Emil Zopfi, Svend Fleuron
Der Schweizer Schriftsteller Emil Zopfi wurde am 4. Januar 1943 in Wald geboren. Er studierte nach einer Berufslehre zum Fernmelde- und Elektronikapparatemonteur Elektrotechnik am Technikum Winterthur und arbeitete als Programmierer und Systemingenieur. Zopfi führt mit seiner Frau Christa Schreibwerkstatt-Kurse durch und arbeitet als Erwachsenenbildner. Er ist Autor von Romanen, Hörspielen, von Kinder- und Jugendbüchern, Bergmonographien und Texten über das Texten. Wiederkehrende Themen in seinen Büchern sind der Einfluss des Computers auf das moderne Leben, Bergsteigen, der frühe Unfalltod seiner Mutter (Lebensgefährlich verletzt) und Themen aus dem Kanton Glarus.
Aus: Londons letzter Gast
„Crick steigt mit einer Kerze in der Hand die steile Treppe ins Kellergeschoss hinab. Ein Gang führt weiter in ein modriges Gewölbe, das mit Spinnweben verhangen ist. Feuchtigkeit glitzert an den Mauern. Mit feierlicher Stimme kündigt er an: "Die grosse Maschine!"
Sie bleiben vor einem unförmigen Gebilde stehen, das mit fleckigen Leintüchern zugedeckt ist. Crick reisst sie mit einem Ruck weg, als ob er ein Denkmal enthülle. Kalkstaub rieselt zu Boden. Jedes Wort betonend sagt er: "Die grosse Maschine. Analytical Engine. Die grösste Denkleistung der Geschichte, materialisiert in einer genialen Konstruktion."
Alex erblickt im Kerzenlicht ein verrostetes Monstrum aus Zahnrädern, verstaubten Nockenscheiben, Wellen, senkrecht aufragenden Ziffernwalzen, Zahnstäben, die wie Spiesse nach allen Seiten in die Dunkelheit stechen. "Speicherstäbe, dezimal", erklärt Crick andächtig, beginnt eine Handkurbel zu drehen. Ächzend und klappernd setzt sich der Mechanismus in Bewegung, so mühsam und widerborstig, als habe er die letzten hundert Jahre vor sich hin gerostet. Das soll Zukunft sein? Der Mann ist vollkommen übergeschnappt. Warum hängt sich Ann an einen solchen Spinner? Ausgerechnet sie als Corporate Security Officer in einem High-Tech Unternehmen, das die modernste Technologie der Welt einsetzt.
Crick bekommt einen roten Kopf vor Anstrengung, japst nach Atem im Takt mit dem Rattern der Maschine, dreht mit beiden Händen am Kurbelrad, bis ihm die Kraft ausgeht. "Babbage wollte die Maschine mit Dampf antreiben. Darum prägte er die Metapher vom Rechnen mit Dampf." Crick ringt nach Luft und gibt auf. "Kommen Sie."
Emil Zopfi (Wald, 4. Januar 1943)
Der dänische Schriftsteller Svend Fleuron wurde am 4. Januar 1874 auf Gut Katrinedal geboren. Fleuron wuchs als Sohn eines Gutsbesitzers auf und schlug nach seiner Schulzeit die Offizierslaufbahn ein. Im Jahre 1921 nahm er seinen Abschied vom Militär und lebte fortan als Schriftsteller auf seinen Besitzungen. Mehrere Vortragsreisen führten ihn durch Dänemark und Deutschland. Fleuron wirkte als Natur- und vor allem als Tierschriftsteller, wobei er in seinen Texten weit über reine Tierschilderungen hinausging.
Aus: Strix, Die Geschichte eines Uhus (Übersetzt von Mathilde Mann)
Im Kampf mit einem Adler
„Es ist spät am Nachmittage.
Das fahle Licht des Wintertages wird noch fahler, die Dämmerung quillt förmlich aus den Wolken herab. Die Luft ist scharf, und der Ostwind, der seit Tagesgrauen geheult hat, nimmt mehr und mehr zu.
Strix sitzt in ihrer warmen Holzhütte tief unten in dem Bauch einer alten Esche ...
Der Wald, den sie vorgefunden hat, liegt tief zwischen Hügeln, und ist der letzte, von den einstmals so zahlreichen Wäldern in dem großen Fördendistrikt. Eine öde Gegend zieht sich zwischen ihm und der Heide hin — und auf der entgegengesetzten Seite, nur eine Meile entfernt, braust das Meer.
Strix schläft am Tage und träumt und sitzt unbeweglich, als sei sie ein großes unverzehrtes Stück von dem Mark des Baumes. Aber selbst im Schlaf hört sie und hat zuverlässige Empfindungen.
Den ganzen Tag hat die Kronenwölbung gebrummt. Ein surrender, orgeltiefer Laut ist von ihr ausgegangen. Es hat so hohl, so dumpf getönt ... das ist der Gesang des Schneegesauses.
Bald ein Menschenalter hat Strix nun gelebt und den Wechsel der Jahreszeiten verfolgt; sie kennt dies Sausen nur zu gut. Es wächst, wird stärker und stärker — und wie es zunimmt, 120 während der Abend zur Rüste geht, werden alle andern Laute gedämpft; ihre Klangfarbe wird ihnen genommen. Selbst die nächsten werden gleichsam von weitem weggezogen und klingen schließlich ganz fern. Das Bum-Bum der großen Wassermühle, das Knurren dieses wunderlichen, von Menschen geliebten Raubtieres, das sie zu hören gewohnt ist, wenn ein Ostwind weht, wird schwächer und schwächer; sie merkt auch kein Fallen von Zweigen mehr, und das Heulen und Knarren der Bäume ist ohne tönenden Schallboden; jegliches Geräusch und Getöse wird gleichsam von Federn aufgefangen.“
Svend Fleuron (4. Januar 1874 – 5. April 1966)
Aus: Londons letzter Gast
„Crick steigt mit einer Kerze in der Hand die steile Treppe ins Kellergeschoss hinab. Ein Gang führt weiter in ein modriges Gewölbe, das mit Spinnweben verhangen ist. Feuchtigkeit glitzert an den Mauern. Mit feierlicher Stimme kündigt er an: "Die grosse Maschine!"
Sie bleiben vor einem unförmigen Gebilde stehen, das mit fleckigen Leintüchern zugedeckt ist. Crick reisst sie mit einem Ruck weg, als ob er ein Denkmal enthülle. Kalkstaub rieselt zu Boden. Jedes Wort betonend sagt er: "Die grosse Maschine. Analytical Engine. Die grösste Denkleistung der Geschichte, materialisiert in einer genialen Konstruktion."
Alex erblickt im Kerzenlicht ein verrostetes Monstrum aus Zahnrädern, verstaubten Nockenscheiben, Wellen, senkrecht aufragenden Ziffernwalzen, Zahnstäben, die wie Spiesse nach allen Seiten in die Dunkelheit stechen. "Speicherstäbe, dezimal", erklärt Crick andächtig, beginnt eine Handkurbel zu drehen. Ächzend und klappernd setzt sich der Mechanismus in Bewegung, so mühsam und widerborstig, als habe er die letzten hundert Jahre vor sich hin gerostet. Das soll Zukunft sein? Der Mann ist vollkommen übergeschnappt. Warum hängt sich Ann an einen solchen Spinner? Ausgerechnet sie als Corporate Security Officer in einem High-Tech Unternehmen, das die modernste Technologie der Welt einsetzt.
Crick bekommt einen roten Kopf vor Anstrengung, japst nach Atem im Takt mit dem Rattern der Maschine, dreht mit beiden Händen am Kurbelrad, bis ihm die Kraft ausgeht. "Babbage wollte die Maschine mit Dampf antreiben. Darum prägte er die Metapher vom Rechnen mit Dampf." Crick ringt nach Luft und gibt auf. "Kommen Sie."
Emil Zopfi (Wald, 4. Januar 1943)
Der dänische Schriftsteller Svend Fleuron wurde am 4. Januar 1874 auf Gut Katrinedal geboren. Fleuron wuchs als Sohn eines Gutsbesitzers auf und schlug nach seiner Schulzeit die Offizierslaufbahn ein. Im Jahre 1921 nahm er seinen Abschied vom Militär und lebte fortan als Schriftsteller auf seinen Besitzungen. Mehrere Vortragsreisen führten ihn durch Dänemark und Deutschland. Fleuron wirkte als Natur- und vor allem als Tierschriftsteller, wobei er in seinen Texten weit über reine Tierschilderungen hinausging.
Aus: Strix, Die Geschichte eines Uhus (Übersetzt von Mathilde Mann)
Im Kampf mit einem Adler
„Es ist spät am Nachmittage.
Das fahle Licht des Wintertages wird noch fahler, die Dämmerung quillt förmlich aus den Wolken herab. Die Luft ist scharf, und der Ostwind, der seit Tagesgrauen geheult hat, nimmt mehr und mehr zu.
Strix sitzt in ihrer warmen Holzhütte tief unten in dem Bauch einer alten Esche ...
Der Wald, den sie vorgefunden hat, liegt tief zwischen Hügeln, und ist der letzte, von den einstmals so zahlreichen Wäldern in dem großen Fördendistrikt. Eine öde Gegend zieht sich zwischen ihm und der Heide hin — und auf der entgegengesetzten Seite, nur eine Meile entfernt, braust das Meer.
Strix schläft am Tage und träumt und sitzt unbeweglich, als sei sie ein großes unverzehrtes Stück von dem Mark des Baumes. Aber selbst im Schlaf hört sie und hat zuverlässige Empfindungen.
Den ganzen Tag hat die Kronenwölbung gebrummt. Ein surrender, orgeltiefer Laut ist von ihr ausgegangen. Es hat so hohl, so dumpf getönt ... das ist der Gesang des Schneegesauses.
Bald ein Menschenalter hat Strix nun gelebt und den Wechsel der Jahreszeiten verfolgt; sie kennt dies Sausen nur zu gut. Es wächst, wird stärker und stärker — und wie es zunimmt, 120 während der Abend zur Rüste geht, werden alle andern Laute gedämpft; ihre Klangfarbe wird ihnen genommen. Selbst die nächsten werden gleichsam von weitem weggezogen und klingen schließlich ganz fern. Das Bum-Bum der großen Wassermühle, das Knurren dieses wunderlichen, von Menschen geliebten Raubtieres, das sie zu hören gewohnt ist, wenn ein Ostwind weht, wird schwächer und schwächer; sie merkt auch kein Fallen von Zweigen mehr, und das Heulen und Knarren der Bäume ist ohne tönenden Schallboden; jegliches Geräusch und Getöse wird gleichsam von Federn aufgefangen.“
Svend Fleuron (4. Januar 1874 – 5. April 1966)
froumen - 4. Jan, 18:36