Aktuelle Beiträge

Christina Viragh, Derek...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 23. Jan, 19:14
Felicitas Hoppe, Margit...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 23. Dez, 07:50
Rebecca West, Heinrich...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 23. Dez, 07:49
Rafał Wojaczek, Peter...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 6. Dez, 20:44
Joseph Conrad, France...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 3. Dez, 22:09
Daniel Pennac, Mihály...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 1. Dez, 19:24
Carlo Levi, Jean-Philippe...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 29. Nov, 16:30
Eugène Ionesco, William...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 26. Nov, 22:17
Nadine Gordimer, Thomas...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 20. Nov, 22:11
José Saramago, Hugo Dittberner
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 16. Nov, 19:17
Jurga Ivanauskaitė, Taha...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 14. Nov, 19:28
C.K.Williams, Klabund
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 4. Nov, 19:16
Bilal Xhaferri, Leo Perutz
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 2. Nov, 19:07
Dylan Thomas, Sylvia...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 27. Okt, 19:56
Stephen L. Carter, Karin...
DIESER BLOG WIRD HIER NICHT MEHR WEITERGEFÜHRT!!! DIE...
froumen - 26. Okt, 19:51

Mein Lesestoff


Thomas Mann
6. Juni - 12. August 1955


Rainer Maria Rilke
4. Dezember 1875 - 29. Dezember 1926


Georg Trakl
3. Februar 1887 - 4. November 1914

Archiv

September 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 
 

Weltliteratur

Montag, 9. Februar 2009

Rainer Maria Gerhardt, Amy Lowell

Der deutsche Lyriker, Schriftsteller, Verleger und Übersetzer Rainer Maria Gerhardt wurde am 9. Februar 1927 in Karlsruhe geboren. Gerhardt besuchte die Volksschule und begann 1941 eine Ausbildung bei einer Lebensversicherung in Karlsruhe. 1942 verlor er durch einen Bombenangriff seine Wohnung und beendete seine Lehre in Wien. Dort kam er mit moderner Literatur und Musik in Berührung. 1947 besuchte er als Gasthörer Philosophievorlesungen an der Universität Freiburg und versuchte, Anschluss an die aktuelle amerikanische Lyrik (Ezra Pound, William Carlos Williams, Charles Olson und Robert Creeley) zu finden. In seinem Verlag fragmente publizierte er neben Titeln von Ezra Pound, Claire Goll und Claus Bremer auch eigene Bücher, in der von ihm edierten Zeitschrift fragmente standen Texte von Ezra Pound, William Carlos Williams, Basil Bunting, T.S. Eliot, Robert Creeley, Aimé Césaire, Henry Miller, die er gemeinsam mit seiner Frau zum Teil zum ersten Mal ins Deutsche übertrug. In Deutschland fand Gerhardt Anerkennung bei Ernst Robert Curtius, Alfred Andersch und Hans Magnus Enzensberger, international bei Autoren wie William Carlos Williams, André Breton, Max Ernst und Jean Arp. Gerhardt scheiterte an der fehlenden breiten Anerkennung, die ihn, finanziell ruiniert und literarisch isoliert, 1954 in den Selbstmord trieb. Das Gesamtwerk »Umkreisung« erschien zu Gerhardts 80. Geburtstag im Februar 2007 und wurde in der Berliner Akademie der Künste der Öffentlichkeit vorgestellt.



für renate

der wind bricht auf diese nacht
quirrt weint
habe die nacht gesehen
kann nicht schlafen
der bruder ist fortgegangen
ich höre
die tür hat geknarrt
nun ist sie verschlossen
ich habe fusstapfen gesehen
in frischer erde
CATULLUS
CATULLUS
keine kraft
wenn nicht diese: eine geschichte von dir und mir
keine kraft wenn nicht diese
von dir und mir
hat kein auge sich aufgetan
hat kein vogel berichtet
hat der wind nicht geschrien
keine kraft
wenn nicht du und ich
eine passage
metaphysik oder liebe
CATULLUS
CATULLUs
pauper amavi
CATULLUs.




1. satz: ausfahrt

I
Keinem ist hauch gegeben.
Es schwingen, fallen tauben ins gebreite.
Vergilbter neben kräuselt welke weite,
Und schwarze stümpfe stossen ins gewölk.
Der wunde wald stürzt dunkel hin zum bache,
Und schreiend wälzen sich zur falben flache
Purpurne himmel über rot gebälk.
Die feste stadt streckt kalte schattenarme
zur erzesader und zum vogelschwarme.
Die Fischer aus den faulen flächen fliehn.
Und häuser neben häusern auferstehen
Und fallen nieder und die winde wehen.
Es treibt der blauen tauben flug dahin.







Rainer Maria Gerhardt (9. Februar 1927 – 27. Juli 1954)





Die amerikanische Dichterin Amy Lowell wurde am 9. Februar 1874 in Brookline, Massachusetts. Sie entstammte einer der vornehmsten Familien Bostons. Ihr Bruder Percival Lowell wurde als Astronom berühmt. Ein anderer Bruder, Abbott Lawrence Lowell, brachte es bis zum Präsidenten der Harvard-Universität. Sie selbst studierte nicht, las sich aber eine umfassende Bildung an und begann selbst zu dichten. 1910 wurden einige ihrer Gedichte im Atlantic Monthly erstmals veröffentlicht. 1912 erschien ihr erster Gedichtband A Dome of Many-Coloured Glass. Der Band war nur ein mäßiger Erfolg, was Amy Lowell tief verletzte. 1926 wurde ihr für den Band What's O'Clock postum der Pulitzer-Preis für Lyrik zugesprochen. Im Jahr 1912 traf sie auch Ada Dwyer Russell, die ihre Lebensgefährtin wurde. Neben ihrer Lyrik schrieb Lowell auch Studien zur französischen Lyrik und eine Biografie über John Keats. Ihr Werk erfreut sich insbesondere in der feministischen Literaturkritik wieder erhöhter Beachtung, dies insbesondere ihrer homoerotischen Gedichte wegen, die sie für ihre Lebensgefährtin schrieb.



Aubade

As I would free the white almond from the green husk
So I would strip your trappings off,
Beloved.
And fingering the smooth and polished kernel
I should see that in my hands glittered a gem beyond counting.





The Matrix

Goaded and harassed in the factory
That tears our life up into bits of days
Ticked off upon a clock which never stays,
Shredding our portion of Eternity,
We break away at last, and steal the key
Which hides a world empty of hours; ways
Of space unroll, and Heaven overlays
The leafy, sun-lit earth of Fantasy.
Beyond the ilex shadow glares the sun,
Scorching against the blue flame of the sky.
Brown lily-pads lie heavy and supine
Within a granite basin, under one
The bronze-gold glimmer of a carp; and I
Reach out my hand and pluck a nectarine.




The Taxi

When I go away from you
The world beats dead
Like a slackened drum.
I call out for you against the jutted stars
And shout into the ridges of the wind.
Streets coming fast,
One after the other,
Wedge you away from me,
And the lamps of the city prick my eyes
So that I can no longer see your face.
Why should I leave you,
To wound myself upon the sharp edges of the night?







Amy Lowell (9. Februar 1874 – 12. Mai 1925)

Sonntag, 8. Februar 2009

Gert Jonke, Eva Strittmatter

Der österreichische Lyriker, Dramatiker, Erzähler und Hörspielautor Gert Friedrich Jonke wurde am 8. Februar 1946 in Klagenfurt geboren. Jonke besuchte das humanistische Gymnasium und das Kärntner Landeskonservatorium in seiner Heimatstadt Klagenfurt. Nach Ableistung des Wehrdienstes studierte er ab 1966 Germanistik, Geschichte, Philosophie und Musikwissenschaft an der Universität Wien und besuchte die Akademie für Film und Fernsehen. 1970 war er Mitarbeiter in der Hörspielabteilung des Süddeutschen Rundfunks. 1971 ging er mit einem Stipendium nach West-Berlin, wo er fünf Jahre blieb. Es folgten ein einjähriger Aufenthalt in London und ausgedehnte Reisen in den Mittleren Osten und nach Südamerika. Seit 1978 hielt sich Jonke wieder in Österreich auf, er hatte seinen Wohnsitz in Wien, wo er als freier Schriftsteller tätig war. 1977 erhielt er den Ingeborg-Bachmann-Literaturpreis, 1987 den Österreichischen Würdigungspreis für Literatur. Jonke war an der Vienna Poetry Academy/Schule für Dichtung (sfd) als Lehrer tätig und Mitglied verschiedener Interessenverbände. Sein Werk umfasste Erzählungen, Romane, Essays, Theaterstücke, Drehbücher und Hörspiele. Gert Jonke erlag am 4. Januar 2009 im Alter von 62 Jahren einer schweren Krebserkrankung.

Aus: Insektarium

„"Mir passiert es sehr oft, und zwar immer, wenn ich beim Schreiben von Geschichten wieder von vorne beginne, daß deren erstes Wort mir im Mund gefriert, ehe ich es aussprechen könnte wie ein Ort oder der Name eines Ortes, wo noch nie jemand gewesen ist, weil ich mit dieser Geschichte immer wieder jene Orte suche, wo noch niemand gewesen sein kann, um somit neue, unbetretbare Welten zu erfinden, aber ich bleibe schon beim ersten Wort meiner Geschichte stehen und stecken; ich versuche also, dieses Wort auf ein Blatt Papier zu schreiben. Das scheint sehr gut zu gelingen, und beinah wäre das Wort von dem Stift, den ich ergriffen habe, niedergeschrieben worden. Doch kurz bevor er das Wort geschrieben hat, stellt der Stift in meiner Hand sich deutlich als jener Stift eines Forschungsschiffes heraus, das schon vor hundert Jahren mit einer Expedition ins nördliche Eismeer aufgebrochen war und damals unmittelbar nach dem Beginn der Expedition in Vergessenheit geriet, weil das Schiff bis heute noch immer fossiliert in einem versteinerten Nordlichtquader wie eine Fliege im Bernstein steckengeblieben ist und noch immer steckt, dort, verschollen, vergessen, bis jetzt, bis mein Stift quer durchs arktische Eis des Papiers zu diesen nach wie vor in einem riesigen Lichtkristall steckengebliebenen Mitgliedern dieser vergessenen Expedition vorzudringen versucht, mit meiner wie ein Eisbrecher sich zu dem weißen Eispanzer hinüberschreibenden, ihn zerschneidenden Feder des Stifts, um an den erstarrten Minen dieser Leute abzulesen, wo denn der gesuchte Ort, den auch sie noch nicht ganz erreicht hatten, denn etwa liege ..."







Gert Jonke (8. Februar 1946 – 4. Januar 2009)




Die deutsche Dichterin und Schriftstellerin Eva Strittmatter (eig. Braun) wurde am 8. Februar 1930 in Neuruppin geboren. 1947 legte Eva Strittmatter das Abitur ab und begann in Berlin das Studium der Germanistik, Romanistik und Pädagogik. 1950 heiratete sie und gebar einen Sohn. Die Ehe wurde jedoch bald wieder geschieden. Noch vor der Scheidung lernte sie Erwin Strittmatter kennen, den sie bald darauf heiratete. Seit 1951, nach dem Abschluss ihres Studiums, arbeitete Eva Strittmatter freiberuflich beim „Deutschen Schriftstellerverband“ der DDR als Lektorin. Ab 1952 veröffentlichte sie literaturkritische Arbeiten in der Literaturzeitschrift ndl. Von 1953 bis 1954 war sie Lektorin beim Kinderbuchverlag der DDR. Zudem wurde sie 1953 Mitglied des ndl-Redaktionsbeirates. Seit 1954 ist sie freie Schriftstellerin. Sie veröffentlichte vor allem Gedichte, aber auch Prosa für Kinder und Erwachsene. Von 1960 bis 1972 unternahm sie in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Auslandskommission des Schriftstellerverbandes der DDR zahlreiche Reisen in die Sowjetunion und nach Jugoslawien. 1994 starben innerhalb von nur neun Monaten ihre Mutter, ihr Mann Erwin und ihr Sohn Matti. Sie lebt heute im brandenburgischen Schulzenhof.


Einsamkeit

Ich wollte in der
Stille sein.
Bin in den Wald
gegangen.
Und habe mich im
Spinnennetz
Der Einsamkeit
gefangen.





Immer

Ich liebe immer.
Die Entzückungen
der Seele.
Die in ein Auge
sieht, das Antwort
gibt,
Sie sind es, die ich
schamlos stehle.
Und niemand weiß,
wen ich geliebt,
als nur der eine,
den ich anseh,
Für eine Stunde,
einen Tag,
Und der mit
eingeht in mein
Fernweh.
Nach dem ich
immer wieder frag.








Eva Strittmatter (Neuruppin, 8. Februar 1930)

Samstag, 7. Februar 2009

Charles Dickens, Heinz Czechowski

Der englische Schrifsteller und Verleger Charles Dickens wurde am 7. Februar 1812 in Landport bei Portsmouth geboren. Aufgewachsen ist er bei seinen Eltern in ärmlichen Verhältnissen. Im Jugendalter zog die Familie nach Chatham. Hier besuchte Charles Dickens die Schule. Als er das zehnte Lebensjahr erreicht hatte, zog die Familie weiter nach London. Nachdem sein Vater hier 1824 ins Schuldgefängnis kam, musste er die Schule abbrechen, um als Hilfsarbeiter den Lebensunterhalt der Familie zu erarbeiten. Nach seiner Tätigkeit als Schreiber bei einem Rechtsanwalt wurde er 1829 Gerichts-Stenograph und 1831 Parlamentsberichterstatter. Ab 1832 schrieb er für den "Mirror of Parliament" sowie für die liberale Zeitung "The Morning Chronicle". 1833 veröffentlichte er unter dem Pseudonym "Boz" im "Monthly Magazine" eine erste Serie von Skizzen (Sketches) des Londoner Alltagslebens. Die während dieser Zeit entstandenen Buchskizzen veröffentlichte er unter dem Pseudonym "Boz" als "Pickwick Papers", die ihm erste große Beachtung als Schriftsteller einbrachten. Indes machte er sich Ende der 1830er Jahre als Verleger selbstständig. 1838 edierte der Autor die Autobiographie des Clowns Joseph Grimaldi. Im selben Jahr markierte sein Roman "Oliver Twist" (1938) seinen Durchbruch als Literat.

Aus: A Tale of Two Cities

“The stone faces on the outer walls stared blindly at the black night for three heavy hours; for three heavy hours the horses in the stables rattled at their racks, the dogs barked, and the owl made a noise with very little resemblance in it to the noise conventionally assigned to the owl by men-poets. But it is the obstinate custom of such creatures hardly ever to say what is set down for them.
For three heavy hours, the stone faces of the chateau, lion and human, stared blindly at the night. Dead darkness lay on all the landscape, dead darkness added its own hush to the hushing dust on all the roads. The burial-place had got to the pass that its little heaps of poor grass were undistinguishable from one another; the figure on the Cross might have come down, for anything that could be seen of it. In the village, taxers and taxed were fast asleep. Dreaming, perhaps, of banquets, as the starved usually do, and of ease and rest, as the driven slave and the yoked ox may, its lean inhabitants slept soundly, and were fed and freed.
The fountain in the village flowed unseen and unheard, and the fountain at the chateau dropped unseen and unheard - both melting away, like the minutes that were falling from the spring of Time - through three dark hours. Then, the grey water of both began to be ghostly in the light, and the eyes of the stone faces of the chateau were opened.
Lighter and lighter, until at last the sun touched the tops of the still trees, and poured its radiance over the hill. In the glow, the water of the chateau fountain seemed to turn to blood, and the stone faces crimsoned. The carol of the birds was loud and high, and, on the weather-beaten sill of the great window of the bedchamber of Monsieur the Marquis, one little bird sang its sweetest song with all its might. At this, the nearest stone face seemed to stare amazed, and, with opened mouth and dropped under-jaw, looked awe-stricken.“






Charles Dickens (7. Februar 1812 – 9. Juni 1870)
Porträt von Samuel Drummond






Der deutsche Lyriker und Dramaturg Heinz Czechowski wurde am 7. Februar 1935 in Dresden geboren. Nach einer Ausbildung als grafischer Zeichner und Tätigkeit als Vermessungsgehilfe und technischer Zeichner studierte er 1958 bis 1961 am Institut für Literatur "Johannes R. Becher" in Leipzig, wo er stark von Georg Maurer (Sächsische Dichterschule) beeinflusst wurde. 1957 wurden erste Gedichte in der Zeitschrift "Neue deutsche Literatur" veröffentlicht. 1961 bis 1965 war er Lektor beim Mitteldeutschen Verlag in Halle (Saale). 1971 bis 1973 war er Dramaturg an den Bühnen der Stadt Magdeburg. Seitdem lebt er als freier Schriftsteller. Czechowski ist Gründungsmitglied der Freien Akademie der Künste zu Leipzig. Czechowski trat auch als Nachdichter hervor (u.a.: Anna Achmatowa, Michail Lermontow, Marina Zwetajewa, Giannis Ritsos).

Aus: Die Pole der Erinnerung

„Manchmal habe ich das Gefühl, mein bestes literarisches Material, nämlich die Kindheit während des Kriegs und der Nachkriegszeit, bisher vernachlässigt zu haben. Es erinnert mich daran, wie schwer es ist, zu beschreiben, wie sich die Fleischermeisterin hinter der geschlossenen Jalousie an einem
Sommermittag gut hörbar mit einem ihrer Gesellen vergnügte.
Es hatte sich, wie so vieles, unter uns herumgesprochen, was die Fleischermeisterin in den Mittagsstunden hinter heruntergelassener Jalousie trieb. Also standen wir heimlich lauschend im
Vorgarten unter dem Parterrefenster der Fleischermeisterin ...
Es gab ein Häuschen am Gaußgäßchen in Alt Trachau, in dem angeblich eine Hexe lebte. Überhaupt erschien uns der Rundling slawischen Ursprungs mit seinen damals noch intakten
Bauernhöfen voller Geheimnisse. Hinter den meist gut verschlossenen Toren der Dreiseitenhöfe, durch deren Ritzen wir einen Blick riskierten, waren die Bauernfamilien unter sich ...
Beim Bauern Trobisch konnte man, wenn man Glück hatte, ein Glas Buttermilch trinken. Gleich hinter dem Dörfchen fuhr auf der Leipziger Straße die Linie 13 nach Radebeul. Das Dorf war von Mietskasernen der Jahrhundertwende umstellt. In einem dieser Häuser auf der Teichstraße lebte der Maler Rosenhauer, der eine winterliche Szene gemalt hat: eine alte Frau, ein Kuchenblech tragend, die die Straße überquert ... Von ihm wußten wir freilich nichts, und das erwähnte Bild sah ich Jahrzehnte später. Trotzdem gehört die kuchenblechtragende Frau zu den Polen der Erinnerung ...“






Heinz Czechowski (Dresden, 7. Februar 1935)

Freitag, 6. Februar 2009

Thomas von Steinaecker, Heinz Kahlau

Der deutsche Schriftsteller und Journalist Thomas von Steinaecker wurde am 6. Februar 1977 in Traunstein. Steinaecker studierte Literaturwissenschaft in München und an der University of Cincinnati und promovierte im Jahr 2006 mit einer Arbeit über literarische Fototexte bei Rolf Dieter Brinkmann, Alexander Kluge und W. G. Sebald. Während des Studiums arbeitete er als freier Mitarbeiter bei den Zeitschriften www.textem.de und Kultur & Gespenster. 2007 sendete der Bayerische Rundfunk sein erstes Hörspiel, Meine Tonbänder sind mein Widerstand. Für seinen Debüt-Roman Wallner beginnt zu fliegen wurde er im Jahr 2007 mit dem Aspekte-Literaturpreis, dem Bayerischen Kunstförderpreis sowie 2008 mit dem Literaturförderpreis der Deutschen Wirtschaft ausgezeichnet,

Aus: Geister

„Es ist Ulrikes 26. Geburtstag. Zu allem Überfluss. Nicht dass seine Eltern darüber offen reden würden. Es sind diese kleinen Gesten und wie nebenbei gemachten Bemerkungen, die Jürgen killen. Letzten Samstag zum Beispiel. Da saßen sie beim Abendessen. Schon eine ganze Weile war das Gespräch über einen Arbeitskollegen seines Vaters verstummt [Jürgen war in Gedanken völlig bei seinen schwachsinnigen Alpträumen oder besser: ihren Folgen gewesen], als sein Vater in das Besteckklappern hinein diesen Satz, nur diesen einen, sagte als ob er laut denke und ihm schon die ganze Zeit ein Monolog durch den Kopf rausche. „Vielleicht wäre sie verheiratet.“






Thomas von Steinaecker (Traunstein, 6. Februar 1977)




Der deutsche Lyriker Heinz Kahlau wurde am 6. Februar 1931 in Potsdam-Drewitz geboren. Heinz Kahlau arbeitete nach seinem Schulbesuch zunächst als ungelernter Arbeiter in verschiedenen Berufen. 1949 ging er nach Berlin. Hier studierte er von 1953 bis 1956 an der Akademie der Künste, wo er u.a. von Bertolt Brecht unterrichtet wurde und dessen Meisterschüler er war. Seit 1956 ist er freischaffend tätig. Er veröffentlichte Lyrik, Prosa und Lieder; außerdem war er als Filmautor tätig.
Kahlau war Mitglied der Freien Deutschen Jugend und der SED und ist heute Mitglied der Partei Die Linke. Bisher sind etwa zwanzig Lyrikbände von Heinz Kahlau erschienen. Sein bekanntestes Werk ist der Band Du, eine Sammlung von Liebesgedichten. Zu seinem 75. Geburtstag zog er sich aus Berlin auf die Insel Usedom zurück, wo er weiterhin als Autor arbeitet.


Frost

So kalt, wie dieser Winter war,
darf niemals mehr ein Winter sein.
Sonst friere ich mit Kleid und Haar
bis in die Seele ein.

Ich weiß nicht, wieviel Kälte da
der Frost in meine Haut gebracht.
Ich fror nicht außen, doch ich fror
im Herzen Tag und Nacht.

Der Frost, der mir die Seele schnitt,
fror Blumen in die Augen ein.
Sie schmolzen unter deinem Blick
und sollten Tränen sein.

So kalt, wie dieser Winter war,
darf niemals mehr ein Winter sein.
Sonst friere ich mit Kleid und Haar
bis in die Seele ein.




Sommerlied

Durch deine Haare seh ich den Himmel scheinen.
Auf deiner Haut liegt Sonne, und der See
Hat zwischen deinen braunen Armen Wellen,
Und rings um deinen nackten Fuß ist Klee.

Dort wo du hinschaust, geht ein Wind vorüber,
Die Bäume über dir sind von ihm voll.
In deinen Händen riecht die Luft nach Ernte,
Als ob die Zeit der Reife kommen soll.

Ich seh dich an und seh durch dich den Sommer.
Ich bin der Gast in dieser Sommerruh.
Ich möchte so gern noch etwas bleiben.
Der Sommer meint es gut mit mir. Wie du.







Heinz Kahlau (Drewitz, 6. Februar 1931)

Donnerstag, 5. Februar 2009

Joris-Karl Huysmans, William S. Burroughs

Der französische Schriftsteller Joris-Karl Huysmans wurde am 5. Februar 1848 in Paris geboren. Nach dem Abitur nahm er einen Posten als mittlerer Angestellter im französischen Innenministerium an. Das blieb er, wenn auch mit etlichen Beurlaubungen, 32 Jahre lang (bis 1898). Neben seinen Berufspflichten betätigte sich Huysmans schriftstellerisch. Zunächst publizierte er kürzere Texte in Zeitschriften.1876 lernte er Émile Zola kennen und schloss sich der um diesen versammelten Gruppe der Naturalisten an. Im selben Jahr brachte er seinen ersten Roman heraus: Marthe, histoire d’une fille. 1884 brachte er das Werk heraus, das ihm seinen Platz in der Literaturgeschichte sichern sollte: den Roman À rebours (= Gegen den Strich). Die minimale Handlung kreist um einen dekadenten und neurotischen jungen Aristokraten namens Jean Floressas Des Esseintes. Dieser zieht sich zunehmend aus der für ihn unbefriedigenden sozialen Realität zurück. Er spinnt sich in seinem Vorstadthäuschen in eine artifizielle Welt des Ästhetizismus und Mystizismus ein und landet allmählich am Rande geistiger Umnachtung. 1890 war er einer der Gründer der Académie Goncourt und wurde ihr erster Vorsitzender. Um dieselbe Zeit begann er, offenbar einmal mehr in eine Phase der Sinnsuche eingetreten, sich dem Einfluss okkultistisch interessierter Personen zu öffnen und sich mit entsprechenden Vorstellungen und Praktiken zu beschäftigen. Die Krise mündete schließlich in Frömmigkeit und führte ihn ab 1892 zu mehreren Klosteraufenthalten in der Provinz und zur Einkleidung als Laienbruder in Ligugé bei Poitiers. Die genannte Entwicklung verarbeitete Huysmans in vier Romanen um denselben Protagonisten, einen Schriftsteller namens Durtal. Es sind: Là-bas (Da drüben/da hinten, 1891), En route (Unterwegs, 1895), La Cathédrale (1898) und L'Oblat (Der Laienbruder, 1903). Wenig später zog er sich in ein Pariser Benediktiner-Kloster zurück, wo er nach langem Leiden einem Krebs im Unterkiefer erlag.

Aus: Là-bas

„Tu y crois si bien à ces idées-là, mon cher, que tu as abandonné l'adultère, l'amour, l'ambition, tous les sujets apprivoisés du roman moderne, pour écrire l'histoire de Gilles de Rais - et, après un silence, il ajouta: - Je ne reproche au naturalisme ni ses termes de pontons, ni son vocabulaire de latrines et d'hospices, car ce serait injuste et ce serait absurde; d'abord, certains sujets les hèlent, puis avec des gravats d'expressions et du brai de mots, l'on peut exhausser d'énormes et de puissantes oeuvres, l'Assommoir, de Zola, le prouve; non, la question est autre; ce que je reproche au naturalisme, ce n'est pas le lourd badigeon de son gros style, c'est l'immondice de ses idées; ce que je lui reproche, c'est d'avoir incarné le matérialisme dans la littérature, d'avoir glorifié la démocratie de l'art!
Oui, tu diras ce que tu voudras, mon bon, mais, tout de même, quelle théorie de cerveau mal famé, quel miteux et étroit système! Vouloir se confiner dans les buanderies de la chair, rejeter le suprasensible, dénier le rêve, ne pas même comprendre que la curiosité de l'art commence là où les sens cessent de servir!
Tu lèves les épaules, mais voyons, qu'a-t-il donc vu, ton naturalisme, dans tous ces décourageants mystères qui nous entourent? Rien. - Quand il s'est agi d'expliquer une passion quelconque, quand il a fallu sonder une plaie, déterger même le plus bénin des bobos de l'âme, il a tout mis sur le compte des appétits et des instincts. Rut et coup de folie, ce sont là ses seules diathèses. En somme, il n'a fouillé que des dessous de nombril et banalement divagué dès qu'il s'approchait des aines; c'est un herniaire de sentiments, un bandagiste d'âme et voilà tout!“






Joris-Karl Huysmans (5. Februar 1848 – 12. Mai 1907)




Der amerikanische Schriftsteller William S. Burroughs wurde am 5. Februar 1914 in St. Louis, Missouri geboren. Er wurde der Autor einflussreicher und avantgardistisch-innovativer Werke wie "Soft Machine" und "Naked Lunch". Als Spross einer begüterten Südstaatenfamilie hatte er eine entsprechende Karriere vor sich: Studium der englischen Literatur in Harvard, 1936/37 Medizinstudium in Wien. Doch weitere Studien in Harvard zur Anthropologie brach er ab und schlug sich zu Anfang der Vierziger Jahre in New York als Tellerwäscher, Barmixer, Kammerjäger und Detektiv durch. Hier lernte er Ginsberg und Kerouac kennen, die ihn ermunterten, seine gelegentlichen Schreibversuche zu intensivieren, hier wurde er zum ersten Mal drogenabhängig. Fast 30 Jahre lebt Burroughs in einer Art selbstgewähltem Exil, in Mexiko, Tanger, Paris und London. 1974 kehrte er in die USA zurück, wo er zum Kultautor avanciert und bis zu seinem Tod 1997 die Kunst und Kultur seiner Zeit maßgeblich beeinflusst hat.

Aus: My Mother and I Would Like to Know

„The uneasy spring of 1988. Under the pretext of drug control, suppressive police states have been set up throughout the Western world. The precise programming of thought, feeling, and apparent sensory impressions by the technology outlined in bulletin 2332 enables the police states to maintain a democratic facade from behind which they loudly denounce as criminal perverts and drug addicts anyone who opposes the control machine. Underground armies operate in the large cities, enturbulating the police with false information through anonymous phone calls and letters. Police with drawn guns erupt at the senator's dinner party, a very special dinner party too, that would tie up a sweet thing in surplus planes.
"We been tipped off a nude reefer party is going on here. Take the place apart, boys, and you folks keep your clothes on or I'll blow your filthy guts out."
We put out false alarms on the police short wave directing patrol cars to nonexistent crimes and riots which enables us to strike somewhere else. Squads of false police search and beat the citizenry. False construction workers tear up streets, rupture water mains, cut power connections. Infra-sound installations set off every burglar alarm in the city. Our aim is total chaos.
Loft room, map of the city on the wall. Fifty boys with portable tape recorders record riots from TV. They are dressed in identical grey flannel suits. They strap on the recorders under gabardine topcoats and dust their clothes lightly with tear gas. They hit the rush hour in a flying wedge, riot recordings on full blast, police whistles, screams, breaking glass, crunch of night sticks, tear gas flapping from their clothes. They scatter, put on press cards, and come back to cover the action.“






William S. Burroughs (5. Februar 1914 – 2. August 1997)

Mittwoch, 4. Februar 2009

Norman Ohler, Robert Coover

Der deutsche Schrifsteller und Journalist Norman Ohler wurde am 4. Februari 1970 in Zweibrücken / Pfalz geboren. Er besuchte die Hamburger Journalistenschule und arbeitete für Stern, Geo und Spiegel. Von 1993 bis 1995 hielt er sich in New York auf, wo sein erster Roman, "Die Quotenmaschine", entstand und zunächst als Hypertext im Internet veröffentlicht wurde, als erster Online-Roman weltweit. Heute lebt Norman Ohler in Berlin und New York.

Aus: "Jetzt gibt es da niemanden" (In: Die Zeit, 29 december 2007)

Nach der Ermordung Benasir Bhuttos fürchten Pakistans Intellektuelle, unter ihnen auch Bhutto-Kritiker, den Zerfall des Landes. Mancher gibt Präsident Musharraf die direkte Verantwortung an Bhuttos Tod.

“Eine Kugel findet ihr Zuhause. Eine Kriminelle ist tot. Stunden später brennt Karachi, nicht mit der Trauer der Massen, sondern mit der Wut der Verarmten: tägliche Frustrationen, sonst ungehört in den Betonkorridoren der Macht.
In Karachi setzt der Staub sich nicht, sondern implodiert in Flammen und in mitternächtlichen Schreien und Lachen - und Plünderungen. Farbenfrohe Busse verbrennen zu schwarzen Skeletten. Fahrräder werden gestohlen und gehen in Feuer auf. Eine orangefarbene Opfergabe des Ärgers frisst sich in den Nachthimmel hinein.
Und selbst zum Morgengrauen kann der Staub sich nicht setzen: kann der Staub nur gebrochen werden. Die Toten muss man beerdigen, solange die Erde noch warm, während Mütter und Witwen auf großen öffentlichen Plätzen trauern, bevor das Militär aufmarschiert unter schreienden Sirenen, die den Klang ihrer Trauer ertränken.
Im gutbürgerlichen Stadtteil Defense sind die Straßen still. Unser Atem ist angehalten hinter den verschlossenen Türen. Unsere Tore werden beschützt, von Wachen mit Waffen. Unsere Ohren sind taub vom Luxus der Distanz.
Jenseits der Brücke schicken brennende Reifen Rauchsäulen als Gummiopfer in den Himmel: ziehen den Mob an, der brummt. Männer in billigen Sandalen und Pullovern aus zweiter Hand: Männer, die wie Tage ohne Wasser riechen und wie Nächte in zerschlissenen Tüchern.
Heute Nacht riechen sie angeschmort.
Heute Nacht tragen sie das Feuer in sich und Blut an ihren Händen.”







Norman Ohler (Zweibrücken, 4. Februar 1970)




Der amerikanische Schriftsteller Robert Coover wurde am 4. Februar 1932 in Charles City, Iowa, geboren. Als Vertreter des Postmodernismus verwendet er in seinen experimentellen Werken häufig das Prinzip der Montage und durchzieht seine Romane mit Werbeslogans, Leuchtschriften und Schlagzeilen. Robert Coover lebt heute als Hochschullehrer in Providence, Rhode Island. Er erhielt unter anderem den William-Faulkner Preis für seinen Roman „The Origin of Brunists“. In zahlreichen Romanen, Erzählungen und Dramen bestätigte Coover sich als Vertreter der Avantgarde in der amerikanischen Literatur. Ein wichtiger und bekannter Roman ist „Die öffentliche Verbrennung“ (The Public Burning) aus dem Jahr 1977.

Aus: Stepmother

„Look at it this way, love, I tell her: no more slops to empty.
I get no rise out of her, game as she is, my poor desperate daughter, her head is locked on one thing and one thing only: how to escape her inescapable fate. How many I've seen go this way, daughters, stepdaughters, whatever—some just turn up at my door, I'm never quite sure whose they are or where they come from—but I know where they go: to be drowned, hung, stoned, beheaded, burned at the stake, impaled, torn apart, shot, put to the sword, boiled in oil, dragged down the street in barrels studded on the inside with nails or nailed into barrels with holes drilled in them and rolled into the river. Their going always sickens me and the deep self-righteous laughter of their executioners causes the bile to rise, and for a time thereafter I unleash a storm of hell, or at least what's in my meager power to raise, and so do my beautiful wild daughters, it's a kind of violent mourning, and so they come down on us again and more daughters are caught up in what the Reaper calls the noble toils of justice and thus we keep the cycle going, rolling along through this timeless time like those tumbling nail-studded barrels.
Of course, the child, naked and spread-eagled and shackled to the floor below me, expects me to get her out of this somehow. I'm a witch, I should be able to do something. And it's true, I do have a few tricks, though in general it's more useful to be thought a witch than to be one. An aura lingers on, accruing respect, but tricks are only tricks and they come and go. Magic rings and slippers are misplaced or stolen, unbreakable rods get broken, spells collapse for a fault in the grammar or a memory lapse. To which I'm increasingly given, as if my inborn malice were being mocked by my own particulates. Nevertheless, I've gotten in here only because I've been able to change into a bleating lamb and put her jailors in a trance.“







Robert Coover (Charles City, 4. Februar 1932)

Dienstag, 3. Februar 2009

Georg Trakl, Annette Kolb

Der österreichische Dichter Georg Trakl wurde am 3. Februar 1887 in Salzburg geboren. Georg Trakl wuchs äußerlich wohlbehütet als viertes von sechs Kindern auf. Von 1897 bis 1905 besuchte er das humanistische Staatsgymnasium. Danach entschloss er sich, in der Hauptstadt Wien ab 1908 Pharmazie zu studieren. Er wollte Apotheker werden. Durch Kontakte zum „Akademischen Verband für Literatur und Musik“ wurden seine ersten Werke in der Zeitschrift „Der Brenner“ veröffentlicht. Der Herausgeber unterstützte ihn und erkannte die große literarische Begabung von Georg Trakl. 1910, im Todesjahr seines Vaters, schloss er mühsam sein Studium als Magister der Pharmazie ab und lebte ab 1912 in der Stadt Innsbruck. Danach meldete sich Trakl freiwillig für ein Jahr zum Militär als Medikamentenbeamter. Als Apotheker arbeitete er abwechselnd in Salzburg, Wien und Innsbruck. Aber er hielt es nirgends lange aus. Georg Trakl war ein schwermütiger und unruhiger Einzelgänger. Nur zu seiner Schwester Margarethe (Grethe) hatte er einen starken Bezug. Im Jahre 1912 heiratete „Grethe“ einen deutschen Buchhändler in Berlin. Georg versetzte dies in einen Schockzustand und löste seine kreativste dichterische Lebensphase aus. Bei Kriegsausbruch (1914) rückte er als Medikamentenbetreuer nach Galizien (Ukraine) und musste nach der blutigen Schlacht bei Grodek/Rawa-Ruska alleine für neunzig Schwerverwundete in einer Scheune die Betreuung übernehmen. Trakl erlitt einen Nervenzusammenbruch und wurde von seinen Kameraden daran gehindert, sich selbst zu erschießen. Weil er einen schweren seelischen Schock bekommen hatte, wurde er schließlich zur Beobachtung nach Krakau überführt. Dort starb er im Alter von 27 Jahren an einer Kokainvergiftung. Man ist sich heute nicht sicher, ob es sich dabei um einen Selbstmord oder um einen Unglücksfall handelte


Elis

1

Vollkommen ist die Stille dieses goldenen Tags.
Unter alten Eichen
Erscheinst du, Elis, ein Ruhender mit runden Augen.

Ihre Bläue spiegelt den Schlummer der Liebenden.
An deinem Mund
Verstummten ihre rosigen Seufzer.

Am Abend zog der Fischer die schweren Netze ein.
Ein guter Hirt
Führt seine Herde am Waldsaum hin.
O! wie gerecht sind, Elis, alle deine Tage.

Leise sinkt
An kahlen Mauern des Ölbaums blaue Stille,
Erstirbt eines Greisen dunkler Gesang.

Ein goldener Kahn
Schaukelt, Elis, dein Herz am einsamen Himmel.

2

Ein sanftes Glockenspiel tönt in Elis’ Brust
Am Abend,
Da sein Haupt ins schwarze Kissen sinkt.

Ein blaues Wild
Blutet leise im Dornengestrüpp.

Ein brauner Baum steht abgeschieden da;
Seine blauen Früchte fielen von ihm.

Zeichen und Sterne
Versinken leise im Abendweiher.

Hinter dem Hügel ist es Winter geworden.

Blaue Tauben
Trinken nachts den eisigen Schweiß,
Der von Elis’ kristallener Stirne rinnt.

Immer tönt
An schwarzen Mauern Gottes einsamer Wind.






georg_trakl
Georg Trakl (3. Februar 1887 – 4. November 1914)




Die deutsche Schriftstellerin Annette Kolb wurde am 3. Februar 1870 in München geboren. Ihr Vater Max Kolb war ein illegitimer Sprößling der Wittelsbacher. Verschiedenen Überlieferungen zufolge war entweder der spätere König Maximilian II oder Herzog Max Joseph in Bayern sein Vater. Im ersten Fall wäre der Vater Annette Kolbs ein Halbbruder Ludwigs des II. gewesen, im zweiten Fall ein Halbbruder der Kaiserin Elisabeth von Österreich. Annette Kolb wuchs in München auf. Sie entdeckte ihre Lust am Schreiben und gab 1899 ihr erstes, von ihr selbst finanziertes Buch heraus. Im Ersten Weltkrieg trat sie entschieden für den Pazifismus ein.
1923 ließ sich die Schriftstellerin in Badenweiler nieder. In den zwanziger Jahren spielte sie eine bedeutende Rolle im deutschen Literaturleben. Rainer Maria Rilke war von ihren Romanen begeistert, mit René Schickele, den sie seit 1914 kannte, verband sie eine Freundschaft bis zu seinem Tode im Jahr 1940. 1929 porträtierte die Literatin in einem Buch den französischen Ministerpräsidenten und Friedensnobelpreisträger Aristide Briand. 1933 emigrierte Annette Kolb nach Paris und löste sich damit völlig vom Deutschland der Nationalsozialisten; 1936 wurde sie französische Staatsbürgerin. 1941 floh die 71-jährige nach New York. Nach dem Krieg lebte sie bis 1961 sowohl in Paris wie in München und Badenweiler. Ihren letzten Wohnsitz nahm sie in München. Annette Kolb war bis ins hohe Alter hinein literarisch, musikalisch, journalistisch und politisch aktiv

Aus: Briefe einer Deutsch-Französin

„Du weißt: ich hatte mich von meinen deutschen Landsleuten dadurch vielfach unterschieden, daß ich immer so stolz darauf war, ihnen anzugehören, und daß ich im Ausland mit der aufgezogenen Fahne meines Deutschtums so begeistert herumging. Aber du hast auch gehört, wie unermüdlich ich ihnen zurief: Die Verschmelzung Eurer Wesensart mit der Eurer westlichen Brüder ist für das Heil Europas unerläßlich und die Stunde für eine Anleihe ihrer Qualitäten hat geschlagen. Denn nicht eher seid Ihr die Berufenen. Jawohl! Ich weiß es schon, Ihr seid gründlicher, männlicher, Euer Geist ist weiter ausgebuchtet. Aber Ihr seid die politisch Ungeschulten, die Unpolitischen par excellence. Ihr versteht es nicht, mit den Franzosen auszukommen, was noch alle anderen Nationen fertig brachten.“
(...)

„Die meisten Deutschen sind ja, was die Franzosen anbelangt, von einer Oberflächlichkeit, die sonst gar nicht in ihrem Charakter liegt; dafür wird im gegebenen Fall die Oberflächlichkeit mit entsprechender Gründlichkeit betrieben[…].“







Annette Kolb (3. Februar 1870 – 3. Dezember 1967)

Montag, 2. Februar 2009

James Joyce, James Dickey

Der irische Schrifsteller James Joyce wurde am 2. Februar 1882 in Dublin geboren. Ursprünglich sollte er Priester werden, aber er stand dem Glauben skeptisch gegenüber und zog als 22-Jähriger mit seiner Freundin nach Triest, um der Enge seiner Heimat zu entfliehen. Ab 1915 lebte die Familie - zwei Kinder waren geboren - für fünf Jahre in Zürich, dann in Paris, um sich ab 1940 endgültig in Zürich niederzulassen. Schon sein Erstling, die Geschichtensammlung "Dubliners" (1914), setzte sich kritisch mit der katholisch geprägten irischen Heimat auseinander, ebenso wie das autobiografisch gefärbte "Porträt des Künstlers als junger Mann" (1916). Sein Hauptwerk "Ulysses" wurde nach einem Vorabdruck in der amerikanischen Zeitschrift "Little Review" 1922 in Paris in zensierter Form veröffentlicht (dt. 1927). Der Roman schildert einen Tag im Leben des modernen "Odysseus" und Annoncenmaklers Leopold Bloom. (Der 16. Juni wird als "Bloomsday" alljährlich von einer internationalen Fangemeinde gefeiert.) Bahnbrechend für die westliche Literatur dabei das neue Stilmittel des "streams of consciousness" (Bewusstseinsstrom), d.h. die unmittelbar-ungefilterte Wiedergabe der Gedanken und Gefühle der Personen (z.B. der berühmte lange Schlussmonolog der Molly Bloom!). Der Roman gilt in seinem Themen- und Stoffreichtum als Prototyp des modernen experimentellen Romans. Als schwierig zu rezipieren gilt sein Alterswerk "Finnegans Wake" (1939) über eine schlafende Familie, in dem indische und ägyptische Traditionen und Religionen anklingen.

Aus: Ulysses (Deutsche Übersetzung von Hans Wollschläger)

“Stattlich und feist erschien Buck Mulligan am Treppenaustritt, ein Seifenbecken in Händen, auf dem gekreuzt ein Spiegel und ein Rasiermesser lagen. Ein gelber Schlafrock mit offenem Gürtel bauschte sich leicht hinter ihm in der milden Morgenluft. Er hielt das Becken in die Höhe und intonierte: - Introibo ad altare Dei.

Innehaltend spähte er die dunkle Wendeltreppe hinunter und kommandierte grob:

- Komm rauf, Kinch! Komm rauf, du feiger Jesuit!

Feierlich schritt er weiter und erstieg das runde Geschützlager. Dort machte er kehrt und segnete würdevoll dreimal den Turm, das umliegende Land und die erwachenden Berge. Dann gewahrte
er Stephen Dedalus, verneigte sich vor ihm und schlug rasche Kreuze in die Luft, kehlig glucksend dabei und den Kopf schüttelnd. Stephen Dedalus, mißlaunig und schläfrig, lehnte die Arme auf den Rand der Treppenmündung und betrachtete kalt das sich schüttelnde, glucksende, in seiner Länge pferdehafte Gesicht, das ihn segnete, und das helle untonsurierte Haar, das fleckig getönt war wie matte Eiche.

Buck Mulligan lugte kurz unter den Spiegel und deckte dann mit pfiffiger Miene das Becken zu. - Huschhusch ins Körbchen, sagte er streng. Und im Ton eines Predigers fügte er hinzu:

- Denn dies, o geliebte Gemeinde, ist der wahre eucharistische Jakob: Leib und Seele, potz Blut und Wunden. Getragene Musik, wenn ich bitten darf. Die Augen zu, Herrschaften. Einen Moment. Kleine Panne mit den weißen Korpuskeln. Silentium, alle!

Er spähte schräg in die Höhe und stieß einen langen leisen rufenden Pfiff aus, dann verhielt er eine Weile in gespannter Aufmerksamkeit, und seine ebenmäßigen weißen Zähne glitzerten hier und da golden gepunktet. Chrysostomos. Zwei starke schrille Pfiffe antworteten durch die Stille.







James Joyce (2 februari 1882 – 13 januari 1941)
Statue in Dublin





Der amerikanische Lyriker und Schrifsteller James Lafayette Dickey wurde am 2. Februar 1923 in Atlanta geboren. Dickey wurde in den USA zuerst als Lyriker bekannt. In den folgenden Jahren veröffentlichte er regelmäßig Gedichtbände, verdiente seinen Lebensunterhalt aber mit Nebenjobs, Stipendien und Preisgeldern. Einen großen auch kommerziellen Erfolg hatte er mit seinem Roman Flussfahrt (orig. Deliverance), der bald darauf mit Burt Reynolds unter dem Titel Beim Sterben ist jeder der Erste verfilmt wurde. Er schildert hier die Kanufahrt von vier zivilisationsmüden Amerikanern, die sich zu einem Alptraum aus Bedrohung und Mord entwickelt. Mit keinem seiner folgenden Werke, Lyrik und zwei weiteren Romane, hat er an diesen Erfolg anschließen können.


The Dusk of Horses

Right under their noses, the green
Of the field is paling away
Because of something fallen from the sky.

They see this, and put down
Their long heads deeper in grass
That only just escapes reflecting them

As the dream of a millpond would.
The color green flees over the grass
Like an insect, following the red sun over

The next hill. The grass is white.
There is no cloud so dark and white at once;
There is no pool at dawn that deepens

Their faces and thirsts as this does.
Now they are feeding on solid
Cloud, and, one by one,

With nails as silent as stars among the wood
Hewed down years ago and now rotten,
The stalls are put up around them.

Now if they lean, they come
On wood on any side. Not touching it, they sleep.
No beast ever lived who understood

What happened among the sun's fields,
Or cared why the color of grass
Fled over the hill while he stumbled,

Led by the halter to sleep
On his four taxed, worthy legs.
Each thinks he awakens where

The sun is black on the rooftop,
That the green is dancing in the next pasture,
And that the way to sleep

In a cloud, or in a risen lake,
Is to walk as though he were still
in the drained field standing, head down,

To pretend to sleep when led,
And thus to go under the ancient white
Of the meadow, as green goes

And whiteness comes up through his face
Holding stars and rotten rafters,
Quiet, fragrant, and relieved.







James Dickey (2. Februar 1923 – 19. Januar 1997)

Sonntag, 1. Februar 2009

Hugo von Hofmannsthal, Günter Eich

Der österreichische Schriftsteller, Dramatiker, Lyriker, Librettist Hugo von Hofmannsthal wurde am 1. Februar 1874 als einziges Kind eines Bankdirektors in Wien geboren. Noch als Gymnasiast veröffentlichte er, meist unter dem Pseudonym Loris, seine ersten Gedichte und das Versdrama Gestern, das seinen frühen Ruhm innerhalb des literarischen Wien begründete und ihm Einlaß in die Salons des gebildeten Wiener Großbürgertums verschaffte.
Er wurde in den Kreis der sogenannten Jung Wiener Literaten aufgenommen, die sich in den Wiener Cafés, vor allem im Griensteidl, trafen, unter ihnen Richard Beer-Hofmann, Arthur Schnitzler, Felix Salten, Karl Kraus und Hermann Bahr. Der deutsche Dichter Stefan George umwarb ihn. 1892 erschien Der Tod des Tizian in dessen 'Blättern für die Kunst', auch wurden dort in der Folgezeit Hofmannsthals berühmteste Gedichte wie Vorfrühling, Weltgeheimnis, Ballade des äußeren Lebens u.a. veröffentlicht, obwohl seine Beziehung zu George von Anfang an äußerst spannungsreich war.
An der Wiener Universität studierte Hofmannsthal zunächst Jura, dann romanische Philologie und promovierte 1898 mit einer Arbeit über den Sprachgebrauch bei den Dichtern der Plejade. Von nun an lebte er als freier Schriftsteller, vor allem für das Theater, zunächst in Beziehung zu Otto Brahms Berliner 'Freien Bühne', später in enger Zusammenarbeit mit Max Reinhardt. So entstanden die Kleinen Dramen in den neunziger Jahren des 19. Jhs. und dann, zu Beginn des 20. Jhs. Das gerettete Venedig, Elektra, Ödipus und die Sphinx, nach dem ersten Weltkrieg auch Komödien, Der Schwierige, Der Unbestechliche. Für den Komponisten Richard Strauss schrieb Hofmannsthal die Libretti Elektra, Der Rosenkavalier, Ariadne auf Naxos, Die Frau ohne Schatten und Arabella.
Zusammen mit Max Reinhardt begründete er in den zwanziger Jahren die Salzburger Festspiele und schrieb dafür die Dramen Jedermann und Das Salzburger Große Welttheater. Neben dern Erzählungen Das Märchen der 672. Nacht, Reitergeschichte, Das Erlebnis des Marschalls von Bassompierre, Lucidor und Die Frau ohne Schatten, ist der unvollendete Romanentwurf Andreas zu nennen. Bedeutend sind auch sein essayistisches Werk und die Erfundenen Gespräche und Briefe, vor allem der bekannte Brief des Lord Chandos, mit seiner Sprachkritik.



Dein Antlitz. . .

Dein Antlitz war mit Träumen ganz beladen.
Ich schwieg und sah dich an mit stummem Beben.
Wie stieg das auf! Daß ich mich einmal schon
In frühern Nächten völlig hingegeben

Dem Mond und dem zuviel geliebten Tal,
Wo auf den leeren Hängen auseinander
Die magern Bäume standen und dazwischen
Die niedern kleinen Nebelwolken gingen

Und durch die Stille hin die immer frischen
Und immer fremden silberweißen Wasser
Der Fluß hinrauschen ließ - wie stieg das auf !

Wie stieg das auf! Denn allen diesen Dingen
Und ihrer Schönheit - die unfruchtbar war -
Hingab ich mich in großer Sehnsucht ganz,
Wie jetzt für das Anschaun von deinem Haar
Und zwischen deinen Lidern diesen Glanz!





Der Jüngling in der Landschaft

Die Gärtner legten ihre Beete frei,
Und viele Bettler waren überall
Mit schwarzverbundnen Augen und mit Krücken
Doch auch mit Harfen und den neuen Blumen,
Dem starken Duft der schwachen Frühlingsblumen.

Die nackten Bäume ließen alles frei:
Man sah den Fluß hinab und sah den Markt,
Und viele Kinder spielen längs den Teichen.
Durch diese Landschaft ging er langsam hin
Und fühlte ihre Macht und wußte - daß
Auf ihn die Weltgeschicke sich bezogen.

Auf jene fremden Kinder ging er zu
Und war bereit, an unbekannter Schwelle
Ein neues Leben dienend hinzubringen.
Ihm fiel nicht ein, den Reichtum seiner Seele,
Die frühern Wege und Erinnerung
Verschlungner Finger und getauschter Seelen
Für mehr als nichtigen Besitz zu achten.

Der Duft der Blumen redet ihm nur
Von fremder Schönheit - und die neue Luft
Nahm er stillatmend ein, doch ohne Sehnsucht:
Nur daß er dienen durfte, freute ihn.





Ein Knabe stand ich

Ein Knabe stand ich so im Frühlingsglänzen
und meinte aufzuschweben in das All,
unendlich Sehnen über alle Grenzen
durchwehte mich in ahnungsvollem Schwall !
Und Wanderzeiten kamen, rauschumfangen !
Da leuchtete manchmal die ganze Welt,
und Rosen glühten, und die Glocken klangen
von fremdem Lichte jubelnd und erhellt:
Wie waren da lebendig alle Dinge
dem liebenden Erfassen nah gerückt,
wie fühlt' ich mich beseelt und tief entzückt,
ein lebend Glied im großen Lebensringe !
Da ahnte ich, durch mein Herz auch geleitet,
den Liebesstrom, der alle Herzen nährt,
und ein Genügen hielt mein Ich geweitet,
das heute kaum mir noch den Traum verklärt





Hofmannsthal
Hugo von Hofmannsthal (1. Februar 1874 – 15. Juli 1929)





Der deutsche Lyriker und Schriftsteller Günter Eich wurde am 1. Februar 1907 im märkischen Lebus geboren und studierte zwischen 1925 und 1932 an den Universitäten Berlin, Leipzig und Paris Sinologie, Jura und Volkswirtschaft. Während dieser Zeit publizierte er erste Gedichte in der u. a. von Klaus Mann herausgegebenen Anthologie jüngster Lyrik (1927) sowie die Sammlung Gedichte (1930). 1931 wurde das in Zusammenarbeit mit Martin Raschke 1929 entstandene Hörspiel Das Leben und Sterben des Sängers Caruso ausgestrahlt. 1932 erhielt Eich genügend Rundfunkaufträge, um als freier Schriftsteller existieren zu können: Bis Ende der dreißiger Jahre wurden 25 Hörspiele produziert. Vor allem der Hörfunk bot Eich die Möglichkeit, von der nationalsozialistischen Propaganda relativ unberührt tätig zu sein. 1942 machte eine Feldpostausgabe der 1935 in Das Innere Reich erstpublizierten traurig-schönen Liebesgeschichte Katharina den Dichter auch in Soldatenkreisen bekannt. 1939 musste Eich als Funker am 2. Weltkrieg teilnehmen und geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Dort kam er zur Zeitschrift Der Ruf, die von Alfred Andersch und Hans Werner Richter herausgegeben wurde. Durch den Kontakt zu Andersch und Richter wurde Eich Mitglied der Gruppe 47 und 1950 deren erster Preisträger. Den Einfluss der Naturlyrik Huchels spiegelt u. a. der Gedichtband Untergrundbahn von 1949. Die Auseinandersetzung mit der östlichen Kultur schlug sich u. a. in Anlässe und Steingärten (1966) nieder.



Mein Garten

Schön ist mein Garten mit den goldnen Bäumen,
Den Blättern, die mit Silbersäuseln zittern,
Dem Diamantentau, den Wappengittern,
Dem Klang des Gong, bei dem die Löwen träumen,
Die ehernen, und den Topasmäandern
Und der Volière, wo die Reiher blinken,
Die niemals aus dem Silberbrunnen trinken...
So schön,: ich sehn mich kaum nach jenem andern,
Dem andern Garten, wo ich früher war.
Ich weiß nicht wo... Ich rieche nur den Tau,
Den Tau, der früh an meinen Haaren hing,
Den Duft der Erde weiß und feucht und lau,
Wenn ich die weichen Beeren suchen ging . . .
In jenem Garten, wo ich früher war...




Inventur

Dies ist meine Mütze,
dies ist mein Mantel,
hier mein Rasierzeug
im Beutel aus Leinen.

Konservenbüchse:
Mein Teller, mein Becher,
ich hab in das Weißblech
den Namen geritzt.

Geritzt hier mit diesem
kostbaren Nagel,
den vor begehrlichen
Augen ich berge.

Im Brotbeutel sind
ein Paar wollene Socken
und einiges, was ich
niemand verrate,

so dient er als Kissen
nachts meinem Kopf.
Die Pappe hier liegt
zwischen mir und der Erde.

Die Bleistiftmine
lieb ich am meisten:
Tags schreibt sie mir Verse,
die nachts ich erdacht.

Dies ist mein Notizbuch,
dies ist meine Zeltbahn,
dies ist mein Handtuch,
dies ist mein Zwirn.








Günter Eich (1. Februar 1907 – 20. Dezember 1972)

Samstag, 31. Januar 2009

Stefan Beuse, Norman Mailer

Der deutsche Schriftsteller Stefan Beuse wurde am 31. Januar 1967 in Münster geboren. Beuse arbeitete nach dem Abitur in diversen Werbeagenturen u. a. als Fotograf, Texter und Berater sowie als Journalist u. a. für "Die Zeit" und "Die Welt". Heute schreibt er Erzählungen, Romane, Drehbücher sowie gelegentlich Buch- und Filmkritiken. Er erhielt neben einer Reihe von Stipendien 1998 und 2006 den Literaturförderpreis der Stadt Hamburg, 1999 den Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt und den GWK-Literaturförderpreis. Im Frühjahr 2005 war er Writer in residence an der Cornell University in Ithaca, New York. 2005 wurde unter der Regie von Till Endemann Kometen verfilmt. Beim 12. Internationalen Shanghai Film-Festival 2006 gewannen Stefan Beuse und Till Endemann für das Drehbuch zum Film den Magnolia-Award.

Aus: Meeres Stille

„Zwei Tage vor meinem Geburtstag ist meine Mutter mit dem gelben Sportcoupé meines Vaters in den Himmel geflogen. Es war ein sonniger Tag, und neben ihr lag alles, was ich mir gewünscht hatte: sieben Päckchen und eine Schultasche aus Leder.
In meinen Träumen habe ich oft gesehen, wie der gelbe Wagen über die Kante schießt, in einen ganz und gar wolkenlosen Himmel. Man hört das kurze Durchdrehen der Räder, das Zischen des Fahrtwindes und dann nichts mehr: ein plötzlicher Trichter aus Stille, jedes Geräusch im schwarzen Loch einer unendlich gedehnten Schrecksekunde.
Meine Mutter trägt das Kleid, das sie von meinem Vater zum Hochzeitstag bekommen hat, ein champagnerfarbenes Seidenkleid, das leuchtet, wenn Licht darauf fällt. Ihre Haare wehen hinter der Kopfstütze, Lack blitzt im Sonnenlicht, und als wäre die Schwerkraft plötzlich aufgehoben, lösen sich die Päckchen vom Beifahrersitz.
Der Wagen landet auf einem Felsvorsprung. Meine Mutter streckt die Arme nach den Geschenken aus, die in Zeitlupe vom Himmel fallen, rote, blaue, gelbe, mit Schleifen, ohne Schleifen. Sie weiß nicht, was sie zuerst fangen soll, und schließlich entscheidet sie sich für das schönste Paket: ein rot-gelb gestreiftes mit einer kleinen Windmühle dran. Sie hält es ans Ohr, schüttelt es und hört, wie es klappert. Dann schließt sie die Augen. Sie lächelt, weil sie sich freut, daß sie ein so schönes Geschenk für mich hat.
Ich nehme das Paket und bringe es an einen Ort, den niemand kennt. Jeden Tag hole ich das Geschenk aus seinem Versteck. Ich blase gegen die Windmühle, um zu sehen, wie sie sich dreht. Dann streiche ich über das Papier und schiebe das Paket zurück. Bald werde ich es öffnen."







Stefan Beuse (Münster, 31. Januar 1967)





Der amerikanische Schriftsteller Norman Mailer wurde am 31. Januar 1923 in New Jersey geboren und wuchs in Brooklyn auf. Er studierte bis zur Einberufung zum Militärdienst Bautechnik an der Universität Harvard. Die schrecklichen Kriegserlebnisse als Soldat an der Pazifikfront verarbeitete er zu seinem ersten erfolgreichen Roman: "Die Nackten und die Toten". Der politisch links orientierte Norman Mailer entwickelte sich zu einem scharfen Kritiker des US-Establishments. Für seine Reportage über die amerikanische Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg - "Heere aus der Nacht" - wurde er 1969 mit dem Pulitzerpreis geehrt, ebenso 1980 für den Tatsachenroman "Gnadenlos" (The Executioner’s Song) über einen Mörder und dessen Exekution.
Zuletzt hatte Mailer mit "Das Schloss im Wald" einen Roman über den jungen Adolf Hitler geschrieben. Mailer war insgesamt sechs Mal verheiratet, hatte neun Kinder und lebte zuletzt in Provincetown, Cape Cod.



Aus: The Executioner’s Song

„Gary, I feel bad too. I can’t understand taking a life for the amount of money you got.”
Gary replied, “I don’t know how much I got. What was there?”
Nielsen said, “It was $125, and in Provo, approximately the same amount.” Gary began to cry. He didn’t weep with any noise but there were tears in his eyes. He said, “I hope they execute me for it. I ought to die for what I did.”
“Gary, are you ready to?” Nielsen asked. “It doesn’t scare you?”
“Would you like to die?”
“Criminy,” said Nielsen, “no.”
“Me neither,” said Gilmore, “but I ought to be executed for it.”
“I don’t know,” said Nielsen; “there’s got to be forgiveness somewhere along the line.”
A little later, Gary made a private call to Brenda.
Brenda said, “Gary, you’re going to go down hard this time. You’re going to ride this one clear to the bottom.”
He said, “Man, how do you know I’m not innocent?”
“Gary, what’s the matter with your head?”
“I don’t know,” Gary said, “I must have been insane.”
Brenda asked, “What about your mother? What do you want me to tell her?”
He was quiet for a while. Then he said, “Tell her it’s true.”
Brenda said, “Okay. Anything else?”
“Just tell her I love her.”






Norman Mailer (31. Januar 1923 – 10. November 2007)

Suche

 

Status

Online seit 6148 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 23. Jan, 19:14

Credits

Zufallsbild

winterson

Counter


Weltliteratur
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren