochter verschied bereits 1903, und 1905 starb auch Bertha. Danach ließ er sich mit seiner Tochter Hubertina in Doorn. 1908 heiratet van Schendel seine zweite Frau, Anni de Boers. Das Paar hatte eine Tochter und einen Sohn und begann ein Nomadenleben (u.a. wegen des Asthmas der Frau) in Italien, England und Frankreich. Die Familie lebte schlecht und recht von den Einkünften des Vaters aus seiner Arbeit als Schriftsteller, insbesondere von seinen Tantiemen für Übersetzungen ins Deutsche. Van Schendel begründete mit seinem ersten Roman die niederländische Neoromantik. Kritik veranlasste ihn in späteren Romanen zu einem nüchternen und realistischen Stil, fast in Form von Reportagen. Hiervon ist insbesondere sein wohl bekanntester Roman "Das Fregattschiff 'Johanna Maria'" geprägt.

Aus: Fregattschiff Johanna Maria (Übersetzt von Gregor Seferens)

„Morgens und mittags standen Männer mit Kranzbärten auf dem Kai und schauten bei der Arbeit zu. Manchmal blinzelte einer, ehe er weiterging, manchmal nahm einer die Pfeife aus dem Mund, um ein paar Worte zu sagen. Ein Kopfnicken bedeutete Bewunderung, aber es gab niemanden, der nicht bedenklich die Augen zusammengekniffen hätte, wenn er die Höhe der Masten und Stengen maß. Die "Johanna Maria", obwohl stattlich gebaut, mit hohem Bug und kräftigen Spanten, führte tatsächlich unter den Wimpeln eine wagemutige Takelage. Als das Schiff fertig war und die Reeder, die Herren ten Hope, es mit dem Baumeister und dem Kapitän besichtigten, meinten auch sie, daß die obersten Stengen gekürzt werden müßten. Der Kapitän jedoch, der ein glücklicher Mann war, berichtete lachend von ebensolcher Takelage, mit der die Engländer unglaubliche Geschwindigkeiten erreichten, und er gab sein Wort, dasselbe zu tun, wenn die Herren nur für die richtige Ladung sorgten. Anschließend inspizierten sie jeden Teil des Schiffes, vor und achtern, Laderäume, Kombüse und Back, und als sie dann wieder in der Kajüte waren, zufrieden mit der Stabilität und der Genauigkeit der Arbeit, stießen sie mit Rheinwein auf ihr Vertrauen in den Wahlspruch ihres Eigentums an. Kapitän Jan Wilkens hatte von nun an das Kommando. In der Betriebsamkeit der nächsten Tage schwand die Unversehrtheit des Decks. Die Öl-Schmierfett-Tonnen hinterließen Flecken, die die Maserung des Holzes zum Glänzen brachten, die Ketten und Blöcke schlugen beim Fallen Kerben, die schweren Kästen, Kisten und Fässer verursachten breite Kratzer, die Stiefel der Schauerleute brachten Dreck an Bord, der das Holz um die Luken herum trotz Scheuerns rasch verfärbte. Es war eine gute Ladung, aber die Verschiedenartigkeit der Waren gefiel dem Kapitän nicht, so daß er selbst in den Laderaum stieg, um dafür zu sorgen, daß alles ordentlich verstaut wurde.“








Arthur van Schendel (5. März 1874 – 11 September 1946)
Porträt von Jan Toorop

Mittwoch, 4. März 2009

Kristof Magnusson, Khaled Hosseini

Der isländisch-deutsche Schriftsteller Kristof Magnusson wurde am 4. März 1976 in Hamburg geboren. Nach dem Abitur leistete Magnusson seinen Anderen Dienst bei der Aktion Sühnezeichen in einem Obdachlosenasyl in New York und absolvierte eine Ausbildung zum Kirchenmusiker bei der evangelischen Landeskirche Nordelbien. Anschließend studierte er am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und an der Universität Reykjavík. Bekannt wurde er durch seine Komödie Männerhort, die 2003 am Schauspiel Bonn uraufgeführt wurde. Im November 2005 feierte das Stück auch am Theater am Kurfürstendamm in Berlin Premiere. Außerdem veröffentlichte Magnusson zahlreiche Erzählungen, Reportagen und Essays in in- und ausländischen Zeitungen und Zeitschriften und betätigt sich als Übersetzer aus dem Isländischen (u.a. Gedichte von Sigurbjörg Þrastardóttir und Theaterstücke von Þorvaldur Þorsteinsson). Im August 2005 erschien sein Romandebüt Zuhause im Münchner Verlag Antje Kunstmann.

Aus: Summer of Love

“Günther erzählte mir, dass Bolinas ein Fischerdorf war, das Anfang der Siebziger von Hippies übernommen wurde. Er selbst sei seit zehn Jahren hier, eigentlich Fahrlehrer aus Bochum, aber nach einem Lottogewinn aus der Deutschland AG ausgestiegen. Hier habe er Frieden gefunden, kein Massentourismus bringe die Gewalt und den Konsum aus der Außenwelt hierher. Alle Wegweiser, die die Straßenmeisterei auf der Landstraße aufstellte, verschwänden noch in der selben Nacht. Hastig fügte er hinzu, dass ich natürlich okay sei, weil kein Massentourist. Man lebe gut hier, immer gebe es etwas zu feiern und zu rauchen; ganz besonders heute, auf der Geburtstagsparty für den Summer of Love. Man könne auch im Saloon sitzen, der übrigens Zimmer vermiete, und Gün Tonics trinken, oder Gün Fiddich. Er lachte und bot an, mich zu massieren. Ich stand auf und bekam seine Visitenkarte: Günther, massage for the working class, Ocean View Boulevard, Bolinas. Ich ging.
Es war ein heißer Tag. Als ich zum ersten Mal mit den Füßen auf die Dorfstra-ße trat, merkte ich, wie weich und klebrig der Teer war. Eine Frau mit langen grauen Zöpfen kämpfte mit einem handbetriebenen Rasenmäher. Er blieb im viel zu hohen Gras stecken, aber sie versuchte es immer wieder mit einer Beharrlichkeit, die ich in einem Hippiedorf einer Wiese gegenüber nicht erwartet hätte. Auf dem Weg zum Strand wurde es immer hektischer: Schüsseln, Lebensmittel, Bierdosen und Colaflaschen wurden zum Strand getragen, ein großer Grill wurde angefeuert. Im Sand war eine Bühne aufgebaut und eine Band begann mit dem Soundcheck. Ich ging in den Saloon und mietete mir ein Zimmer.”







Kristof Magnusson (Hamburg, 4. März 1976)




Der afghanisch-amerikanischer Schriftsteller Khaled Hosseini wurde am 4. März 1965 in Kabul geboren. Hosseinis Vater stand im Dienst des afghanischen Außenministeriums, seine Mutter unterrichtete Persisch und Geschichte an einer Mädchen-High-School. Khaled Hosseini ist das älteste von fünf Kindern. Von 1970 bis 1973 lebte die Familie in Teheran (Iran). 1976, drei Jahre vor der sowjetischen Invasion, zog sie nach Paris, wo der Vater einen Posten in der afghanischen Botschaft bekam. Ursprünglich sollte die Familie nach vier Jahren nach Kabul zurückkehren. Die sowjetische Invasion im Heimatland Afghanistan veranlasste sie jedoch, in den USA politisches Asyl zu beantragen, welches den Hosseinis 1980 gewährt wurde. Die Familie ließ sich in San José (Kalifornien) nieder. Hosseini erlangte 1984 seinen High-School-Abschluss und nahm anschließend an der Santa Clara University ein Studium der Biologie auf, das er 1988 mit dem akademischen Grad Bachelor abschloss. In den folgenden Jahren studierte er an der medizinischen Fakultät der University of California (San Diego). Dort wurde er 1993 zum Doktor der Medizin promoviert. 1996 schloss Hosseini seine Fachausbildung zum Internisten am Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles ab. Seit 1996 arbeitet er als Internist.Khaled Hosseini hatte sich schon als Kind für Literatur interessiert und auch selbst geschrieben. Im Jahr 2003 erschien sein erster Roman Drachenläufer, der 2007 unter dem Titel The Kite Runner (deutscher Titel Drachenläufer) verfilmt wurde. Sein zweites Buch A Thousand Splendid Suns (Deutsch: Tausend strahlende Sonnen) erschien 2007.

Aus: Drachenläufer (Übersetzt von Angelika Naujokat, Michael Windgassen)


„Der frisch gefallene Schnee glitzerte auf den Straßen, und der Himmel war makellos blau. Der Schnee bedeckte jedes Dach und lastete auf den Zweigen der verkümmerten Maulbeerbäume, die unsere Straße säumten. Über Nacht war der Schnee in alle Ritzen und Spalten gedrungen. Ich schaute blinzelnd in das blendende Weiß, als Hassan und ich durch das schmiedeeiserne Tor traten. Ali schloss das Tor hinter uns. Ich hörte, wie er leise ein Gebet sprach - das tat er immer, wenn sein Sohn das Haus verließ.
Ich hatte noch nie so viele Menschen in unserer Straße gesehen. Kinder warfen Schneebälle, zankten sich, jagten hintereinander her, kicherten. Drachenkämpfer und ihre Helfer steckten die Köpfe zusammen, trafen letzte Vorbereitungen. Aus angrenzenden Straßen vernahm ich Lachen und Geplapper. Die Dächer waren schon voller Zuschauer, die es sich auf Gartenstühlen bequem gemacht hatten. Heißer Tee dampfte aus Thermoskannen, und die Musik von Ahmad Zahir plärrte aus den Kassettenrecordern. Der unglaublich populäre Ahmad Zahir hatte die afghanische Musik revolutioniert und die Puristen empört, weil er den traditionellen Musikinstrumenten tabla und Harmonium elektrische Gitarren, Schlagzeug und Bläser hinzugefügt hatte; auf der Bühne oder auf Partys setzte er sich über die vorgeschriebene strenge, ja abweisende Haltung der älteren Sänger hinweg und lächelte doch tatsächlich beim Singen - lächelte manchmal sogar Frauen zu. Ich wandte meinen Blick zu unserem Dach und entdeckte dort oben Baba und Rahim Khan, die in dicke Wollpullover gekleidet auf einer Bank saßen und Tee tranken. Baba winkte. Ich konnte nicht erkennen, ob es mir oder Hassan galt.
»Wir sollten uns bereitmachen«, sagte Hassan. Er trug schwarze Schneestiefel aus Gummi, einen leuchtend grünen chapan-Umhang über einem dicken Pullover und abgewetzte Cordhosen. Sonnenlicht ergoss sich über sein Gesicht, und ich sah, wie gut die rosafarbene Narbe über seiner Lippe verheilt war.“







Khaled Hosseini (Kabul, 4. März 1965)

Dienstag, 3. März 2009

James Merrill

Der amerikanischer Lyriker und Schriftsteller James Ingram Merrill wurde am 3. März 1926 in New York City geboren. In seiner Kindheit genoss Merrill ein privilegiertes Leben und eine gute Erziehung. Er erhielt Privatunterricht und lernte Französisch und Deutsch. In seinem Gedicht Lost in Translation schreibt Merrill über seine Kindheitserfahrungen. Seine Eltern trennten sich, als Merrill 11 Jahre alt war und ließen sich scheiden, als er 13 Jahre alt war. Merrill besuchte als Teenager die Lawrenceville School. Als Merrill 16 Jahre alt wurde, begann sein Vater seine Kurzgeschichten und Gedichte zu sammeln und veröffentlichte diese als Überraschung unter dem Titel Jim's Book. 1944 unterbrach Merrill sein Studium für einen achtmonatigen Einsatz in der United States Army. 1945 kehrte er an das Amherst College zurück und graduierte dort 1947. Eine Sammlung seiner Gedichte unter dem Titel The Black Swan veröffentlichte sein Mentor Professor Kimon Friar am Amherst College und 1946 privat in Athen, Griechenland. 1951 veröffentlichte Merrill seine erste verlegerisch besorgte Ausgabe First Poems durch Alfred A. Knopf.
Merrill verliebte sich in den Autor David Jackson, mit dem er vier Jahrzehnte zusammenlebte. Merrill und Jackson trafen sich 1953 in New York City nach einer Performance von Merrills The Bait. Gemeinsam zogen sie 1955 nach Stonington, Connecticut. In den folgenden beiden Jahrzehnten verbrachten sie jeweils einen Teil des jeweiligen Jahres in Athen, Griechenland.
In den Memoiren von 1993 zeichnet Merrill ein Porträt des schwulen Lebens in den frühen 1950ern, in denen er Beziehungen mit verschiedenen Männern wie den Autor Claude Fredericks, den Kunsthändlern Robert Isaacson, David Jackson und den Schauspieler Peter Hooten schildert.
Bereits zu Beginn seiner schriftstellerischen Karriere gewann Merrill für The Black Swan den Glascock Prize. Im Laufe seines weiteren schriftstellerischen Schaffens erhielt er zahlreiche bedeutende Poesieauszeichnungen in den Vereinigten Staaten, inklusive 1977 den Pulitzer Preis für Divine Comedies.



Voices from the Other World

Presently at our touch the teacup stirred,
Then circled lazily about
From A to Z. The first voice heard
(If they are voices, these mute spellers-out)
Was that of an engineer

Originally from Cologne.
Dead in his 22nd year
Of cholera in Cairo, he had KNOWN
NO HAPPINESS. He once met Goethe, though.
Goethe had told him: PERSEVERE.

Our blind hound whined. With that, a horde
Of voices gathered above the Ouija board,
Some childish and, you might say, blurred
By sleep; one little boy
Named Will, reluctant possibly in a ruff

Like a large-lidded page out of El Greco, pulled
Back the arras for that next voice,
Cold and portentous: ALL IS LOST.
FLEE THIS HOUSE. OTTO VON THURN UND TAXIS.
OBEY. YOU HAVE NO CHOICE.

Frightened, we stopped; but tossed
Till sunrise striped the rumpled sheets with gold.
Each night since then, the moon waxes,
Small insects flit round a cold torch
We light, that sends them pattering to the porch . . .

But no real Sign. New voices come,
Dictate addresses, begging us to write;
Some warn of lives misspent, and all of doom
In way’s that so exhilarate
We are sleeping sound of late.

Last night the teacup shattered in a rage.
Indeed, we have grown nonchalant
Towards the other world. In the gloom here,
our elbows on the cleared
Table, we talk and smoke, pleased to be stirred

Rather by buzzings in the jasmine, by the drone
Of our own voices and poor blind Rover’s wheeze,
Than by those clamoring overhead,
Obsessed or piteous, for a commitment
We still have wit to postpone

Because, once looked at lit
By the cold reflections of the dead
Risen extinct but irresistible,
Our lives have never seemed more full, more real,
Nor the full moon more quick to chill.





The Victor Dog

Bix to Buxtehude to Boulez,
The little white dog on the Victor label
Listens long and hard as he is able.
It's all in a day's work, whatever plays.

From judgment, it would seem, he has refrained.
He even listens earnestly to Bloch,
Then builds a church upon our acid rock.
He's man's--no--he's the Leiermann's best friend,

Or would be if hearing and listening were the same.
Does he hear?I fancy he rather smells
Those lemon-gold arpeggios in Ravel's
"Les jets d'eau du palais de ceux qui s'aiment."

He ponders the Schumann Concerto's tall willow hit
By lightning, and stays put.When he surmises
Through one of Bach's eternal boxwood mazes
The oboe pungent as a bitch in heat,

Or when the calypso decants its raw bay rum
Or the moon in Wozzeck reddens ripe for murder,
He doesn't sneeze or howl; just listens harder.
Adamant needles bear down on him from

Whirling of outer space, too black, too near--
But he was taught as a puppy not to flinch,
Much less to imitate his bête noire Blanche
Who barked, fat foolish creature, at King Lear.

Still others fought in the road's filth over Jezebel,
Slavered on hearths of horned and pelted barons.
His forebears lacked, to say the least, forebearance.
Can nature change in him?Nothing's impossible.

The last chord fades.The night is cold and fine.
His master's voice rasps through the grooves' bare groves.
Obediently, in silence like the grave's
He sleeps there on the still-warm gramophone

Only to dream he is at the première of a Handel
Opera long thought lost--Il Cane Minore.
Its allegorical subject is his story!
A little dog revolving round a spindle

Gives rise to harmonies beyond belief,
A cast of stars . . . . Is there in Victor's heart
No honey for the vanquished?Art is art.
The life it asks of us is a dog's life.







James Merrill (3. März 1926 – 6. Februar 1995)

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